Judenfeindliche Postkarten der wilhelminischen und der Weimarer Zeit

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Titel
Judenfeindliche Postkarten der wilhelminischen und der Weimarer Zeit.
Autor(en)
Kurpfälzisches Museum Heidelberg
Veröffentlicht durch
Bühler, Christoph (Dr.) <chbuehler@aol.com>
Enthalten in
Von
Elke Kimmel

Das Web-Angebot „Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten der wilhelminischen und der Weimarer Zeit“ basiert auf den Materialien einer wesentlich umfangreicheren Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt und des Museums für Kommunikation in Frankfurt. Diese hatten erstmals im Frühjahr 1999 die Postkarten des Sammlers Wolfgang Haney unter dem Titel „Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten“ gezeigt. Die Ausstellung wurde danach in Nürnberg und Heidelberg gezeigt; zuletzt war sie im Museum für Kommunikation in Berlin zu sehen. Ebenso wie im begleitenden Katalog werden im Wesentlichen Postkarten von der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts gezeigt, wobei ein internationaler Vergleich beabsichtigt war.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Website ist nach rein formalen Kriterien misslungen, unter inhaltlichen Gesichtspunkten hingegen akzeptabel. Es fängt damit an, dass eine Navigation fast vollständig fehlt. Das Impressum der Site ist nur über Umwege auffindbar. Der verantwortliche Redakteur ist Christoph Bühler, der beim Verein Badische Heimat für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Ein Teil der Sites des Web-Angebotes, die Arbeitsmaterialien für Schüler, sind unter seine Domain gestellt, der andere Teil wird unter dem Vereinsnamen aufgerufen. Eine Erklärung für diese Zweiteilung fehlt. In der gelungenen Einleitung wird zwar auf die zu Grunde liegende Ausstellung verwiesen, es fehlt aber ein Hinweis darauf, warum und in wessen Auftrag der Verein die Website erstellt hat. Der Link auf das Kurpfälzische Museum, in dessen Räumen die Ausstellung im Jahr 2000 gezeigt wurde, ist als Erklärung zu lakonisch. Weiterhin fehlt ein Hinweis auf die angesprochenen anderen Ausstellungsorte. Undefiniert bleibt auch die Zielgruppe.

Genauer betrachtet, ist die Eingrenzung auf einen relativ kurzen Zeitraum der deutschen Geschichte als dem Medium Internet angemessen hervorzuheben, ebenso wie die Verkürzung der erläuternden Texte zu den einzelnen Postkarten und Abbildungen. Auf der Index-Seite erfahren Besucher Hintergründe sowohl zur Entstehung der Postkartensammlung Wolfgang Haneys als auch zur Geschichte der Postkarte als Medium. Die Verbreitung von Postkarten wird mit der nahezu parallelen Entstehungsgeschichte des modernen Antisemitismus verknüpft. Schon hier wird auf einzelne besonders gängige antisemitische Klischees hingewiesen, zu deren Popularisierung sich wiederum Postkarten als Medien besonders gut eigneten. Vom Ende der Einleitung muss man allerdings erst zurück an deren Kopf, um auf die Dokumente, in erster Linie Abbildungen von Postkarten, zu gelangen - hier wäre es komfortabler gewesen, den entsprechenden Button an das Ende des Textes zu setzen.
Die Dokumentenseite ist untergliedert in zwei Teilbereiche, „Motive“ und „Arbeitsmaterial“. Unter dem letzten Punkt ist auf eine „Sammlung von 12 Postkarten mit Arbeitsaufträgen für Schüler“ verlinkt. Unter dem Stichwort „Motive“ sind insgesamt elf verschiedene Links gesetzt, von denen direkt auf einzelne Themen zugegriffen werden kann. Diese Themen beginnen mit „Typologie“ und enden bei „Vertreibungsfantasien“. Der erste Link führt zu „Stereotype des Hässlichen“ und erläutert anhand der Karikatur eines „jüdischen Geschäftsmannes“ diffamierende Klischees. Ein Link leitet weiter zu „Rebekka im Bade“ und „Juden als Geschäftemacher, von dort aus gelangt man weiter zu „Ausverkauf - selbst in Afrika“.
Was auf allen diesen Seiten fehlt, ist eine Verlinkung zurück auf die Einstiegsseite zu den Dokumenten. Wie in einer gedruckten Publikation wird der Nutzer linear geführt - diesem Muster entgegenlaufende Verlinkungen, beispielsweise von der Karte mit dem Aufdruck „Kauft nicht bei Juden!“ zur Abbildung des „judenfreien“ Kölner Hofs in Frankfurt, fehlen vollständig. Der Nutzer wird vom ersten bis zum letzten Motiv durchgeleitet, ohne auf die Struktur und Vernetzung antisemitischer Klischees hingewiesen zu werden. Weiterhin wird so der Eindruck einer zwangsläufigen Entwicklung unterstützt, angefangen von den ersten diffamierenden Postkarten bis hin zur letzten Abbildung „Der Sündenbock“: Auf einem Notgeldschein der Stadt Tostede wird unverblümt zum Lynchmord an Schiebern aufgefordert. Die lineare Nutzerführung des Angebots wird durch einen externen Link ergänzt: Unter dem Stichwort „Der kleine Cohn“ gelangt der Nutzer auf ein Objekt in der Datenbank des Deutschen Historischen Museums Berlin.
Die Erläuterungen zu den einzelnen Bildmotiven sind dagegen durchweg gelungen. Allerdings fehlen bei allen Abbildungen Hinweise auf deren Einordnung als Quelle, wie Entstehungsort und -datum, Hersteller und Auflage. Dieses Fehlen ist unverständlich, da zumindest einige der Angaben im Begleitkatalog vorliegen.

