Der Nationalsozialismus und andere Totalitarismen nach 75 Jahren

Der Nationalsozialismus und andere Totalitarismen nach 75 Jahren

Organisatoren
Abteilung für Deutschlandstudien des Instituts für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, Lehrstuhl für Politische Studien des Collegium Civitas in Warschau, Lehrstuhl für Totalitarismusforschung und Europastudien an der Technischen Universität Dresden
Ort
Warschau
Land
Poland
Vom - Bis
06.06.2008 - 08.06.2008
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Von
Justyna Smyka, Dominik Trutkowski, Lehrstuhl für Totalitarismusforschung und Europastudien, Technische Universität Dresden

Vom 6. bis 8. Juni 2008 fand in Warschau die Konferenz „Der Nationalsozialismus und andere Totalitarismen nach 75 Jahren“ statt. Die Veranstalter waren die Abteilung für Deutschlandstudien des Instituts für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, der Lehrstuhl für Politische Studien des Collegium Civitas in Warschau sowie der Lehrstuhl für Totalitarismusforschung und Europastudien an der Technischen Universität Dresden.

Bei der Eröffnung der Konferenz am 6. Juni betonte das Podium, Edmund Wnuk-Lipiński (Warschau), Gerhard Besier (Dresden) und Piotr Madajczyk (Warschau), dass die Frage nach der Bedeutung des Totalitarismus über Wissenschaftskreise hinaus bis in die heutige Zeit höchst interessant bleibe. Autoritäre und totalitäre Regime hätten im 20. Jahrhundert zahlreiche Regionen der Welt beherrscht. Wichtig sei die Erforschung der Folgen sowie der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen autoritären und totalitären Regimen. Besier unterstrich, dass eine gemeinsame, grenzüberschreitende Autoritarismus- und Totalitarismusforschung im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses von bleibender Bedeutung sei.

ERNST NOLTE (Berlin) eröffnete die erste Sektion mit einem Vortrag über „Das totalitäre Syndrom nach fünfzig Jahren. Faschismus – Nazismus – Kommunismus. Zu der Diskussion um das Wesen der totalitären Systeme und deren Ideologie“. Einleitend umriss Nolte die wichtigsten Fragestellungen, die Notwendigkeit der thematischen Auswahl und deren Verkürzung. Im ersten Teil seines Vortrags beschrieb Nolte den Weg zum „Historikerstreit“ in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre und erklärte, dass sich seine Position von damals bis heute kaum verändert habe – in ihren Grundzügen sei sie dieselbe geblieben: Seine These, der Nationalsozialismus sei eine Reaktion auf den Bolschewismus, ist äußerst kontrovers diskutiert worden. In diesem Zusammenhang warf Nolte die Frage auf, ob nach dem Ende des Sowjetkommunismus von Tendenzen zu einem neuartigen Totalitarismus innerhalb der westlichen Welt und von der Realität eines islamischen Totalitarismus gesprochen werden dürfe. In einem zweiten Teil unternahm Nolte den Versuch, eine Verknüpfung seines Themas mit der umfassenden modernen Auseinandersetzung zwischen den Ansätzen innerhalb des Universalismus sowie des Partikularismus herzustellen.

