Wissenschaftler aus Deutschland und Tschechien fanden sich am 30. und 31. Mai 2003 in Düsseldorf zur 3. Konferenz der Heinrich-Heine-Universität und der Prager Karls-Universität 1 zusammen, um über "Propaganda, (Selbst-)Zensur, Sensation: Grenzen von Presse- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland und Tschechien seit 1870" zu diskutieren. Im Zentrum der interdisziplinären Konferenz standen (Selbst-)Zensur und Propaganda in den nationalsozialistischen und kommunistischen Diktaturen. In solchen Zeiten sind, wie der Düsseldorfer Historiker Detlef Brandes in seiner Einführung darlegte, Zensur und Propaganda zwei Seiten einer Presse- und Wissenschaftspolitik. Im nationalsozialistischen Deutschland und im ‚Protektorat Böhmen und Mähren' wie auch unter kommunistischer Herrschaft in der ‚Tschechoslowakischen (Sozialistischen) Republik' und der ‚Deutschen Demokratischen Republik' ging es um behördliche Kontrolle oder das Verbot von Medien, Informationen, Kunstwerken und wissenschaftlichen Erkenntnissen, entweder durch Vor- bzw. Nachzensur oder durch Selbstzensur der Redakteure und Journalisten, um behördliche Eingriffe zu vermeiden.
Einen weiteren Aspekt der Tagung bildeten staatliche Propaganda und Zensur, oft in der subtileren Form von Selbstzensur, in anderen Zeiten. Hierzu passe laut Brandes auch der Begriff der Sensation: Ihn hätten die Veranstalter in den Titel aufgenommen, um das oft problematische Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und der Darstellung in den Medien anzusprechen, und zwar auf dieser Konferenz im Bereich der Medizin. Diesen unterschiedlichen Aspekten der Grenzen von Presse- und Wissenschaftsfreiheit gingen die Referenten in drei Themenblöcken nach: I. Zensur und Selbstzensur, II. Presselenkung und öffentliche Meinung sowie III. Herausforderungen an die Medizin und ihre öffentliche Wahrnehmung.
I. Zensur und Selbstzensur
Der Historiker Wolfgang Mommsen (Düsseldorf) eröffnete mit seinem Vortrag "Lenkung und Selbstzensur der deutschen Presse im Kaiserreich" den ersten Block. Zwar existierte im Deutschen Reich keine staatliche Zensur im eigentlichen Sinne, doch verschafften der Reichsregierung unter anderem die Kontrolle der ‚Wolffschen' Presseagentur sowie das halbamtliche Organ "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" und die meist von den Landräten materiell abhängigen Kreisblätter einen Vorsprung in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und dienten ihr als Sprachrohr. "Erfolgreich" nahm die Reichsregierung zudem auf bestimmte Journalisten bzw. bestimmte Zeitungen Einfluss, ohne die betreffenden Presseorgane zu offiziellen Organen zu machen. Ein wirksames Mittel gegen regierungskritische Berichterstattung war auch die Beleidigungsklage. Wenn die Presselenkung unter Bismarcks Nachfolgern auch an Schärfe verlor, blieb die Beeinflussung durch Regierungsstellen bestehen. So gesehen kann von einer freien Presse im Kaiserreich nicht die Rede sein.
Thematisch und chronologisch schloss der Beitrag des Historikers Christoph Cornelißen (Düsseldorf) über die deutsche Militärzensur während des Ersten Weltkrieges an. Mit ihrer Hilfe sollte die Einheitlichkeit der öffentlichen Meinung gewährleistet werden. So konnten beispielsweise nur ausgewählte Kriegsberichterstatter, die sich einer Vertrauensprüfung durch die Oberste Heeresleitung unterziehen mussten, von den Fronten berichten. Diese und eine große Zahl anderer Zensurbestimmungen legten die zuständigen Militärbefehlshaber und ihre Mitarbeiter unterschiedlich aus, zudem zogen manche zivile Stellen sie in Zweifel. Cornelißen kam zu dem Schluss, dass die Zensur zwar eine totale Meinungskontrolle nicht durchsetzen, aber doch die tatsächliche Lage an den Fronten und im Inland verschleiern konnte.
