Cover
Titel
M. Fulvius Nobilior. Politik und Kultur in der Zeit der Mittleren Republik


Autor(en)
Walther, André
Reihe
Studien zur Alten Geschichte 22
Erschienen
Heidelberg 2016: Verlag Antike
Anzahl Seiten
302 S.
Preis
€ 67,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernhard Linke, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Die Innenpolitik der mittleren römischen Republik – vor allem in der Zeit zwischen 200 und 167 v.Chr. – hat in den zurückliegenden Jahren wieder stärker die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen. Dabei lag der Fokus aber zumeist auf Aspekten der mittleren bis längeren Reichweite: Die demokratischen Komponenten des politischen Systems, die Ritualsierung der Kommunikation oder die Strukturen der Memorialkultur. Zudem wurde öfters die Entwicklung der Nobilität als Ganzes im 2. Jahrhundert v.Chr. in den Blick genommen. Die vorliegende Studie weicht davon ab, da sie eine biographie-basierte Fallstudie zu dieser Epoche bietet. Möglich ist dies, weil wir über den Protagonisten M. Fulvius Nobilior eine beachtliche Zahl von Informationen besitzen, die in eine Rekonstruktion seines politischen Werdegangs einfließen können. Darüber hinaus werfen sie auch Schlaglichter auf verschiedene grundsätzliche Entwicklungen in dieser Zeit, die dadurch für uns eine klarere Kontur erhalten.

Das Buch von Walther zerfällt in zwei Teile. Im ersten Teil (S. 18–143) folgt es einem streng biographischen Ablauf von der Jugend Nobiliors bis zu seinem Tod. Im zweiten werden dann einzelne übergreifende Aspekte, wie die Entwicklung der Spiele oder der Literatur in der Zeit, behandelt (S. 144–258). Zu Beginn geht der Autor eher knapp auf die familiäre Herkunft von Nobilior ein (S. 18–22). Auf wenigen Seiten wird auf die Vorfahren der Familie verwiesen, die schon früher das Konsulat erreicht hatten. Die Nobiliores seien aber ein recht junger Zweig der gens Fulvia gewesen, die sich als plebejische Familie schon seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert v.Chr. etablieren konnte und damit zu den erfolgreichsten Aufsteigern nach den Ständekämpfen zählte.

Danach widmet sich der Autor der Rekonstruktion der politischen Biographie seines Protagonisten beginnend mit der letztlich nicht endgültig zu lösenden Frage, ob Nobilior 198 v.Chr. das Volkstribunat bekleidet hatte. Das erste längere Kapitel befasst sich dann mit der kurulischen Ädilität, die Fulvius Nobilior 196 zusammen mit C. Flaminius ausübte (S. 26–42), wobei vor allem die Bereitstellung von günstigem Getreide und der Verortung dieser politischen Strategie in der gesellschaftlichen Entwicklung untersucht wird. Anschließend wird die Prätur, die beide parallel in den spanischen Provinzen zwischen 193 und 191 v.Chr absolvierten, dargestellt (S. 43–57). Beide agierten offensiv, wobei Nobilior im Süden weiter vordrang als alle seine Vorgänger, ohne allerdings letztlich strukturelle Erfolge zu erzielen. Walther sieht in dieser Phase eine klare Zusammenarbeit der beiden und eine gute Koordination ihrer Kriegszüge, die auf ein solides Einvernehmen der beiden schließen lasse. Hauptziel der beiden waren nicht nur hohe Beutesummen, sondern auch eine gemeinsame Strategie, wenn diese auch letztendlich nicht wirklich langfristige Erfolge hatte.

Nach seiner Ovatio für die Kämpfe in Spanien wird in einem biographischen Kernkapitel die Tätigkeit als Konsul und der Krieg gegen die Ätoler von 189 bis 188 v.Chr. dargestellt (S. 57–93). Der Konflikt gestaltete sich schwieriger als gedacht. Walther sieht es als Verdienst von Nobilior an, dass er unter diesen Umständen das Beste daraus gemacht hat. Er kann aber auch auf diesem Kriegsschauplatz keine bahnbrechenden Leistungen von Nobilior erkennen. Der wichtigste Erfolg blieb die Einnahme der Stadt Ambrakia, die jedoch zum Ausgangspunkt für innenpolitische Angriffe wurde.

