UnGleichzeitigkeiten. Transformationsprozesse in der ländlichen Gesellschaft der (Vor-)Moderne

UnGleichzeitigkeiten. Transformationsprozesse in der ländlichen Gesellschaft der (Vor-)Moderne

Organisatoren
Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. Dresden
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.07.2007 - 07.07.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Anita Bagus, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die Arbeitstagung entstand und stand im Kontext des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes „Ländlicher Alltag auf dem Weg in die Moderne. Sächsische und oberlausitzische Agrargesellschaften zwischen Rétablissement und Erstem Weltkrieg (1763-1914)“. Das seit Februar 2006 am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) in Dresden etablierte interdisziplinäre Forschungsprojekt wird gemeinsam von ELKE SCHLENKRICH und IRA SPIEKER bearbeitet, denen auch die Vorbereitung und Organisation der Tagung oblag. Das Projekt ist eines der jüngsten Forschungsunternehmungen des ISGV, das Ende 2007 auf zehn erfolgreiche Jahre zurückblicken kann: Zahlreiche mittel- und langfristigen Projekte und Themengebiete wurden in der außeruniversitären Forschungseinrichtung, die in der Kombination Landesgeschichte und Volkskunde ihresgleichen sucht, bisher durchgeführt. Der fächerübergreifende Diskurs zeigt sich in den verschiedenen Publikationsorganen ebenso wie in den im Internet zugänglichen Großdatenbanken des ISGV.1

Im Anschluss an Begrüßungsworte von MARTINA SCHATTKOWSKY, Leiterin des Bereichs Geschichte, und von JOHANNES MOSER, ehemaliger Leiter des Bereiches Volkskunde, stellten Schlenkrich und Spieker einleitend in das Tagungsthema das Projekt unter dem Titel „Ländlicher Alltag auf dem Weg in die Moderne? Konturen eines Forschungsfeldes“ vor. Erläutert wurden Forschungsziele, thematische Schwerpunkte und historisch-kulturanthropologische Zugänge ebenso wie räumliche Dimensionen mit ihren historischen Besonderheiten und die Quellensituation. Dabei betonten sie, dass die Untersuchung von dynamischen Wandlungs- und Transformationsprozessen der ländlichen Gesellschaft in Sachsen nicht von einer linearen Entwicklung ausgehen kann. Im Fokus stehen vielmehr plurale Übergänge, Gleichzeitigkeiten und Schnittstellen ebenso wie Brüche und Ungleichzeitigkeiten, die neue sozial-ökonomische Strukturen konturieren. Dabei tragen die mit drei exemplarischen Herrschaftskomplexen ausgewählten sächsischen Untersuchungsorte einer regional vergleichenden Sichtweise Rechnung. Vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis hin zum Beginn des 20. Jahrhunderts werden Veränderungen der agrarischen Arbeits- und Lebenswelt in folgenden Themenfeldern erforscht: lokale Herrschaftspraxis und ihre Wahrnehmung, ländliche Konfliktkultur, familiale Strategien und soziale Reproduktion, soziale und kulturelle Aspekte ländlicher Ökonomien. Neben einem umfangreichen Bestand an archivalischen Quellen werden relevante Printmedien des 19. Jahrhunderts in die quellenkritische Analyse einbezogen, um so Einflüsse mentaler und politischer Veränderungen in ländlichen Bereichen erfassen zu können.2

