Der Reichstag (1486-1613): Kommunikation - Wahrnehmung - Öffentlichkeiten

Der Reichstag (1486-1613): Kommunikation - Wahrnehmung - Öffentlichkeiten

Organisatoren
Historisches Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.09.2003 - 27.09.2003
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Von
Wolfgang Wagner, Bonn

Vom 25.09.-27.09.2003 fand im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein internationales Kolloquium statt, das sich mit dem Thema "Der Reichstag (1486-1613): Kommunikation - Wahrnehmung - Öffentlichkeiten" befasste. Die Tagung wurde vom Historischen Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung veranstaltet. Ziel der Veranstaltung war es, die institutionen-, verfassungs- und politikgeschichtliche Sicht der Reichstage des langen 16. Jahrhunderts durch eine kommunikationsgeschichtliche Perspektive zu erweitern.

Maximilian Lanzinner (Bonn) begrüßte die Teilnehmer und verwies in seiner Einführung auf den Perspektivenwechsel, den die Tagung beabsichtige. Das Erkenntnisinteresse ziele nicht auf das Geschehen beim Reichstag selbst, sondern auf die Wahrnehmung des Reichstags im Reich, also die Außenwahrnehmung, und auch nicht auf die politisch relevanten Verhandlungen, sondern auf strukturbildende Formen der Kommunikation. Diesem Ansatz gemäß seien für die Tagung drei Sektionen gebildet worden. Im Mittelpunkt der ersten Sektion stünden kommunikative Rahmenbedingungen wie Zeremoniell, symbolische Repräsentation, Schriftlichkeit, Mediennutzung, Informationsübermittlung. Die zweite Sektion frage nach der politischen Öffentlichkeit, die sich mit dem Reichstag befasst habe, die aber nicht als einheitliche, sondern als segmentierte Öffentlichkeit zu verstehen sei. Solche Segmente bildeten die Gruppen der politischen Akteure und der Höfe, der Bürger und Städte, der Theologen und Kirchen oder der Gelehrten. Die Tagung könne freilich nicht alle Segmente berücksichtigen. Die dritte Sektion versuche, Aspekte der Wahrnehmung des Reiches und der Reichsversammlungen in Europa aufzugreifen - Aspekte deshalb, weil sich auch hier die Forschung noch am Anfang befinde.

Eröffnet wurde der erste Themenbereich mit einem Vortrag von Barbara Stollberg-Rilinger (Münster), der sich mit der auf den Reichstagen verwendeten Symbolik beschäftigte. In ihrem Referat plädierte sie für eine Perspektivenumkehr bei der Wahrnehmung symbolischer Kommunikationsformen auf den Reichstagen, die als ein komplexes Kommunikations- und Interaktionsgeschehen zu betrachten seien. Der Reichstag erschließe sich nicht nur aus seiner instrumentellen Funktion für die politische Kommunikation, sondern gerade die symbolischen Formen der internen Kommunikation hätten eine besondere Bedeutung für den Reichstag aus der Sicht der Zeitgenossen. Dies zeige sich an einer ganzen Reihe von Quellen, die sich ausschließlich mit Fragen nach dem Ablauf, dem Zeremoniell und der Session auf den Versammlungen befassten. Dabei ließen sich zwei Ebenen unterscheiden. Zum einen habe der Reichstag die Reichsöffentlichkeit gebildet. Durch die Zusammenkunft der Reichsstände auf einem Reichstag und die dort verwendeten Formen symbolischer Kommunikation, wie etwa Anfangs- und Schlusszeremonien, die Messe, die Verwendung von Reichssymbolen usw., sei das Reich nicht nur dargestellt worden, sondern durch diese Formen der Kommunikation sei es erst hergestellt worden. Die zweite Ebene betreffe das Verhältnis des einzelnen Reichsstandes zum Reich. Durch symbolische Kommunikationsformen (z. B. die Session) sei der Status des Teilnehmers nicht nur in sozialer, sondern auch in rechtskonstitutiver Hinsicht verdeutlicht worden.

