Technik und Öffentlichkeit. Erwartungshorizonte und Kommunikationskulturen im historischen Wandel

Technik und Öffentlichkeit. Erwartungshorizonte und Kommunikationskulturen im historischen Wandel

Organisatoren
Gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte und der Gesellschafts- für Wissenschafts- und Technikforschung
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.05.2006 - 28.05.2006
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Von
Hans-Luidger Dienel, ZTG, Technische Universität Berlin

Die gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte (GTG) und der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung (GWTF) vom 26. bis 28. Mai 2006 in der TU Berlin beschäftigte sich mit dem Thema Technik und Öffentlichkeit und den gesellschaftlichen Erwartungshorizonten an Technik. Das Programm war von Martin Meister (Berlin), Hans-Liudger Dienel (Berlin) und Johannes Abele (Saarbrücken) zusammengestellt worden, zum Programmkommittee der GTG gehörten ferner Frank Dittmann (München) und Michael Mende (Braunschweig), als Local Organizer fungierte das Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. In der gut besuchten Tagung mit insgesamt 10 Fachsektionen sowie einem öffentlichen Abendvortrag ging es um Wissenschafts- und Technikbilder vom Science Fiction bis hin zu staatlicher Technologiepolitik. Wegen der erstmaligen gemeinsamen Jahrestagung war eine eigene Podiumsdiskussion der zukünftigen Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen der sozialwissenschaftlichen Technikforschung gewidmet.

Wissenschafts- und Technik-Kommunikation liegt gegenwärtig im Trend. Es gibt eine Fülle von Aktivitäten, Ausstellungen, Wissenschafts- und Technik-Dialogen oder auch neue Bestrebungen zur Professionalisierung des Wissenschafts-Journalismus. Die immer noch Schlagzeilen tauglichen Thesen mangelnder Technik-Akzeptanz, die arbeitsmarktpolitische Problematik mangelnden wissenschaftlich-technischen Nachwuchses, die Legitimation wissenschaftlich-technischer Forschung angesichts knapper Verteilungsspielräume, aber auch die politische Vision einer stärkeren Demokratisierung der Technologiepolitik bilden den Hintergrund dieser Aktivitäten. Die Vielzahl an Initiativen zur Technik-Kommunikation verweist auf Veränderungen im Verhältnis zwischen Wissenschaft, Technik und Öffentlichkeit. Die wissenschaftliche Tagung der Gesellschaft für Technikgeschichte und der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung befasst sich mit diesem Wandel. Die Zusammenführung von Untersuchungen aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften soll die Analyse von Wechselwirkungen zwischen Technik und Öffentlichkeit schärfen und damit einen Beitrag zur technik- und wissenschaftspolitischen Strategiedebattte in Deutschland leisten. Die Tagung wurde durch ein Grußwort von Dr. Susanna Schmidt (Abteilungsleiterin Strategien und Grundsatzfragen des BMBF) eröffnet.

Sektion IA „Wissenschafts- und Technikbilder im Science Fiction“ wendete sich einem der wichtigsten Popularisierer einerseits technik- und wissenschaftsbasierter gesellschaftlicher Visionen und andererseits von gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen an Wissenschaft und Technik zu. Claudia Muhl vertrat einleitend die These, dass Science Fiction Filme Visionen und reale Bilder schaffen, die zu Projektionsflächen für das Wissenschafts- und Forschungsverständnis der Öffentlichkeit werden und sich zu Images verdichten. Muhl lieferte gut ausgewählte empirische Beispiele aus Science Fiction Spielfilmen der letzten vier Jahrzehnte, in denen Images von omnipotenten Technologien in der Hirnforschung präsentiert wurden. In den gewählten Beispielen reagiert die im Science Fiction präsentierte Hirnforschung auf Erwartungen und Erwartungserwartungen von Forschung und Gesellschaft an die Hirnforschung. Petra Schaper-Rinkel (Berlin) sprach über das ambivalente Verhältnis von Technologiepolitik und Science Fiction am Beispiel der Nanotechnik. Wie reagieren politische Akteure, z.B. Forschungsministerien, die ebenfalls Zukunftsvisionen produzieren müssen? Schaper-Rinkel kann zeigen, wie öffentlich geförderte Nano-Ausstellungen und populärwissenschaftliche Informationsmaterialien durchaus Science-Fiction-Szenarien aufgreifen. Nano-Science-Fictions werden von einer auf ökonomische und technologische Beschleunigung setzenden Technologiepolitik positiv als innovationsförderlich eingestuft und nur dann mit Skepsis betrachtet, wenn in den Filmen Horrorszenarien die Oberhand gewinnen. Petra Lucht (Berlin) untersuchte Science-Fiction als zum Film geronnene diskursive Arena für gesellschaftliche Aushandlungsprozesse zur Zukunft von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft. Ihr diskursanalytischer Ansatz nimmt Anleihen bei Gieryns Definiton von diskursiven Arenen als »Boundary Works«, ihre Beispiele kamen ebenfalls auch dem Bereich der Nanotechnologie sowie der Cyborgs und Zeitmaschinen.

