Statuen und Statuensammlungen in der Spätantike - Funktion und Kontext

Statuen und Statuensammlungen in der Spätantike - Funktion und Kontext

Organisatoren
PD Dr. Franz Alto Bauer (Basel) und Dr. Christian Witschel (München)
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.06.2004 - 12.06.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Christian Witschel, München

Im Historicum der LMU München fand am 11. und 12. Juni 2004 ein internationaler Workshop mit insgesamt 13 Referenten zum Thema "Statuen und Statuensammlungen in der Spätantike - Funktion und Kontext" statt. Veranstalter waren PD Dr. Franz Alto Bauer (Basel) und Dr. Christian Witschel (München). Die Tagung wurde finanziell durch Zuschüsse der Gerda Henkel Stiftung und der Münchener Universitätsgesellschaft getragen. Die Publikation der Beiträge wird in der Reihe "Spätantike, Frühes Christentum, Byzanz - Kunst im ersten Jahrtausend" im Reichert Verlag erfolgen.

Einführung

Zahlreiche literarische, epigraphische und archäologische Quellen belegen, daß Statuen von Herrschern, verdienten Bürgern, Göttern und anderen mythologischen Figuren im Imperium Romanum in der Zeit zwischen dem 1. Jh. v.Chr. und dem frühen 3. Jh. n.Chr. eine herausragende Rolle gespielt haben. Für die Epoche nach der Mitte des 3. Jhs. ist jedoch in diesem Bereich eine Reihe von einschneidenden Veränderungen zu beobachten. Am auffälligsten ist dabei sicherlich der signifikante Rückgang bei der Neuproduktion von Bildwerken aller Art. Insbesondere Ehrenstatuen wurden im 4.-6. Jh. deutlich seltener errichtet als zuvor. Von diesem Wandel waren aber auch die großformatigen Kaiserstandbilder betroffen, obwohl das Zeremoniell um die Präsentation des Kaiserbildes in der Spätantike eher noch ausgebaut wurde. Idealplastik scheint nun - zumindest auf den ersten Blick - ebenfalls nicht mehr in so großer Zahl wie zuvor angefertigt worden zu sein. Viele Bildwerke wurden zudem umgearbeitet oder für ganz andere Zwecke wiederverwendet. Daneben lassen sich bedeutsame qualitative Veränderungen ausmachen. Besonders bemerkenswert ist der Stilwandel im Porträt, der - vereinfacht gesprochen - zu einem höheren Grad von ‚Abstraktion' in den Bildnissen führte, was jedoch nicht vorrangig mit einer Zunahme von ‚Spiritualität' zu erklären ist. Aus vielen Zeugnissen geht hervor, daß das Interesse an Statuen in der Spätantike keineswegs grundsätzlich nachgelassen hatte, sich aber in der Einstellung gegenüber den Bildwerken doch grundlegende Veränderungen bemerkbar machten. Dabei ergaben sich augenscheinlich zahlreiche divergierende Tendenzen. Diesen nachzugehen war das Ziel des Workshops, der die unterschiedlichen Formen des Umgangs mit Statuen in der Spätantike beleuchten sollte.

Einzelreferate

Peter Stewart (London; peter.stewart@courtauld.ac.uk) behandelt in seinem Vortrag "Quo viros antiquitas honorabat: Continuity and Tradition in Late Antique Perceptions of Portrait Statuary" die Frage, in welcher Weise sich die literarischen Quellen der Spätantike über Statuen, insbesondere Ehrenstatuen, äußern. Gerade in bezug auf letztere hatten sich ja in der zeitgenössischen Realität zahlreiche Veränderungen sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht ergeben (s.o.). Dieser Wandel, gerade der stilistische, wird jedoch in den literarischen Quellen, die sich oft an althergebrachte Topoi halten, weitgehend ignoriert oder gar konterkariert. Wenn man die spätantiken Monumente selbst betrachtet, so fällt als innovatives Element die neuartige Verwendung metrischer Inschriften auf den Statuenbasen ins Auge. Mit diesen ausgefeilten Epigrammen wurde auf den öffentlichen Plätzen nur noch ein recht kleiner Kreis von Betrachtern angesprochen, der die literarischen Interessen ihrer Urheber teilte, wodurch die traditionelle Unterteilung der Gattungen Text und Bild zunehmend aufgehoben wurde (s. dazu auch u. Bauer). Generell ist festzuhalten, daß (Ehren)Statuen nun in viel höherem Maße als Kunstwerke wahrgenommen wurden, während ihre alten sozio-politischen Funktionen zunehmend in den Hintergrund traten.

