Vom 12. bis 14. März 2009 fand im Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus in Darmstadt die internationale Tagung „Legitimation – Integration – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne“ statt. Die von Ronald G. Asch (Freiburg), Birgt Emich (Freiburg) und Jens Ivo Engels (Darmstadt) als Kooperation zwischen dem Darmstädter DFG-Projekt „Korruption in der Moderne“ und dem Freiburger Graduiertenkolleg 1288 „Freunde, Gönner, Getreue: Praxis und Semantik von Freundschaft und Patronage in historischer, anthropologischer und kulturvergleichender Perspektive“ ausgerichtete Veranstaltung brachte 18 Fachleute aus den Bereichen Wissenschaft und Medien zusammen, die sich im Verlauf von drei Tagen intensiv mit den Phänomenen der politischen Patronage und Korruption auseinandersetzten. Im Zentrum standen dabei einerseits zeitgenössische Rezeptionsmuster von Patronage und Korruption sowie deren Interdependenz, andererseits deren Relevanz und Effektivität im Hinblick auf Herrschaft und Gesellschaft in Moderne und Früher Neuzeit. In drei Sektionen wurden dabei Strategien der Legitimation klientelarer Verflechtungen (I.), das integrativ-stabilisierende Potential des sozio-politischen Phänomens Patronage (II.) und schließlich das latente Spannungsverhältnis zwischen Korruption und Patronagepraktiken (III.) thematisiert.
In einer kurzen Einleitung plädierte JENS IVO ENGELS (Darmstadt) zunächst dafür, Patronage als kulturgeschichtliches Phänomen zu untersuchen, um das Augenmerk neben spezifischen Akteurskonstellationen und sozialen Praktiken auch auf Strategien der Rechtfertigung oder Legitimierung sowie auf Kritik an Konstellationen personaler Verflechtung zu richten. Im Anschluss eröffnete der Vortrag HILLARD VON THIESSENs (Köln), in dem anhand der spanischen Günstling-Minister Lerma und Olivares zentrale Aspekte legitimatorischer Strategien königlicher Favoriten exemplifiziert wurden, die erste Sektion mit dem Titel „Integration und Selbstinszenierung“. Von Thiessen konnte anschaulich nachweisen, dass es dem Herzog von Lerma nicht gelang, die von ihm besetzten gesellschaftlichen Rollen – zum einen als Diener des Königs und des Gemeinwohls, zum anderen als Patron eines weitverzweigten Netzwerks von Vertrauenspersonen, die der Koordination und Kontrolle des Verwaltungsapparates dienten – miteinander zu vereinbaren. Denn auf der normativen Ebene hätten private Loyalitäten dem Anspruch der Unparteilichkeit widersprochen und dazu geführt, dass Lermas Tätigkeit als Patron als „korrupt“ und habgierig wahrgenommen wurde. Olivares, Günstling-Minister unter Phillip IV., sei es hingegen gelungen – insbesondere in propagandistischer Abgrenzung von Lerma – sowohl das eigene Regime als tadellos zu inszenieren, als auch unter Rückbezug auf die vermeintlich „korrupte“ Phase unter seinem Vorgänger, seine eigene politische Agenda zu befördern, die der Zentralisierung und Stärkung der spanischen Monarchie dienen sollte. Daran anschließend demonstrierte CHRISTIAN KÜHNER (Freiburg) am Beispiel Louis II. de Bourbon, des „Grand Condé“, Strategien der Selbstinszenierung im Hinblick auf die Rolle des Patrons. Denn nachdem ihm die Option auf einen direkteren Einfluss auf royale Entscheidungsprozesse verwehrt blieb, habe sich der Condé gezwungen gesehen, ursprüngliche Formen der Repräsentation – als Aristokrat, militärischer Führer, Rebell – aufzugeben und die unpolitische Rolle des Mäzen, des tugendhaften Förderers der schönen Künste, einzunehmen, um seinen Anspruch auf eine herausragende Stellung weiterhin legitimieren zu können.
