Spätestens seit der „konstantinischen Wende“ sah sich die christliche Kirche dauerhaft im Spannungsfeld zwischen dem evangelischen Rat der Armut um Christi willen einerseits und dem Anliegen, ein Stück der Herrlichkeit der „Ecclesia triumphans“ durch die Prachtentfaltung ihrer Zeremonien bereits in den Tagen der irdischen Pilgerschaft sichtbar werden zu lassen andererseits. In besonderer Weise galt das für das Papsttum, das sich in den Zeiten der Auseinandersetzung mit den weltlichen Mächten geradezu verpflichtet sah, die eigene Souveränität auch durch eine angemessene Hofhaltung und ein standesgemäßes Zeremoniell zu dokumentieren. Dies galt umso mehr für das Jahrhundert zwischen der Rückkehr aus Avignon und der protestantischen Reformation, als die Kurie vor der Herausforderung stand, die durch Schisma und Konziliarismus lädierte päpstliche Autorität zu stärken und den Charakter Roms als Zentralort der Christenheit wiederzugewinnen. Am Papsthof der Renaissance traf dieses Bedürfnis nach einer adäquaten Repräsentation auf die Kategorie der humanistischen „Liberalitas“ und das gewissermaßen private Streben zahlreicher Kurienpersönlichkeiten, ihren Status durch eine opulente, ihrer oft adeligen Herkunft entsprechende Selbstinszenierung zu manifestieren. Diese Elemente verbanden sich zu jenem Ensemble aus sakralem Ornat und weltlichem Luxus, das den Rahmen für die Entstehung einzigartiger künstlerischer Meisterwerke bildete, aber natürlich vor dem Hintergrund der besonderen kirchlichen Absage an die Schätze dieser Welt stets legitimationsbedürftig und umstritten blieb. Dieser Thematik war der interdisziplinäre Studientag „Heiliger Pomp – Luxus und materielle Kultur am spätmittelalterlichen Papsthof (1420-1527)“ gewidmet, der am 15. Februar 2007 im Deutschen Historischen Institut (DHI) in Rom stattfand. Eingeladen hatte dazu Thomas Ertl (DHI Rom/Berlin), die Moderation übernahmen Patrick Gilli (Montpellier) und Sybille Ebert-Schifferer (Rom).
Die enorme Steigerung des materiellen Aufwandes für die kuriale Prachtentfaltung im Laufe des 15. Jahrhunderts lag, so Ertl in seinen einleitenden Worten, durchaus im Trend der übrigen italienischen Höfe – es war die Phase der Expansion und der Transformation der Residenzen hin zu Zentren monarchischer Repräsentation. Die Verwandlung der Fürstenhöfe in Bühnen, die den Protagonisten die Zurschaustellung von Reichtum und zeremonieller Raffinesse gestatteten, diente gleichermaßen der Mehrung des Ansehens nach außen und der Integration nach innen, namentlich der Einbindung der lokalen Nobilität.
Andererseits war der Papsthof aber auch in der Wahrnehmung der Zeitgenossen eben kein Hof wie jeder andere, sondern musste sich vor dem Hintergrund seines geistlichen Anspruches stets an besonderen Maßstäben messen lassen. Die faktische Diskrepanz zwischen idealer Armut und realem Reichtum wurde zu einer Hauptquelle des mittelalterlichen Antiklerikalismus. Die Legitimationsbedürftigkeit des päpstlichen Reichtums schlug sich speziell im 15. Jahrhundert in einer regen literarischen Auseinandersetzung nieder, der sich Werke wie etwa der Tractatus ‚De curiae commodis‘ des Lapo da Castiglionchio il Giovane verdanken.