In der Sektion IB “Der Beitrag des Mediums zur Kommunikation von Wissenschaft und Technik“, in der die Vortragenden selbst den Chair übernommen hatten, wurden die spezifischen Formen und Auswirkungen von Vermittlungsmedien kulturwissenschaftlich beleuchtet. Silke Bellanger (Basel) thematisierte unter dem Titel „Irritierte Wahrnehmungen und erfassbare Wissenschaft“ die „Vermittlung von Wissenschaft und Technik in Science Centers“, die sich – so ihre Beobachtung – von der in traditionellen Museen deutlich unterscheidet. Dies wurde exemplarisch illustriert an Hands-On-Objekten, die die Sinneswahrnehmung irritieren und die BesucherInnen zu einer tätigen und sinnlichen Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen und technischen Zusammenhängen inspirieren. Sabine Maasen (Basel) thematisierte „Lebensberatung digital“ anhand des Beispiels von online-Beichträumen, die ein Geständnis in einer anonymen Blogsphäre ermöglichen. Gestützt auf Foucault interpretierte sie die überraschend breite Nutzung dieses Mediums als aktuelle Ausprägung der historisch unterschiedlichen, aber immer sozial folgenreichen Formen des Geständnisses. Dirk Verdicchio (Basel/ Freiburg) fragte: „Was vermitteln populäre Wissenschaftsfilme?“ und damit nach den Besonderheiten eines weiteren Genres der Wissenschaftskommunikation. Dabei stellte er heraus, dass Vorstellungen von wissenschaftlicher Zeugenschaft und Objektivität mittransportiert werden.

Höhepunkt der Tagung war der Abendvortrag von Robert Bud (London) über die Verschiebung und Veränderung von Wissenschaft durch das Web: Science, meaning and the web: Narrative and a new technology. Am Beispiel des virtuellen Science Museums im Web, welches dem realen Counterpart in London langsam den Rang abläuft, versuchte Bud zu zeigen, das die interaktive Präsentation von Wissenschaft ihrem alten Hauptanliegen, nämlich Sinn zu produzieren, ganz neue Spiel- und Wirkungsräume erschließt und nicht nur das Wissenschaftsverständnis sondern auch die wissenschaftliche Arbeit durchgreifend verändert.

Sektion IIA über die „Mediale Wissenspolitik des Staates“ (Chair: Hans-Liudger Dienel) bestand durch den Ausfall von Manfred Heinemanns Beitrag zur Technikpräsentation im NS-System aus nur einem, allerdings hochinteressanten Vortrag von Stefan Albrecht (Mainz) zur Technikpräsentation auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs. Er verdeutlichte dies am Beispiel der öffentlichen Darstellung von Überschallflugzeugen und der jeweils eigenen Überschallflugzeugpolitik, also einer Technologie, die bis in die frühen 1970er Jahre hohe Erwartungen auslöste, aber schließlich insbesondere an den hohen Treibstoffkosten scheiterte. Albrecht blickte dabei sowohl auf die Herstellerländer SU, USA, Frankreich und UK als auch Bestellerländer aus beiden Lagern, insbesondere die CSSR, DDR und die BRD. Er konnte in diesem Zusammenhang einerseits die Auswirkungen der nationalen und ideologischen Systemkonkurrenz feststellen, wie auch andererseits eine ubiquitäre Technikbegeisterung auf beiden Seiten, die in der Lage war, sich auch für die Technik der anderen Seite zu begeistern.

