HT 2004: Römer und Germanen in der Spätantike – ein Konflikt der Kulturen?

HT 2004: Römer und Germanen in der Spätantike – ein Konflikt der Kulturen?

Organizer(s)
Jörg Spielvogel
Location
Kiel
Country
Germany
From - Until
15.09.2004 - 15.09.2004
By
Jan Ulrich Büttner, Universität Bremen

Unter den großen Themen der Historiker ist in den letzten 25 Jahren womöglich keines so sehr einer grundlegenden Umwertung unterworfen gewesen wie das der Völkerwanderung. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert formten häufig nationale Projektionen die Übergangsphase von Antike und Mittelalter. Dies wird schon in den verschiedenen Bezeichnungen deutlich: Das vergleichsweise freundliche Wort "Völkerwanderung" zeigt eher das Umherziehen freier Völker, Germanen zumal, und die Befreiung von einer fremden, dekadenten Herrschaft, während "l'invasion des Barbares" oder "Invasioni dei Barbari" recht unmissverständlich das Eindringen weniger entwickelter Völker in ein zivilisatorisch hoch stehendes Staatswesen und dessen Zerstörung beschreiben. Die Vorstellungen der "Landnahme" der wandernden Völkerschaften, die einherging mit Eroberung, Vertreibung und Ansiedlung bis zur nächsten Wanderschaft, schufen die Voraussetzung für Karten, in denen Pfeile wild durch Europa weisen, versehen mit den Namen verschiedener Völker. Nicht zu unrecht stellte Walter Goffart die Frage "What's wrong with the map of the barbarian invasions?"1 Die European Science Foundation unterstützte von 1993 bis 1998 das umfassend angelegte Forschungsprojekt der "Transformation of the Roman World", seit 1997 erscheinen dazu die Sammelbände.2 Zu einem gewissen Zeitpunkt konnte der interessierte Zuseher den Eindruck bekommen, dass es während der Völkerwanderung keine Völker gab, niemand gewandert sei, sich alles aber transformiert habe. So ironisch diese Zuspitzung auch ist, sie umreißt den Kern der breiten Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens. Der sehr viel genauere und vor allem gewandelte Blick auf diese vermeintlich "dunkle Epoche" fördert die Disparität der verschiedenen wandernden Gruppen und Bewohner einzelner Landstriche zu Tage, der ganz unterschiedlichen Verläufe der Begegnungen zwischen ihnen und deren jeweiligen Auswirkungen. Die von Jörg Spielvogel (Bremen) geleitete Sektion "Römer und Germanen in der Spätantike - ein Konflikt der Kulturen?" unternahm es, diese Begegnungen als kulturelle Interaktion zwischen den germanischen Ethnien und der provinzialrömischen Bevölkerung in den auf weströmischem Reichsboden gegründeten Königreichen einerseits und an Hand der Differenzierungen, mit denen Ostrom seine Beziehungen zu den einzelnen Ethnien gestaltet hat, andererseits zu akzentuieren.

Für die Römer wie für die Barbaren war die Begegnung keineswegs neu. Bevor sich die römische Welt verwandelte, hatte sie über lange Zeit schon die barbarische Peripherie ihrer Grenzregionen beeinflusst. Nicht-Römer machten den überwiegenden Anteil der Reichsbevölkerung aus und stellten mehr und mehr Truppen, befehligt nicht selten eben auch durch barbarische Heerführer, denen gesellschaftlicher Aufstieg möglich war. Im römischen Militär zu dienen bewirkte bis zu einem gewissen Maße die kulturelle Assimilation und Integration in das Rechtssystem eines von Beginn an multiethnischen Staatswesens. Neben einem möglichen kulturellen Konfliktpotential zwischen den verschiedenen Ethnien innerhalb des Imperiums kommt noch ein weiteres Element hinzu: die religiösen Unterschiede. Während in der Spätantike (spätestens seit dem 4. Jahrhundert) weite Kreise der römischen Eliten katholisch waren, existierten heidnische Kulte in den Provinzen weiter. Die Barbaren pflegten eigene Religionen oder waren, wie die Goten und Vandalen, arianisch christianisiert, was wiederum einen innerchristlichen Konflikt nach sich zog. "Kulturen" gab es also viele und mit ihnen etliche Reibungsflächen. Die Attraktivität der römischen Zivilisation blieb während der gesamten Übergangsphase jedoch groß genug, um als Integrationsfaktor zu dienen.