Die Vorträge am ersten Tag, die WERNER TROSSBACH (Kassel/Witzenhausen) moderierte, widmeten sich den Veränderungen in den traditionellen sozioökonomischen „Sicherungssystemen“ oder beschäftigen sich mit dem Wandel in unterschiedlichen ländlichen Wirtschaftsweisen und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Situation und Rekrutierung der Arbeitskräfte. Den Einfluss industrieller Entwicklung auf das Erbsystem verdeutlichte ANDREA HAUSER (Bremen) in ihrem Vortrag „Erben und Teilen. Materielle Kultur und Beziehungen im Dorf des 19. Jahrhunderts“. Am Beispiel des kleinen schwäbischen Ortes Kirchentellinsfurt erörterte die Referentin den Zusammenhang anhand der Dinge im mehrfachen Wortsinn, an denen sich Auf- und Umbrüche einer Dorfgesellschaft ablesen lassen. Sie zeigte auf, wie sich in unterbäuerlichen Schichten das Verhältnis zum Besitz ebenso wie dessen Weitergabe an die nachfolgenden Generationen durch die zunehmend notwendige Fabrikarbeit wandelte. So orientierten sich Frauen in ihrer Aussteuer nun verstärkt an bürgerlichen Familienmodellen und waren bestrebt, ihr eingebrachtes Eheeinkommen zu schützen. Zudem sei der Fabriklohn vermehrt gespart oder in Dingen angelegt worden, die in Notzeiten schnell versetzt werden konnten. Als neues kulturelles Phänomen trat die Versteigerung des Erbes auf, an der sich zunächst die bäuerlichen Unterschichten und später alle dörflichen Schichten beteiligten. Anhand der versteigerten Dinge zeigte Hauser Veränderungen der ländlichen Lebensstile auf. Sie verdeutlichte, wie die komplexe Kulturtechnik des (Ver-)Erbens, in der sich sowohl rechtliches als auch soziales Normengefüge widerspiegelt, nun abweichend von der einst dominanten Logik der Agrarkultur praktiziert wurde und wie sich dies auf intergenerative Beziehungen auswirkte. Welchen Einfluss die aufkommenden Sparkassen auf die Vermögensstrategien in unterschiedlichen Agrarregionen im 19. Jahrhundert hatten, legte JOHANNES BRACHT (Kiel) am Beispiel von drei ostwestfälischen Orten dar. In seinem Vortrag „Abschied von der hohen Kante. Die Sparkasse und die Ökonomie westfälischer Bauern und Unterschichten (1830-1866)“ ging er der Frage nach, in welcher Weise die Einrichtung von Sparkassen mit Veränderungen im Spar- und Kreditverhalten in der ländlichen Bevölkerung korrelierten. Aufgrund einer Analyse der Kontenbewegungen in Relation zu den Kontoinhabern konnte er schichtspezifische Unterschiede im Umgang mit der neuen Institution Sparkasse aufzeigen. Während die Einrichtung von Sparkonten vor allem auch innerhalb des Gesindes anstieg, zeichnete sich auf Seiten der dörflichen Oberschicht zugleich ein „dynamisches“ Sparverhalten ab. Hier stand der höheren Akkumulation von Kapital auch ein verbreitetes Entsparen gegenüber, was Bracht als Zeichen investiven Sparens und Konsumierens interpretierte. Im Kreditverhalten wurden die Sparkassen nur zögerlich als Alternativen zu privaten Kreditgebern gewählt. Soziokulturelle Faktoren wie die Befürchtung des Öffentlichwerdens von Insolvenzen durch Institutionenkredite oder auch soziale Verpflichtungen in der dörflichen Gesellschaft wurden als Ursachen diskutiert.