In der Sektion IIB wurden Beispiele für die „mediale Wissenschaftspolitik von Wissenschaftsinstitutionen“ vorgestellt (Chair: Johannes Abele, Saarbrücken). Stefan Krebs (Aachen) rekonstruierte unter dem Title „Leben heißt ein Kämpfer sein“, wie die Bildung von Akteurskonstellationen, bei denen Wissenschaft und Öffentlichkeit als Ressource füreinander fungierten, zur „Konsolidierung der modernen Eisenhüttenkunde an der TH Aachen“ führten. Monika Kurath (Basel) präsentierte unter dem Titel „Technikkommunikation: Von der Gentechnik zu den Nanowissenschaften“ einen diskursanalytischen Vergleich mit dem Ergebnis, dass ein Wandel der Technik-Kommunikation von einem reaktiven zu einem proaktiven Diskurs stattgefunden hat, mit dem möglichst früh öffentliche Zustimmung zu den Nanotechnologien geschaffen werden soll.

Sektion IIIA (Chair: Susanne Schön) problematisierte die Mediale Wissenschaftspolitik der Träger der Technikentwicklungen. Torger Möller fragte nach den Wechselwirkungen von wissenschaftlichen und populären Vorstellungen über Epilepsie vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Während im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Epilepsie aufgrund der Dominanz psychatrischer Forschungen auch in der breiten Öffentlichkeit als Geisteskrankheit galt, veränderte sich dieses Bild durch die neue Enzephalographie in den 1960er Jahren. Epilepsie gilt seither als eine neurologische Gehirnerkrankung. Lázló Varkonyi (Budapest) schilderte in seinem Vortrag die Entwicklung der öffentlichen Diskussion von Wissenschaft von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart: von der informatorischen Wissenschaftskommunikation im Sinne von Aufklärung (Public Understanding of Science and Technology) hin zu einer interaktiven, auf Partizipation und Mitbestimmung angelegten Wissenschaftskommunikation. Anhand von Beispielen aus der Praxis konnte Varkonyi zeigen, dass dieses neue Verständnis von Wissenschaftskommunikation erfolgreich umgesetzt werden kann. Christopher Neumaier (München) zeigte am Beispiel der sehr unterschiedlichen Wahrnehmung und Konjunktur von Diesel-PKWs in den USA und in Deutschland den Einfluss der öffentlichen Debatte auf die Bewertung einer neuen Technologie. Dieselmotoren gelten in den USA als umweltschädlich und haben deshalb bei Personenwagen, anders als in Deutschland, praktisch keine Chance mehr.

Die Sektion IIIB (Chair: Martin Meister, Berlin) widmete sich „sozialen Vermittlungssystemen“ zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit“. Stefan Böschen (Augsburg) führte am Beispiel der Chemiepolitik der letzten 150 Jahre eine Vielzahl von empirischen Evidenzen für eine „Entgrenzung von Erwartungshorizonten und die Genese von Gestaltungsöffentlichkeiten“ an, um seine These einer zunehmenden Bedeutung des Nichtwissens („the unknown unknown“) zu untermauern. Canavas Constantin (Hamburg) schilderte das Beispiel der „mündlichen Erörterung in der Praxis des deutschen Gentechnikgesetzes“ als das „kurze Leben einer institutionalisierten öffentlichen Technikbewertung“, um die generelle These zu stützen, dass der Wandel der Technikkommunikation zunehmend auf Unmittelbarkeit verzichtet und auf erweiterte Regulierungsnetzwerke hinsteuert. Arlena Jung (Jülich) befasste sich mit der „massenmedialen Konstruktion von Wissenschaft und Wissenschaftspolitik am Beispiel der Berichterstattung über Stammzellforschung“, wobei sie die Luhmannsche Medientheorie nutzte, um die Konventionalität der transportierten, an Alltagsvorstellungen orientierten Darstellung von Wissenschaft zu verdeutlichen.