GERHARD BESIER erläuterte in seinem Vortrag verschiedene Thesen zum Thema „Das Dritte Reich – ein Blick auf das politische System nach 75 Jahren“. Ausgehend von der These, dass Hitler zwar auf ideologische Vorläufer rekurrieren konnte und die Zeitumstände ein autokratisches System begünstigt hätten, ist für Besier die nationalsozialistische Bewegung ohne deren „Führer“ kaum denkbar, spielte doch der Faschismus die Rolle einer Ersatzreligion. In einem ersten Abschnitt analysierte Besier die erste Phase des „Dritten Reiches“ (von Januar 1933 bis August 1934), die dem Nationalsozialismus vor allem zur Machtkonsolidierung gedient habe. Die Untersuchung der Übergänge von der Demokratie zu autoritären bzw. totalitären Formen und der Weg zurück seien für die künftige Forschung von ganz besonderer Bedeutung. In einem zweiten Abschnitt stellte Besier die Verbreitung des Faschismus im ökonomischen Bereich sowie im Bereich der Bildung, Erziehung und Kultur dar. Hierbei umriss der Dresdner Totalitarismusforscher die Problematik, dass die Deutschen vom Nationalsozialismus auch in großem Maße profitieren konnten. Die Kernthese seines dritten Abschnitts, die Judenvernichtung in Ostmittel- und Südosteuropa sei kaum auf Widerstand gestoßen, sondern habe manche Kollaboration evoziert, sorgte in der abschließenden Diskussion für lebhafte Kontroversen. Bei der „Entnazifizierung“ der deutschen Bevölkerung nach 1945 handelte es sich nach Besier um einen vielschichtigen, mühsamen und widersprüchlichen Prozess. Das „Beschweigen“ der Vergangenheit einerseits und die „Vergangenheitsbewältigung“ andererseits beschäftigen bis heute Philosophen, Historiker, Politikwissenschaftler und viele andere.

BOHDAN SZKLARSKI (Warschau) schloss die Sektion mit einem Vortrag über das Thema „Der Führer und die Monopartei. Das Modell der totalitären Führerschaft“. Er untersuchte die Rolle des „Führers“ im totalitären System und verglich die Führerschaft in totalitären Regimen mit jenen in autoritären und demokratischen Systemen. Hierbei suchte er Antworten auf folgende Fragen zu geben: Wer sind für den Führer die Empfänger der Führung? Muss der totalitäre Führer unbedingt mit einem totalitären System verbunden sein oder kann es auch in einer Demokratie einen totalitären Führer geben? Als Merkmale eines totalitären Führerstaats nannte Szklarski die Angst als emotionales Element, die Rolle der Propaganda und des Personenkults. Die totalitäre Führerschaft verbinde Emotionen mit Rationalität.

In der abschließenden Diskussion der ersten Sektion stand zunächst der Begriff des Totalitarismus im Zentrum: Welche der zahlreichen Konzepte erscheinen für die Erklärung und Entstehung der neuen Herrschaftsformen im 20. Jahrhundert am stärksten? Inwiefern unterscheiden sich autoritäre und totalitäre Systeme voneinander? Darüber hinaus waren die Zunahme des Nationalismus in verschiedenen Regionen der Welt sowie die in letzter Zeit immer stärkeren nationalen Vorurteile gegenüber den Nachbarländern in Ostmitteleuropa sowie die historischen Konstellationen Gegenstand der Debatte.

Am folgenden Konferenztag eröffnete BRUNELLO MANTELLI (Turin) die zweite Sektion mit seinem Vortrag „Mussolini und seine Nachfahren. Totalitarismus gegen Korporativismus“. Eingangs erklärte Mantelli den Begriff „Totalitarismus“ und seine Verwendung im historischen und politischen Kontext: Zu Beginn der 1920er-Jahre wurde der Terminus in Italien sowohl von linksliberalen als auch von katholischen Gruppen verwendet, wobei er von den Faschisten um Mussolini schnell aufgegriffen und übernommen wurde. In den 1930er-Jahren wurde der Begriff auch in der westlichen, vor allem in der amerikanischen und britischen Öffentlichkeit rezipiert. Anschließend wandte sich Mantelli dem Begriff „Korporativismus“ zu. Er beleuchtete die Geschichte des Begriffs und arbeitete verschiedene politische Situativen heraus, in denen der Begriff zur Anwendung kam. Er betonte, dass beide Begriffe schon bald von verschiedenen Gruppen zu Propagandazwecken als reine Parolen instrumentalisiert wurden. So versuchte Mussolini den Korporativismus propagandistisch zu nutzen und ihn als Bild und Leitmotiv eines neuen Italiens darstellen. Mantelli konstatierte, dass der italienische Korporativismus ein Muster für andere faschistische und dem Faschismus ähnliche Bewegungen wurde – zu denken wäre an das Franco-Regime in Spanien oder das Salazar-Regime in Portugal. Gegen Ende seines Vortrags unterstrich Mantelli, dass sowohl „Totalitarismus“ als auch „Korporativismus“ zwei unterschiedliche, aber eng miteinander verknüpfte Aspekte der faschistischen Diktatur Italiens von 1922 bis 1943 gewesen seien.