Zu den eindrucksvollsten Veränderungen in der statuarischen Praxis zwischen hoher Kaiserzeit und Spätantike zählte ohne Zweifel - wie schon erwähnt - der deutliche quantitative Rückgang von Ehrenstatuen und -inschriften ab dem mittleren 3. Jh. in fast allen Regionen des römischen Reiches. Barbara E. Borg (Heidelberg; barbara.borg@urz.uni-heidelberg.de) geht in ihrem Vortrag "Monumente für die Ewigkeit oder glanzvoller Auftritt? Veränderungen im Repräsentationsverhalten der römischen Eliten im 3. Jh. n. Chr." den möglichen Gründen für diesen einschneidenden Wandel nach. Da rein materialistische Modelle mittlerweile mit gutem Recht weitgehend ausgeschlossen werden können, muß man eine Erklärung wohl eher in einer veränderten Einstellung der Eliten gegenüber den traditionellen Arten der monumentalen Repräsentation in der Öffentlichkeit suchen. Es läßt sich tatsächlich wahrscheinlich machen, daß im Laufe des 3. Jhs. neue, temporärere Formen der Zurschaustellung von sozialem Ansehen und Reichtum an Bedeutung gewannen. Das Bedürfnis zur Selbstdarstellung vor dem städtischen Publikum war also durchaus noch vorhanden, wurde nun aber in einem veränderten Rahmen ausgetragen.

Spätantike Statuen wurden selbst wiederum nicht selten abgebildet, wie Johannes G. Deckers (München; byzantinistik@lrz.uni-muenchen.de) aufzeigen kann ("Darstellungen von Statuen in der Spätantike"). Allerdings ergeben sich bei der Sichtung der entsprechenden Evidenz einige nicht unerhebliche methodische Probleme insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob eine ‚statuenhafte' Darstellung tatsächlich in jedem Fall als Hinweis auf eine real existierendes Bildnis zu verstehen ist. Letzteres ist wohl zu bezweifeln, da es sich häufig eher um Abbilder in einem übertragenen Sinne gehandelt haben dürfte. Statuen konnten somit zu einer Art Chiffre etwa in Stadtdarstellungen werden, die bestimmte Werte ausdrücken sollten, ohne daß dies notwendigerweise mit dem realen Stadtbild übereinstimmte. Auf der anderen Seite ist aber doch auffällig, daß zu einem idealen Stadtbild in der Spätantike offenbar weiterhin Statuen an besonders markanten Punkten gehörten. Insgesamt ist jedenfalls festzuhalten, daß in der spätantiken Bildkunst statuarische Motive weiterhin erstaunlich häufig zitiert wurden.

Franz Alto Bauer (Basel; F-A.Bauer@unibas.ch) greift in seinem Beitrag "'Virtuelle' Statuensammlungen" noch einmal die bereits mehrfach konstatierte Tatsache auf, daß auf den Basen spätantiker Statuen zunehmend literarisch ausgestaltete Texte, häufig in metrischer Form, angebracht wurden (vgl. o. Stewart), die zudem nicht selten das beschrieben, was der Betrachter eigentlich ohnehin sehen sollte - nämlich das Bildnis, sein Material oder seinen Aufstellungsort. Dabei läßt sich eine Aufwertung des Textes auf der Basis gegenüber der Statue beobachten, die soweit reichen konnte, daß ersterer eine gewisse Autonomie von letzterer gewann. Dadurch wurden solche Statuen-Epigramme schließlich nicht selten zu ortsunabhängigen, ‚mobilen' Formen der Ehrungen, die zwischen einzelnen Intellektuellen brieflich ausgetauscht und schließlich in Anthologien gesammelt werden konnten. Die Anfertigung eines realen Bildnisses war hierzu nicht mehr unbedingt erforderlich, so daß die Grenzen zwischen realem und fiktivem Epigramm zunehmend verschwammen.