Die Sektion IVA mit dem Thema Erwartungshorizonte an Technik (Chair: Frank Dittmann) begann mit einem ambitionierten Beitrag von Reinhold Bauer (Bochum, Hamburg) über den wirtschaftlich gescheiterten aber gleichwohl technisch und vor allem politisch gefeierten Elektropflug im Deutschen Kaiserreich. Die Presse traute dem Elektropflug eine Effizienzrevolution in der Landwirtschaft zu, die in den letzten Jahrzehnten des Deutschen Kaiserreichs zunehmend durch Importe unter Druck geriet und sich vom allgemeinen Wirtschaftswachstum abkoppelte. Damit war der Elektropflug ein Vehikel zur Rettung des wirtschaftlichen und politischen Einflusses der das Kaiserreich stützenden Großagrarier. In der Realität aber gab es für den Elektropflug fast keine lohnenden Einsatzbereiche. Anke Hertling (Kassel) untersuchte in ihrem Vortrag den Einfluss von Technik auf Romanstrukturen in der Neuen Sachlichkeit der 20er Jahre. Damit grenzte sich Hertling von vielen Literaturwissenschaftlern ab, die bisher nur nach literarischen Technikbildern gesucht hatten, aber den viel weitergehenden Einfluss von Technik auf den Rhythmus, Struktur, Sprachstil und Dramaturgie vernachlässigt haben. Wladimir Velminski präsentierte die im Westen wenig bekannten im wahrsten Sinne weit reichenden telepatischen Forschungen in der frühen Sowjetunion und begründete, warum die SU diesem Forschungsfeld besonders wohlwollend gegenüberstand. Der Wunsch nach einem großen ideologischen Einfluss der Parteiführung, insbesondere des Generalsekretärs auf die Massen passte gut in das Forschungsparadigma.

Sektion IVB fokussierte auf „Komplexitätsreduktion von Wissenschaft und Technik in Zeitschriften“, also die Besonderheiten eines bestimmten Mediums. (Chair: Ulrich Wengenroth, München). Alfred Kirpal (Ilmenau) stellte die methodischen Möglichkeiten, aber auch Grenzen der „inhaltsanalytischen Untersuchung von Technikkommunikation bei Hochtechnologien in Massenprintmedien“ vor, wobei er ein starkes Ansteigen der Berichterstattung mit Überwiegen einer eher kritischen Berichterstattung zu den befürchteten gesundheitlichen Auswirkungen hervorhob. Ralf Pulla (Dresden) gab einen farbigen Eindruck in „belehrende Unterhaltung. Technikpropaganda in der DDR-Bilderzeitschrift Mosaik“. Dabei stellte er sowohl die bewusste Abgrenzung von den Konventionen der westlichen Comic-Tradition heraus wie auch den unmittelbaren Einfluss der staatlichen Vorgaben auf die jeweils dargestellten Themen. Arne Schirrmacher (München) stellte unter dem Titel „Wer sollte all das lesen?“ einen differenzierten Ansatz zur empirischen Kartierung der „Neuausrichtung des naturwissenschaftlich-technischen Vermittlungssystems auf eine sich differenzierende Öffentlichkeit zwischen Nachfrage und Kommerz, 1900-1933“ vor. Sein Ansatz differenziert mehrere Zwischenstufen der wechselseitigen Durchdringung von Fachwissenschaft und Öffentlichkeit.