Reinhard Seyboth (Regensburg) befasste sich mit dem Thema "Reichstag und politische Propaganda. Die Auseinandersetzung König Maximilians I. mit König Karl VIII. von Frankreich im Spiegel zeitgenössischer Medien". Der Referent ging dabei vor allem der Frage nach, wie Maximilian versuchte, durch die Nutzung verschiedener Medien bestimmte Teilöffentlichkeiten für seine Politik in der Bretagne-Frage zu gewinnen. Dabei hätten nicht nur die Teilnehmer der Reichstage im Blickpunkt seines Interesses gestanden. Durch die publizistische Unterstützung einiger humanistischer Gelehrter, wie etwa Jakob Wimpfelings und Sebastian Brants, sei es dem Habsburger gelungen, seiner Sicht dieser Ereignisse ein breiteres Forum im Reich zu schaffen.

In seinem Beitrag "Reichstag und Schriftlichkeit: Die Verschriftlichung des Verfahrens als Prozess der Modernisierung" zeigte Dietmar Heil (Regensburg) die Entwicklung der Formen schriftlicher Kommunikation und den spezifischen Wandel des Kommunikationsprozesses auf dem Reichstag im Verlauf des 16. Jahrhunderts auf. Dieser Entwicklungsprozess, der von einer sprunghaften Zunahme der Verschriftlichung geprägt gewesen sei, lasse sich in drei Phasen unterteilen. Auf den Reichstagen unter Maximilian I. habe der mündliche Vortrag noch deutlich gegenüber den schriftlichen Verhandlungsformen überwogen. Bei geringer Teilnehmerzahl sei die Zahl der Multiplikatoren für die Kommunikation des Geschehens auf den Reichstagen stark eingeschränkt gewesen. Unter Karl V. habe dann die Religionsproblematik eine Steigerung des Interesses am Reichstag und an dessen Verhandlungen bewirkt. Die komplexen Materien hätten zu einer erhöhten Verschriftlichung geführt. So seien seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts Propositionen, Gutachten, Resolutionen, Supplikationen in Abschriften verbreitet worden. Der Gang der Verhandlungen der einzelnen Kurien sei nun in Protokollen dokumentiert worden. Der Grad der Schriftlichkeit habe schließlich nach 1555 noch einmal eine deutliche Steigerung erfahren.

Einer besonderen Form der politischen Kommunikation war der Beitrag von Christine Pflüger (Konstanz) gewidmet. Sie erläuterte die Aufgaben und Funktionen königlicher Kommissare im Reich an Beispielen aus der Zeit Ferdinands I. Dabei machte sie deutlich, inwieweit der königliche Herrschaftsanspruch im Reich außerhalb der Reichstage durch die Präsenz der Kommissare verkörpert wurde. Diese Form der informellen Kommunikation habe eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung von Reichstagen und bei der politischen Entscheidungsfindung im Reich gespielt.

Den Abschluss des ersten Themenbereichs bildete der Vortrag von Wolfgang Behringer (Saarbrücken) über "Kaiser, Reichstag und Postwesen im 16. Jahrhundert". Dabei betonte der Referent die Bedeutung des Aufbaus des Postwesens für die Entwicklung des Kommunikationswesens im 16. Jahrhundert. Die Ablösung des für den einzelnen Benutzer teuren Botenwesens durch die Etablierung der Ordinari-Post, das heißt also die Installierung fester Postenlinien, entlang derer die Briefe und Nachrichten mit Hilfe von Reitern transportiert wurden, sei als Voraussetzung für die Medienrevolution des 16. Jahrhunderts zu sehen. Nicht zuletzt die Lage an den Poststraßen habe auch dazu geführt, dass Städte wie Augsburg und Speyer als Orte für einen Reichstag in Frage gekommen seien.

