In der deutschsprachigen Kunstgeschichte ist die kritische Reflexion der eigenen Historiographie, ihrer Geschichte und ihrer Methoden heute noch nicht annaehernd so etabliert und ausgefeilt wie in den Geschichtswissenschaften. Zwar zaehlen die - bis in die sechziger Jahre (!) zurueckreichenden - einschlaegigen Forschungen von Rainer Haussherr und von Heinrich Dilly zum Grundbestand der Fachliteratur, doch haben auch sie es nicht vermocht, das Bewusstsein fuer die prinzipielle Gebundenheit der Kunstgeschichtsschreibung - ihrer Themenwahl, ihrer Erkenntnisinteressen, ihrer Methoden - an 'Zeitgeist'-Stroemungen, an politische Bedingungen und Interessen oder an Zwaenge von Identitaetsstiftung und Abgrenzung mit der wuenschenswerten Selbstverstaendlichkeit in der Disziplin zu verankern. Das gilt fuer die Geschichte des Faches ebenso wie fuer seine Gegenwart. Nach wie vor ist die Auffassung verbreitet, dass Kunst innerhalb ihres jeweiligen historischen Kontextes in hohem Grade 'autonom' sein koenne und infolgedessen die Kunstgeschichte grundsaetzlich universal und apolitisch sei oder zumindest ohne weiteres imstande, sich ueber ausserwissenschaftliche, insbesondere politische Bedingtheit zu erheben. Schon deshalb war die Tagung - zumal mit ihrem diachron wie synchron vergleichenden Ansatz - eine Pionierleistung, und die geplante Publikation wird ein wichtiges methodenkritisches Referenzwerk darstellen.
In der Kunstgeschichte Ostmitteleuropas ist dieses Problem nur um so virulenter, und dies obwohl die Kompetenz fuer diesen Bereich, dessen Denkmaelerbestand der westeuropaeischen Wissenschaft aus offensichtlichen Gruenden noch bis vor kurzem kaum bekannt war, einschliesslich der dazugehoerigen Sprachkompetenzen inzwischen wohl weiter verbreitet ist als etwa die fuer den iberischen. Paradoxerweise koennte gerade darin der Kern des Problems liegen. So erfordert die unvermeidliche Rezeption von Produkten der 'Ostforschung' ein Mindestmass an spezifischer zeitgeschichtlicher Kompetenz, an der es ausserhalb der Geschichtswissenschaften oft mangelt. Zudem sind in der deutschsprachigen Kunstgeschichte - vor allem in den Organisationsstrukturen ihrer Foerderung - auch heute noch Nachwirkungen des Bestrebens zu beobachten, der 'Tradition deutscher Kultur' im oestlichen Teil Europas - bis ins Mittelalter zurueck - 'zu ihrem Recht zu verhelfen'. Historisch-politische Blauaeugigkeit in einem breiten 'Konsens' fuehrt dazu, dass dieses Ansinnen selbst auf wissenschaftlichem Parkett heute wieder Akzeptanz findet. Dem gegenueber steht eine 'political correctness', die im Gegenteil historische Gegebenheiten und Veraenderungen - einschliesslich der damit einhergehenden Konflikte - negiert und statt dessen die heutige europaeische Ordnung in die Geschichte zurueckprojiziert, um die Gefahr verletzter Empfindlichkeiten zu umgehen. So wird beispielsweise boehmische Kunst jedweder Epoche mit beeindruckender Selbstverstaendlichkeit als 'tschechische' Kunst bezeichnet. Und dies geschieht keineswegs nur aus bewusst angewandter 'political correctness', wobei die Verzerrung geschichtlicher Verhaeltnisse sehenden Auges in Kauf genommen wuerde.