Anschließend referierte MICHAEL KOPSIDIS (Halle/Saale) über „Produktmärkte und Agrarentwicklung 1750 bis 1880“ unter entwicklungsökonomischen Gesichtspunkten. Dabei vertrat er die These, dass die Agrarrevolution keine Zwillingsschwester der Industriellen Revolution sei. Vielmehr verdanke der erste landwirtschaftliche Aufschwung mit lang anhaltenden Ertragszuwächsen seine Entwicklung Veränderungen, die bereits vorher aus der traditionellen Landwirtschaft selbst gekommen seien. Zudem werde die Bedeutung des Familienbetriebmodells für die Agrarrevolution in der Forschung unterschätzt. Er plädierte dafür, die Agrarentwicklung moderner Entwicklungsländer als Vergleich heranzuziehen, um das Verhältnis von Agrarindividualismus und Agrarkollektivismus transparent zu machen. Im Hinblick auf Effizienz seien landwirtschaftliche Großbetriebe den bäuerlichen Familienbetrieben was Arbeitsproduktivität, Output und Arbeitseinheiten pro Hektar anbeträfe nicht überlegen, da die Kosten des Managements und der Lohnarbeit parallel zur Betriebsgröße steige. Großbetriebe seien zuweilen von Subventionen abhängig, um mit Kleinbetrieben mithalten zu können, dagegen seien bäuerliche Familienbetriebe vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Übergänge flexibler mithin anpassungsfähiger. Als Beleg führte er die Dominanz bäuerlicher Familienstrukturen bis in die Gegenwart an. Mit landwirtschaftlichen Großbetrieben beschäftigte sich auch MARIA BAALMANNS (Himmigerode) Vortrag „Von Mägden und Knechten, Deputatisten und Tagelöhnern: Landwirtschaftliche Arbeitskräfte auf südniedersächsischen Gutshöfen im 19. Jahrhundert“. Sie zeigte auf, wie sich nach Auflösung der Patrimonialgerechtigkeit und der damit einhergehenden Reformen zunehmend eine kapitalistisch orientierte Gewinnmaximierung durchsetzte. Infolgedessen kam es zu veränderten Anforderungen an die Beschäftigten, die eine höhere Professionalität auf der Leitungsebene und die Zunahme der Arbeitsintensität bei gleichzeitiger Senkung der Lohnkosten beinhaltete. Die Anzahl der Tagelöhner stieg und die Akkordarbeit nahm besonders bei bestimmten Arbeiten wie dem Dreschen oder durch den Anbau neuer Hackfrüchte zu. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts betraf die Überanstrengung innerhalb der Tagelöhner vermehrt Frauen, deren Anteil an den Saisonkräften ebenso stieg wie der der Kinderarbeit. Im gleichen Zuge veränderte sich das Entlohnungssystem. Barlöhne ersetzten sukzessive das in der Gesindeordnung geregelte und mit sozialen Aspekten verknüpfte Deputat. Baalmann verdeutlichte, wie Veränderungen in der Leitungsebene mit einer verstärkten Dichotomie zwischen gebildeten Verwaltern und landwirtschaftlichen Arbeitern einherging und wie Ende des 19. Jahrhunderts das fragile Gleichgewicht eines Interessensausgleichs zunehmend ins Wanken geriet.

Die Tagung wurde am zweiten Tag mit Vorträgen zu historisch-anthropologischen und sozialgeschichtlichen Themen fortgesetzt. Die Moderation oblag BARBARA KRUG-RICHTER (Münster). Der Frage, inwieweit Gefühle als Kategorie für die Analyse sozialer Beziehungen in der ländlichen Alltagswelt fruchtbar gemacht werden können, ging Ira Spieker (Dresden) in ihrem Vortrag „Konflikte – Einvernehmen – Zuneigung. Emotionen als kommunikative Praxis in der ländlichen Gesellschaft“ nach. Während sich bisherige Forschungen zur Geschichte der Emotionen weitgehend auf das städtisch bürgerliche Milieu konzentrieren, erschloss Spieker für den Bereich der ländlichen Unterschichten neue Zugänge und zeigte Möglichkeiten der Spurensuche im komparatistischen Umgang mit verschiedenen Quellenkomplexen auf. Konstruktivistische Ansätze um die Komponente der „Leiblichkeit von Gefühlen“ erweiternd verdeutlichte sie anhand der Begriffe Vertrauen – auch im Sinne von Gottvertrauen –, Melancholie, Liebe und Fürsorge, welche Rolle Emotionen im Kommunikationsprozess ländlicher Gesellschaften spielten. So schienen in Prozessakten der sächsischen Patrimonialgerichtsbarkeit, in denen privates Handeln und Gefühle öffentlich wurden, vielfach Emotionen auf, die nicht mit normativen Konzepten der zeitgenössischen administrativen Schriften oder der Diskurse, die in Zeitschriften wie dem Lausitzischen Wochenblatt publiziert wurden, korrelierten. Die Analyse ergab die Relevanz von Emotionen in Praxen von Herrschaft und Macht, war für die Bereiche Affektmodellierung (Norbert Elias) und Geschlechterverhältnisse ebenso aufschlussreich wie für den engen Zusammenhang von Moralvorstellungen und ökonomischen Interessen. Die Frage nach den Beziehungen zwischen kognitiven und emotionalen Ebenen und deren Bedeutung in den Argumentationslinien und Strategien der ländlichen Gesellschaft erwies sich als ergiebiger Ansatz. Für erweiterte Zugänge bei der Erforschung von Gewaltdelikten in der Frühen Neuzeit bezüglich der Wahrnehmung von Geschlechtsspezifiken sprach sich ANDREA GRIESEBNER (Wien) in ihrem Vortrag „Jenseits der Binarität: Geschlecht in historischer Perspektive“ aus. Ihr Untersuchungsfeld waren Prozesse der niederen Gerichtsbarkeit im österreichischen Raum Enz. Die präsentierten Beispiele aus einem untersuchten Aktenkonvolut, in dem es um Klagen von Männern und Frauen wegen physischer Gewalt ging, zeigten zum einen, dass in den Verhandlungen wenig sexuelle Gewalt thematisiert wurde, was vermutlich mit der zeitgenössischen Selbstverständlichkeit, eheliche Pflichten zu akzeptieren, korrespondierte. Auffallend war zum anderen, dass besonders häufig enttäuschte Erwartungen der Eheleute Konflikte auslösten, die mit physischer Gewalt einhergingen. Dies stellte Grieshaber exemplarisch anhand der Argumentationsstrategien einer Frau dar, deren Scheidungsforderungen wiederholt gerichtlich verhandelt wurden. Die Referentin verdeutliche, dass Geschlecht keine homogene Kategorie darstellt, sondern im jeweiligen historischen Kontext wahrzunehmen ist und so auch die Komplexität der Lebenswelten in den Blick komme. Griesebner plädierte dafür, auch in der Frühen-Neuzeit-Forschung Geschlecht als Mehrfachkategorie aufzufassen und nicht von einem linearen Nebeneinander von Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten auszugehen.