An den Vortrag Mantellis anknüpfend setzten sich KATARZYNA STOKŁOSA (Dresden) und JOSÉ M. FARALDO (Potsdam) mit dem Thema „Diktatur und Diktaturaufarbeitung in Spanien und Portugal“ kritisch auseinander. Einleitend skizzierten die Forscher die Besonderheiten der Diktaturen in Spanien und Portugal, wobei sie vor allem auf markante Unterschiede und frappierende Ähnlichkeiten zwischen den beiden Ländern hinwiesen. Mit Blick auf das Phänomen Salazar präsentierte Faraldo unterschiedliche Quellen, die die Popularität des Diktators im gegenwärtigen Portugal veranschaulichten. Faraldo betonte, dass die unveränderte Beliebtheit des Diktators innerhalb der portugiesischen Bevölkerung in erster Linie mit der wirtschaftlichen Lage des Landes verbunden sei. So konnte Salazar in den 1930er-Jahren die tiefe Staats- und Gesellschaftskrise Portugals bewältigen und dadurch die wirtschaftliche Lage des Landes deutlich verbessern. Nicht zuletzt deswegen wird er heute von weiten Kreisen innerhalb der Bevölkerung idealisiert. Faraldo analysierte in seinem Vortrag auch den Prozess der Diktaturaufarbeitung in Portugal und unterstrich, dass die Herrschaft Salazars für lange Zeit ein Tabu darstellte. Eine öffentliche Debatte über die Diktatur, ihre Opfer und mögliche Wege der Aufarbeitung kam nur zögerlich in Gang. Erst im Jahre 1994 wurden staatliche Archive geöffnet, woraufhin brisantes Material der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. 1997 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Opfer der Diktatur rehabilitierte.

Nach Stokłosa gestaltete sich die Situation in Spanien in verblüffend ähnlicher Weise. Nachdem 1975 das Franco-Regime mit dem Tod des Diktators zu Ende gegangen war, versuchte zunächst niemand, sich mit der franquistischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Über die Verbrechen Francos wurde in der Öffentlichkeit nicht diskutiert – innerhalb der spanischen Gesellschaft herrschte ein „Pakt des Schweigens“ – nicht zuletzt deswegen, um den Übergang zur Demo¬kratie durch einen Konflikt nicht zu gefährden. Diese Situation führte schließlich dazu, dass man erst in den späteren 1990er-Jahren damit begann, an die Franco-Ära und den spanischen Bürgerkrieg zu erinnern; erst im Jahre 2000 begann eine echte kritische Auseinandersetzung in der spanischen Öffentlichkeit über die nebulöse Vergangenheit. In einem Ausblick betonte Stokłosa die Rolle und Bedeutung der spanischen Innenpolitik für das Erinnern sowie das Beschweigen des Franquismus; Hoffnungen auf eine gründlichere Aufarbeitung seien vor allem mit der sozialistischen Regierung unter José Luis Rodriguez Zapatero verbunden.