Der bevorzugte Ort für die Aufstellung von Statuen der Götter, Kaiser und verdienten Bürger waren in der hohen Kaiserzeit die zentralen Plätze der Städte gewesen. Christian Witschel (München; christian.witschel@lrz.uni-muenchen.de) untersucht deswegen in seinem Vortrag "Die Statuenausstattung spätantiker Fora in Italien und Africa", was mit dem Statuenschmuck dieser Plätze in der Spätantike geschah, wobei hierzu vor allem der epigraphische Befund herangezogen wird. Dieser verdeutlicht zunächst, daß die Fora bis in das frühe 5. Jh. vielfach mit erheblicher Energie instandgehalten wurden. In bezug auf die dort befindlichen Statuen lassen sich aber ganz unterschiedliche Tendenzen ausmachen: Eine ‚Versteinerung' des in der hohen Kaiserzeit erreichten Zustandes mit lediglich kleineren Veränderungen in der Spätantike; eine ‚Musealisierung' der Platzanlagen durch eine historisierende An- bzw. Neuordnung alter und neuer Standbilder; eine gezielte Erhaltung bestimmter Skulpturen durch Restaurierungen, Umsetzungen oder die Anlage von Statuendepots; schließlich aber auch die Zerstörung oder Abtragung des vorhandenen Statuenschmuckes zur Wiederverwendung in Fundamenten von Gebäuden oder - bei den Basen - in der Pflasterung von Straßen.

Sarah G. Bassett (Detroit; aa2582@wayne.edu) widmet sich der Statuenausstattung der öffentlichen Plätze und Gebäude in der spätantiken Metropole Konstantinopel ("Ancient Statuary in Fourth-Century Constantinople: Context and Function"). Diese wurde bei der Gründung der Stadt durch Konstantin (und auch später) zumeist nicht neu angefertigt, sondern bestand fast ausschließlich aus älteren Kunstwerken, die man aus anderen Städten der östlichen Reichshälfte herangebracht hatte. Bassett fragt nun nach den möglichen Gründen für eine solche Praxis. Neben der rein pragmatischen Motivation, die Stadt möglichst schnell und ohne größeren Aufwand mit einer Vielzahl von herausragenden Skulpturen versehen zu können, ist dabei sicherlich auch der ideologische Aspekt zu beachten: Statuen galten offenbar als Statussymbole und ästhetisch wertvolle Kostbarkeiten, die die Identität einer Stadt definierten (vgl. o. Deckers). Gerade ältere Monumente verwiesen auf die Altehrwürdigkeit eines Ortes. Hinzu kam, daß den meisten der Bildnisse eine eigene Form der (lokal gebundenen) Historizität anhaftete, was wiederum dazu benutzt werden konnte, für die Kapitale Konstantinopel eine neue, universelle Stadtgeschichte zu konstruieren. Das wird auch darin deutlich, daß man die Statuenaufstellungen nach thematischen Gesichtspunkten konzentrierte. Dadurch kam den Skulpturen, die häufig der klassischen bzw. spätklassischen Epoche entstammten, schließlich eine Bildungs-Funktion zu, nämlich als visueller Ausdruck von paideia.