Sektion VA über Museen und Science Centers (Chair: Robert Bud) thematisierte die Veränderung der Vorstellungen von Öffentlichkeit und Wissenschaftlichkeit am Beispiel einzelner Museumstypen. Carsten Kretschmann zeigte am Beispiel bekannter naturhistorischer Museen die langsame Ausgrenzung von Lehrern und aktiven Laien aus dem Kernbereich der naturhistorischen Museen, die wissenschaftlicher und musealer wurden, über einen säkularen Prozess. Dorothee Serries verglich die Konzepte wichtiger bundesdeutscher Technikmuseen im Hinblick auf ihre Vorstellungen von Öffentlichkeit, Interaktivität und Beteiligung. Barbara Wenk blickte am Beispiel von sieben kürzlich neu eröffneten Dauerausstellungen in großen Technikmuseen auf die aktuellen Aussstellungskonzeptionen, insbesondere auf Kommunikationsmittel und –formen und auf die Abgrenzung zu Messen und Science Centers. Stefan Poser präsentierte das Konzept einer geplanten Ausstellung im Deutschen Technikmuseum zu Technik und Spiel, also eines Themas, dass sich für die spielerische und interaktive Präsentation scheinbar besonders eignet.

In der Sektion VB (Chair: Stephan Böschen) wurden Beispiele für die Herkunft, Art und gesellschaftliche Wirksamkeit von „technoimaginären Visionen“ aus verschiedenen Epochen vorgestellt. Tobias Heinrich Duncker (Aachen) hob ab auf die Differenz zwischen der innerwissenschaftlichen und der populären Verwendung eines „Mediums der Wissenschafts- und Technikkommunikation“, dem stilisierten Bild der Gehirntätigkeit aus der zeitgenössischen Neurobiologie. Alexander Gall (München) gab einen Einblick in seine laufenden Forschungen zu „wissenschaftlichen und technischen Fotografien in den Massenillustrierten um 1900“, mit denen er den Zusammenhang zwischen dem Wandel des öffentlichen Technikbildes und dem Umbruch der deutschen Presselandschaft erforscht. Kijan Malte Espahangizi (Zürich) illustrierte am Beispiel des Bildes der Elektroröhre, wie breit dieses „Techno-Imaginäre der frühen Kommunikations- & Informationsgesellschaft“ prägend war. Christian Holtorf (Dresden) präsentierte unter dem Titel „The Telegraph Plateau“, wie im 19. Jahrhundert der „Telegraf als Organ der Ozeanforschung“ wirkte, und diskutierte die Möglichkeiten, diese zeitgenössische Metapher aus dem Feld für eine aktuelle kulturwissenschaftliche Rekonstruktion zu nutzen. Soma Rédey (Budapest) gab einen Überblick über “Science and Technology in the Popular Culture“ anhand der Geschichte des Science-Fiction Filmes.

Die gemeinsame Jahrestagung von GTG und GWTF war Anlass für eine von Martin Meister (Berlin) und Hans-Liudger Dienel (Berlin) moderierte Podiumsdiskussion über die Chancen und Defizite der Zusammenarbeit von Technikgeschichte, Techniksoziologie und weiteren Disziplinen der sozialwissenschaftlichen Technikforschung (Politikwissenschaft, Technology Assessment, Technikphilosophie, Technikpsychologie etc.), wobei die Frage einer stärkeren Institutionalisierung interdisziplinärer Lehre und Forschung im Zentrum stand. Statements vor dem Hintergrund ihrer professionellen Erfahrungen kamen von Wolfgang König (Berlin) zu Zeitschriften, Dorothea Schmidt (Berlin) zu Fachvereinigungen, Peter Hocke (Karlsruhe) zu interdisziplinären Instituten und Stefan Böschen (Augsburg) zu interdisziplinären Forschungsverbünden, Sybilla Nikolow (Bielefeld) zu neuen interdisziplinären Masterstudiengängen sowie Ulrich Wengenroth, (München) zu klassisch interdisziplinären Studiengängen. Während einige „etablierte“ Diskutanten es für ausreichend ansahen, die Kooperation auf gute gemeinsame Forschungsprojekte zu beschränken, die Strukturen (Studiengänge, Professuren..) aber disziplinär zu belassen, wiesen vor allem Nachwuchswissenschaftler darauf hin, das die jetzigen Strukturen interdisziplinäre Arbeit zuwenig honorieren, bzw. karrieretechnisch bestrafen und das dies geändert werden müsse. Deutlich wurden zugleich das Interesse und die Offenheit aller Diskutanten für die interdisziplinäre Arbeit und die Bereitschaft, das Experiment gemeinsamer Jahrestagungen zu wiederholen.