Diese Konflikte innerhalb der kulturellen Austauschprozesse, die es zwischen Barbaren und Romanen gab, wollte diese Sektion in ausgewählten Perspektiven in ihren "verifizierbaren Veränderungen" vorführen. Schärfer zugeschnitten heißt das, dass in den Vorträgen der vier Referenten weniger der etwas marktschreierische "Konflikt der Kulturen" eines religiös-konservativen Essayisten des 20. Jahrhunderts interessierte und als kulturhistorische These auf die historische Realität zwischen dem 3. und 9. Jahrhundert übertragen werden sollte. Vielmehr wollten die Referenten an Hand der Interpretation von archäologischen (Wolfgang Spickermann, Osnabrück), literarischen (Jörg Spielvogel) und normativen (Karl L. Noethlichs, Aachen) sowie sprachwissenschaftlichen Zeugnissen (Herwig Wolfram, Wien) den kulturellen Assimilierungsprozess untersuchen, um seinen genaueren Verlauf nach Konflikthaltung oder Integrationsmentalität zu verdeutlichen.

Was lässt sich an Hand der archäologischen Zeugnisse von Kultstätten und Heiligtümern in Gallien und Germanien feststellen? Dieser Frage ging Wolfgang Spickermann nach. In diesen Provinzen sind 84 Kultplätze bekannt, die bis zum Ende des 4. und zum Anfang des 5. Jahrhunderts von den Gläubigen aufgesucht wurden. Davor waren von Beginn bis Mitte des 4. Jahrhunderts noch 34 weitere Heiligtümer in Gebrauch. Dies bedeutet, dass immerhin etwa ein Drittel der provinzialrömischen Kultplätze besucht wurden, nachdem die Germanen im 3. Jahrhundert eingefallen waren. Angesichts des religiösen Gefüges der in diesen Regionen lebenden Menschen bedeutet dies, dass neben den (gallo-)römischen Kulten auch Kulte der germanischen Neuankömmlinge und das Christentum praktiziert wurden. Dafür lassen sich einige Beispiele anführen. Auch wenn Kultanlagen zerstört wurden, sind sie in einigen Fällen weitergenutzt worden, teilweise diente der Bauschutt als Material für den Neubau (Matrona Vacallineha-Heiligtum in Münstereifel-Nöthen). In anderen Matronen-Tempeln finden sich Münzen aus der Zeit bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts oder gar bis ins 5. Jahrhundert hinein. Fehlende Münzen müssen eine Aufgabe des Kultplatzes nicht bedeuten, da der Geldumlauf allgemein abnahm (andererseits besagen Münzfunde nicht, dass das Heiligtum noch intakt war).

Bei mehreren villae rusticae des Oberrheingebietes fanden sich Mithräen, die überhaupt erst Ende des 3. oder zu Beginn des 4. Jahrhunderts errichtet und noch bis zum Ende dieses Jahrhunderts genutzt wurden. Ein in Köln gefundener Isisaltar, errichtet mit Billigung des Stadtrates, ist noch bis um 346 verehrt worden. Es ließen sich weitere Beispiele anführen. Die Archäologie lässt nicht erkennen, ob die Zerstörung einzelner Heiligtümer dann durch Christen oder im Zuge von Kampfhandlungen erfolgte. Wie christliche Herrscher und Missionare die unterschiedslos als "heidnisch" angesehenen Kulte der römischen und der germanischen Bevölkerungen bekämpften, lässt sich vor allem aus hagiographischen und historiographischen Texten erfahren. Insgesamt belegen sie die Existenz von Kultplätzen in ehemaligen römischen Provinzen bis ins 7. Jahrhundert hinein. Anzunehmen ist ein starkes Stadt-Landgefälle. Die zerstörten Kulte liegen allesamt außerhalb der Städte. So kann von einer Koexistenz der Kulte ausgegangen werden, die weniger darauf zurückzuführen ist, dass die Germaneneinfälle zu einer breiten "Repaganisierung" der provinzialrömischen Bevölkerung geführt hätten. Vielmehr bedrängten sich die polytheistischen Kulte nicht gegenseitig und das Christentum breitete sich nicht in dem Maße aus, dass es geschlossen christianisierte Landstriche gab.