Die Düsseldorfer Germanistin Sibylle Schönborn beschrieb dagegen die Kriegsvorbereitungen im Feuilleton der "Bohemia" und des "Prager Tagblatts" zwischen 1913 und 1914. Diese in der böhmischen Metropole erscheinenden deutschsprachigen Zeitungen diskutierten bis 1914 auf äußerst differenzierte und vielschichtige Weise die Problematik nationaler und kultureller Identitätsbildung sowie kulturelle Kontakte. Dagegen zeigte sich seit der Julikrise 1914 ein völlig gewandeltes Bild in der deutschsprachigen Presse: Die nationalen Differenzen im Inneren des Landes wurden nun zu einer folkloristischen Vielfalt verharmlost. Die Grenzen, die vorher durch die Donaumonarchie verliefen, wurden durch den Rückgriff auf ein grobes Differenzierungsmuster - nämlich das von Orient und Okzident, Islam und Christentum - nach außen verlagert.
Die Selbstzensur innerhalb des akademischen Bürgertums der Weimarer Republik stand im Mittelpunkt des Beitrages des Historikers Boris Barth (Düsseldorf). Anhand von Reaktionen auf grenzüberschreitende und provokative Äußerungen von Dozenten arbeitete er politische Einstellungen an Universitäten der Zwischenkriegszeit heraus. Dabei richtete er seine Aufmerksamkeit auf die unterschiedliche Behandlung von republiktreuen und republikfeindlichen Lehrkräften. Radikale Angriffe auf die Republik wurden an den meisten Universitäten toleriert, Verfahren gegen antirepublikanische Professoren endeten meist mit einem Freispruch oder Verweis. Dagegen wurden Dozenten, die sich gegen Krieg, Dolchstoßlegende und für die Novemberrevolution aussprachen, von der Studentenschaft bekämpft und mussten bei einer Eskalation des Streits mit ihrer Suspendierung rechnen. Die Folge war, dass viele republikfreundliche Dozenten ihre Einstellung verschwiegen. Diese Art von Selbstzensur bzw. die Stigmatisierung republikanischer Meinungen verhinderte, dass sich von wenigen Ausnahmen abgesehen demokratische Strömungen an den Universitäten institutionell nicht manifestieren konnten.
II. Presselenkung und öffentliche Meinung
Der Prager Historiker Pavel Zeman leitete den zweiten und umfangreichsten Block "Presselenkung und öffentliche Meinung" ein und behandelte dieses Thema am Beispiel der tschechoslowakischen Wochenschau "Aktualita" in der Zwischenkriegszeit. Erst 1937 wurde mit der Herstellung der Ton-Wochenschau begonnen. Dies geschah zwar im Auftrag der tschechoslowakischen Regierung, doch nutzte diese die propagandistischen Möglichkeiten kaum: Die politischen Nachrichten in der "Aktualita" informierten selten über die Entwicklung im Deutschen Reich und den repressiven Charakter des NS-Regimes. Wenn die Wochenschau über das Deutsche Reich berichtete, dann nur als Subjekt internationaler Politik. Diese Zurückhaltung entsprach der tschechoslowakischen Außenpolitik, die den NS-Staat nicht provozieren wollte.
Der Düsseldorfer Soziologe Karl-Heinz Reuband zeichnete dagegen am Beispiel von antisemitischen Filmen aus der NS-Zeit, wie unterschiedlich antijüdische Agitation von deutschen Zuschauern aufgenommen werden konnte. Dabei stützte er sich auf Ergebnisse einer im Jahre 1999 unter 900 Berliner/innen durchgeführten Umfrage zu den Propagandafilmen "Jud Süß" und "Der ewige Jude". Während "Jud Süß" mit rund 20 Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres 1940 zählte, galt "Der ewige Jude" als Misserfolg, der nur etwa zwei Millionen Besucher verzeichnen konnte. Die unterschiedliche Resonanz beider Filme begründete Reuband damit, dass "Jud Süß" ein Spielfilm mit Starbesetzung war, während "Der ewige Jude" als Dokumentarfilm mit einem belehrenden Anspruch und drastischer Darstellung (etwa in einer Schächtszene) auftrat. Aufgrund der Umfrageergebnisse vermutete er, dass "Der ewige Jude" doch von mehr Menschen gesehen wurde, und zwar von Schulklassen und in HJ-Veranstaltungen, und unter Jugendlichen größere Wirkung erzielt habe, eventuell in Kombination mit Indoktrinationsversuchen bei den HJ-Veranstaltungen. Antisemitismus als entscheidenden Grund für die Popularität eines antijüdischen Propagandafilms kann nach Reuband bezweifelt werden, auch wenn es sich gleichzeitig nicht bestreiten lässt, dass beide Filme bei einem Teil des Publikums den erwünschten Effekt hinterließen.