Das Verhältnis von Technik und Öffentlichkeit ist auf der Tagung auf zwei verschiedene Weisen zum Thema geworden, weil auch zwei grundsätzlich verschiedene Begriffe von Öffentlichkeit zugrunde gelegt wurden. Der Begriff Öffentlichkeit bezeichnete zum einen all jene Gesellschaftsmitglieder, die sich in unterschiedlichen Rollen und mit unterschiedlichem Einfluss aktiv oder passiv an der Einschätzung und Bewertung der Ereignisse beteiligen. Dies ist die Öffentlichkeit der öffentlichen Wahrnehmung, des öffentlichen Diskurses und der öffentlichen Meinungsbildung. Unter „Öffentlichkeit“ ist zweitens jene Sphäre der allgemeinen Zugänglichkeit von Ereignissen für alle Gesellschaftsmitglieder gemeint, die in modernen Gesellschaften primär medienvermittelt entsteht.

Die Tagung hat die Veränderungen der Erwartungshorizonte an Wissenschaft und Technik sowie den daraus resultierenden Wandel der Technik-Kommunikation thematisiert. Zweitens wurden auf der Tagung die ganz unterschiedlichen Kommunikationsinteressen und Strategien der verschiedenen Träger der Technik-Entwicklung vorgestellt. Eine besondere Rolle spielte dabei die zunehmende Bedeutung der Techniknutzer und die Entwicklung einer partizipativen Technikentwicklung. Dies zeigte sich in den Wechselwirkungen zwischen einem veränderten Verhältnis von Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit einerseits und einer neuen Aufmerksamkeitsökonomie oder Debattenkultur andererseits. Verändert haben sich auch die Medien der Wissenschafts- und Technik-Kommunikation. In den Jahren von 1860 und 1895 explodierte der Markt für populärwissenschaftliche Medien. Zeitschriften, Sachbücher, Ausstellung oder öffentliche Vorträge gaben Einblick in aktuelle Forschungen und machten neue Entdeckungen bekannt. Das Dokumentarphoto und später der Dokumentarfilm verliehen den Berichten den Anschein großer Objektivität. Wissenschaftssendungen im Fernsehen und das Internet eröffneten wiederum neue Zugangswege zur Öffentlichkeit. Medien beeinflussen aber auch Forschung und Entwicklung, sie können zu neuen Formen der Wissensstrukturierung und zu veränderten Wissenskulturen beitragen. Die These der Medialisierung der Wissenschaft verweist auf die aktive Rolle der Medien bei der Produktion von Wissen. Viertens hat die Tagung den Ort von Wissenschaft und Technik in der Populärkultur bestimmt. Technik ist heute ein fester Bestandteil der Populärkultur. Erzählungen, Romane, Comics oder Filme schaffen wirkungsmächtige Technik-Bilder und -Mythen. Die Populärkultur bildet eine Reflexionsebene für Umbrüche und Verschiebungen in den technischen und sozialen Bedingungen. Gerade in Science Fiction-Romanen oder -Filmen erhielten und erhalten Technik-Visionen, ihre gesellschaftliche und kulturellen Implikationen, Strategien, Hoffnungen und Befürchtungen eine eigene Darstellungsplattform. Die Tagung hat das Spannungsfeld zwischen Technik-Darstellungen in der Populärkultur, in Institutionen der Technik-Kommunikation und im Bereich der professionalisierten Ingenieurwissenschaft aufgezeigt und so das Verständnis von Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Technik und Öffentlichkeit vertieft.
Ein Tagungsband ist geplant und befindet sich in Vorbereitung.

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