Welche ambivalenten Haltungen dem Umgang mit (älteren) Skulpturen in der Spätantike zugrunde lagen, verdeutlicht der Vortrag von Robert Coates-Stephens (Rom; robertcoates@tiscali.it) in besonderem Maße ("The Recycling of Ancient Statuary in Late Antique Rome and the End of the Statue Habit. Two Related Phenomena?"). Er untersucht ein bislang nur wenig beachtetes Phänomen, nämlich die Verbauung von zahlreichen Statuenfragmenten in den Mauern verschiedener Bauten in Rom. Bisher zumeist in das Frühmittelalter datiert, lassen sich die meisten dieser ‚Statuenmauern' mit Sicherheit der Spätantike zuweisen, wobei die frühesten offenbar in die tetrarchische Zeit gehören. Sie lassen sich zumeist mit den großen domus der spätantiken senatorischen Oberschicht verbinden. Da sich darunter sowohl Heiden wie Christen befanden, läßt sich diese Praxis kaum mit einem gezielten christlichen Ikonoklasmus verbinden. Vielmehr scheinen hier tatsächlich pragmatische Motive im Vordergrund gestanden zu haben.

Ein wieder etwas anderes Bild läßt sich hingegen im kleinasiatischen Aphrodisias beobachten, wie der Vortrag ("Statue Life in the Hadrianic Baths at Aphrodisias, AD 100-600") von R.R.R. Smith (Oxford; bert.smith@ashmolean-museum.oxford.ac.uk) anhand einer exzeptionell reichhaltigen Dokumentation eindrucksvoll aufzeigen kann. In Aphrodisias ist zunächst auszumachen, daß die älteren Statuen in der Spätantike keineswegs abgeräumt wurden, sondern weiterhin in großer Zahl auf öffentlichen Plätzen und Gebäuden standen. Trotz eines Rückganges bei der Neuproduktion von Skulpturen nahm die Gesamtzahl der sichtbaren Skulpturen in der Spätantike also eher noch zu. Dabei handelte es sich nun weniger um bewußt geplante Statuenprogramme oder gar -museen, sondern um gewachsene Ensembles, in die sich auch die spätantiken Neuaufstellungen durchaus einfügten. Besonders klar läßt sich dies am Beispiel der Statuenaufstellung in den ‚Hadrianischen Bädern' verdeutlichen, die fast vollständig rekonstruiert werden kann. Sie reicht bis in das 6. Jh., obwohl eventuell bald nach der Mitte des 4. Jhs. eine größere Zahl älterer Skulpturen für den Bau der Stadtmauer abgeräumt wurde. Gerade ältere Götterstatuen blieben aber bis um 600 in den Thermen stehen. Hinzu traten - in relativer Dichte - die spätantiken Ehrenstatuen des späteren 4.-6. Jhs., so daß von einem Niedergang der statuarischen Praxis in den Bädern keine Rede sein kann.

Eines der größten Probleme bei der Behandlung der spätantiken Skulpturenproduktion, insbesondere von Idealplastik, ist nach wie vor die genaue chronologische Einordnung vieler Stücke. Dies gilt insbesondere für die Periode des Überganges von der hochkaiserzeitlichen zur spätantiken, nach neueren Erkenntnissen bis in das mittlere 5. Jh. reichenden Fertigung von Statuen mythologischen Inhaltes. An diesem Punkt setzt Niels Hannestad (Aarhus; klanh@hum.au.dk) mit seinem Vortrag "Late Antique Sculpture in the Private Sphere - Chronology Revisited" an. Er richtet seinen Blick dabei vor allem auf Rom, wo sich während der "dark period" zwischen ca. 230 und 280 ein Fortbestand hochqualifizierter Werkstätten anhand der Herstellung von Sarkophagen festmachen läßt. Gegen Ende des 3. Jhs. entstanden dann auch wieder andere, häufig kleinformatige Figuren, wobei sich eventuell die Sarkophag-Bildhauer in diese Richtung neu orientierten.