Anders gestaltete sich der Konflikt zwischen rivalisierenden christlichen Glaubensrichtungen. Die Goten und Vandalen hatten das Christentum in arianischer Form angenommen. Sie lehnten die Vorstellung ab, Christus sei Gottes Sohn gewesen, sondern sein höchstes Geschöpf, seiner Natur nach göttlich und menschlich. Das Konzil von Nicaea verwarf diese Lehre 325 als haeretisch und setzte mit dem Glaubensbekenntnis die Gottesgleichheit des Sohnes fest. Zwischen den arianischen Germanen und den katholischen Römern bestand also ein Konfliktpotential jenseits der ethnischen Unterschiede. Damit beschäftigte sich Jörg Spielvogel. Nachdem die Vandalen im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts in Nordafrika ein Reich errichtet hatten, setzten sie zwar keine planmäßige Arianisierung der katholischen Bevölkerung durch, vertrieben jedoch Bischöfe oder verhinderten Neubesetzungen und ließen in höhere Posten nur konvertierte Römer. Die Politik der Vandalen war jedoch uneinheitlich. Phasen der Bedrängung der Katholiken wechselten ab mit Zugeständnissen freier Religionsausübung. Das Verhältnis zu Byzanz war dabei nicht unwichtig. Für die Vandalen war der arianische Glaube jedoch Teil ihrer Identität und zwar so sehr, dass eine äußere Romanisierung in kultureller Hinsicht immer durch ihre arianisch-ethnische Identität überlagert wurde. In dem nur 60 Jahre existierenden Reich der Ostgoten in Italien verfolgte Theoderich eine auf Ausgleich gerichtete Politik. Auch hier vollzog sich rasch eine äußere Assimilation der gotischen Oberschicht an die Annehmlichkeiten der römischen Zivilisation. Theoderich aber suchte stets die Koalition mit anderen arianischen Reichen. Im Westgotenreich des 5. und 6. Jahrhunderts blieb der Konflikt zwischen den konfessionell getrennten Ethnien zunächst aus. Katholiken verboten Mischehen und dominierten das Land, nur am Königshof von Toulouse und anderen gotischen Zentren blieben die Arianer vorherrschend. Erst die anhaltende Krise des 6. Jahrhunderts führte zu der Katholisierung zunächst der Eliten, schließlich 589 zum Konfessionswechsel aller Westgoten. Das unbelastete ethnische Miteinander wurde also durch die religiös-kulturelle Verschmelzung erst ermöglicht. Die von außen erzwungene oder freiwillige Aufgabe der arianischen Identität ermöglichte in einem "religiös nivellierten" Territorium den Übergang zum Frühmittelalter.

Ob es sich bei den Kulturen, die mit den Römern und Germanen aufeinandertrafen, in den Wahrnehmungen Ostroms im 5. und 6. Jahrhundert um Kulturen auf gleicher Augenhöhe handelte, untersuchte Karl Noethlichs. Gab es denn eine "germanische Herausforderung" auch in kultureller Hinsicht? Oder mehr auf den Sektionstitel bezogen: wie war überhaupt die Grundlage für einen Konflikt der Kulturen? Was Kultur sei, davon hatten die Römer durchaus eine Vorstellung, vor allem auch, wer keine habe. Ciceros Abgrenzung Roms vom Barbarentum bezieht sich auf lingua, natio, natura und mores.3Natio bezeichnet hier eher die Zugehörigkeit zum römischen Bürgerrecht, denn das Geblüt. Barbaren dagegen waren ungebildet, ungeschlacht und zügellos. Diese Trennungslinie findet sich bis ins 6. Jahrhundert auch in den normativen Texten der Gesetzessammlungen. Eine Verschiebung des Barbarenbegriffes beginnt mit der Zeit Constantins des Großen und der neuen Rolle der Religion. Begriffe und Inhalte ändern sich, die Rolle des römischen Bürgerrechts übernimmt nun der "wahre Glaube", die Romanitas wird mit Christianitas gleichgesetzt. Zu einem kulturellen Vergleich ist es aber nie wirklich gekommen, dem standen die kriegerischen Auseinandersetzungen im Wege, die das Verhältnis in der Regel bestimmten. Die Goten konnten ebenso besiegt werden wie die Vandalen. Bei den Franken sah die Beurteilung byzantinischer Autoren vor allem deshalb anders aus, weil sie nicht besiegt werden konnten. Agathias bescheinigte den Franken, sie seien keine Nomaden, lebten nach römischen Gesetzen und in der gleichen Staatsordnung, seien Christen, und hätten Beamte und Priester und die gleichen Feste wie die Römer. Alles was sie von ihnen trenne seien Kleidung und Sprache. Doch diese starke Sympathie blieb nicht unwidersprochen. Überhaupt schwankten die Einschätzungen sehr stark und sind häufig genug von der momentanen politischen Situation abhängig. Eine Beschäftigung auf kultureller Basis findet unter solchen Umständen so gut wie gar nicht statt. Interessanter als der Blick nach außen gestaltet sich der nach innen, in die Selbstwahrnehmung von Byzanz und seiner Rolle als Kulturträger. Es kam zu einer immer stärker werdenden Entfremdung von Rom, also zum lateinischsprachigen Westen. Man glaubte sich bezüglich Sprache, Kultur und Religion dem Westen voraus und verstieg sich sogar soweit, die Lateiner zu "Barbaren" zu erklären. Dieses Selbstverständnis sollte bis zum Ende Ostroms anhalten.