Der zweite Themenkomplex, mit dem sich das Kolloquium befasste, fragte nach dem Bezug von Reichstag und segmentierten Öffentlichkeiten. Dabei untersuchte zunächst Horst Carl (Gießen) in einem Vergleich mit dem Schwäbischen Bundestag den Reichstag im Kontext anderer Versammlungsformen zur Zeit Maximilians I. Obwohl eine Reihe politischer Akteure in beiden Versammlungen tätig gewesen seien, zeigten diese doch deutliche Unterschiede in ihren Organisationsformen und in ihren Kommunikationsverfahren. Da der Bundestag in der Tradition der genossenschaftlichen Organisation der Landfriedenseinung gestanden habe, habe er zum Teil andere Formen der Kommunikation und Entscheidungsfindung entwickelt als der Reichstag. So sei der Ablauf der Reichsversammlungen durch das Herkommen festgelegt, die Kommunikation bei den Tagungen des Schwäbischen Bundes hingegen explizit in der Bundesordnung geregelt gewesen. Für Maximilian I. seien beide Versammlungen wichtige öffentliche Foren gewesen, um seine politischen Forderungen durchzusetzen. Am Beispiel des Ulmer Bundestages von 1502 erläuterte der Referent die Bedeutung des Schwäbischen Bundes als Kommunikationsforum für den Habsburger und dessen Versuche, die dort vertretene politische Öffentlichkeit für seine Ziele zu gewinnen.

Gabriele Haug-Moritz (Tübingen/Graz) stellte das Reich am Beispiel des Wolfenbütteler Krieges des Schmalkaldischen Bundes (1542) als umfassenden Kommunikationsraum vor, wie er durch die neuen Medien konstituiert worden sei. Dabei verdeutlichte sie, wie im Umfeld dieses Konflikts durch das neue Medium des Druckes im Kommunikationsraum des Reiches neben die Versammlungsöffentlichkeit, wie sie der Reichstag geboten habe, eine Massenöffentlichkeit getreten sei. Anschließend untersuchte sie die in Zusammenhang mit dem Wolfenbütteler Krieg entstandene Publizistik (Kanzleipublizistik, Flugblätter und -schriften) in Hinblick auf ihre kommunikativen Funktionen.

Anhand der Supplikationen auf den Reichstagen des 16. Jahrhunderts ging Helmut Neuhaus (Erlangen) der Frage nach, welche Öffentlichkeiten den Reichstag als Forum nutzten, um ihre Interessen im Reich publik zu machen. Die Supplikationen, die ursprünglich aus mündlichen Bitten an den Kaiser entstanden seien, dokumentierten, dass es dem Einzelnen prinzipiell möglich gewesen sei, Zugang zu Kaiser und Reich zu erlangen. Die hohe Zahl der Supplika-tionen, die auf den Reichstagen in einem eigenen Ausschuss behandelt wurden, verdeutliche den Stellenwert dieser Form der Kommunikation. Mit Hilfe der Supplikationen sei es möglich gewesen, Punkte auf die Tagesordnung des Reichstags zu bringen, die in der kaiserlichen Proposition nicht vorgesehen worden seien, und sie damit einer Reichsöffentlichkeit zu präsentieren.

Albrecht P. Luttenberger (Regensburg) zeigte am Beispiel der innerösterreichischen Landstände unter Ferdinand I. und Karl II. auf, welche Möglichkeiten den Landständen zur Verfügung standen, ihre Interessen auf dem Reichstag wahrzunehmen. Dabei müsse jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es generell einen Gegensatz zwischen landesherrlichen und ständischen Interessen gegeben habe. So hätten die Interessen der Landstände zum Teil - wie etwa in Hinblick auf die Beurteilung der Türkengefahr - durchaus mit den Intentionen des Landesherrn übereinstimmen können. In religionspolitischer Hinsicht habe sich aber für die Landstände die Chance geboten, den Reichstag als Forum zur politischen Kommunikation des religiösen Dissenses zu nutzen. Insgesamt gesehen seien die Einflussmöglichkeiten der Landstände jedoch gering geblieben. Der formalisierte Entscheidungsprozess auf den Reichsversammlungen habe ihnen deutliche Grenzen gesetzt.