Lea M. Stirling (Winnipeg; stirlng@Ms.UManitoba.ca) vergleicht in ihrem Vortrag "Statuary Collecting and Display in the Late-Antique Villas of Gaul and Spain: a Comparative Study" die Statuenausstattungen spätantiker Villen in Südgallien und Hispanien, zu denen mittlerweile eine Reihe von Befunden vorliegt. In Hispanien handelt es sich bei den meisten Skulpturen, die in einer Villa mit spätantiker Ausbauphase gefunden wurden, um Altstücke. In Südgallien sind nach neueren Datierungsansätzen die meisten Villen sogar noch etwas später ausgebaut worden als in Hispanien, nämlich um 400 und dann noch einmal im späten 5. Jh. Dabei spielten neben Mosaiken (s.u. Muth) auch Statuen eine gewisse Rolle, wobei solche in Südgallien hierfür auch noch neu angefertigt wurden. Neben der überall vorhandenen Idealplastik (mit einer besonderen Betonung auf dionysische Themen in den hispanischen Villen) läßt sich in Gallien eine gewisse Vorliebe für Porträts, gerade (frühere) Kaiserporträts, beobachten.

Das quantitativ und qualitativ weitaus bedeutendste Skulpturenensemble in einer spätantiken Villa hat sich in Chiragan (in der Nähe von Toulouse) gefunden. Es stellt sich erneut die Frage, ob wir es mit einem langsam angewachsenen Bestand, der in der Spätantike durch eine größere Zahl von neuen Stücken ergänzt wurde, oder mit einer Sammlung, die erst im 4. Jh. aus älteren Stücken zusammengestellt wurde, zu tun haben. Diesem Problem widmet Marianne Bergmann (Göttingen; marianne.bergmann@phil.uni-goettingen.de) ihren Beitrag "Chiragan, ein gewachsenes Skulpturenensemble. Das Zeugnis der Porträts". Der größere Teil der Skulpturen besteht aus Idealplastik. Unter ihnen befindet sich ein Komplex, der sich als Neuanfertigung des 4. Jhs. erweisen läßt. Hingegen decken die mehr als 50 Porträts eine Zeitspanne von der frühaugusteischen Epoche bis in das mittlere 3. Jh. ab. Einige Köpfe weisen deutliche Umarbeitungsspuren auf. Während Hannestad meint, der Besitzer von Chiragan im 4. Jh. habe eine bereits bestehende Sammlung von Kaiserporträts aufgekauft und dann für die Neuaufstellung in der Villa restaurieren lassen, vertritt Bergmann die Meinung, die Bildnisse seien sukzessive in die Villa gekommen und stellten somit eine gewachsene, wohl im Familienbesitz befindliche Sammlung dar.

Elaine Gazda (Ann Arbor; gazda@umich.edu) betrachtet in ihrem Vortrag "Sculptural Decor and the Late Antique Roman House: Observations on Social and Religious Uses of Statuary in Domestic Contexts" die statuarische Ausstattung spätantiker Stadthäuser. Sie geht dabei zunächst auf die domus der Oberschicht ein und fragt, ob es bei den in ihnen vertretenen Skulpturen Unterschiede zu den Funden in zeitgleichen Villen (s.o. Stirling) gibt. Bei der Betrachtung der Evidenz in Rom und Ostia läßt sich diese Frage wohl verneinen - auch hier dominierte vor allem Idealplastik. Sie wendet sich dann Häusern zu, die eher einer ‚Mittelschicht' zuzuweisen sind, und zwar im ägyptischen Karanis, das bis in das 6. Jh. besiedelt blieb. Auch in diesen Behausungen sind vor allem Götterstatuetten geborgen worden, darunter eine große Zahl von Darstellungen der Aphrodite, die teilweise den spätantiken Benutzungsphasen zugeordnet werden können und eventuell als Mitgift der Frauen in die Häuser kamen. Ein letzter Blick gilt Alexandria, wo sich in den spätantiken Häusern ebenfalls einige kleinformatige Skulpturen von Göttern, aber auch ein Porträt Alexanders d.Gr. gefunden haben.