Die Wirkung der Propaganda aus Berlin und Prag sowie aus London und Moskau auf die Stimmung der tschechischen Bevölkerung im ‚Protektorat Böhmen und Mähren' analysierte Detlef Brandes. Er kam zum Schluss, dass die tschechische Bevölkerung größeres Verständnis für den Attentismus und die Kollaboration der Protektoratsregierung als die Exilregierung und die Widerstandsbewegung zeigte. In der Frage nach der Angst vor einem Export des Kommunismus zeigte sich Brandes zufolge die tschechische Gesellschaft gespalten. Der Hass auf Deutschland, vor allem aber auf die Sudetendeutschen sei dagegen allgemein gewesen. Vergeltung für die Schrecken und die Demütigungen der Besatzungsherrschaft und Sicherung gegen ein "neues München" waren für die Widerstandsbewegung wie auch die Mehrheit der Tschechen Motive, die Vertreibung der Sudetendeutschen zu befürworten.
Der Historiker Tim Fauth (Düsseldorf) beleuchtete die Zensur im Protektorat Böhmen und Mähren in dessen Anfangsjahren. Im Herbst 1939 übernahm ein deutscher Arbeitsstab die Presselenkung und die Aufsicht über die tschechische Presse. Von nun an instruierten nach Reichsvorbild tägliche Pressekonferenzen die Journalisten über Auswahl und Gestaltung der Themen. Mitte 1940 konnten die obersten Presselenker feststellen, dass die tschechische Presse und auch der Rundfunk die deutschen Vorgaben erfüllten. Im Bereich des Kulturlebens genossen die Tschechen allerdings laut Fauth Freiräume. Zwar fehlte es nicht an verbotenen Schriften und verbotenen Autoren, doch sei Kontrolle und Zensur des Kulturbereiches den Tschechen weitgehend selbst überlassen worden. Personalmangel, Kompetenzstreitigkeiten und fehlende einheitlichen Richtlinien hätten eine "Grauzone" geschaffen, in der sich das tschechische Kulturleben entwickeln konnte.
In seinem Vortrag "Von Gegnern zu Verbündeten" beschäftigte sich der Historiker Volker Zimmermann (Düsseldorf) mit der staatlichen Propaganda in den Beziehungen zwischen der DDR und der Tschechoslowakei in der Zeit von 1949 bis 1961. Die Überwindung gegenseitiger Feindbilder in beiden Gesellschaften sei auf tschechoslowakischer Seite schwieriger als auf der deutschen gewesen. Die schließlich erfolgte Normalisierung der Beziehungen sei denn auch nicht auf die oft plumpe Propaganda zurückzuführen, sondern vor allem auf die seit Mitte der 1950er Jahre steigende Zahl der Direktkontakte zwischen Bewohnern beider Staaten. Bis dahin hätten DDR- und CSR-Bürger von ihren jeweiligen Partnerstaaten nur vage Vorstellungen gehabt, was die Grenzen der Propaganda offen lege, da das verordnete Bild durch eigene Anschauung keine Unterstützung gefunden habe.
Der Prager Historiker Milan Drápala leitete eine Reihe von Vorträgen ein, die sich mit der Zensur in der kommunistischen Tschechoslowakei befassten, und widmete sich der Lage der tschechoslowakischen Presse in der Zeit der Nationalen Front (1945-1948). Die Verstaatlichung der Industrie, die Aussiedlung der Deutschen sowie das System der Nationalen Front und die Bindung an die UdSSR bildeten - so Drápala - Determinanten dieser Periode. Als Wochenzeitungen der katholischen ‚Volkspartei' seit Herbst 1945 kritischer berichteten, forderte der kommunistische Informationsminister Eingriffe in Struktur und Freiheit der Presse. Sein Ministerium hatte mit der Verfügungsgewalt über das Papier ein mächtiges Kontrollinstrument erhalten, wurde aber mehrmals durch Vereinbarungen innerhalb der ‚Nationalen Front' gebremst. Angesichts des Drucks der Kommunisten auf ihre Presse schien es den bürgerlichen Politikern schließlich das geringere Übel zu sein, durch ein Gesetz die Zensur einzuführen und zugleich zu begrenzen.