Mit einem Bereich der historischen Demographie in medizinhistorischer Perspektive befasste sich ANNA CAROLINA VOGELs (Göttingen) Vortrag „Von der „unsicheren“ zur „sicheren“ Lebenszeit? Tod und Sterben im Amt Niedeck (1690-1875)“. Am Beispiel von zwei niedersächsischen Dörfern ging sie dem Verhältnis von Natalität und Mortalität im Kontext wirtschaftlicher Veränderungen, beginnender professioneller medizinischer Versorgung und Präventionsmaßnahmen vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert nach. Erstaunliches Ergebnis war weniger der Zusammenhang zwischen Krisenzeiten aufgrund von Epidemien und Ernteausfällen und der Sterblichkeitsraten in ihrem Untersuchungsgebiet, sondern vielmehr die Ursachen der Mortalität im 19. Jahrhundert. Vogel zeigte auf, wie trotz steigender landwirtschaftlicher Erträge und besserer medizinischer Versorgungslage (z. B. Pockenimpfung) die Sterblichkeit vor allem bei Müttern und Kindern aus der vollbäuerlichen Landwirtschaft zunahm. Die Ursachen für die negative Wechselwirkung führte sie auf neue Erwerbsstrukturen und veränderte Produktionsweisen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Der arbeitsintensive Anbau von Hackfrüchten bei gleichzeitiger Abwanderung der ländlichen Unterschichten auf den städtischen Arbeitsmarkt hatte einen höheren Einsatz von Bäuerinnen zur Folge. Durch die veränderten Produktionsbedingungen wurden Frauen – und mithin deren Kinder – geschwächt, was zu steigenden Mortalitätsraten führte. Den Abschluss der Vortragsrunde übernahm Elke Schlenkrich (Dresden) mit dem Thema „Zwischen Aderlass, Cholera und Pockenschutzimpfung. Modernisierungstendenzen im ländlichen Medizinalwesen“. Die Referentin legte dabei das Spannungsfeld von Innovation und Tradition in der ländlichen Gesellschaft Sachsens im Kontext medizinhistorischer Entwicklungen dar. Sie verdeutlichte die Wechselwirkungen von ökonomischen Interessen und medikaler Professionalisierung einerseits und die Rückgriffe auf traditionelle Verhaltensweisen in Phasen der Verunsicherungen andererseits im Verlauf der sächsischen Pocken- und Choleraepidemien. Am Beispiel der Pockenimpfungen zeigte sich, wie neben Aufklärung und Prävention auch privatwirtschaftliche Interessen der Gutsherrn die medizinische Versorgung der Untertanten bis hin zum Impfzwang beeinflussten, noch bevor das Reichsimpfgesetz zum Tragen kam. Demgegenüber stießen angesichts der Cholerabedrohung medikale Strukturmaßnahmen auf weniger Vertrauen in der Bevölkerung. Während sich bei der Pockenepidemie eine Vertrauensverlagerung hin zu professionellen Maßnahmen und medizinischen Experten durchsetzte, wurde im Falle der unbekannten Seuche Cholera auf traditionelle Handlungsmuster rekurriert bis hin zum so genannten Gottvertrauen.