Die Wahrnehmung des Reichstags aus der Sicht katholischer Theologen erläuterte Rolf Decot (Mainz) am Beispiel des Reichstags von 1556/57 in Regensburg und der Wormser Religionsgespräche. Die katholischen Theologen hätten die Grenzen der Kommunikationsmöglichkeiten auf dem Reichstag darin gesehen, dass sie dieser Versammlung keine Zuständigkeit für grundsätzliche Glaubensfragen zubilligten. Sie hätten aber den Reichstag als Instanz respektiert, die ökonomische und rechtliche Fragen der Kirche klären konnte. Der Reichstag sei somit für die katholischen Theologen ein politisches und rechtliches Forum gewesen, theologische Fragen hätten aber auf einem Konzil geklärt werden sollen.

Wolfgang Weber (Augsburg) befasste sich mit der kommunikativen Funktion und Wirkung der Reichsabschiede von 1486-1613. Dieser Zeitraum sei geprägt gewesen von einer konjunkturellen und strukturellen Kommunikationsverdichtung, die mit einer zunehmenden Formalisierung von Verfahren und juristischer Professionalisierung einhergegangen sei. Da die Reichsabschiede zunächst nur durch Abschrift verbreitet worden seien, hätten sie nur einen sehr eingeschränkten Rezipientenkreis erreicht. Dies habe sich geändert, als man die Abschiede seit 1501 in gedruckter Form herausgegeben hat. Die hohe Zahl an Nachdrucken zeige das rege Interesse an den Reichsabschieden. Von der "Konsensbestätigungsurkunde" der Reichsstände seien die Abschiede zum öffentlichen "Gesetz" und zum "Konsensstiftungsinstrument" geworden.

Georg Schmidt (Jena) fragte nach der Umsetzung der Reichsabschiede in Städten und Territorien. Dabei betonte der Referent, dass die Reichsgesetze in der Frühen Neuzeit einen Vertrags- oder Einigungscharakter gehabt hätten. Der Reichstag sei der Ort gewesen, an dem mittels Konsensfindung Gesetze verabschiedet worden seien. Die Exekution der Gesetze sei von der Reichsgewalt delegiert worden. Frage man nach Norm und Wirklichkeit bzw. der Umsetzungsmöglichkeit der Reichsgesetzgebung, so zeige sich, dass die Umsetzung in den Territorien und Städten vor allem von der Konsensfindung abhängig gewesen sei. Wenn eine Einigung auf diesem Wege erzielt worden sei, dann sei sie auch vollzogen worden. Andererseits seien von den Reichsständen Reichsgesetze, wie das Beispiel des Wormser Ediktes zeige, nach Belieben umgesetzt worden, wenn sie sich durch ihren fehlenden Konsens nicht daran gebunden gefühlt hätten. Reichsgesetzgebung sei also dort exekutiert worden, wo das Prinzip des Aushandelns gewahrt geblieben sei.

Den Stellenwert des Reichstags in der Beurteilung evangelischer Theologen bis 1555 erläuterte Jörg Haustein (Bonn). Dabei wurde deutlich, dass die führenden evangelischen Theologen Luther, Melanchthon und Bucer den Reichstag kaum als politische Instanz wahrgenommen haben. Dennoch ließen sich differenzierte Positionen der einzelnen Reformatoren erkennen. Luther, der den Reichstag aus einer Außensicht beurteilt habe, da er nie als Berater an dessen Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sei, habe den Reichstag aus theologischer Sicht betrachtet und ihn grundsätzlich als Entscheidungsinstanz für seine Lehre abgelehnt. Melanchthon und Bucer hingegen, die einen Einblick in die Innenstruktur des Reichstags bekommen hätten, hätten die Möglichkeiten des Reichstags in der Religionsfrage differenzierter gesehen. In der evangelischen Reformationschronistik habe die Wahrnehmung des Reichstags als "Bühne" für das Bekenntnis der Evangelischen überwogen. Der Reichstag als weltliche Instanz sei dagegen nicht wahrgenommen worden.

In der dritten Sektion richtete sich der Fokus auf die Wahrnehmung des Reiches und des Reichstages außerhalb des Reiches bzw. in Territorien des Reiches, die traditionell eher als reichsfern angesehen werden.