Anschließend referierte EUGENIUSZ CEZARY KRÓL (Warschau) über das Thema „Leni Riefenstahl und die anderen. Zur Lage der Kultur- und Wissenschaftsschaffenden in einem totalitären Staat“. Zunächst skizzierte Król die Verhältnisse zwischen einer totalitären Regierung, der Kultur und der Wissenschaft. Er machte deutlich, auf welche Weise die Regierung Künstler und Wissenschaftler zur Realisierung ihrer Zwecke einsetzte. Als Beispiel führte er den Fall Leni Riefenstahl als Symbol der Verführung durch die totalitäre Macht an. In seinem Vortrag beschäftigte er sich nicht nur mit dem Verhältnis der Macht zu Wissenschaftlern und Künstlern, sondern auch umgekehrt mit der Beziehung der Künstler und Wissenschaftler zur totalitären Macht. Król vertrat die These, dass die intellektuellen Eliten sich von der totalitären Macht verführen ließen. Die jeweiligen Gründe dafür seien von Person zu Person verschieden gewesen; dabei wurden die individuelle Erziehung, Faszination und Affirmation des Systems und seiner Politiker, aber durchaus auch berechnendes Kalkül aufgeführt. Zum Abschluss seines Vortrags betonte Król, dass es für das Befolgen der totalitären Macht noch einen weiteren Grund gebe: den doppelten Charakter des Menschen.

Während der Diskussion warf das Publikum eine Reihe unterschiedlicher Fragen auf. So wurde detailliert über den Totalitarismus in einzelnen Ländern diskutiert. Faraldo entfachte eine rege Diskussion, als er Józef Piłsudski als Diktator bezeichnete. In diesem Zusammenhang wurden die Eigenschaften des Totalitarismus diskutiert – die Konferenzteilnehmer wägten ab, ob Piłsudskis Regierung als totalitäres oder eher als autoritäres Regime zu klassifizieren sei. Auch die Rolle, die die intellektuellen Eliten im Totalitarismus gespielt haben, kam in der Debatte nicht zu kurz.

Die Dritte Sektion eröffnete ALBINA NOSKOWA (Moskau) mit ihrem Vortrag „Die moderne russische Bibliographie des Stalinismus in der neuesten Geschichte Russlands. Einige Probleme“. Noskowa skizzierte zunächst den Stand der Stalinismus-Forschung in Russland. Als moderner Abschnitt der Stalinismus-Historiographie wird der Zeitraum zwischen 1992 und 1995 betrachtet. Damals entstanden verschiedene wissenschaftliche Arbeiten, die eine historische Betrachtungsweise vertraten. Heutzutage beschäftigen sich viele russische Forscher mit den Themen „Stalin“ und „Stalinismus“ nicht nur von einer historischen Warte, vielmehr wird versucht, die Geschichte auch mittels der Psychologie, der Persönlichkeit Stalins zu erklären. Noskowa erwähnte hierbei besonders die Forscher Boris Ilizarow und Nikolaj Kapczenko. Viele russische Historiker analysieren heute den Totalitarismus auch aus zivilisatorischer und modernistischer Perspektive. Diesen Wissenschaftlern zufolge entsteht der Totalitarismus als Folge der Gestaltung der industriellen Gesellschaft. Als Vertreter dieser Ansätze nannte Noskowa die Forscher Wadim Damie und Aleksander Sieniawski.

JULIAN PAŃKÓW referierte über das Thema „Das zeitgenössische Russland und die totalitäre Vergangenheit der UdSSR“. Einleitend skizzierte Pańków, welches Niveau heute der Prozess der Vergangenheitsaufarbeitung in Russland erreicht hat. Laut Pańków war Russland ein ideal-typisches totalitäres System, das in dieser Art noch bis zur Mitte der 1980er-Jahre bestand. Weil Geschichte in der UdSSR immer politisch instrumentalisiert wurde und es bisher an einer echten öffentlichen Debatte über die Vergangenheit fehlt, haben die Russen kaum ein historisches Bewusstsein entwickeln können. Sie diskutieren nicht über den stalinistischen Terror, über die Repressionen und die Opfer des Systems, weshalb eine Mehrheit der Russen den Stalinismus als einen „normalen“ Abschnitt ihrer Geschichte betrachtet. Viele Russen seien der Meinung, dass Stalin ein „guter Führer“ war, der das Land gestärkt und die wirtschaftliche Lage des Landes deutlich verbessert hat. Pańków betonte, dass die intellektuellen Eliten Russlands derzeit keine Rolle bei der Vergangenheits-aufarbeitung spielen.

JERZY HOLZER (Warschau) sprach über „Die Auswege aus dem totalitären System nach dem Zweiten Weltkrieg“. Holzer unterschied zwischen zwei Arten des Totalitarismus: einem einheimischen Totalitarismus und einem Besatzungstotalitarismus. Der einheimische Totalitarismus herrschte in der UdSSR und im Dritten Reich, während die Form des Besatzungstotalitarismus in all jenen Ländern eingeführt wurde, die vom Dritten Reich besetzt worden waren. Lediglich in der UdSSR hatte der Totalitarismus den Krieg überlebt. In allen drei Ländern, in Deutschland, der UdSSR und Italien fand zunächst ein Abrechnungsprozess statt. Der Ablauf des Aufbauprozesses der demokratischen Strukturen war in den betroffenen Ländern jeweils unterschiedlich und hat daher auch unterschiedliche Folgen mit sich gebracht. Am Anfang wurden in allen Ländern demokratische Strukturen eingeführt. Aber im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass in den sowjetischen Zonen ein neuer, diesmal einheimischer Totalitarismus aufgebaut wurde.

Als letzter in dieser Sektion referierte MACIEJ KOŹMIŃSKI (Warschau) über das Thema „Länder der „Volksdemokratien“. Totalitarismus oder post-totalitärer Autoritarismus?“. Koźmiński beschrieb in seinem Vortrag das Schicksal der ostmitteleuropäischen „Volksdemokratien“ und erläuterte die politische Lage sowie die Wege dieser Nationen zur Demokratie und Freiheit. Dabei skizzierte er auch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ähnlichkeiten und Unterschiede in den einzelnen post-kommunistischen Ländern.

In der Diskussion nach der dritten Sektion hatte das Publikum viele Fragen, die vor allem mit der Aufarbeitung der Vergangenheit in Russland verbunden waren. Wie gestaltet sich dieser Prozess? Wäre es möglich, dass sich die Haltung der Russen zu Stalin ändern wird, und wenn ja, wie kann dies geschehen? Welche Rolle spielen die intellektuellen Eliten in Russland? Auch die spezifischen Eigenschaften des russischen Totalitarismus wurden diskutiert.

Die letzte Sektion des Tages eröffnete WALDEMAR DZIAK (Warschau) mit seinem Vortrag „Nordkorea: ein Freilichtmuseum des Totalitarismus“. Dziak unterstrich vor allem die spezifischen Eigenschaften des nordkoreanischen Totalitarismus und skizzierte die gegenwärtige Lage des Landes. Er konzentrierte sich besonders auf die Beantwortung einer häufig gestellten Frage: Warum existiert das nordkoreanische Regime trotz aller Mängel noch immer fort? Er verwies sowohl auf äußere wie auch innere Faktoren. Zu den inneren Faktoren gehören die nationalistische Regierung und die gespaltene Gesellschaft. Außerdem haben andere Länder Einfluss auf die Lage Nordkoreas, die gleichzeitig kein Interesse daran haben, das kommunistische Regime fallen zu lassen. Die Situation eines Zusammenbruchs würde auch für Südkorea eine große ökonomische Katastrophe bedeuten. Dziak ging abschließend auch auf die Besonderheiten der koreanischen Gesellschaft ein.

