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Titel
Iberia Pontificia. Vol. III. Provincia Toletana: Dioecesis Palentina


Autor(en)
Berger, Daniel
Reihe
Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia 3
Erschienen
Göttingen 2015: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
189 S.
Preis
€ 70,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias M. Tischler, ICREA/Universitat Autònoma de Barcelona

Das von dem großen deutschen Mediävisten und Wissenschaftsorganisator Paul Fridolin Kehr (1860–1944) bereits 1896 initiierte sog. Göttinger Papsturkundenwerk, die Regesta Pontificum Romanorum1, waren über Jahrzehnte auf die alte (karolingische) Reichstrias Italia, Germania und Gallia fokussiert. Seit etwa zehn Jahren wird dieser traditionelle Blick auf die Kontakte der Einrichtungen der Kirche (Bistümer, Klöster, Stifte, …) zum römischen Papsttum bis 1198 jedoch zugunsten eines dem ‚globalen‘ Machtanspruch des Bischofs von Rom sehr viel besser entsprechenden gesamteuropäischen Panoramas überwunden. Hatte Kehr selbst für die Abteilung Italia Pontificia ganze acht Bände verfasst und für die Iberia Pontificia mit den Unterabteilungen Hispania Pontifica (Spanien; zusammen mit Peter Rassow, Walther Kienast, Josep Rius [Serra] und Pascual Galindo [Romeo]) und Lusitania Pontificia (Portugal; durch Carl Erdmann) wichtige Vorstudien geleistet, so gelangten seine und die weiteren Vorarbeiten seines Nachfolgers Odilo Engels, etwa die Arbeiten zu den Kirchenprovinzen Santiago de Compostela und Toledo, nicht zur Publikationsreife. Auch die Bistümer Kataloniens und des angrenzenden südfranzösischen Septimaniens, die von den Engels-Schülern Ludwig Vones (für die Iberia Pontificia) und Ursula Vones-Liebenstein (für die Gallia Pontificia) betreut werden, sind bislang nicht abschließend bearbeitet worden. Daher waren Wissenschaftler, die zu Kontakten zwischen kirchlichen Institutionen auf der Iberischen Halbinsel und dem Papsttum forschen wollten, bislang auf das Repertorium von Demetrio Mansilla Reoyo von 19552 bzw. auf Harald Zimmermanns Quellenedition von 1984–19893 angewiesen oder mussten sich ihre Informationen über diese und noch spätere Beziehungen mit dem Papsttum gar aus der weit verstreuten Spezialliteratur mühsam zusammentragen. Diese deplorable Situation hat sich mit dem seit 2007 an der Göttinger Akademie der Wissenschaften angesiedelten Projekt „Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters“ grundlegend geändert. Seitdem wird nicht nur der päpstliche Einfluss in den Peripherien West- und Osteuropas untersucht, sondern auch die bereits früher bestehende Zusammenarbeit mit auswärtigen Bearbeitern intensiviert. Das schon seit 2004 von dem Engels-Schüler Klaus Herbers geleitete Projekt hat inzwischen mehrere Bände veröffentlichen können, so die von Daniel Berger bzw. von Santiago Domínguez Sánchez zusammen mit Daniel Berger bearbeiteten Bände 1 und 2 der Iberia Pontificia zu den Diözesen Burgos4 und León5, den hier zu besprechenden Band 3 zum Bistum Palencia, zu dem es bislang gar keine Vorarbeiten gab, und unlängst den von José Luis Martín Martín und Frank Engel bearbeiteten Band 4 zu den Diözesen Ávila, Salamanca, Coria, Ciudad Rodrigo und Plasencia.6

Nach den beiden Einleitungen des Reihenherausgebers Klaus Herbers (S. VIIf.) und des Bandbearbeiters Daniel Berger (S. IXf.), dem Inhaltsverzeichnis (S. XI) und den Verzeichnissen der in den Regesten genannten Päpste, Kardinäle und päpstlichen delegierten Richter (S. XIII–XXI) sowie der sich an die Päpste, den Heiligen Stuhl oder dessen Legaten bzw. delegierte Richter wendenden Bittsteller (S. XXII–XXIV) folgt der eigentliche Regestenteil (S. 1–168), der schließlich von einem Abkürzungs- (S. 169–171) sowie Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 173–189) abgerundet wird. Der Band erschließt zum ersten Mal sämtliche Kontakte der kirchlichen Institutionen und Personengruppen der Diözese Palencia mit dem Papsttum bis 1198, die erst nach 1100 stark zunehmen, so neben denen des kurz vor 1035 wiedererrichteten Bistums und seiner Kathedrale etwa diejenigen der bedeutenden spanischen Cluniazenserpriorate San Zoilo de Carrión de los Condes (S. 104–112), San Isidro de Dueñas (S. 113f.) und San Martín de Frómista (S. 115f.). Unter den 266 Regesten finden sich 14 bislang unedierte Stücke.