Der Mangel an Wissen um historische Rahmenbedingungen im Fach Kunstgeschichte wird zum anderen auch durch die Rezeption der Fachliteratur aus den jeweiligen Laendern zementiert. Hier stiften bekanntermassen Vermischungen der territorialen und der nationalen Kategorie ('boehmisch' - 'tschechisch') sowie die sprachliche 'Anpassung' von Namen (Peter Parler - Petr Parler, um ein abgegriffenes Beispiel zu nennen) Verwirrung. Schwerer noch wiegt aber die vielfach selektive Bearbeitung der Kunst einer Region. Diese letztlich politisch motivierte Selektion war durch alle unterschiedlichsten Phasen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1989 hindurch - sowohl in der tschechisch- als auch in der deutschsprachigen Forschung - stets nationalen Gesichtspunkten gefolgt. In einer fatalen Verkettung wurden die Interessen der nationalen Identitaetsstiftung bzw. der kulturellen Legitimation politischer Autonomieansprueche aus dem 19. Jahrhundert und der fruehen Zwischenkriegszeit durch andere Interessen abgeloest, die den Blickwinkel ebenso eingeschraenkt haben: zuerst durch die Abwehr nationalsozialistischer 'germanischer' Kulturideologie, dann einerseits durch die auch kulturgeschichtlich 'argumentierende' Ost-West-Frontstellung des Kalten Krieges und andererseits durch die weitgehende Isolation der Geisteswissenschaften in Ostmitteleuropa vom gesamteuropaeischen Diskussionszusammenhang (einschliesslich des Objektreservoirs fuer den vergleichenden und beziehungsgeschichtlichen Zugriff), die gleichsam 'objektiv' die Beschraenkung auf den nationalen Horizont erzwang und in der Folge 'selbstverstaendlich' werden liess. Insofern erscheint es fraglich, ob Adam Labudas These von der Unterbrechung des nationalen Selbstfindungsprozesses (nach dem Modell Miroslav Hrochs) durch die sozialistische Aera und einem daraus resultierenden Nachholbedarf, der sich seit 1989 Bahn gebrochen habe, uneingeschraenkt zugestimmt werden kann. Wenn etwa deutsch sprechende Maler und Bildhauer des 19. Jahrhunderts in Boehmen bis heute nicht in der Fachliteratur aus tschechischer Feder praesent sind(1), so ist dies nicht nur einer gezielten Selektion geschuldet, sondern mittlerweile auch schlichter Unkenntnis. Es ist kein Zufall, dass die Kunstgeschichtsforschung in der Tschechischen Republik seit einigen Jahren mit 'Wiederentdeckungen' 'vergessener' Kunst einzelner Epochen und Regionen erklaertermassen ein Defizit kompensiert.(2) Nach 'aussen' werden aber die ueber lange Zeit festgeschriebenen Verengungen des Blickwinkels durch die verfuegbare Literatur unmerklich vermittelt und verfestigen sich zu allgemein akzeptierten Geschichtsbildern. Der mittlerweile 'breite Konsens' macht es um so schwerer, solches 'Wissen' zu relativieren.
Adam Labuda und Alena Janatkova haben die Tagung unternommen, um die Aufmerksamkeit fuer diese Problematik zu schaerfen: um zu zeigen, wie unverzichtbar die Kenntnis der Geschichte und die Reflexion ihres Niederschlags auch in der Kunsthistoriographie gerade im ostmitteleuropaeischen Bereich ist, aber auch um die Sensibilitaet fuer gezielte wie auch unwillkuerliche Tendenz in der Literatur zu erhoehen, und nicht zuletzt, um politische Hypersensibilitaet in die Grenzen wissenschaftlicher Kriterien zu verweisen - also die nationale Kategorie auf diejenigen Forschungsthemen zu beschraenken, in denen sie eine produktive Fragestellung abgibt, und sie ansonsten durch erkenntnisfoerdernde Ansaetze und Perspektiven zu ersetzen. Labuda wies in seiner Einfuehrung emotionslos darauf hin, dass es dafuer hoechste Zeit sei.
Es war insofern vorausschauend, Klaus Zernack (Berlin) um eine Einfuehrung in die Problematik von Entwicklung und Relevanz nationaler Historiographien seit dem 19. Jahrhundert zu bitten, welche die Einordnung der nachfolgenden Eroerterungen und Fallbeispiele in ihren politisch- und gesellschaftshistorischen sowie wissenschaftsgeschichtlichen Rahmen ermoeglichte, und Thomas daCosta Kaufmann (Princeton, NJ) um eine neuerliche Vorfuehrung seines 'europaeischen' Konzeptes der Kunstgeschichte, das programmatisch selbst grossregionale Beschraenkungen von 'Arbeitsgebieten' aufbricht und damit der beziehungsgeschichtlichen Perspektive neue Dimensionen eroeffnet.(3)
Das umfangreiche Programm der Tagung deckte diese unterschiedlichen Aspekte in beeindruckender Vielfalt ab. Zweckmaessigerweise wurde eingangs der Tagung die Wiener Schule um 1900 thematisiert, deren Protagonisten zum einen durch Etablierung eines Systems formaler Kriterien und Begriffe die Ueberfuehrung der Kunstgeschichtsschreibung in 'exakte Wissenschaftlichkeit' anstrebten und zum anderen, auf dieser Grundlage, eine universalistische, kosmopolitische Auffassung der europaeischen Kunstueberlieferung vertraten. Um so aufschlussreicher die Analysen im historisch-politischen Kontext: Jan Bakos (Bratislava) wies nach, dass dieses Konzept der staatlich institutionalisierten Kunstgeschichte letztlich von einem staatserhaltenden integrativen Impetus getragen war; Katharina Scherke (Graz) zeigte am Beispiel der Kunstgeschichte Kroatiens und Dalmatiens, wie gerade Alois Riegls der Intention nach 'objektivierender' analytischer Ansatz in einer paradoxen Wendung massgeblich zur Entwicklung nationaler und nationalistischer Kunsthistoriographien beigetragen hat.