Mit ihrem Beitrag „Körper-Kult. Die Sorge um das leibliche Wohl am päpstlichen Hof“ knüpfte Claudia Märtl (München) dezidiert an eine Thematik an, die sich seit Agostino Paravicino Baglianis „Der Leib des Papstes“ einer gewissen Beliebtheit erfreut. Neue Erkenntnisse für das 15. Jahrhundert konnte sie vor allem aus zwei Quellengruppen gewinnen – aus den Berichten der in Rom verweilenden Gesandten auswärtiger Fürsten, besonders jener aus Mantua, und aus den Haushaltsabrechnungen der Päpste Pius II. und Paulus II.
Im ersten Teil ihrer Ausführungen stellte Märtl den Komplex Gesundheit bzw. Krankheit vor: Die körperliche Leistungsfähigkeit der Kurialen war Gegenstand aufmerksamer Beobachtung der Zeitgenossen und die Gesundheit der „Papabili“ ein wichtiges Kriterium des Konklave; Kardinäle mußten durch Gicht oder Fettlebigkeit erhebliche Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit hinnehmen und Päpste wurden im Alter kurzsichtig. Der Alltag an der Kurie galt ohnehin als ziemlich ungesund: Wer in Rom Karriere machen wollte, musste ständig präsent sein und konnte auf seine Gesundheit wenig Rücksicht nehmen, das viele Herumsitzen und das ungesunde Klima taten ein Übriges, um die Lebenserwartung der höheren Kurienränge merklich zu dezimieren. Dabei wurde um die Versorgung Kranker und um die tägliche Hygiene relativ großer Aufwand betrieben: Die päpstlichen Rechnungsbücher verraten nicht nur die Anschaffung allerlei sanitärer Hilfsmittel, sondern auch die Anstellung kompetenter Pflegekräfte.
In einem zweiten Teil ihrer Betrachtungen widmete sich Märtl dem Verhältnis von Pflichterfüllung, Repräsentation und Entspannung. Der Erholung von Papst und Kardinälen dienten vor allem Kuraufenthalte in den Sommermonaten und der Rückzug in den abgeschiedenen Garten. Besonders oft als unbillige Freizeitbeschäftigung kritisiert wurde die Jagd, die Klerikern eigentlich verboten war, aber selbst innerhalb des Kardinalskollegiums leidenschaftliche Anhänger fand.
Als zentrale Frage wandte sich Märtl damit dem Problem der zeitgenössischen Akzeptanz kurialer „Cura corporis“ zu: Während etwa die genannten italienischen Gesandten generell anerkannten, dass die Kardinäle ihrem quasi-fürstlichen Status auch in einer entsprechenden Lebensführung Ausdruck verliehen und die Freizeitgestaltung des Papsthofes höchstens insofern kritisierten, als sich dadurch ihr kostspieliger Romaufenthalt verlängerte, sei aus den Kreisen der Kurialen selbst zuweilen „defensives Unbehagen“ zu hören gewesen, das sich vor allem in dem Bedürfnis niederschlug, die überwiegend doch eher unschuldigen Mußestunden der Kirchenfürsten vor dem Hintergrund radikalerer Armutsforderungen zu rechtfertigen (so etwa Kardinal Jean Jouffroy). Abschließend konfrontierte Märtl die kurialen Formen der Sorge um das leibliche Wohl mit dem humanistischen Entwurf der „Simplicitas“, wie sie in den Kreisen der „Akademie“ um Pomponio Leto angestrebt wurde.
Die anschließende Diskussion griff die „reduzierte Öffentlichkeit“ auf den Badereisen und in den Gärten auf. Michael Matheus (DHI Rom) verwies auf die notwendige Differenzierung zwischen reichen Kardinälen wie Pietro Barbo und relativ armen wie Nikolaus von Kues, der aus theologischen Gründen eine vergleichbare „Simplicitas“ wie die Humanisten forderte. Rom habe sich so als „Laboratorium für verschiedene Lebensstile“ erwiesen. Märtl ergänzte diesen Aspekt um die Beispiele verschiedener „Kardinalstypen“, etwa des Sammlers (Francesco Gonzaga, Latino Colonna), des Politikers (die französischen Kardinäle) oder des Mäzens.
