F. Brückner: In der Literatur unbesiegt. Werner Beumelburg (1899–1963)

Cover
Titel
In der Literatur unbesiegt. Werner Beumelburg (1899–1963) – Kriegsdichter in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus


Autor(en)
Brückner, Florian
Reihe
Zeit und Text 23
Erschienen
Münster 2017: LIT Verlag
Anzahl Seiten
534 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Postert, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V., Technische Universität Dresden

Der Kriegsliterat und Publizist Werner Beumelburg gilt als weitgehend vergessene Schriftstellergestalt der Zwischenkriegszeit. Erstaunlich, denn dem Einfluss von Autoren wie Ernst Jünger, Ernst von Salomon oder Franz Schauwecker stand Beumelburg am Ende der 1920er-Jahre nicht nach. Als ehemaliger Kriegsfreiwilliger war es Beumelburg mit seinen Bestsellern gelungen, den politischen Mythos und die Kultur des Frontsoldatentums nach 1918 maßgeblich mitzugestalten. Anders als im Falle von Jünger und Salomon konnte später allerdings kein Zweifel aufkommen, wie er sich in der NS-Diktatur positioniert hatte – einer der Gründe dafür, dass sein Werk in Vergessenheit geriet.

Florian Brückner hat es sich in seiner Dissertation zur Aufgabe gemacht, den vergessenen Kriegsdichter ins wissenschaftliche Scheinwerferlicht zu rücken. Er hat es allerdings nicht bei einer reinen Biographie belassen. Es ist nicht zuletzt ein Buch über ein literarisches Genre der Zwischenkriegszeit geworden. Brückner geht darin den Fragen nach, was den typischen Kriegsroman dieser Zeit ausmachte, welche politischen Botschaften mithilfe von Literatur transportiert wurden und wodurch Beumelburgs Publikumserfolg begründet lag, und nicht zuletzt wie solche Schriften rezipiert wurden. Ergiebig wird die Studie insbesondere dort, wo sie die Verschränkung zwischen Literatur und Politik erkundet und wo der Frage nachgegangen wird, wie sich Literatur in politische Macht transformierte. Schließlich handelt es sich bei Werner Beumelburg nicht nur um einen der produktivsten Kriegsliteraten des nationalistischen Spektrums, sondern auch um einen politisch vernetzten Akteur.

Brückners Untersuchung beginnt klassisch mit biographischen Kapiteln über die jungen Jahre, beginnend mit der Geburt Beumelburgs in Traben-Trarbach an der Mosel 1899, dem bürgerlich-familiären Umfeld und seiner politischen Sozialisation im Ersten Weltkrieg. Brückner zeigt die Kontinuität zwischen früher Feldkorrespondenz eines Soldaten während des Kriegs und späterer Kriegsliteratur des Protagonisten eindrücklich auf – dessen „realistisch-gewaltverherrlichende Erzählweise“, wie Brückner betont, habe nicht etwa „Friedenserziehung“ bezweckt, sondern die „Bewältigung dieser ästhetisierten Hölle […] als Charakterschule männlicher Tugendhaftigkeit“ beschworen (S. 67). In dieser Hinsicht unterschied er sich wenig von diversen anderen rechten Schriftstellern nach 1918. Sodann folgt Brückner überzeugend Beumelburgs Weg vom Nachkriegsjournalisten zum gefeierten Literaten, wobei er erhellend frühe Netzwerkbildungen beispielsweise im jungkonservativen Juniklub bis hin zum Reichsarchiv in Potsdam thematisiert, in dessen Auftrag Beumelburg einige propagandistische Bücher über den Weltkrieg publizierte. Brückner nimmt sich an diesen Stellen viel Raum, um die Genese eines bestimmten Autorentyps nachzuzeichnen, den er als „Kriegsdichter“ (S. 95f.) charakterisiert – Namen wie Ernst Jünger oder Franz Schauwecker fallen folglich immer wieder. Das Werk dieser Kriegsdichter habe sich durch „die Kombination faktualer und fiktionaler Komponenten“ ausgezeichnet. Die literarische „Veredelung“ des Krieges hätten Autoren dieser Zeit „einfach in neuer Form, literaturgeschichtlich wohl singulär“ zum Teil als Lebensaufgabe betrieben (ebd.).

