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Titel
Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS


Autor(en)
Reitzenstein, Julien
Erschienen
Paderborn 2014: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
415 S.
Preis
€ 44,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Redaktion von H-Soz-Kult

Liebe Leserin und lieber Leser von H-Soz-Kult!

Zum ersten Mal in seiner zwanzigjährigen Geschichte hat sich H-Soz-Kult entschlossen, eine Rezension vom Netz zu nehmen. Es geht um das Buch von Julien Reitzenstein: Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS, Paderborn 2014 (https://www.schoeningh.de/katalog/titel/978-3-506-76657-1.html). Besprochen hatte das Buch Sören Flachowsky, der durch seine Studien zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik bestens als Rezensent ausgewiesen ist (https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/dtge-20jhd/personen/dr.-phil.-soeren-flachowsky).

Sören Flachowsky schrieb über „Himmlers Forscher“ eine Rezension, in der er aus seiner Sicht Stärken und Schwächen des Buches benannte. Wenige Tage nach Veröffentlichung der Rezension verlangte der Autor an insgesamt elf Stellen der Rezension Änderungen.

Bei H-Soz-Kult haben die Autor/innen, sollten sie eine Rezension für kritikwürdig erachten, die Möglichkeit, eine Replik zu schreiben, auf die der/die Rezensent/in wiederum antworten kann. Von diesem Angebot machte Reitzenstein bis zum heutigen Tag keinen Gebrauch. Stattdessen ließ er am 30. Juni von einer Anwaltskanzlei dem Rezensenten eine Unterlassungsverpflichtungserklärung zuschicken und ging anschließend gerichtlich gegen Sören Flachowsky vor.

Vor dem Landgericht Hamburg erwirkten Reitzensteins Anwälte am 27. Juli 2016 im Eilverfahren ohne mündliche Verhandlung einen Unterlassungsbeschluss. Ein Rechtsvertreter von Flachowsky war am Verfahren nicht beteiligt. Diesem Beschluss zufolge darf Flachowsky einen bemängelten Halbsatz nicht mehr veröffentlichen, dessen Inhalt wir hier deshalb auch nicht wiedergeben dürfen. Da die Kosten allein dieses Verfahrens, mehr als 2.600 Euro, vom Rezensenten aufzubringen waren, hat sich H-Soz-Kult in Abwägung der Verhältnismäßigkeit und zum Schutz des Rezensenten im August 2016 bereitgefunden, diesen Satz aus der Online-Veröffentlichung der Rezension zu streichen.

Nachdem dies umgesetzt und in einer Redaktionsnotiz an der Rezension dokumentiert war, erreichten Anfang November 2016 die Redaktion von H-Soz-Kult und Flachowsky neue Aufforderungen durch Reitzensteins Anwaltskanzlei, weitere Unterlassungsverpflichtungserklärungen abzugeben.

Es ging u.a. um zwei weitere Passagen in der Rezension, deren Wiederholung nun untersagt sein sollte. Die Redaktion von H-Soz-Kult kann nicht ausschließen, dass Herr Reitzenstein sich jetzt bemüht, in einzelnen, kostenträchtigen Verfahren sämtliche gewünschten Änderungen per Unterlassungsverpflichtungserklärungen bzw. gerichtlichen Entscheidungen gegen unseren Rezensenten durchzusetzen. Sören Flachowsky hat angesichts dieser Entwicklung seine Rezension zurückgezogen, um nicht in weitere juristische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Auch wenn wir überzeugt sind, dass keines dieser Verfahren zugunsten von Reitzenstein im Rahmen von Klageverfahren vor der Pressekammer eines Landgerichtes ausgehen würde, wollten wir Herrn Flachowsky als H-Soz-Kult-Autor nicht möglicherweise langwierigen und kostspieligen Rechtsstreitigkeiten aussetzen. Daher hat sich die Redaktion von H-Soz-Kult entschlossen, die Rezension vollständig vom Netz zu nehmen.

Die Redaktion beugt sich damit widerwillig dem durch Herrn Reitzenstein mit der Verlagerung einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf den juristischen Weg aufgebauten Druck, dem weder der Rezensent noch eine ehrenamtlich arbeitende Redaktion auf mittlere Sicht standhalten können und wollen. Herr Reitzenstein hat selbstverständlich das Recht, sein Anliegen gerichtlich klären zu lassen. Wir verhehlen an dieser Stelle jedoch nicht, dass wir diese Form, die Auseinandersetzung zu führen, als unangemessen und in der Sache als nicht weiterführend empfinden. Der richtige Weg, die Streitfragen zu klären, wäre unseres Erachtens, in die öffentliche Arena der wissenschaftlichen Diskussion zurückzukehren. Herr Reitzenstein sollte nach Ansicht der Redaktion in diesem Sinne seine Bedenken für alle Leser nachvollziehbar in einer Replik zur Rezension zusammenfassen, Argumenten und Gegenargumenten ihren Platz im wissenschaftlichen Diskurs einräumen und damit der kritischen Öffentlichkeit Gelegenheit bieten, sich ein eigenständiges und unabhängiges Urteil zu bilden. H-Soz-Kult ist bestrebt, auch weiterhin für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Argumenten – nicht mit Gerichtsentscheiden – eine breite, allen zugängliche Plattform zu bieten.

Michael Wildt und Rüdiger Hohls, die beide sowohl Mitglieder der Redaktion von H-Soz-Kult als auch des Vorstandes des Trägervereins Clio-online e.V. sind, haben sich nach Lektüre der Rezension von Flachowsky sowie von Reitzensteins Buch entschlossen, eine eigenständige Bewertung des Buchs unter Einschluss einer inhaltlichen Zusammenfassung der Rezension zu verfassen. Diese können Sie hier (http://www.hsozkult.de/text/id/texte-4060) lesen.

Die Redaktion von H-Soz-Kult

(20.02.2017)

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