Thomas Ertl stellte in seinem Beitrag „I nuovi vestiti del papa. Vesti liturgiche ed iconografia papale intorno al 1500“ anhand einer Reihe von Bildbeispielen die spezielle Rolle der päpstlichen Gewänder dar. In der Phase nach der Überwindung von Schisma und Konziliarismus, in der sich die Päpste – mehr italienische Fürsten als je zuvor – ihrer Selbstdarstellung als einem zentralen Element zur Wiedergewinnung römischer Autorität bedienten, wurden Fragen des liturgischen Ornates (etwa nach der angemessenen Verwendung von Mitra und Tiara) und der Luxus der päpstlichen Hofhaltung rege diskutiert. Während selbst kirchliche Reformkreise dem Papst durchaus zugestanden, sich durch die besondere Würde der Tracht von den anderen Menschen abzuheben und so die „magnificenza del pontefice“ zu dokumentieren, sollten wenig später in den Augen der lutheranischen Reformatoren die Gewänder der Prälaten zum Sinnbild evangeliumswidrigen Wandels werden.
Zu diesem Zeitpunkt, so Ertl, habe sich das Papsttum bewusst von der vorherrschenden höfischen Mode mit reichem Goldornat und üppigen Rot-Blau-Kombinationen abgewandt und stattdessen nach altem Brauch zu einem langen weißen Rochett mit roter Mozzetta gegriffen, um so in weitgehender Beschränkung auf die Farben rot und weiß die „Majestas papalis“ mehr durch Reduktion und Standardisierung als durch raffinierten Luxus hervorzuheben. In ähnlicher Weise bediente sich auch Alfonso V. von Neapel einfacher Formen und dunkler Farben. Diese „chiarezza semplice e redotta“ stellte ein prägnantes Unterscheidungsmerkmal dar, mit dem die päpstliche Autorepräsentation eine klare Distanz zu den weltlichen Höfen der Zeit kommunizierte, sie zeichnete sich durch monumentale Schlichtheit aus, die geeignet war, gleichermaßen Kontemplation und Autorität zu versinnbildlichen.
Antonella Campanini (Bologna) widmete sich in ihrem Beitrag „Il papa e la tavola. Tra lusso e moderazione“ den päpstlichen Bankettvorschriften von Martinus V. bis Paulus III. unter dem Aspekt der Koexistenz von Luxus und Mäßigung. Das Renaissance-Bankett zu festlichem Anlass war in besonderer Weise geeignet, die Herrlichkeit des Gastgebers und die Ordnung der verschiedenen Stände und Ränge zu manifestieren, Elemente wie die Vielfalt der Speisen, die Symbolik ausgewählter Früchte oder das ubiquitäre musikalische Rahmenprogramm gestatteten eine subtile Differenzierung. Dabei hatten viele Päpste und einige Kardinäle persönlich offenbar einen eher schlichten, geradezu asketischen Speiseplan und natürlich fehlte es – bis hin zu Savonarola – auch nicht an Predigern und Mahnern, die den weltlichen Luxus der Festmähler geißelten. Immer wieder versuchten die Nachfolger Petri, den quantitativen und qualitativen Aufwand für Bankette – sowohl an der Kurie selbst als auch in der Stadt Rom – zu beschränken, diesbezügliche Regulativen wurden gar mit der Exkommunikation bewehrt. Gleichzeitig jedoch anerkannten die Päpste generell das Bedürfnis nach Distinktion – der Stand des Gastgebers entschied darüber, welcher Aufwand noch als angemessen gelten durfte. Besonders die feierlichen Hochzeitsbankette als wichtiges Element des sozialen Lebens waren Gegenstand einer intensiven päpstlichen Normierung bis hin zur genauen Speisenfolge, erfreuten sich aber auch relativ umfassender Privilegien.