Diesen Angriffen, die von M. Aemilius Lepidus ausgingen, ist ein weiteres Schwerpunktkapitel gewidmet (S. 94–125). Der Ursprung der Konflikte wurde schon in der Antike in der Tatsache gesehen, dass Nobilior unter seiner Wahlleitung die Wahl von Lepidus zum Konsul ganz offen hintertrieben hatte. Als Lepidus dann doch 187 v.Chr. – interessanterweise mit C. Flaminius zusammen – in das höchste Amt gelangte, nahm er offensichtlich Rache an Nobilior, indem er dessen Wunsch nach einem Triumph seinerseits zu torpedieren suchte.

Über die weiteren politischen Aktivitäten von Nobilior sind wir mit Ausnahme seiner Censur 179 v.Chr. kaum unterrichtet. In dieses Amt wurde er ausgerechnet mit Lepidus zusammen gewählt, so dass die antiken Berichte ausführlich auf die mühsame Suche nach einer gemeinsamen Arbeitsbasis im Rahmen einer öffentlichen Aussöhnung eingehen. Warum das römische Volk diese bemerkenswerte Kombination gewählt hatte, danach wird in der Darstellung von Walther zum Ablauf der Censur (S. 127–137) nicht weiter gefragt.

Mit diesem Höhepunkt der politischen Laufbahn endet auch der biographisch geprägte Teil der Darstellung. Mit einem Abschnitt zur Ädilität und zur Entwicklung der ludi romani geht der Autor dann zur Analyse einzelner politischer und kultureller Phänomene über (S. 144–163). Im Kern vertritt er dabei die These, dass die Spiele in ihrer öffentlichen Substanz wesentlich stärker religiös geprägt waren, als oft angenommen wird, und dies auch ein wichtiges Motiv für die häufigen Wiederholungen der Spiele war, die sich seit dem zweiten Punischen Krieg beobachten lassen. Erst mit Nobilior sieht Walter dann innovative Impulse, die den Spielen eher politischen Charakter gegeben hätten. Einen ähnlichen Zäsuraspekt durch das Wirken des Nobilior konstatiert er auch für die ludi votivi, also die Spiele, die ein Feldherr im Krieg gelobte (S. 164–179). Dabei kam der Einschnitt allerdings als negative Reaktion auf die politischen Ambitionen von Nobilior zustande. Die Begrenzung des Aufwandes für seine Spiele durch den Senat hätte grundsätzlichen und wegweisenden Charakter gehabt, wie ein späterer Verweis auf diese Obergrenze zeige.

Die auffälligste und in der Forschung meist diskutierte Verknüpfung des Nobilior mit dem kulturellen Leben Roms ist jedoch ohne Zweifel die Verbindung mit dem Dichter Ennius, der zu den wichtigsten literarischen Gestalten des 2. Jahrhunderts v.Chr. gehörte. Entsprechend ausführlich wird diese Beziehung auch von Walther besprochen (S. 180–207). Während in der Forschung oft eine exklusive Bindung des innovativen Dichters an Nobilior unterstellt wird, vertritt der Autor die These, dass Ennius wesentlich unabhängiger agierte. Er sei kein ‚Hofdichter‘ eines Adligen gewesen, in dessen clientela er sich befunden habe, sondern hätte Aufträge von verschiedenen nobiles angenommen, in deren Kreis er sich souverän bewegt habe. So seien auch gute Verbindungen zu den Scipionen und auch zu Cato nachweisbar. So entstehe das Bild eines ‚working poet‘.