Abschließend beschäftigte sich Herwig Wolfram mit einem Problem der historisch-philologischen Wissenschaft. Es geht um die Gewohnheit, ab etwa 500 oder 600 Romanus nicht mehr mit Römer, sondern mit Romane zu übersetzen. Dahinter steckt als eigentliche Schwierigkeit die Frage nach dem Fortleben der Romanen nach dem Ende des weströmischen Reiches. Romanen besetzten, auch nachdem sie in barbarischen Königreichen lebten, wichtige Funktionen, nicht nur in weltlichen und geistlichen Institutionen, auch in der (speziellen) Landwirtschaft, im Handel, auch im Militär. In den neuen Reichen bildeten die romanischen Bevölkerungsgruppen vor allem die Abgaben zahlende Mittelschicht. Zuweilen bildeten sie auch Teile der herrschenden Oberschicht mit romanischen Traditionen. Schwierig ist die Frage allemal, was die Quellen über das Verhältnis von Romanen und Nichtromanen hergeben. Eigentlich ist sie anachronistisch oder einer heutigen Fragestellung geschuldet, denn die Umwandlung der römischen Welt hatte lange vor der Zuwanderung fremder Eliten begonnen und nun wurde die "Romanisierung der Römer" allenfalls verstärkt. Romani war im Mittelalter eine vielgestaltige Bezeichnung und wurde nicht selten sogar als Schimpfwort gebraucht. In den Provinzen überlebte mehrheitlich die Bevölkerung und blieb im Lande leben. Nicht erst nachdem sich die Nachfolgestaaten gefestigt hatten begann der Prozess der Gentilisierung der Romani (im Westen hatte er schon lange vor 400 begonnen). Durch die Völkerwanderung wurden die vielerorts schon einsetzenden ethnogenetischen Vorgänge nur verstärkt. Es bildeten sich Einheiten von sozial-gentiler oder territorial-gentiler Zuordnung und die Römer wurden zu einem Volk unter anderen, häufig ausgestattet mit eigenem Recht. Diese Prozesse verzögerten sich in Reichen, wo die neue Herrschaft arianisch war, doch auch hier folgte letztlich die Romanisierung der arianischen Goten, Burgunder oder Langobarden. Im Regnum Francorum war das Verhältnis von Zugewanderten und Einheimischen so verteilt, dass es zweisprachig wurde. In anderen Fällen wurden die Römer germanisiert oder slawisiert. In den Alpen bildete sich mit den Beonen ein romanischer Rückzugsraum. Konflikte hat es gegeben, weil es immer Konflikte gibt, aber sie waren nicht ethnischer oder sprachlicher Natur, ein clash of cultures ist nicht zu finden.