Die Diskussion hatte besonders den heiklen Dialog zwischen Kurie und Stadt, zwischen Papst und Populus zum Gegenstand. Prälat Walter Brandmüller (PCSS Rom) betonte im Gespräch den sozial-protektiven Charakter der päpstlichen Verordnungen – die Untertanen wurden dadurch vor dem sozialen Druck bewahrt, sich anlässlich von Hochzeiten übermäßig zu verschulden.
Jörg Bölling (Münster) beschäftigte sich in seinem Beitrag „Liturgia di cappella e cerimonie di corte“ mit der Beziehung zwischen sakralen und säkularen Aspekten der Repräsentation. Wie schon der Begriff „Pompa sacra“ zeigt, ist am Papsthof eine gewisse Koinzidenz beider Sphären zu beobachten – ein profanes, von seinen Pflichten als Kirchenoberhaupt diskretes „Privatleben“ hatte der Papst nicht, selbst der Luxus und die Sorge um das leibliche Wohl gewinnen insofern einen sakralen Bezug. Auch in den ältesten Zeremonialtexten wurde zwischen Liturgie und Hofzeremoniell nicht unterschieden – Thomas von Aquin verstand unter „Caeremonia“ gar das äußere Zeichen einer liturgischen Handlung. Erst nach der protestantischen Reformation, die das liturgische Zeremoniell beschnitt und das Hofzeremoniell weiterentwickelte, gewann der Begriff seine heutige säkulare Konnotation.
Das ‚Caeremoniale Romanae Curiae‘ des Zeremonienmeisters Agostino Patrizi (1488) transformierte die mittelalterliche Zeremonialüberlieferung für die Bedürfnisse des nachavignonesischen Papsthofes und legte so gewissermaßen das Fundament für die folgenden Jahrhunderte. Während nämlich die Evolution der römischen Liturgie „ex qua omnes exemplum sumere debent“ im Kern schon lange abgeschlossen war, entwickelte sich erst während des Exils in Avignon das dezidiert höfische Zeremoniell, das dann im Wesentlichen auch nach der Rückkehr nach Rom Bestand haben sollte.
Die weiteren Beiträge und Ergänzungen von Patrizis Nachfolgern Johannes Burckard und Paris de Grassis griffen die zeitgenössische Debatte um die spezifischere Kennzeichnung der sakralen und der säkularen Sphäre im Zeremoniell auf. Anhand von einigen Beispielen verdeutlichte Bölling das Verhältnis beider Bereiche und den normativen Charakter des liturgischen Kernbereiches weit über die eigentliche sakrale Sphäre hinaus. So orientierte sich etwa die Gruppierung der Protagonisten in den Aulae des päpstlichen Palastes (in denen die Konsistorien gehalten und Gesandte empfangen wurden) an der Aufteilung der Zeremonial-„Chöre“ in der Liturgie der päpstlichen Kapelle. Der Baldachin – zunächst Insignium nicht nur päpstlicher, sondern auch kaiserlicher Autorität – gewann im liturgischen Kontext seinen Charakter als Zeichen der sakralen Sphäre und wurde im geschlossenen Kirchenraum zunehmend dem Allerheiligsten vorbehalten. Konsequent forderte de Grassis daher sogar, in der Sixtinischen Kapelle nur den Baldachin über dem Altar beizubehalten, auf einen zweiten über dem Papstthron hingegen zu verzichten (freilich zunächst erfolglos – noch auf den Stichen des Étienne Dupérac sind beide zu sehen). Gleichzeitig wurde der Gebrauch von Mitra (in der Liturgie) und Tiara (außerhalb der Kapelle) weiter präzisiert und die Praxis der zeremoniellen Gesten, besonders der Kniebeugen, erfuhr eine kritische Systematisierung (etwa hinsichtlich des Kniens auf beiden Beinen vor dem sakramental gegenwärtigen Herrn, während vor seinem Statthalter, dem Papst, nur ein Bein gebeugt wurde). Auch eine subtile Differenzierung der verschiedenen Aspekte des päpstlichen Amtes selbst konnte so zum Ausdruck gebracht werden: Mit dem stehenden und zu Christus betenden Papst stand auch der inzensierende Kardinal, während der Kardinal kniete, wenn er den thronenden Papst inzensierte, insofern dieser dann Christus repräsentierte. Der liturgische Gesang der päpstlichen Kapellsänger während der Papstmesse in der Sixtina schließlich sollte – im Gegensatz zur Instrumentalmusik des Hofes – nur a cappella erklingen, zudem wurde hier auch der Einsatz der (seit Mitte des 15. Jahrhunderts praktizierten) Polyphonie im Interesse der Textverständlichkeit eingeschränkt.