In einer Zeit, in der gerne eine methodische und thematische Novität nach der anderen durch das globale Dorf der Wissenschaft getrieben wird, nimmt man mit großer Genugtuung die solide Grundlagenarbeit zur europäischen Papstgeschichte, einem wirklich zentralen Thema der Mediävistik, zur Kenntnis. Ihre absolute Notwendigkeit kann nur einmal mehr betont werden, erheben doch die Bände des Papstregesten-Werkes auch den Anspruch auf größtmögliche Vollständigkeit bei den Quellen- und Literaturangaben zu den behandelten kirchlichen Institutionen, so dass sie in dieser Hinsicht auch nützliche (oft aber vergessene) Nachschlagewerke für die regionale und lokale Institutionen-, Bildungs- und Schulgeschichte darstellen. Zudem kann nur begrüßt werden, dass die Bände weiterhin auf Latein verfasst sind, ist dieses für das okzidentale Mittelalter essentielle Idiom doch die einzige Sprache, die Europas kulturelle Vielfalt überwölben und dem gegenwärtigen Sprachimperialismus des Englischen etwas entgegenhalten kann.

In der auf den ersten Blick fehlerfrei erscheinenden Publikation ist nicht überall allerletzte Hand angelegt worden. Bisweilen finden sich falsche Trennungen („Ra-/imundus“, S. 23 Z. 6f.; „pra/ebendas“, S. 120 Z. 23f.; „Utcu-/mque, S. 155 Z. 30f.), „Archi-/vberichte“, S. 181 Z. 4f.), in der Bibliographie irrtümliche Einordnungen im Alphabet („Le Liber censuum …“, S. 181; „Rubio Sadia, Juan Pablo …“ unter „S“, S. 186) und zumindest eine falsche Seitenangabe („p. 347–372“ statt „p. 335–360“ bei „Vones, Ludwig, Päpstlicher Legat …“, S. 189). Neben der 1974 zu den Cluniazenserklöstern in Nordspanien erschienenen klassischen Monographie von Peter Segl sollte stets auch sein ergänzender Aufsatz von 1998 zitiert werden.7

Es bleibt zu hoffen, dass auch die restlichen Bände der im Göttinger Projekt zu bearbeitenden Diözesen Nordspaniens recht bald erscheinen werden, so dass auch die Romkontakte der darin behandelten wichtigen nordspanischen Kathedralen, Klöster und Stifte bis kurz vor 1200 wissenschaftlich zuverlässig aufgearbeitet sein werden. Das Erscheinen des von Thomas Czerner betreuten Bandes zur nordspanischen Diözese Pamplona mit den wichtigen Klöstern San Salvador de Leyre und Santa María la Real de Irache, Santa María la Real de Iranzu und Santa María de la Oliva ist erfreulicherweise für 2017 angekündigt. In Bearbeitung befinden sich die Bände zu den Bistümern Calahorra (mit den bedeutenden Klöstern San Millán de la Cogolla und San Martín de Albelda sowie dem Stift und späteren Cluniazenserpriorat Santa María la Real de Nájera) durch Frank Engel8, Huesca/Jaca (mit den wichtigen Klöstern San Juan de la Peña und Jesús Nazareno de Montearagón) durch Thomas Czerner sowie Segovia durch Daniel Berger.

Anmerkungen:
1 Rudolf Hiestand, 100 Jahre Papsturkundenwerk, in: ders. (Hrsg.), Hundert Jahre Papsturkundenforschung. Bilanz – Methoden – Perspektiven, Göttingen 2003, S. 11–46.
2 La documentación pontificia hasta Inocencio III (965–1216), Roma 1955.
3 Papsturkunden 896–1046, Bd. 1–3, Wien 1984 [2. Aufl. 1988], 1985 [2. Aufl. 1989] und 1989.
4 Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia 1: Dioeceses exemptae: Dioecesis Burgensis, Göttingen 2012.
5 Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia 2: Dioeceses exemptae: Dioecesis Legionensis, Göttingen 2013.
6 Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia 4: Provincia Compostellana: Dioeceses Abulensis, Salmanticensis, Cauriensis, Civitatensis, Placentina, Göttingen 2016.
7 Peter Segl, Die Cluniacenser in Spanien – mit besonderer Berücksichtigung ihrer Aktivitäten im Bistum León von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Giles Constable / Gert Melville / Jörg Oberste (Hrsg.), Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, Münster in Westfalen 1998, S. 537–558.
8 Carolina Carl, A Bishopric Between Three Kingdoms. Calahorra 1045–1190, Leiden 2011.

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