Als letzter in dieser Reihe hielt JANUSZ ROWIŃSKI (Warschau) einen Vortrag über „China und Vietnam heute: kapitalisierter Kommunismus oder kommunizierter Kapitalismus?“. Rowiński umriss die spezifischen Eigenschaften des chinesischen Totalitarismus. Er erläuterte ausführlich, warum der Totalitarismus in China eingeführt wurde und heute noch fortlebt. Hier wurden verschiedene Eigenschaften der chinesischen Gesellschaft angegeben – unter anderem kulturelle Aspekte, die zentralisierte Macht des Führers, der Hang zum Kollektivismus, fehlende demokratische Traditionen und eine völlig andere demokratische Identitätsstiftung als in westlichen Gesellschaften. Danach beschäftigte sich Rowiński kurz mit der Geschichte der Volksrepublik China (1949-2008). Auch die innere Lage des Landes und die Lebensbedingungen der Bevölkerung wurden angesprochen. Am Ende seines Vortrags skizzierte Rowiński auch den neuen Kurs der chinesischen Politik.

Während der abschließenden Diskussion dieser Sektion die Konferenzteilnehmer fragten sich, ob es überhaupt zum Fall des chinesischen Regimes kommen könne und welche Folgen dieser Sturz mit sich bringen könnte. Das Publikum wollte darüber hinaus informiert werden, wie sich die Politik Chinas im Zusammenhang mit der Situation in Tibet abzeichnet. Einige Teilnehmer fragten sich, von welchen Motivationen geleitet, sich China doch noch der Welt öffnen könnte.

Kurzübersicht

Freitag, 6. Juni

15.00: Eröffnung (Prof. Edmund Wnuk-Lipiński, Prof. Gerhard Besier, Prof. Piotr Madajczyk)

Panel Nr. 1 (15.30-18.30)

Ernst Nolte, Berlin, Das totalitäre Syndrom nach fünfzig Jahren. Faschismus – Nazismus – Kommunismus. Zu der Diskussion um das Wesen der totalitären Systeme und deren Ideologie
Gerhard Besier, Dresden, Das Dritte Reich – ein Blick auf das politische System nach 75 Jahren
Bohdan Szklarski, Warschau, Der Führer und die Monopartei. Das Modell der totalitären Führerschaft

Samstag, 7. Juni

Panel Nr. 2 (9.00-12.30)

Brunello Mantelli, Torino, Mussolini und seine Nachfahren. Totalitarismus gegen Korporationismus
Katarzyna Stokłosa, Jose M. Faraldo, Dresden-Potsdam, Der Franquismus und der Salazarismus und der Übergang zur Demokratie
Eugeniusz Cezary Król, Warschau, Leni Riefenstahl und die anderen. Zur Lage der Kultur- und Wissenschaftsschaffenden in einem totalitären Staat

Panel Nr. 3 (15.00-20.15)

Albina Noskowa, Moskau, Die moderne russische Bibliographie des Stalinismus in der neuesten Geschichte Russlands. Einige Probleme
Julian Pańków, Warschau, Das zeitgenössische Russland und die totalitäre Vergangenheit der UdSSR
Jerzy Holzer, Warschau, Die Auswege aus dem totalitären System nach dem Zweiten Weltkrieg
Maciej Koźmiński, Warschau, Länder der „Volksdemokratien“. Totalitarismus oder post-totalitärer Autoritarismus?
Waldemar Dziak, Warschau, Nordkorea: ein Freilichtmuseum des Totalitarismus
Jan Rowiński, Warschau, China und Vietnam heute: kapitalisierter Kommunismus oder kommunisierter Kapitalismus?

Sonntag, 8. Juni

Panel Nr. 4 (9.00-12.45)

Janusz Danecki, Warschau, Islamischer Fundamentalismus und Totalitarismus
Robert Mroziewicz, Warschau, Die Republik Kuba an der politischen Wegscheide
Andrzej Szpociński, Warschau, Das Phänomen der gesellschaftlichen Akzeptanz des Totalitarismus

Abschließende Podiumsdiskussion: Das totalitäre politische System: Wie geht es weiter?


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