Genauso wenig wie der Papst je „Privatperson“ war, konnten Pomp und Luxus seiner Repräsentation bloßes „Privatvergnügen“ sein – sie waren stets Luxus im Dienste des Amtes und insofern auch sakrale Repräsentation. Bölling betonte abschließend: Die Anordnungen der Zeremonienmeister – besonders de Grassis – offenbaren eine bemerkenswerte Sensibilität für die Formen und Motive der Unterscheidung zwischen Person und Amt und die wechselseitige Beziehung zwischen geschriebenem Text und ausgeführter Handlung. Themen, die wenig später durch die protestantische Reformation in den Fokus der Diskussion gerückt werden sollten, nahmen sie mit ihrer Reflexion über Gebrauch und Zeichenhaftigkeit des Zeremoniells vorweg.
Manuel Vaquero (Perugia) beleuchtete in seinem Vortrag „Pompa forzata. La vita in corte come fattore di spesa“ den Zusammenhang zwischen Luxus und Kapitalismus. In der Tradition Max Webers insinuiere ein Blick auf die beginnende Sozialdisziplinierung und das Konzept der „protestantischen Arbeitsethik“ zunächst die Vorstellung, die kapitalistische Transformation erheische vor allem freudlose Sparsamkeit und nüchterne Bescheidung. Luxus wird hier gebrandmarkt als Ausdruck eines ineffizienten Regimes und fehlender Disziplin. Doch auf die (weiterhin katholischen) Mittelmeerländer treffen diese Kategorien nur begrenzt zu: Dort erwies sich gerade die opulente Hofhaltung als ein wesentlicher Faktor der Nachfrage, und die sich entwickelnde Kunst- und Luxusindustrie stellte geradezu die Voraussetzung für die Vervollkommnung wichtiger handwerklicher Fertigkeiten dar – in diesem Kontext waren Luxus und Kapitalismus also kein Widerspruch.
Allerdings kostete diese Hofhaltung viel Geld, auch und gerade in Rom. Botschafter etwa klagten über das teure Leben an der Kurie und demjenigen, der nicht mithalten konnte, dem drohte der Verlust seiner Ehrenstellung. Der öffentliche Luxus, die Zurschaustellung von Reichtum zu repräsentativen Zwecken, die teuren Geschenke lassen sich mit der „imperativen Notwendigkeit, Geld auszugeben“ umschreiben. Anhand erhaltener Beispiele der Buchhaltung römischer Adelsfamilien wird deutlich: Wer sich durch rasantes Ausgabeverhalten profilierte, bekam ehrenvolle Ämter, wer nicht mitmachte, ging leer aus. Damit galt die ständige Sorge der Nobilität der Beschaffung von Geld – nur um es sofort mit beiden Händen wieder aus dem Fenster zu werfen. Das Mäzenatentum der Römer, der Erwerb von Büchern, Skulpturen und religiöser Kunst ist vor diesem Hintergrund als ganz berechnende Investition in die eigenen Karrierechancen zu verstehen.