Auf die Analyse der literarischen Konstellation zu Beginn des 2. Jahrhunderts v.Chr. folgt als letzter und sehr ausführlich behandelter Schwerpunkt der Bau des Tempels für den Herkules Musarum (S. 208–247). Während ältere Interpretationen diesen Tempel immer wieder als Treffpunkt von Dichtern und damit als Fokus des literarischen Lebens interpretiert haben, sieht Walther im Bau eher eine konventionelle Fortsetzung der Selbstdarstellung römischer Feldherrn in Rom, der in Konkurrenz mit den Bauwerken von Lepidus trat. Eine bilanzierende Übersicht zu den Kulturaktivitäten (S. 248–255) und ein kurzes Fazit zum Verhältnis von Politik und Kultur in der Mittleren Republik (S. 256–258) beschließen das Buch.

André Walther hatte den Mut, sich mit seiner biographischen Studie in eine Epoche zu begeben, in der bis heute die Rekonstruktionen in der Forschung eher von strukturellen Kontinuitäten geprägt sind. Diesen monolithischen Ansatz möchte er durch die Analyse der Dynamik einer individuellen Biographie überwinden. Dies ein wichtiger und notwendiger Ansatz, um die Erstarrung der politischen Analyse zu dieser Epoche aufzubrechen. Dabei gelingen dem Autor auch interessante Einsichten, so zum Beispiel zur Bedeutung des billigen Getreides während der Ädilität. Die Voraussetzung für dieses attraktive Angebot ging nach seiner Meinung nicht nur auf die guten Beziehungen von Flaminius nach Sizilien zurück, sondern auch auf die Kontakte des Stiefvaters von Nobilior, C. Valerius Laevinus, der in der Region lange Promagistrat war. Walther belässt es aber nicht nur bei diesen Vermutungen, sondern bietet dem Leser auch anregende Bemerkungen für die Wahlen in diesem Zusammenhang: Wer mit billigem Getreide um die unteren Centurien durch Getreidespenden wirbt, schätzt seine Chancen offensichtlich als eher gering ein, da er in einer starken Konkurrenz, wenn überhaupt erst zum Schluss von nicht so wohlhabenden Bürgern gewählt zu werden hofft (S. 39–40). Hierin könnten auch die Gründe eines politischen Zusammengehens mit einem Außenseiter wie Flaminius gelegen haben. Doch nutzt der Autor diese klugen Überlegungen zu politischen Strategien nicht zu einer Reflexion der größeren Kontexte des Politischen in dieser Zeit. Stattdessen kehrt er relativ schnell in die konventionellen Deutungen zurück.

Diese Scheu vor der Entwicklung eines weitergreifenden Bildes dürfte wohl auch der Grund für die ungewöhnliche Entscheidung gewesen sein, das Buch zweizuteilen. Für den Leser hat dieser Aufbau den großen Nachteil, dass er die vertiefenden Untersuchungen zu den einzelnen Aspekten selbst in die Zeit und ihre Veränderungen einfügen muss. Letztlich ergibt sich kein schlüssiges Bild aus den Einzelteilen, die nur lose mit dem biographischen Teil verbunden sind. Das Bemühen von Walther, das Wirken seines Protagonisten mehrere Male als Wendepunkt der Entwicklung darzustellen, wirkt nicht immer überzeugend. Warum die Spiele, die schon vorher wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Meinung hatten, vor Nobilior nur eine religiöse Konnotation besessen haben sollen und erst durch ihn politisiert wurden, erschließt sich dem Leser nicht. Auch im Fall Ennius bleibt die spannende Konturierung eines unabhängigen Intellektuellen, der offensichtlich das Zeug zu einem eigenständigen literarischen ‚Spin-doctor‘ für verschiedene Aristokraten hatte, aus dem Kontext gerissen. Dadurch wird das Potential einer innovativen Einbettung in die Zeit deutlich verringert.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Leser mit dem Buch von Walther eine hoch interessante Thematik präsentiert bekommt, die im besten Sinne solide umgesetzt wird. Die antiken Quellen wie die moderne Forschung werden dabei fachkundig und umfangreich in die Rekonstruktion einbezogen. An nicht wenigen Stellen finden sich gute und weitertragende Überlegungen zum politischen und kulturellen Leben der römischen Republik. Doch leider hat sich der Autor durch die Zweiteilung des Buches dazu entschlossen, das endgültige Zusammenfügen der Bestandteile dem Leser zu überlassen.

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