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Titel
Domitian. Auffassung und Ausübung der Herrscherrolle des letzten Flaviers


Autor(en)
Ley, Jochen O.
Erschienen
Anzahl Seiten
313 S.
Preis
€ 40,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jack W.G. Schropp, Zentrum für Alte Kulturen, Universität Innsbruck

Die zur Drucklegung gebrachte Dissertation von Jochen O. Ley ist keine klassische Biographie, wie man es beim Lesen des Titels erwarten würde. Es handelt sich um eine nach Rubriken geordnete Untersuchung der domitianischen Herrschaftspraxen. Nach einer Einleitung (S. 5–36) und einem Kapitel zum paradoxalen Verhältnis von Monarchie und Republik (S. 37–49) folgt das auf drei Kapitel verteilte Kernstück des Buches: In Kapitel drei werden die herrschaftlichen Repräsentationsformen und administrativen Maßnahmen Domitians beschrieben (S. 51–110), worauf sich im vierten Kapitel eine Analyse der literarischen Wahrnehmungsebenen seiner Person anschließt (S. 111–176), was durch eine Betrachtung der Kommunikationswege zwischen Kaiser und der höfischen sowie senatorischen Interaktionsgruppen im fünften Kapitel abgerundet wird (S. 177–243).

Oberstes Ziel der Arbeit ist eine grundlegende Rehabilitierung des letzten flavischen Kaisers, indem „ein faktenbasiertes und realistisches Bild“ der Herrschaftsauffassung und -ausübung skizziert wird (S. 10). Zunächst ist der Vorstoß, strukturgeschichtliche mit biographischer Forschung verbinden zu wollen, zu begrüßen und stellt seit dem beachtenswerten Vorwort Aloys Winterlings im Band „Zwischen Strukturgeschichte und Biographie“ ein offenes Problem in der Gesamterfassung einer Kaiserfigur dar.1 Der Einfluss Winterlings ist auch durchweg spürbar, dessen Überlegungen für Ley die theoretische Basis zur Bewertung der Rollen des Kaisers und des Senats bilden. Dennoch hätte es einer näheren Beschreibung seines neueingeführten Erklärungsprinzips für herrschaftliches Verhalten im soziopolitischen Kontext der domitianischen Herrschaft bedurft (vgl. S. 5). Nur selten wird angedeutet, was mit der Bezeichnung Comment konkret gemeint sein soll.

Ähnlich verhält es sich mit den Quelleninterpretationen Leys, welche öfters einen ambivalenten Anstrich haben. Er zeigt sich darin, dass Positives und Nüchternes in der Überlieferung zu Domitian für authentisch gehalten, Negatives und Kritisches als literarische Fiktion und unwahres Gerücht abgetan wird. Darum überrascht es nicht, dass durch sein forciertes Argumentieren, die Ergebnisse zwangsläufig auf ein einseitiges Domitianbild zulaufen, was aber dem Kaiser als Person nicht gerecht wird.2 Das Fehlen sowohl einschlägiger als auch neuester Untersuchungen, vor allem bei der Bewertung der Arbeitsweise der antiken Literaten, machen die Arbeit zusammen mit zahlreichen über das ganze Buch verstreuten formalen Fehlern zu einer wenig empfehlenswerten Lektüre.3 Dem Domitiankenner sei deshalb immer noch die gängigen Standardwerke zu diesem letzten flavischen Kaiser ans Herz gelegt.4

Anmerkungen:
1 Aloys Winterling, Zu Theorie und Methode einer neuen Römischen Kaisergeschichte, in: Aloys Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie: Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte zur Zeit von Augustus bis Commodus, München 2011, S. 1–11, hier S. 8.
2 Siehe zu diesem Problem bei den Rehabilitierungsversuchen der entsprechenden Kaiser: Dieter Timpe, Moderne Konzeptionen des Kaisertums, in: Aloys Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie: Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte zur Zeit von Augustus bis Commodus, München 2011, S. 127–159, hier S. 146–148.
3 Es mögen wenige Beispiele genügen: Fehler auf S. 44, Z. 7: „um warum er als pessimus galt“, S. 85, Anm. 372: „Buerteilung“, S. 86, Z. 5: „unterstützen Städte“, S. 289 bei Eck 1981 „Gnomom“, S. 304 bei Seelentag 2004 „Stutgart“; Doppelungen auf S. 51, Z. 13: „sowie die die Ausrichtung von Spielen“, S. 84, Z. 1: „zehn kamen nicht nicht aus Italien“; S. 116 Anm. 555 „beliebbeliebtes“; unvollständige Sätze, wie bei S. 53, Z. 20: „nach dem Brand [im Jahr] 80, um“, bei S. 111, Z. 11: „Nicht unterschätzt darf dabei [werden], dass […]“, bei S. 127, Z. 13: „Mit dem ihm eigenen, einzigartigen Verständnis vom rechten Maß brachte [er] die Legion auf den richtigen Kurs.“ Bei einer Kontrolle der Quellenindices fiel zudem auf, dass die Seitenangaben falsch sind (vgl. S. 255–262): so findet sich z.B. Iuv. sat. 4.105 nicht auf S. 200, sondern auf S. 196, Anm. 976; Suet. Dom. 14.4 nicht auf den S. 205 u. 206, sondern auf den S. 200, Anm. 1009 u. 201, Anm. 1016 oder Mart. 8.2 nicht auf S. 146, sondern auf S. 144, Anm. 717; gleiches gilt für das sog. Bestallungsgesetz Vespasians (CIL VI 930), das auf S. 234 und nicht S. 239 zu finden ist.
4 Einen Überblick dazu gibt: Dirk Schnurbusch, Rationalität und Irrationalität. Die Flavier in der Sicht der biographischen Forschung, in: Aloys Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie: Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte zur Zeit von Augustus bis Commodus, München 2011, S. 277–294, hier S. 286–289 u. 292–294; überraschenderweise von Ley nicht zitiert. In den letzten Jahren sind weitere deutschsprachige Dissertationen erschienen, die sich Domitian bzw. der flavischen Dynastie widmen: Ute Schall, Domitian. Der römische Kaiser und seine Zeit, Hamburg 2011; Jens Gering, Domitian. dominus et deus? Herrschafts- und Machtstrukturen im Römischen Reich zur Zeit des letzten Flaviers, Rahden 2012; Christina Ruff, Ne quid popularitatis augendae praetermitteret. Studien zur Herrschaftsdarstellung der flavischen Kaiser, Marburg 2012; Johanna Leithoff, Macht der Vergangenheit. Zur Erringung, Verstetigung und Ausgestaltung des Principats unter Vespasian, Titus und Domitian, Göttingen 2014. Und ganz allgemein erfreut sich die Zeit der Flavier gegenwärtig einer großen Beliebtheit, vgl. z.B. Norbert Kramer / Christiane Reitz (Hrsg.), Tradition und Erneuerung. Mediale Strategien in der Zeit der Flavier, Berlin 2010; Sophia Bönisch-Meyer u.a. (Hrsg.), Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich, Tübingen 2014; Ulisse Morelli, Domiziano. Fine di una dinastia, Wiesbaden 2014; Andrew Zissos (Hrsg.), A Companion to the Flavian Age of Imperial Rome, Chichester 2016.

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