In mehreren Referaten wurde die wechselvolle Entwicklung des kunstgeographischen Ansatzes dargestellt, der geradezu paradigmatische Bedeutung zukommt. Eingangs eroerterte Stefan Muthesius (Norwich) die Korrelation zwischen der nationalen Kategorie und der Kunstgeographie und lenkte das Augenmerk u.a. auf den schmalen Grat zwischen Beobachtung und Deutung, wie er sich beispielweise in den Begriffen 'lokal'/'regional' bzw. 'provinziell' oder in der Konstruktion eines West-Ost-Gefaelles niedergeschlagen hat. Marina Dmitrieva (Leipzig) verfolgte von den zwanziger bis in die neunziger Jahre die unterschiedlichen Stadien, durch die hindurch die Kategorie der Kunstlandschaft genutzt, missbraucht und in veraenderten Koordinaten - neuerdings zur Rekonstruktion von Zentrum-Peripherie-Verhaeltnissen - rehabilitiert wurde; Beate Stoertkuhl (Oldenburg) widmete ihrer Pervertierung im Dienste der nationalsozialistischen Kulturtraegerschaftsideologie eine differenzierte Studie am Beispiel Dagobert Freys. In beiden Beitraegen trat plastisch zutage, wie anfaellig per se sachbezogene methodische Ansaetze gerade in den 'weichen' Geisteswissenschaften - bei scheinbar nur geringer Verschiebung der Zielrichtung fuer politisch-propagandistische Funktionalisierung gewesen sind. Noch anschaulicher waere dies geworden, haette auch die nahtlose Fortfuehrung der 'Kunstgeographie' unter dem Vorzeichen der 'deutschen Kulturtraegerschaft im Osten' bis in die 1970er Jahre - z.B. im Projekt des 'Deutschen Kunstatlas' - Erwaehnung gefunden, die parallel (und eben: beruehrungslos) neben den Bemuehungen betrieben wurde, die kunstgeographische Methode jenseits politischer Praemissen neu zu konstituieren.
Zahlreiche Referate entfalteten ein regional wie zeitlich breites Spektrum von Beispielen fuer die nationale Perspektive kunsthistorischer Fragestellungen im Namen der kulturellen Identitaetsstiftung und Selbstvergewisserung, aber auch fuer ihre Instrumentalisierung als "Argumentationshilfe" (Evelin Wetter) in offenen wie unterschwelligen politischen Auseinandersetzungen. Besonders instruktiv war es dabei zu sehen, dass kaum eine der 'klassischen' Fragen und Methoden des Faches per se der nationalen bzw. politischen Vereinnahmung widersteht: Formanalyse, stilkritische Datierung, ikonographische Fragen und die jeweils darauf basierenden 'Ableitungen' erwiesen sich als ebenso 'geeignet' fuer Untersuchungen mit vorgefassten Erkenntniszielen wie die methodisch schwer objektivierbare 'Grauzone' des kennerschaftlichen Urteils. So referierte Wojciech Balus (Kraków) den um 1900 ausgefochtenen Glaubensstreit um die Frage, ob die polnische Gotik ein exklusives Produkt des 'Volksgeistes' oder im Gegenteil ein Niederschlag gesamteuropaeischer Kultur sei, wobei - scheinbar paradoxerweise - sowohl der nationalromantische als auch der rational-historische Argumentationsstrang an die Konstruktion eines 'polnischen Selbstverstaendnisses' innerhalb Europas gekoppelt waren und der nationalromantische direkt auf Vorpraegungen in der deutschen Romantik zurueckgriff. Aus entgegengesetztem Blickwinkel untersuchte Milena Bartlova (Brno) die Geschichte des Stereotyps vom 'slavischen Charakter' der mittelalterlichen Malerei in Boehmen: etabliert von der deutschsprachigen Kunstgeschichte seit dem fruehen 20. Jahrhundert, wurde es nach 1948 von der tschechoslowakischen Kunstgeschichte unter 'Korrektur' des ideologischen Fundaments uebernommen, um die Bindung der tschechischen Kultur an den 'byzantinisch-slavischen Osten' zu 'belegen'.