Nach der Übernahme der Alleinherrschaft brauchten die Kommunisten nicht mehr über Pressefreiheit zu diskutieren. Der Rechtshistoriker Karel Malý (Prag) beschrieb nach einem Überblick über das Presserecht, das seit dem Beginn des 19. Jahrhundert in den böhmischen Ländern galt, die Pressepolitik des kommunistischen Regimes. Die Kontrolle übernahmen ein ‚Presseaufsichtsamt' im Innenministerium, in den Zeitungen saßen ‚Zensurredakteure' und bei der Post Beamte der Staatssicherheit, die Verlagsproduktion wurde von einem ‚Lektorenrat' genehmigt. 1968 wurde die Pressezensur im Juni aufgehoben und nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im September wieder eingeführt.
Die Historikerin Alena Míšková (Prag) beschrieb in ihrem Beitrag zwei Säuberungswellen in den Bibliotheken der 42 Institute der Prager Akademie der Wissenschaften. Betroffen waren vor allem die Literatur über die Sowjetunion und den Bolschewismus sowie Werke von Exkommunisten und nicht-kommunistischen Politikern. Insgesamt wurden etwa 800 Bücher ausgesondert, was angesichts einer zweihunderttausendbändigen Sammlung allein in der Akademischen Zentralbibliothek eher bedeutungslos war.
Dramatischer waren die Verluste der allgemeinen Bibliotheken: In den ersten drei Jahren nach der kommunistischen Machtergreifung wurden 20 Millionen, in den 1950er Jahren weitere 7,5 Millionen Bücher den Papiermühlen überantwortet, worauf Jirí Pešek (Prag) hinwies. Verbote trafen aber auch die moderne bildende Kunst und Musik. Ausführlich behandelte Pešek die Kontrolle von Druckschriften, die Privatpersonen per Post zugeschickt wurden. Er hat die Bestände der Prager Bezirksprokuratur gesichtet, in denen die konfiszierten Periodika lagern, wobei die beanstandeten Artikel rot angestrichen und kurz kommentiert wurden. Zumindest 1948 und 1949 konnte sich eine nicht gerade kleine Schicht von Bürgern noch aus westlichen Quellen informieren, schließt Pešek aus seinem Fund. Schließlich legte Bohumil Doležal (Prag), ehemaliger Abgeordneter und freier Journalist, seine Sicht der Entwicklung der Presse in der erneuerten tschechischen Demokratie dar.
Der Medizinhistoriker Alfons Labisch (Düsseldorf) knüpfte mit seinem Vortrag über die Wahrnehmung von Krankheiten in Presse und Öffentlichkeit den Bezug zum dritten Themenbereich - der Sensation. Dabei beleuchtete er die Ursachen für die sensationsorientierte Berichterstattung über Krankheiten in den Medien. Er hinterfragte, ob es nicht das Unbekannte, das Drohende, die nicht erforschte Wirkung, soziopsychologische Elemente seien, die die öffentliche Wahrnehmung einer Krankheit beeinflussen - wie im aktuellen Falle der Lungenkrankheit SARS. Dagegen weckten bereits bekannte Krankheiten geringeres Interesse, obwohl diese bisher mehr Todesopfer forderten. Die alltägliche Not, so Labisch, erwecke eben keine Aufmerksamkeit in den Medien.
III. Herausforderungen an die Medizin und ihre öffentliche Wahrnehmung
Zu Beginn des letzten Themenblocks zeigte der Historiker Petr Svobodný (Prag) am Beispiel der zwei angesehensten und meistgelesenen medizinischen Zeitschriften, der ‚Zeitschrift der tschechischen Ärzte' sowie des ‚Anzeigers der tschechoslowakischen Ärzte', die Ideologisierung der öffentlichen Diskussion über die Reform des Gesundheitswesens in der Tschechoslowakei. In den ersten drei Nachkriegsjahren wurde noch das britische neben dem sowjetischen Modell als Vorbild für die Umgestaltung des tschechoslowakischen Gesundheitswesens diskutiert. Nach dem Februar 1948 bezeichneten dagegen die beiden medizinischen Zeitschriften nur noch die Sowjetunion als "unseren Lehrer". Das Gesundheitswesen sollte "geplant" und "vereinheitlicht" werden. Die Standesorganisation der Ärzte wurde in die Gewerkschaftsbewegung integriert.