Anna Esposito (Rom) beschäftigte sich in ihrem Beitrag „Di fronte al lusso. Il popolo romano e la corte papale“ mit dem Einfluß des kurialen Roms auf die Autorepräsentation der römischen Nobilität. Einhergehend mit dem Verlust der städtischen Autonomie an den Papst sahen sich die traditionellen Eliten genötigt, mit dem Splendor der Kurialen von außerhalb mitzuhalten – so unterwarfen sie sich einer „Pflicht zum Luxus“, die sich vor allem in Bauvorhaben und opulenten Festen manifestierte. Die Tugend der „liberalitas“ ließ die Inszenierung der eigenen „magnificenza“ als nicht nur legitime, sondern geradezu gebotene Form erscheinen, Geld auszugeben. Durch Erbschaften und strategische Heiraten hoffte die Nobilität, sich finanzielle Ressourcen zu erschließen, die ihnen Teilhabe und Aufstieg im neuen Rom der Päpste sichern sollten.
Maria Grazia Nico (Perugia) beschäftigte sich in ihrem Vortrag „Regali dalla provincia dello stato“ mit den Geschenken der Territorien des Kirchenstaates an den Papst und die Kardinäle, die sie am Beispiel der Fische erläuterte, die Perugia traditionell der römischen Zentrale zu verehren pflegte. Der Kardinalprotektor der Stadt bekam zudem Kapaune „als Zeichen der Dankbarkeit“, auch Schiffsmodelle aus Silber, Bildnisse von Heiligen und silberne Becher verschenkte die Stadt im Laufe der Zeit – die erhofften Steuererleichterungen und Privilegien blieben jedoch regelmäßig aus; die kaum je gewürdigten Fische für den Papst wurden zur „pura consuetudine“, die Geschenke an den jeweiligen Kardinalprotektor bezeichnete Nico hingegen als „prassi del governo“.
Jörg Feuchter (Berlin) untersuchte in seinem Beitrag „Der Pomp des Legaten. Die Inszenierung päpstlicher Gesandter auf Reichstagen“ den Wandel des Status der päpstlichen Vertreter auf deutschen Repräsentativversammlungen. Der „Legatus a latere“ war „alter ego“ und „propria facies“ seines Entsenders, in ihm reiste der Papst, ohne die Stadt verlassen zu müssen, er konnte selbst Reichstage einberufen und leiten, sein feierlicher Einzug war „pompa“ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. 1471 wurde Francesco Todeschini-Piccolomini – Friedrich III. hatte ausdrücklich um einen Legaten im Range eines Kardinals gebeten – in Regensburg noch mit allen Ehren empfangen. Mit einem Baldachin holten ihn Stadtväter und bewaffnete Reisige ein, reiche Geschenke wurden dem Legaten zuteil, in jeder Kirche spendete er den päpstlichen Segen. Zunächst stand er dem Tag vor, nach der Ankunft des Kaisers saß er zu dessen Rechten. Schon unter ganz anderen Umständen wurde Raimondo Peraudi 1500 empfangen – die Einreise ins Reich wurde ihm erst unter vielen Auflagen gestattet, seine Anliegen (Kollekte des Kreuzzugsablasses) musste er sich wie ein Bittsteller von den Ständen „genehmigen“ lassen – aus der imperialen Versammlung war eine nationale geworden und aus dem päpstlichen Legaten unverkennbar ein Vertreter einer auswärtigen Macht. Dennoch wurde Peraudi bei seinem Ingressus noch das unverminderte Zeremoniell zuteil. Als 1524 statt des erwarteten Nuntius Kardinal Lorenzo Campegio in Nürnberg eintraf, hatte sich die Situation weiter verschärft – inzwischen kursierten die Haß- und Spottschriften Ulrichs von Hutten und anderer Protestanten gegen die „papistischen“ Agenten, der traditionelle Einzugs-Pomp erwies sich als undurchführbar. Zwar gelang es noch, ein Geleit von Ständevertretern zu mobilisieren, doch in der Stadt warfen die Nürnberger dann mit alten Schuhen nach dem römischen Repräsentanten – Campegio musste ohne Prozession in seine Unterkunft gebracht werden. Der Stadtrat warb schließlich gar bei seinen Bürgern um eine ehrbare Behandlung des verhassten Gastes – ein „gebrochenes Zeremoniell“. Im Jahre 1530 zog derselbe Legat in Augsburg gleich zur Rechten des Kaisers ein – die scheinbare Aufwertung diente wohl eher dem Schutz Campegios vor weiteren beschämenden Manifestationen seines Substanzverlustes – mit den Worten von Barbara Stollberg-Rilinger ein „ins Rutschen geratenes Zeremoniell“.