Die Indienstnahme und Manipulation des kunsthistorischen methodischen Instrumentariums fuer die Vereinnahmung einzelner Regionen bzw. auch kuenstlerischer Errungenschaften wurde in etlichen Referaten in historischer Perspektive - tief ins 19. Jahrhundert zurueckgreifend - reflektiert. Alena Janatkova (Leipzig/Berlin) zeichnete den von den 1870er Jahren bis in die 1960er Jahre gefuehrten 'Streit' um den boehmischen Barock nach, hinter dem stets - wenn auch wechselnd explizit - das Bemuehen stand, mit kunsthistorischen 'Argumenten' die Zugehoerigkeit Boehmens zum Habsburgerreich oder zum Deutschen Reich bzw. seine 'Identitaet' als autonome - bald auch: tschechisch-national gepraegte - Kulturregion nachzuweisen. Guido Hinterkeuser (Berlin) steuerte mit der Geschichte der deutschen und polnischen Forschung ueber Andreas Schlueter unter anderem Blickwinkel einen analogen Fall bei. Aehnliches zeigte Evelin Wetter (Leipzig) am Beispiel der Drahtemailtechnik in Siebenbuergen um 1500: Seit dem 19. Jahrhundert laesst sich ohne nennenswerte Brueche bis in die 1980er Jahre verfolgen, wie die Goldschmiedetechnik mittels 'Ableitungen' als autochthon und ungarisch vereinnahmt bzw. zeitweise fuer die 'deutsche' Kultur der Siebenbuerger Sachsen in Anspruch genommen wurde, und dies obwohl seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Herkunft aus Byzanz ueber Italien unbestritten war. Den Impetus, regional definierte nationale Ansprueche innerhalb multiethnischer Staatsgebilde zu 'verteidigen' und dies auf 'wissenschaftliche' Argumente zu stuetzen, illustrierten anhand 'deutscher' bzw. 'rumaenischer' Kunstgeschichte Siebenbuergens bis zum Zweiten Weltkrieg Robert Born (Berlin) und Nicolae Sabau (Cluj-Napoca), Dusan Buran (Bratislava) analysierte unter diesem Gesichtspunkt das 1938 erschienene Buch ueber "Deutsche Kunst in der Zips" von Oskar Schuerer und Erich Wiese: Buran konnte zudem eindruecklich zeigen, wie sich das vorgefasste Konzept der Autoren, 'koloniale Kunstgeschichte des deutschen Ostens' zu schreiben, in speziell in der Detailanalyse des Ouvres des Paul von Leutschau aufzuloesen 'drohte'.
Weitere Beispiele fuer die Funktionalisierung methodischer Ansaetze fuehrten Ivan Gerat (Bratislava) und Ernoe Marosi (Budapest) vor: Anhand frueher Zyklen zur Vita des hl. Ladislaus in der Slowakei bzw. romanischer Skulpturen aus der Kathedrale von Pecs fuehrten beide vor, wie sich die ikonographische Methode, aber auch Stilkritik und besonders Kriterien der Datierung in 'nationalem Interesse' manipulieren lassen. Eine aufschlussreiche Ergaenzung bot Bela Szakacz (Budapest), der im Rahmen eines Forschungsprojektes der CEU seit dem 19. Jahrhundert bestehende kunsthistorische Fotoarchive in Ostmitteleuropa untersucht. Das vermeintlich 'objektive' Medium der Dokumentation weist, so seine Ergebnisse, durchgehend ideologisch motivierte selektive Strukturen auf, wobei auch hier wiederum die nationale Kategorie dominiert: So sind Zeugnisse 'andersnationaler' Kulturen im jeweils eigenen Land ebenso unterrepraesentiert wie europaeisches Vergleichsmaterial, das die Spezifizitaet der nationalen Kunsttradition relativieren koennte; andererseits erstreckte sich der Einzugsbereich z.B. des Bildarchivs der Ungarischen Akademie der Wissenschaften noch in den 1950er Jahren auch auf die Slowakei und Siebenbuergen, waehrend Oesterreich und Maehren ausgeklammert blieben. Auf das 'methodische Instrument' der Selektion warf ein Beitrag ueber die Erforschung der Synagogenarchitektur in Polen ein besonders beklemmendes Schlaglicht: Das Architektenehepaar Maria und Kazimierz Piechotka (Warszawa) betreibt seit langem in Eigeninitiative und ohne auf Vor- bzw. Parallelarbeiten aus der Kunstgeschichte zurueckgreifen zu koennen, eine inventarmaessige Erfassung und Aufarbeitung der dokumentarischen Ueberlieferung.