Robert von Friedeburg (Rotterdam) verdeutlichte in seinem Beitrag über die Wahrnehmung von Reich und Reichstag in der englischen politischen Theorie des 16. und 17. Jahrhunderts die ambivalente Funktion, die die Reichsverfassung in der politischen Kommunikation Englands einnehmen konnte. So sei das Reich unter dem Eindruck der religiösen Bürgerkriege auf dem Kontinent als ruhige Gemeinschaft wahrgenommen worden. Insbesondere die rechtliche Bindung des Kaisers an den Reichstag habe das Interesse der englischen Staatstheoretiker geweckt. Intentionen und Gründe für den Bezug auf das Reich hätten gewechselt. Vorrangig sei es aber um die Frage gegangen, wie die Sicherung des Glaubens und die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung erzielt werden könnten. Eine allgemeine Theorie zu Reich und Reichstag sei jedoch nicht entwickelt worden. Vor dem Hintergrund der religionspolitischen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts sei das Reich aber häufig als positives Gegenbeispiel gegenüber Frankreich rezipiert worden.

Hans-Jürgen Bömelburg (Warschau) erläuterte die zeitgenössische Wahrnehmung des Reichstags aus polnischer Sicht (ca. 1550-1620). Dabei ging er vor allem den Wurzeln der Wissensvermittlung über den Reichstag und dem Bild nach, das man daraus in Polen gewann. Als wichtigste Vermittler von Wissen über den Reichstag seien die polnischen Gesandten auf den Reichstagen in Erscheinung getreten. Das entscheidende Moment für das polnische Interesse am Reichstag dürfte in den Türkenkriegen gelegen haben. Der Reichstag habe darüber hinaus auch als Nachrichtenbörse fungiert; so seien regelmäßig Propagandatexte und Flugschriften nach Polen übersandt worden. Aus polnischer Sicht sei der Reichstag vornehmlich als ständische Interessenvertretung wahrgenommen worden. Das Interesse habe sich dabei vor allem auf den Kurfürsten- und Fürstenrat gerichtet, die Reichsstädte seien ausgeblendet worden.

Am Beispiel der Religionsverhandlungen des Augsburger Reichstags von 1566 veranschaulichte Guido Braun (Rom) den Blickwinkel der Kurie auf die Reichsversammlungen des 16. Jahrhunderts. So habe man in Rom den Reichstag vor allem als eine Gefahrenquelle für den Heiligen Stuhl gesehen, da man befürchtet habe, dass dort über Glaubensfragen verhandelt werden könnte, ein Thema, das nach Auffassung der Kurie ausschließlich auf dem Konzil zu behandeln gewesen wäre. Im Vorfeld des Reichstages habe man ein breites Informationssystem (Nuntiatur, Orden (Jesuiten), Fürstbischöfe und zum Teil katholische Reichsstände) genutzt, um sich auf die Verhandlungsmaterien vorbereiten zu können. Als Nuntius sei Kardinal Commendone eingesetzt worden, da er durch seine bisherige Tätigkeit über gute Kenntnisse des Landes und der Sprache verfügt habe. Trotz der gründlichen Vorbereitung habe aber letztendlich die selbst gewählte Isolation gegenüber den protestantischen Ständen die Einflussmöglichkeiten der Kurie auf die Entscheidungen des Reichstags begrenzt.

In seinem Beitrag "Reich und Reichstag im 16. Jahrhundert - der Blick aus der angeblichen Reichsferne?" zeigte Michael North (Greifswald) den Prozess der Einbindung der norddeutschen Reichsstände in das Reich auf. Dabei seien es vor allem vier politische Problemfelder gewesen, die zu dieser Integration beigetragen hätten: die livländische Frage, das Problem der Beteiligung der norddeutschen Stände an der Türkenhilfe, der Konflikt der Hansestädte mit den merchant adventurers sowie die Umsetzung der Reichsmünzordnung. Insbesondere anhand der letzten beiden Problembereiche erläuterte der Referent, wie weit die Integration des Nordens in das Reich bereits gediehen war.

Weitere Aufschlüsse und Ergebnisse dürfen durch den 2004 erscheinenden Sammelband erwartet werden.