Den Beumelburg-Bestsellern „Sperrfeuer um Deutschland“ von 1929 und „Gruppe Bosemüller“ von 1930 werden zwei eigenständige Kapitel gewidmet, die inhaltliche Analyse und Rezeptionsgeschichte miteinander verbinden. Das mündet in sehr interessanten Schlussfolgerungen. Zu Brückners wichtigsten Ergebnissen zählt, wie er selbst betont, dass erfolgreiche Kriegsromane aus dem nationalistischen Spektrum oft derart angelegt waren, dass sie „in rivalisierenden Lagern nach Belieben deutbar“ wurden (S. 459). Bisweilen horrende Gewaltbeschreibungen bei gleichzeitiger Aussparung des Ursachenkontexts ermöglichte es, selbst „nationalistisch gearbeitete Werke pazifistisch“ zu lesen (S. 23), was eine „breite rezeptionsästhetische Anschlussfähigkeit […] ermöglichte“ (S. 459). Beumelburgs Schriften seien damals durchaus nicht unähnlich wie der viel bekanntere Antikriegsroman von Erich Maria Remarque rezipiert worden. Der Umstand, dass selbst ein Revanchist als vermeintlich pazifistischer Autor gedeutet werden konnte, erklärt Brückner mit der Durchlässigkeit von Milieukulturen und der Verflüssigung ideologischer Grenzen (S. 227). Der Kriegsroman insgesamt habe eine „gesamtgesellschaftliche Leistungsgeschichte“ des Krieges etabliert, welche lagerübergreifend anschlussfähig wurde und „soldatische Tugenden in die Mitte der Gesellschaft“ rückte (S. 234). Völlig neu ist die Entdeckung nicht, dass selbst nationalistische Autoren in linken Organen positiv rezipiert werden konnten. Sie ist hier anhand zahlreicher Quellen und am Beispiel Beumelburgs empirisch jedoch überzeugend dargelegt. Aus dem Kriegsdichter selbst wird dadurch freilich kein Pazifist oder ein Anhänger der republikanischen Ordnung.

Brückner widmet sich der politischen Verortung seines Protagonisten in den folgenden Kapiteln mit biografischem Schwerpunkt, die seine Laufbahn in den 1930er-Jahren umfassend nachzeichnen. Die Biografik wird mit Literatur- und Rezeptionsanalyse überwiegend gelungen verwoben. Früh habe der Kriegsdichter, wie Brückner meint, seine „geistige Heimat im deutschen Militarismus und Nationalismus“ gefunden, einen „autoritär organisierten Staat“ angestrebt sowie auf Remilitarisierung und Reannexionen gedrungen (S. 460). Nicht mehr der „prekäre Intellektuelle“ von einst, wie Brücker ihn für die 1920er-Jahre charakterisiert, sondern nun als ein „öffentlicher Intellektueller“ (S. 297ff.) und in Funktion eines Kulturbeauftragten hatte er sich 1932 für das Präsidialkabinett Franz von Papens sowie für die Idee eines autoritären „Staatsumbaus“ aktiv einsetzen können.