In allen Referaten, in denen es die Formulierung des Themas ueberhaupt zuliess, wurde die nationale bzw. politisierende Tendenz in der Kunstgeschichtsforschung nicht nur - distanzierend - fuer das 19. Jahrhundert oder bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges untersucht, sondern mitunter bis in die juengste Zeit verfolgt. Dennoch haben die Veranstalter an den Schluss der Tagung eine der 'sozialistischen Aera' gewidmete Sektion gesetzt, in der die Perspektive ueber die Kunsthistoriographie hinaus auf den Bereich der Denkmalpflege ausgeweitet wurde. Ewa Chojecka (Katowice) informierte ueber die Entwicklung der polnischen 'Westforschung' in der Kunstgeschichte, mit der die neue Grenzziehung nach 1945 auch auf dieser Ebene gerechtfertigt werden sollte, wollte aber die politische Konditionierung der Forschung nur bis zum Jahr 1956 beobachten. Peter H. Feist (Berlin) lieferte einen 'Erfahrungsbericht' ueber die Forschungsbedingungen des Kunsthistorikers in der DDR: ein facettenreiches Bild, das u.a. die Fixierung auf die 'eigene deutsche' Kunst einerseits und die sowjetische andererseits illustrierte, wobei in den ostmitteleuropaeischen Partnerstaaten angesiedelte Themen ausgespart worden seien, um deren Anspruch auf eine 'nationale Kunstgeschichte' nicht in Frage zu stellen. Auskunft auf Fragen etwa nach Parteidirektiven fuer die Forschung blieben Feist wie Frau Chojecka schuldig. Wie schwierig es mitunter auch heute noch ist, die juengere Geschichte des Faches im eigenen Land aus kritischer Distanz zu betrachten - zumal wenn man dem Publikum eine prinzipiell kritische Haltung unterstellt -, zeigten die beiden Beitraege zur Denkmalpflege in der Tschechoslowakei bzw. in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Waehrend Kristina Kaplanova (Prag) die politische Unvoreingenommenheit - wiewohl auf national-ideologischer Basis - und die vorbildliche Leistungsfaehigkeit der tschechoslowakischen Denkmalpflege unter Zdenek Nejedlý herausstrich, beklagte Tadeusz Zuchowski (Poznan) das 'Programm der Geschichtsfaelschung', das dem Wiederaufbau der Staedte in Polen zu Grunde gelegen habe.
Stefan Muthesius' geradezu verzweifelte Frage nach den ersten Eindruecken, ob es denn ueberhaupt eine "reine Kunstgeschichte" gebe, hat die Tagung beantwortet. Milena Bartlova brachte die Antwort auf den Punkt: "pure art history" und "its political misuse" liessen sich auch bei allerbester Absicht nicht trennen, die politische Dimension sei auch der Kunstgeschichte stets inhaerent. Um so nachdruecklicher ist Steven Mansbach (New York) recht zu geben, dass die Tagung in erster Linie den immensen Forschungsbedarf aufgezeigt habe. Ob sich allerdings Labudas Wunsch, das 'Nationale' in entideologisierter Neudefinition als Ordnungskategorie fuer die Kunstgeschichte zu erhalten, nicht als ein frommer erweisen wird, bleibt abzuwarten.
Anmerkungen:
(1) Vgl. die entsprechenden Beitraege in dem Band: Boehmen im 19. Jahrhundert. Vom Klassizismus zur Moderne. Hrsg. v. Ferdinand Seibt. Berlin 1995.
(2) Ein damals mutiger und durchaus kontrovers kommentierter Vorstoss war die von Jindrich Vybiral konzipierte Ausstellung "Jiný dum. Nemecka a rakouska architektura v letech 1890-1938 na Morave a ve Slezsku [Das andere Haus. Deutsche und oesterreichische Architektur der Jahre 1890-1938 in Maehren und Schlesien]" (Prag) im Jahr 1993. Vgl. den gleichnamigen Katalog.
(3) DaCosta Kaufmann, Thomas: Hoefe, Kloester und Staedte. Kunst und Kultur in Mitteleuropa 1450 - 1800. Darmstadt 1998.