Nun bestand die Ausstattung spätantiker Häuser und Villen aber nicht nur aus Statuen, sondern zu einem erheblichen Teil auch aus anderen Dekorformen wie Fußbodenmosaiken und Wandmalereien. Susanne Muth (München; susanne.muth@ka.fak12.uni-muenchen.de) fragt deswegen in dem abschließenden Beitrag "Die Suggestion des Imaginären oder das Manko der Statuen" danach, welche Rolle den Skulpturen zukam, wenn man die Perspektive auf die gesamte Ausstattung spätantiker Wohnräume öffnet. Dabei zeigt sich, daß der Skulpturenschmuck im Kontext der übrigen Ausstattung, die sich seit dem späteren 3. Jh. deutlich verändert hatte, oft nur noch eine untergeordnete Bedeutung besaß. Gerade die Bodenmosaike, aber auch die Wandmalereien sprachen den Besucher mit ihren ‚lebenswirklichen' Darstellungen oder ihrem starken suggestiven Potential zumeist viel direkter und intensiver an, als dies die Statuen vermochten.

Ergebnisse

Die bereits in der Einführung angesprochenen, stark divergierenden Tendenzen im Umgang mit Statuen während der Spätantike haben sich im Laufe des Workshops erneut mit aller Deutlichkeit gezeigt. Sie lassen sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen und beim derzeitigen Forschungsstand vielfach noch nicht hinreichend erklären. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß die zeitgenössischen Quellen hierbei häufig nur wenig weiterhelfen, da sie viele der am materiellen Befund deutlich ablesbaren Veränderungen kaum thematisieren (s.o. Stewart). Immerhin ist festzuhalten, daß Skulpturen offenbar im kulturellen Diskurs der Spätantike weiterhin eine recht bedeutende Rolle spielten. So wurden Statuen beispielsweise als Chiffren für ein ideales Stadtbild immer noch häufig abgebildet (s.o. Deckers). Auch die Ausbildung von literarischen, ‚virtuellen' Statuensammlungen in Form von Epigrammen auf Skulpturen, die - losgelöst von tatsächlichen Standbildern - in Anthologien zusammengestellt wurden, spricht letztlich dafür, wie präsent Statuen in der spätantiken Geisteswelt noch waren (s.o. Bauer).

In einigen Städten wie in Aphrodisias läßt sich zudem eine sehr vitale, bis in das 6. Jh. fortdauernde statuarische Praxis nachweisen, bei der zu den weiterhin an ihrem Platz befindlichen oder umgesetzten älteren Standbildern laufend neue (Ehren)Statuen hinzukamen (s.o. Smith). Dennoch ist bei einer Gesamtsicht auf die hierfür am ehesten aussagekräftige epigraphische Evidenz nicht an der Tatsache vorbeizugehen, daß die Neuaufstellungen von Kaiser- und insbesondere von Ehrenstatuen seit dem mittleren 3. Jh. drastisch zurückgegangen waren. Da dieses Phänomen keineswegs durch eine durchgehende materielle Not oder dramatische soziale Umwälzungen zu erklären ist, wird man kaum umhinkommen, für diesen Wandel mentale Verschiebungen verantwortlich zu machen, durch die sich die Einstellung gegenüber Statuen (und Inschriften) als dem bevorzugten Medium gesellschaftlicher Repräsentation grundlegend veränderte (s.o. Borg).

Während die sozio-politische Funktionen von öffentlich aufgestellten Statuen also zunehmend in den Hintergrund traten, ist eine gewisse Aufwertung eines anderen Aspektes zu beobachten, der den Standbildern zwar ebenfalls schon immer angehaftet hatte, der aber nun noch stärker als zuvor betont wurde: Die Rolle der Skulpturen, gerade der älteren unter ihnen, als Kunstwerke, die wegen ihres ästhetischen Reizes und ihrer Schmuckfunktion (ornatus) für das Stadtbild geschätzt wurden. Diese Ansicht wurde trotz der Anwürfe einiger Kirchenväter gegen die idola auch von vielen Christen geteilt. Sie manifestierte sich in einer vielerorts zu beobachtenden Fürsorge um ältere Skulpturen, die man von aufgelassenen Orten wie Tempeln an bedeutendere Plätze umsetzte, gegebenenfalls restaurierte oder für den privaten Bedarf aufkaufte (s.u.).