Den Schlussakkord der Arbeitstagung bildete CLEMENS ZIMMERMANNs (Saarbrücken) resümierender Kommentar. Die Beiträge und Diskussionen der Tagung hätten gezeigt, so Zimmermann, dass das von Schlenkrich und Spieker vorgestellte Konzept der (Un-)Gleichzeitigkeiten eine sehr gute methodische Herangehensweise für die Analyse des historischen Wandels in ländlichen Gesellschaften sei. Dadurch kämen verschiedene Ebenen und Dimensionen des Transformationsprozesses in den Blick, vor allem Bereiche der Lebenswelt und Kultur stellten wichtige Ergänzungen zum ökonomischen Ansatz dar. Gleichwohl das Konzept richtungweisende Ansätze biete, müssten weitere Untersuchungen zeigen, ob es sich gegenüber den etablierten Modernisierungskonzepten behaupten könne. Im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit an andere Konzepte plädierte er für eine klarere Definition der Begrifflichkeiten – nicht zuletzt auch unter den Aspekten von Zeit und Raum. Die Allmählichkeit der Aufbrüche und Übergänge ebenso wie die (Un-)Gleichzeitigkeiten als Merkmale des Modernisierungsprozesses verwiesen nicht nur auf die Problematik der Ansätze einer linearen mithin teleologischen Gerichtetheit von Modernität. Zu fragen sei auch, wann jeweils Moderne einsetzt und von wem sie ausgeht. Auszuloten seien ebenso die Relationen von Modernisierungsstrategien und vormodernen subjektiven Vergangenheitsorientierungen. (Un-)Gleichzeitigkeiten implizierten zugleich Fragen nach den Synchronisierungsleistungen und Interaktionszusammenhängen von Moderne, die sowohl auf Stadt-Land-Beziehungen als auch auf Vernetzungen von Regionen verwiesen. Hier könnten komparative Studien der Regionenforschung weiterführen, wobei Ergebnisse der neuen Urbanitätsforschung und Bezüge zu Globalisierungskonzepten (wie Ansätze der Glokalisierung) nicht zu vernachlässigen seien.

Konferenzübersicht:

06.07.2007
MARTINA SCHATTKOWSKY und JOHANNES MOSER. Begrüßung
ELKE SCHLENKRICH und IRA SPIEKER: Ländlicher Alltag auf dem Weg in die Moderne? Konturen eines Forschungsfeldes – Einführung in das Tagungsthema
WERNER TROSSBACH: Moderation
ANDREA HAUSER: Erben und Teilen. Materielle Kultur und Beziehungen im Dorf des 19. Jahrhunderts
JOHANNES BRACHT: Abschied von der hohen Kante. Die Sparkasse und die Ökonomie westfälischer Bauern und Unterschichten (1830-1866)
MICHAEL KOPSIDIS: Produktmärkte und Agrarentwicklung 1750 bis 1880
MARIA BAALMANN: Von Mägden und Knechten, Deputatisten und Tagelöhnern: Landwirtschaftliche Arbeitskräfte auf südniedersächsischen Gutshöfen im 19. Jahrhundert

07.07.2007
BARBARA KRUG-RICHTER: Moderation
IRA SPIEKER: Konflikte – Einvernehmen – Zuneigung. Emotionen als kommunikative Praxis in der ländlichen Gesellschaft
ANDREA GRIESEBNER: Jenseits der Binarität: Geschlecht in historischer Perspektive
ANNA CAROLINA VOGEL: Von der „unsicheren“ zur „sicheren“ Lebenszeit? Tod und Sterben im Amt Niedeck (1690-1875)
ELKE SCHLENKRICH: Zwischen Aderlass, Cholera und Pockenschutzimpfung. Modernisierungstendenzen im ländlichen Medizinalwesen
CLEMENS ZIMMERMANN: Kommentar

Anmerkungen:
1 Vgl. <http://www.isgv.de> (22.01.2008).
2 Vgl. zum Forschungsprojekt auch Spieker, Ira; Schlenkrich, Elke, Schritte in die Moderne: Brüche und Kontinuitäten in der ländlichen Gesellschaft Sachsens, in: AKA-Newsletter 21 (Februar 2007), S. 7-19.