Im „Dritten Reich“ rückte er persönlich und institutionell an höchste Repräsentanten des NS-Regimes noch näher heran; ungeachtet dessen, dass er die NS-Bewegung zunächst abfällig beurteilt hatte. Nach 1933 stellte Beumelburg sein Schaffen „ganz unter das nationalsozialistische Banner des Hakenkreuzes“ (S. 368). Politische Kriegsbücher wie „Der Kampf um Spanien“ 1934 und „Die Geschichte der Legion Condor“ 1939 bescherten ihm neue Erfolge sowie die Wertschätzung zahlreicher Nationalsozialisten. Seine zunehmend geschichtsklitternden Texte auch als Beigaben in den Feldtornistern hätten, wie Brückner erläutert, gewirkt „bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges hinein, den sie mit ihrem kämpferischen Pathos mental vorbereiten halfen“ (S. 336). Detailliert durchleuchtet Brücker nicht zuletzt das Engagement sowie die institutionellen Verflechtungen und persönlichen Verbindungen seines Protagonisten – zunächst als Mitglied der Dichtersektion der Preußischen Akademie der Künste, dann im Luftwaffenstab Generalfeldmarschall Milchs, zuletzt auch beim SS-Ahnenerbe. Mit der kolportierten Mär, Beumelburg habe sich in der Folge der verlorenen Schlacht um Stalingrad 1943 zum Widerständler gewandelt, wird am Ende aufgeräumt. In Wahrheit sei seine Haltung durchgehend eine „ziemlich passive, das unvermeidliche Ende abwartende“ gewesen (S. 420).

Brückner hat Archivdokumente und Privatnachlässe, Korrespondenzen und publizierte Schriften in einem beeindruckenden Maße gesichert und verwertet. Zum ersten Mal ist Werner Beumelburg damit als Kriegsliterat und politischer Akteur gleichermaßen durchleuchtet worden. Brückner stützt sich in seiner Studie wesentlich auf Bourdieus Feldtheorie, um zu zeigen, dass Literatur und Macht „miteinander verbundene Orte [sind], an denen Intellektuelle und politische Entscheidungsträger unterschiedliche Positionen besetzen, verteidigen, räumen müssen oder es ihnen sogar gelingt, ihre Position in andere Felder auszudehnen“ (S. 29). Die Studie greift an verschiedenen Stellen immer wieder auf diese Vorüberlegungen zurück. Das „Macht-Feld“, so heißt es beispielsweise über die Zeit des Präsidialkabinetts Papen 1932 etwas ominös, sei auf den jungen Schriftsteller aufmerksam geworden, nachdem dieser „im Feld der Literatur“ „genügend symbolisches Kapitel“ angesammelt hatte (S. 297 u. 461). Über den Aufstieg Beumelburgs im Nationalsozialismus schreibt Brückner, jener habe sich „in den institutionalisierten, feldverschränkten Bahnen von Kultur und Macht“ vollzogen (S. 339). Sein allmählicher Abstieg in die Bedeutungslosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum sieht Brückner „wesentlich aus dem sodann erlittenen Ausschluss vom Macht-Feld“ (S. 461) begründet. Ergänzen ließe sich, dass Beumelburg – eben anders als Autoren wie Jünger oder Salomon, dem einer der größten Bestseller der unmittelbaren Nachkriegszeit gelang – weder über die schriftstellerische Wandlungsfähigkeit noch Strahlkraft verfügte.

Aus Sicht des Rezensenten fällt der Erkenntniswert der Feldtheorie, die zu Beginn umfassend erläutert und auf die so häufig zurückgegriffen wird, für die Studie insgesamt eher schmal aus. Zur Substanz von Argumentation und Ergebnissen trägt sie erstaunlich wenig bei. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass auf ein umfassenderes Fazit, welches die wesentlichen Argumentationslinien zusammenführen und weitergehende Überlegungen zur Verschränkung von Literatur und Politik in der Zwischenkriegszeit vorlegen würde, komplett verzichtet wurde. Dafür ist eine lediglich fünfseitige Zusammenfassung eher mit dem Charakter einer Studienskizze in den Anhang gelangt. Brückners Buch weist einen ausgeprägten akademischen Stil auf; nicht alle Formulierungen mag man als klar, flüssig lesbar und pointiert befinden. Brückners Dissertation erweist sich gleichwohl als überaus material- und kenntnisreiche Fundgrube. Für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird sie von großem Wert sein, die sich in den Themenfeldern Kriegsliteratur, Mentalitätsgeschichte, Konservative Revolution oder Kulturpolitik und Propaganda in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus forschend bewegen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch