Rettet das Centre Marc Bloch!

Von
Daniel Schönpflug

Liebe Leserinnen und Leser,

das Centre Marc Bloch in Berlin ist im Jahr 2009 von massiven Mittelkürzungen durch das französische Außenministerium bedroht. Seine Arbeitsfähigkeit, ja sogar seine Existenz stehen auf dem Spiel.
Der folgende Offene Brief formuliert den Protest von Wissenschaftlern aus Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt. Wir bitten auch um Ihre Unterschrift und haben dafür auf der Website
http://www.jotform.com/form/83433242635 ein Formular bereitgestellt.

Mit freundlichen Grüßen,
Die Direktoren des Centre Marc Bloch

Prof. Dr. Pacale Laborier
Prof. Dr. Yves Sintomer
Dr. Daniel Schönpflug

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Sehr geehrter Herr Außenminister, sehr geehrter Herr Botschafter,

dem Centre Marc Bloch in Berlin droht eine massive Budgetkürzung seitens des französischen Außenministeriums, die gegebenenfalls zur Schließung oder zumindest zur drastischen Einschränkung seiner Aktivitäten schon ab Beginn des Jahres 2009 führen würde. Die Unterzeichner dieses Briefes haben in den letzten Jahren eng mit diesem deutsch-französischen Zentrum für Sozial- und Geisteswissenschaften zusammengearbeitet und dabei seine Dynamik und die große Qualität der dort entstandenen Forschungsarbeiten zu schätzen gelernt. Sie sind daher davon überzeugt, dass die Schließung des Centre Marc Bloch einen enormen Schaden für den deutsch-französischen Wissenschaftsaustausch bedeuten würde.

Die für das Centre Marc Bloch geplanten Streichungen stehen in völligem Gegensatz zu den Grundsätzen, welche der französische Staat für die Reform der Forschung und der Verwaltungen formuliert hat: Soll nicht akademische Qualität belohnt und die Effizienz öffentlicher Politik gefördert werden? Das Centre Marc Bloch kann eine bemerkenswerte Bilanz vorweisen. In rund fünfzehn Jahren hat sich dieses bescheiden ausgestattete Institut fest in der französisch-deutschen Forschungslandschaft etabliert und verfügt über eine große Ausstrahlungskraft und Autorität. Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, der abgeschlossenen Promotionen, der wissenschaftlichen Projekte, unterstützt vor allem von der Agence Nationale de la Recherche, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und den großen deutschen Stiftungen, ist beeindruckend und wächst weiterhin. In den Evaluierungen wurden die Exzellenz und die Innovationskraft des CMB begrüßt. Darf die Politik einen solchen Erfolg bestrafen? Entmutigt sie damit nicht die Wissenschaft? Ist es legitim, eine solche Politik des Rotstifts als Modernisierung auszugeben?

Eine Abwicklung des Centre Marc Bloch stünde auch im Widerspruch zu den vielfältigen Bestrebungen, die Forschung in Europa zu internationalisieren. Das Centre Marc Bloch stellt ein anerkanntes Forum für internationale Forschungen weit über Deutschland und Frankreich hinaus dar. Hunderte von Doktoranden und Forschern haben von der Unterstützung und der anregenden Atmosphäre des Centre profitiert. Sie konnten Arbeitsgruppen und Veranstaltungen des Centre Marc Bloch nutzen, um ihre Projekte in einem multinationalen Umfeld zu diskutieren. Hat nun die Stunde des Rückzuges aus der europäischen Forschung geschlagen?

Schließlich steht die Bedrohung des Centre Marc Bloch auch im Widerspruch zu den aktuellen Weichenstellungen in Europa. Frankreich und Deutschland sollen ein Motor der europäischen Integration sein. Doch vollmundige Erklärungen auf Gipfeltreffen reichen für solche Zwecke nicht aus. Europäische Identität muss in einem gegenseitigen Verständnis der europäischen Gesellschaften verankert sein. Das Centre Marc Bloch hat Personen und Gruppen weit außerhalb akademischer Zirkel angesprochen. Es hat seine Forscher angeregt, die Ergebnisse ihrer Arbeit mit Politikern, Kulturschaffenden, Journalisten, Studenten zu diskutieren und so zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit beigetragen. Sollte diese Dynamik, in einem Moment, in dem sie nötiger scheint als je zuvor, wirklich gestoppt werden?

Aus diesen Gründen bitten wir Sie nachdrücklich, dem Centre Marc Bloch die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zu seinem Weiterbestand im Jahr 2009 nötig sind. Nur so kann den verschiedenen Trägern in Frankreich und Deutschland die Zeit bleiben, dauerhafte Lösungen für die Zukunft zu finden.

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Wenn Sie sich auf der Liste der Unterzeichner dieses Briefes eintragen wollen, steht Ihnen dafür ein Formular auf der Seite http://www.jotform.com/form/83433242635 bereit. Dort können Sie sich auch über den aktuellen Stand der Unterschriftenaktion informieren.

Die ersten Unterzeichner des Briefes:

Prof. Dr. Jutta Allmendinger (Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung)
Etienne Balibar (Professeur émérite, Université de Paris 10 Nanterre)
Jean-François Bayart (Directeur de recherche CNRS, CERI, Institut d´études politiques de Paris)
Prof. Dr. Olivier Beaud (Professeur de l´Institut Universitaire de France)
Prof. Dr. Helmut Berding (Justus-Liebig-Universität Giessen)
Luc Boltanski (Directeur d´études à l´Ecole des Hautes Etudes en sciences sociales)
Jean Boutier (Directeur d'études à l'EHESS, professeur à l'Humboldt-Universität zu Berlin (chaire Marc Bloch, 2e trimestre 2008)
Daniel Cohn-Bendit (Ko-Vorsitzender der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament)
Prof. Dr. Catherine Colliot-Thélène (Ancienne Directrice du Centre Marc Bloch, Professeur de l´Université de Rennes)
Vincent Duclert (Professeur agrégé à l´Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales)
Christophe Duhamelle (Ancien Directeur de la Mission Historique Française en Allemagne)
Patrice Duran (Directeur du Département de Sciences Sociales de l’École Normale Supérieure de Cachan)
Prof. Dr. Wolfgang Engler (Rektor der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“)
Prof. Dr. em. Etienne François (ehem. Geschäftsführender Direktor des Frankreich-Zentrums der FU Berlin, Université de Paris I (Panthéon-Sorbonne))
Prof. Dr. Ute Frevert (Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung)
Saul Friedländer (Professor für Geschichte, Universität Tel Aviv et University of California, Los Angeles)
Carlo Ginzburg (Professor für Geschichte, Scuola Normale Superiore, Pisa)
Prof. Dr. Gert-Joachim Glaeßner (Humboldt-Universität zu Berlin)
Alfred Grosser (Professeur de la Fondation Nationale des Sciences Politiques)
Gérard Grunberg (Professeur à l´Institut d´études politiques de Paris)
Isabell Hoffmann (Bertelsmann Stiftung)
Prof. Dr. Rainer Hudemann (Universität des Saarlandes, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutsch-französischen Hochschule)
Dr. Christian Ingrao (Directeur de l´Institut du Temps Présent)
Prof. Dr. Konrad Jarausch (University of North Carolina at Chapel Hill)
Prof. Dr. Hartmut Kaelble (Humboldt-Universität zu Berlin)
Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba (Geschäftsführender Direktor des Insituts für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin)
Prof. Dr. Jürgen Kocka (Freie Universität Berlin, Direktor des Berliner Kollegs für Vergleichende Geschichte Europas)
Hélène Kohl (Korrespondentin von Europe 1)
Sandra Laugier (Professeur de philosophie à l'Université de Picardie Jules Verne, Ancien membre de l'IUF, Directrice de l'Ecole Doctorale en Sciences Humaines et Sociales)
Jean-Louis Lebrave (Professeur de l´Ecole Normale Supérieure)
Jean-Pierre Lefebvre (Professeur de littérature allemande, Ecole Normale Supérieure)
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies (Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin)
Prof. Dr. Matthias Middell (Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrum für Höhere Studien Leipzig)
Marie-Claude Maurel (Directeur d´études à l´Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales)
Karol Modzelewki (Vize-Sekretär der Polnischen Akademie der Wissenschaften)
Dr. Martin Nagelschmidt (Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Berlin Graduate School of Social Sciences)
Eric Neveu (Directeur de l´Institut d´études politiques de Lyon)
Prof. Dr. Paul Nolte (Stellv. Geschäftsführender Direktor des Friedrich-Meinecke-Instituts der FU Berlin)
Pasquale Pasquino (Global Distinguished Professor in Law and Politics, NYU Directeur de recherche - CNRS, Centre de Théorie et Analyse du Droit - Paris EHESS)
Prof. Dr. Kiran Klaus Patel (Department of History and Civilisation/Robert Schuman Centre for Advanced Studies, European University Institute)
Univ. Doz. Dr. Bertrand Perz (Stellv. Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien)
Prof. Dr. Gilles Pollet (Directeur de l´Institut d´études politiques Lyon)
Jacques Revel (Directeur d´études à l´Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales)
Prof. Dr. Karl Schlögel (Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder)
Prof. Dr. Gesine Schwan (Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit)
Joachim Vannahme (Mitglied des Haut-Conseil Franco-Allemand pour la Culture)
Pascal Vennesson (Professeur de Science Politique, Institut Universitaire Européen Florence)
Dr. Sabine von Oppeln (Stellvertretende Leiterin der Arbeitsstelle für Europäische Integration, Koordinatorin des deutsch-französischen Doppelmasterprogramms der Freien Universität Berlin)
Prof. Dr. Jakob Vogel (Ehem. Stellv. Direktor des Centre Marc Bloch, Universität Köln)
Prof. Dr. Michael Werner (Directeur du Centre interdisciplinaire de recherches et études sur l´Allemagne)

Zitation
Rettet das Centre Marc Bloch!, In: H-Soz-Kult, 11.12.2008, <www.hsozkult.de/text/id/texte-1057>.
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