Die Diskussionen in dem völlig überfüllten Auditorium waren lebhaft und ließen ahnen, wie sehr die Beschäftigung mit diesen Themenbereichen im Fluss ist und auf welch großes Interesse es stieß. Es wurde jedenfalls deutlich, dass das Fragezeichen im Sektionstitel hinter dem "Konflikt der Kulturen" gestrichen und durch ein deutliches nein! ersetzt werden kann. Keiner der Referenten und Diskutanten konnte ihn ausmachen. Die Fragen müssen mehr in die Richtung "Identität" und "Akkulturation" gestellt werden. Die Interpretation von archäologischen Funden ist immer schwierig, denn wie wollte man eine germanische oder romanische Integration an Hand ausgegrabener Kultplätze nachweisen? Ebenso wenig beantworten sie solche Fragen, wie die, ob auch Germanen diese römischen Kulte genutzt haben, oder ob es eine Vermischung gab. Der Polytheismus ist ein offenes System, wenn die Kulte vergleichbar sind (In der Germania hatte Tacitus sich nicht die Mühe gemacht, germanische Götternamen zu nennen, er nannte einfach die römischen! 4). Das Heiligtum sagt auch nicht, ob es bis zu seiner Zerstörung wirklich noch genutzt wurde oder mit welchem Kult, umgekehrt kann auch ein zerstörter Kultplatz noch verwendet worden sein. Archäologen und Historiker interpretieren sehr unterschiedlich und häufig decken sich die Meinungen nicht. Sind deshalb die Möglichkeiten der Archäologie beschränkter als die der Schriftquellen? Für diese Frage vielleicht schon.

Für die Existenz eines Reiches ist es weniger entscheidend, ob es Glaubensgleichheit gibt oder nicht. Die Zeitgenossen haben wohl kaum gesehen, dass es zwei Kulturen gab, wenn die Eliten sich romanisiert hatten. Wichtig für die Identität waren die Einheit des Reiches und die weitgehende Assimilation des Königs. Kaiser Justinian ließ den arianischen Glauben zu, weil er auf Soldaten angewiesen war. Für die Volksfrömmigkeit freilich geriet der Arianismus gegenüber dem Katholizismus ins Hintertreffen, weil er die Reliquienverehrung nicht kannte, die eine starke Anziehungskraft ausübte.

Einen durchgehenden und in Stadt und Land allgegenwärtigen clash of cultures erlebten die Menschen zwischen 300 und 800 wohl nirgendwo, dennoch prägte die Differenzierung zwischen römischer Identität und germanischem Gentilbewußtsein noch lange Zeit das Zusammenleben in den neuen Reichen. Die Überwindung des innerchristlichen Gegensatzes bildete jedoch die historische Voraussetzung, um ein gemeinsames religiös-kulturelles Fundament im westlichen Europa aufzubauen, das mit regionalen Eigenheiten en detail über Jahrzehnte ausgeformt wurde. Während dieser Transformation vollzog jedes Territorium für sich den entscheidenden Schritt in das frühmittelalterliche Zeitalter. Wie diese Transformation im einzelnen sich gestaltete, ist noch immer in der Diskussion. Für die Erklärung der Prozesse, die wir in den Quellen beobachten können, ist das Forschungsprojekt "Transformation" jedenfalls ein sehr geeignetes. Vielleicht wird es irgendwann von einem anderen Projekt abgelöst werden, doch bis dahin bleibt noch viel zu klären. Diese Sektion hat trotz ihrer erzwungenen Beschränkungen gezeigt, dass es auf dem Gebiet von Identität und Akkulturation weiterzuforschen gilt, als einem der Aspekte der Erforschung der Transformationszeit und der Bildung des frühmittelalterlichen Europa.

Anmerkungen:
1 Goffart, Walter, What's wrong with the map of the barbarian invasions?, in: Ridyard, Susan; Benson, Robert (Hgg.), Minorities an Barbarians in Medieval Life and Thought, Sewanee-TN 1996, S. 159-177.
2 Der Begriff wurde von Lynn T. White schon 1966 geprägt: The Transformation of the Roman World. Gibbon's Problems after Two Centuries, Berkeley 1966.
3 Cic. in Verr. 2,4,50,112.
4 Tac. Germ. 9,1 nennt Merkur, Herkules und Mars, ein Teil der Sueben verehre Isis.

http://www.historikertag.uni-kiel.de/
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