Der Weg zur anderen Seite des Web-Angebotes, den Arbeitsmaterialien für Schüler, ist unnötig kompliziert. Der versprochene Link dorthin führt zunächst auf eine Makrosite, die den Begriff Antisemitismus in Form einer Lexikonnotiz kurz erläutert. Ein Link führt von hier aus zu den „Arbeitsblättern Antisemitismus“, die ebenfalls unter der Domain Christoph Bühlers abgelegt sind. Auch an dieser Stelle fehlt eine Verlinkung auf andere Angebote.
Der Link „Abgestempelt: Antisemitische Postkarten“ führt dagegen zunächst auf eine verkürzte Einleitungsseite, allerdings diesmal auf Bühlers Domain. Von hier aus gelangt man „zu den Arbeitsmaterialien“. Diese Seite sieht der oben besprochenen Dokumentenseite (auf der Domain der „Badischen Heimat“ zum Verwechseln ähnlich, verlinkt jedoch tatsächlich auf die versprochenen „Schülerseiten“). Wie bei den oben besprochenen Seiten fällt auch hier die eindimensionale Benutzerführung unangenehm auf. Und wieder sind die einzelnen Sites und ihre Texte, in diesem Fall Fragen nach den Postkartenmotiven und deren Bedeutung, durchaus gelungen. Die Motivauswahl ist gegenüber der parallel aufgebauten Seite noch einmal reduziert, wobei insbesondere auf die Motive, die von einer „besonderen“ Sexualität von jüdischen Männern und Frauen erzählen, verzichtet wurde. Stattdessen liegt der Fokus auf dem unterstellten „Händlergeist“, auf „Ostjuden“ und Tiervergleichen, auf der behaupteten „Untauglichkeit“ von Juden sowie Vertreibungsfantasien.

Was insgesamt in Erinnerung bleibt ist eine inhaltlich interessante und dem Medium angemessene, weil knappe Darstellung. Die gezeigten Abbildungen werden kurz, meist treffend und allgemein verständlich interpretiert. Dabei vertreten die Autoren weitgehend allgemein akzeptierte Positionen. Leider sind die Inhalte verbunden mit einer kaum vorhandenen Navigation, die durch das eintönige Design auf den jeweiligen Index-Seiten zusätzlich verwirrend ist. Kaum nachvollziehbar ist außerdem der weitgehende Verzicht auf externe Links.
Die inhaltliche Zweiteilung des Angebotes und die Verteilung auf zwei Domains soll wohl die Lehrer- und die Schülerseite abbilden und orientiert sich damit an Unterrichtsmaterialien wie Lehrbüchern. Da die Website sich aber scheinbar vor allem an Erzieher richtet, wäre hier ein anderer Weg, wie beispielsweise die Zusammenfassung aller Arbeitsmaterialien in einem PDF-Dokument, sinnvoller gewesen. Es ist kaum anzunehmen, dass Schüler die erläuternden Seiten bei eigenem Internet-Zugang nicht „entdecken“ würden.

Einige der beklagten Mängel lassen sich mit wenig Aufwand beheben. So könnte beispielsweise eine ansprechendere interne und externe Verlinkung ohne allzu große Umstände erreicht werden. Sie könnte die enge Verknüpfung der verschiedenen antisemitischen Klischees untereinander besser wiedergeben. Sicherlich sind diese zum Teil auch mit dem Alter der Seite zu erklären: Sie datiert aus dem Jahr 2000, Aktualisierungen sind nicht erkennbar. Eine Überarbeitung würde sich aber allein wegen der angesprochenen inhaltlichen Qualitäten durchaus lohnen.

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