Historische Perspektiven auf ‚Prostitution’

Historische Perspektiven auf ‚Prostitution’

Veranstalter
Sonja Dolinsek, Universität Erfurt; Steffi Brüning, Universität Rostock
Veranstaltungsort
HU Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.02.2017 - 24.02.2017
Deadline
15.12.2016
Website
Von
Sonja Dolinsek, Universität Erfurt; Steffi Brüning, Universität Rostock

Historische Forschung über „Prostitution“ spielt in Deutschland weiterhin eine marginale Rolle. In der öffentlichen Wahrnehmung prägen insbesondere Journalist*Innen das Bild von Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch sexuelle Arbeit verdienen. Im angloamerikanischen Raum hingegen hat sich Forschung über dieses Thema nicht nur etabliert, sondern ist auch theoretisch, methodisch und konzeptionell inzwischen sehr differenziert.
„Prostitution“ ist längst keine Domäne der Frauen- und Geschlechtergeschichte bzw. der Sexualitätsgeschichte mehr. Schließlich wird im gesellschaftlichen Umgang mit „Prostitution“ über gesellschaftliche Ordnung verhandelt. „Prostitution“ ist dabei nicht nur ein Feld der Geschlechter- und Sexualpolitik. Vielmehr ist der Umgang eng verschränkt mit einer Reihe weiterer Themen, wie z.B. Migration, Arbeit, Sozialpolitik, Stadt- und Raumpolitik, Identitätspolitiken, soziale Bewegungen, Vorstellung von Sicherheit und Ordnung. Die Aushandlungen über „Prostitution“ sind dabei immer auch Aushandlungen über die Reichweite des Staates, von Moral und Recht. Dabei geht es um weit mehr als um die aktuelle Engführung der Diskussion von „Prostitution“ auf die scheinbare Dichotomie von „Zwang“ und „Freiwilligkeit“, u.a., weil, historisch gesehen, der Staat als Quelle einer Vielfalt von Zwängen kaum zu übersehen ist.
Gerade im Hinblick auf aktuelle Debatten und Gesetzesänderungen in Deutschland und darüber hinaus ist eine historische Aufarbeitung von „Prostitution“ unerlässlich. Die Geschichte von „Prostitution“ in verschiedenen Epochen, Systemen und unter vielfältigen gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen birgt dabei das Potential, ein offenes, breites und differenziertes Forschungsfeld aufzuzeigen.

Ziel dieses Workshops ist es, eine Plattform zu bieten, auf der sich Forschende im Bereich „Prostitution" austauschen und vernetzen können. Ein weiteres Ziel besteht darin, die historische Forschung zu „Prostitution“ sichtbar zu machen und ihre Relevanz für aktuelle gesellschaftliche Debatten aufzuzeigen.

Dabei wollen wir uns insbesondere (aber nicht nur) folgenden Aspekten widmen:

- der staatliche Umgang mit „Prostitution“ in Theorie und Praxis: Wie präsentierten Staaten ihren Umgang mit Prostitution – in nationalen, internationalen und lokalen Foren? Wie setzten ihrerseits zuständige Behörden und Akteure auf lokaler Ebene Prostitutionspolitiken um? Inwiefern können Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Behörden im Umgang mit Prostitution ausgemacht werden (Polizei, Gesundheitsämter, Ordnungsämter, Länder und Kommunen, Grenzbehörden, zivilgesellschaftliche Akteure, usw.)?
- „Prostitution“ aus der Perspektive der Akteure und Akteurinnen; wer identifiziert wen als „Prostituierte“? Welche Akteure sind zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten und wie mit „Prostitution“ verwickelt? Wie und welche Erfahrungswelten können historisch aufgearbeitet werden? Wie kann der Arbeitsalltag und die Praxis sowie Organisation der sexuellen Arbeit im historischen Kontext rekonstruiert werden? Welche (Selbst-)Deutungen treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf und wie verschieben sie sich? Welchen Einfluss haben veränderte Rahmenbedingungen auf „Prostitution“? Welche Handlungsmöglichkeiten entwickelten „Prostituierte“ in verschiedenen Systemen?
- Politischer Aktivismus zum Thema „Prostitution“: Welche Akteure engagierten sich zum Thema „Prostitution“? Welche normativen Annahmen und politischen Ziele prägten das Engagement der Aktivist*innen? Wie veränderten oder verschoben sich diese im Laufe des 20. Jahrhunderts und insbesondere seit dem Aufkommen sozialer Bewegungen?
- Konzeptionelle Überlegungen über die Verwendung der Begriffe „Prostitution“, „Sexarbeit“, sexueller Arbeit“ u. a. im Kontext historischer Forschung. Welche Analysebegriffe eignen sich zur Untersuchung von „Prostitution“ im historischen Kontext? Wie ist mit der Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung historischer Akteure umzugehen? Welche Folgen haben begriffliche Überlegungen für die historiographische Einbettung der historischen Prostitutionsforschung über die Frauen- und Geschlechtergeschichte hinaus?
- methodische und praktische Überlegungen mit Blick auf die Quellenlage insbesondere für die bisher kaum erforschte Zeit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; Erfahrungsberichte aus dem Recherchealltag im Archiv; rechtliche Vorgaben in lokalen, nationalen und internationalen Archiven und Kontexten.

Diesen und weiteren Fragen wollen wir im Rahmen des Workshops nachgehen.
Themenübergreifend interessiert uns die Frage nach dem Erkenntnispotential von vergleichenden Zugängen (u. a. auch im deutsch-deutschen Kontext) sowie transnationalen bzw. globalhistorisch informierten Analysen.

Wir freuen uns vor allem über Beiträge als „work in progress“ mit einem Schwerpunkt auf theoretische und methodische Aspekte. Wir freuen und besonders über Beiträge von MA-Studierenden, Promovierenden und Post-Docs.

Der Workshop wird am 23. und 24. Februar voraussichtlich in Berlin stattfinden. Reise- und Übernachtungskosten können leider nicht übernommen werden.

Wir bitten um Zusendung eines Abstracts (ca. 300 Wörter) und einer Kurzbiographie bis zum 15. Dezember. Zu- und Absagen werden voraussichtlich noch vor Weihnachten mitgeteilt.

Organisation und Kontakt:

Steffi Brüning
Universität Rostock
steffi.bruening@uni-rostock.de

Sonja Dolinsek
Universität Erfurt
sonja.dolinsek@uni-erfurt.de

Programm

Kontakt

Steffi Brüning

Historisches Institut
Universität Rostock

steffi.bruening@uni-rostock.de