Das "einheitliche Gesundheitswesen" hatte aber auch einige Erfolge, nämlich bei Prävention von Krankheiten und der Fortbildung der Ärzte zu verzeichnen, worauf die Prager Mediziner Michal Andel, Pavel Cech und Pavel Kraml hinwiesen. 1968 wurde der Ärzteverband kurzzeitig wiederbelebt und über die freie Arztwahl diskutiert. In der Phase der Resowjetisierung, der so genannten ‚Normalisierung', förderte das Regime zum Beispiel Kardiochirurgie und Transplantationsmedizin, deren Erfolge die Partei ihrer Politik zuschrieb. Dagegen verbot das Regime der Presse, über die extreme Luftverschmutzung in Nordböhmen oder die Zahl der Selbstmorde zu berichten und bagatellisierte die Auswirkungen der Katastrophe von Tschernobyl. In den 1980er Jahren erwiesen sich wenig realistische Fernsehserien wie ‚Krankenhaus am Rande der Stadt' und ‚Rettungswagen' als "Straßenfeger", und seit 1989 stand die Aufmerksamkeit der Medien im Zeichen der Sensation.
Thomas Ruzicka sprach über das Bild des Arztes "zwischen soap opera und Gerichtssaal". Anschaulich demonstrierte er, unter welchen gegensätzlichen "Typen" - Skandalarzt oder Heroe der Wissenschaft, pfuschender oder Lifestyle-Mediziner - die Medien die gesamte Ärzteschaft präsentieren und die breite Öffentlichkeit sie wahrnimmt. Kritisch äußerte er sich gegenüber einem solchen einseitigen Journalismus, der sich statt für Fortschritte der Medizin für Skandale und Sensationen interessiert, sowie über den Typus des naturheilkundlichen Schamanen und Wunderheiler. Die Qualität der Berichte in den Medien leide auch darunter, dass aus wirtschaftlichen Gründen kompetentes Personal abgebaut worden sei. Gegen den Sensationsjournalismus helfe nur ein Schulterschluss seriöser Mediziner mit seriösen Medien.
Dafür plädierte auch Torsten Casimir, Redakteur der Düsseldorfer "Rheinischen Post", im letzten Konferenzbeitrag. Er sprach über die "Darstellung medizinischer Themen in Tageszeitungen" am Beispiel seiner Zeitung. "Gesundheit macht Auflage", weil Informationen über Gesundheit und Krankheit einen "Nutzwert" versprächen, Gesundheit als das "höchste Gut" gelte, die Medizin ständig Fortschritte mache und ihre Ergebnisse systematisch und professionell kommuniziert würden. Bei der Vermittlung von Informationen von der Wissenschaft zum Leser, von der Fach- zur Alltagssprache könne allerdings vieles schief gehen: Ein mögliches Gegenmittel sei die kontinuierliche Verbindung des Journalisten zu Fachleuten.
In der Gesamtschau ergaben die Konferenzbeiträge ein facettenreiches Bild der Entwicklung der Wissenschafts- und Pressefreiheit in Deutschland und Tschechien von 1870 bis 1989. Dies ermöglichte nicht zuletzt der interdisziplinäre Charakter der Konferenz - auch wenn die Historiker eindeutig in der Überzahl waren - sowie die Förderung durch wissenschaftsnahe und private Förderer.1 Die meisten Referenten präsentierten neue Forschungsergebnisse, wobei die Vielfalt der dargebotenen Ansätze die gesamte Bandbreite der Forschung zu diesem Thema aufzeigte. Gerade die Begegnung unterschiedlicher Forschungsmethoden machte den Reiz dieser Veranstaltung aus. In jedem Fall kann aber der geplante Sammelband zur Konferenz mit Spannung erwartet werden und sollte zur weiteren Diskussion über dieses Thema anregen.
Anmerkung:
1 Gefördert wurde die Konferenz von der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post e.V., der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Georg-Strohmeyer-Stiftung, dem Institut für Internationale Kommunikation der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der Messe Düsseldorf und dem Verlag der Rheinischen Post.