Darüber hinaus lassen sich einige sehr bewußte Inszenierungen ausmachen, bei denen etwa ältere Statuen, die man in einem neuen Kontext auf dem Forum einer Stadt wiedererrichtete, dazu dienten, in einer Art ‚musealer' Anordnung die Geschichte der Gemeinde mit ihren führenden Männern und den sie beschützenden Göttern zu vergegenwärtigen und durch ihr künstlerisches Prestige sowie durch ihre Altehrwürdigkeit das Stadtbild aufzuwerten (s.o. Witschel). Das beeindruckendste Beispiel für einen solchen gezielten Einsatz älterer Skulpturen in ganz bestimmten, thematisch aufgeladenen Kontexten bietet ohne Zweifel die Neugründung Konstantinopels (s.o. Bassett).

Ähnliches kann man in bezug auf die Statuenausstattung in spätantiken Häusern und Villen konstatieren, und zwar über verschiedene soziale Schichten hinweg (s.o. Gazda). Skulpturen (häufig kleinformatige) wurden hier in verschiedenen Bereichen eingesetzt, um - gerade durch den Einsatz von Sujets aus der klassischen Mythologie - die Bildung des Besitzers zu evozieren, aber auch, um seinen luxuriösen Lebensstil etwa in den Privatbädern zu unterstreichen (s.o. Stirling). Bei den Statuen handelte es sich teilweise um Altstücke, die als Erbstücke in die Hände der spätantiken Besitzer gelangt waren oder von diesen auf einem offenbar existierenden ‚Kunstmarkt' zusammengekauft wurden, teilweise aber auch um neugefertigte Skulpturen, die man als bewußte Ergänzung zu dem vorhandenen Skulpturenschmuck in Auftrag gegeben hatte. In Chiragan lassen sich beide Phänomene nebeneinander beobachten (s.o. Bergmann). Trotz regionaler Unterschiede in der Villenausstattung, die sich etwa zwischen Hispanien und Südgallien festmachen lassen (s.o. Stirling), ist hierbei doch von einer relativ einheitlichen Geisteswelt auszugehen, die sich auch in anderen Reichsteilen nachweisen läßt. Die Bedeutung der Statuen darf in diesem Rahmen aber nicht überschätzt werden, denn andere Bildmedien wie Mosaiken und Wandmalereien nahmen in den spätantiken Privaträumen, die als Orte der sozialen Repräsentation ja augenscheinlich eine noch größere Rolle spielten als zuvor, einen wesentlich prominenteren Platz ein, da sie sich augenscheinlich für einen direkten ‚Dialog' mit dem Betrachter besser eigneten und dabei eine höhere Suggestionskraft entwickeln konnten (s.o. Muth).

Zudem muß noch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, daß die zuletzt beschriebene bewahrende, bisweilen geradezu ‚museale' Einstellung gegenüber dem reichen Bestand an älteren Skulpturen in der Spätantike beileibe nicht die einzige, ja vermutlich noch nicht einmal die dominierende war. Es gab nämlich auch ganz andere Formen des Umgangs mit Statuen, die nun gerade nicht von einer ästhetischen Aufwertung derselben zeugten. Dabei sollte man den Blick weniger auf die - in den Quellen teilweise als besonders spektakulär erscheinenden - Fälle richten, in denen heidnische Götterbilder von Christen aus ideologischen Gründen gezielt zerstört oder ‚entweiht' wurden. Quantitativ viel bedeutender waren offenbar die Vorgänge, bei denen Statuen aus eher pragmatischen Gründen abgeräumt wurden, um an anderen Stellen wiederverwendet zu werden - und zwar ohne einen Bezug zu ihrer bisherigen Funktion, also etwa als Baumaterial in den Fundamenten von Häusern oder Stadtmauern (s.o. Coates-Stephens). Das scheint nun wiederum eine weit verbreitete Geringschätzung von Skulpturen in der Spätantike anzuzeigen, die jedoch einherging mit einer fortdauernden Verwendung von Statuen in denselben Kontexten.

Kontakt

Dr. Christian Witschel
Historisches Seminar, Abt. Alte Geschichte
der LMU München
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München
Tel.: 089 / 2180 5465
e-mail: christian.witschel@lrz.uni-muenchen.de


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