Anna Modigliani (Viterbo) schilderte in ihrem Beitrag „Le ragioni del lusso e il rifiuto della povertà evangelica. I papi e la ricchezza terrena nel Quattrocento“ den kontroversen Umgang mit der rechtfertigungsbedürftigen Diskrepanz zwischen evangelischer Armutsforderung und faktischem Reichtum der Kirche. Die „konstantinische Tradition“ geriet einerseits (besonders natürlich im Rahmen der fundamentalen Angriffe Lorenzo Vallas) zunehmend in die Kritik, sogar der spätere Pius II. forderte eine Distanzierung, andererseits fanden sich aber auch aktive Verteidiger. Nikolaus V. und sein Biograph Giannozzo Manetti hingegen rekurrierten vor allem auf die Finalität des materiellen Besitzes der Kirche: Er gestatte, durch schönere Zeremonien die Herrlichkeit der Ecclesia triumphans bereits in der Ecclesia militans aufscheinen zu lassen. Paulus II. und Alexander VI. versuchten in ähnlicher Weise „Gründe des Luxus“ geltend zu machen, freilich argumentierten sie nicht nur mit der sozusagen katechetischen Opportunität, sondern knüpften gleichzeitig an die Tradition des antiken (heidnischen) Imperiums an (etwa mit der Aufstellung der Reiterstatue des Mark Aurel auf dem Kapitol). Zeitgenossen rügten vor allem die Bausucht der Päpste, den verschwenderischen Ornat und den exzessiven Aufwand für die Grabmonumente der „sectatores vanae gloriae“ (Kardinal Giacomo Ammanati).
Andreas Rehberg (Rom) war leider verhindert und ließ eine Zusammenfassung seines Beitrages „Saccheggi rituali? Gedanken zur Plünderung des Papstelekten“ vorlesen. Originell wirkte besonders die Betrachtung der – traditionell während des Possesso auftretenden – Plünderung der Güter des neugewählten Papstes unter dem Gesichtspunkt der „povertà evangelica“. Dem Papst als „neuem Menschen“ wird der Besitz, den er einst als Kardinal sein eigen nannte, genommen und im Rahmen einer sozialen Redistribution wieder in Umlauf gebracht.
In seiner Abschlussbetrachtung betonte Massimo Miglio (Viterbo / Rom) die zeitliche und räumliche Relativität des Konzeptes „Luxus“. Es gelte, die Vielfältigkeit des Bezeichneten im Auge zu behalten. Miglio widmete sich etymologischen Betrachtungen über das Verhältnis von „luxus“ bzw. „lusso“ und „luxuria“, um sodann den Luxus als „quasi-moralische Verpflichtung“ eines öffentlichen Amtes zu beleuchten. Abschließend leistete er eine Einordnung der Tagungsergebnisse in die vier Kategorien „Tradition und Innovation“, „Theorie und Praxis“, „Luxus im Wandel der Zeit“ und „Wahrnehmung des Luxus“.
Der Studientag am DHI zeichnete sich damit weniger durch eine kontroverse Diskussion als vielmehr durch einen facettenreichen Querschnitt aus, der geeignet war, einen thematisch und epochal recht eng gefassten Themenkomplex exemplarisch zu sondieren. Im Vordergrund stand die Frage nach der Funktion und kontextgebundenen Legitimation verschiedener Formen der höfischen Repräsentation in einer Phase der kritischen Infragestellung und der Neukonsolidierung. Dem „Convegno“ ist es gelungen, anhand sehr aussagekräftiger Einzelbeispiele ein vielschichtiges Gesamtbild zeremonieller Interaktion zu zeichnen. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.