Auf die Notwendigkeit aktiver Strategien der Selbstinszenierung verwies auch RONALD G. ASCH (Freiburg) in seinem Vortrag über die englischen Favoriten und „Patronage-Broker“ Robert Devereux, George Villiers und Thomas Wentworth. Das Besetzen spezifischer Rollen gegenüber Monarch und Öffentlichkeit, beispielsweise als tugendhafter und siegreicher militärischer Führer, als kniefälliger Höfling oder auch als selbstloser Patriot und Förderer der königlichen Prärogative, habe dabei der Legitimierung sowohl der eigenen Sonderstellung am Hof als auch der von Partikularinteressen geleiteten systematischen Selbstbereicherung der Favoriten gedient. Ebenso wie im Fall der spanischen Günstling-Minister bargen derartige Strategien Asch zufolge jedoch das Potential für Normenkonflikte und Glaubwürdigkeitseinbußen. So gelang es auch den vorgestellten englischen Favoriten letztlich nicht, sich dauerhaft zu behaupten, sei es gegenüber den Monarchen, der Öffentlichkeit oder der höfischen Gesellschaft: Jeder starb eines gewaltsamen Todes. Einen Perspektivwechsel nahm im Anschluss ARNE KARSTEN (Berlin) vor, der sich kunsthistorisch den visuellen Legitimationsstrategien im Kontext des Systems päpstlicher Nepoten widmete. Die Analyse päpstlicher und nepotischer Grabmäler, die Karsten als serielle Quellen auswertete, erlaube es, zeitgenössische Normen und Werte sowie deren diachronen Wandel systematisch zu rekonstruieren. Denn, so Karsten, als „doppelte Rechenschaftsberichte“ vor Gott und Nachwelt versinnbildlichten räumliche Anordnung, Standortwahl und Ausstattung letzter Ruhestätten klientelare Bindungen über das Leben hinaus noch im Tod. So hätten päpstliche Gräber häufig mehr oder weniger offensichtlich auf die Tatsache verwiesen, dass jeder Episcopus Romanus seinen Galero einem Vorgänger zu verdanken hatte.
Den ersten Tag beschloss der Abendvortrag des „Frontal 21“-Redakteurs REINHARD LASKA (Berlin), der einen ebenso intimen wie spannenden Blick in die Welt der journalistischen Arbeit über Korruptions- und Bestechungsaffären gewährte. Anhand zahlreicher Fallbeispiele demonstrierte Laska nicht nur die sukzessive, mühsame und häufig durch glückliche Zufälle angestoßene Rekonstruktion von Korruptionsfällen, sondern thematisierte auch ethische Grundsätze des „investigativen“ Journalismus und die fundamentale Funktion der medialen Öffentlichkeit im Hinblick auf gesellschaftliche Transparenz.
Am folgenden Morgen komplettierten die Vorträge von ALAN LESSOFF (Normal, Illinois), JAMES CONNOLLY (Muncie, Indiana) und CHRISTIAN EBHARDT (Darmstadt) die erste Sektion um Perspektiven der Moderne. Zunächst konnten Lessoff und Connolly am kommunalpolitischen System des „bossism“ in Städten der USA zeigen, dass Phänomene der interpersonalen Verflechtung auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine bedeutende Rolle spielten. So hätten Begriffe wie „boss“ und „machine“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf klientelare Netzwerkstrukturen verwiesen, die das politische Leben vieler US-amerikanischer Städte noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bestimmen sollten. Connolly und Lessoff richteten ihr Augenmerk vor diesem Hintergrund insbesondere auf die Figur des jeweils dominanten „boss“ und auf spezifische Muster der Selbst- und Fremdzuschreibung – darunter Gender-Kodierungen, Körperlichkeit, Bildung –, die der Kritik und Legitimation des „bossism“ dienten. Christian Ebhardt konnte am Beispiel französischer und englischer Eisenbahngesellschaften und -projekte der 30er- und 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts abschließend zeigen, wie die sukzessive Ausdifferenzierung der öffentlichen und privaten Sphäre und das Bemühen, beide systematisch und funktional voneinander zu trennen, zu Interessenkonflikten und Legitimationsschwierigkeiten führen konnten. Denn die Notwendigkeit staatlicher Billigung neuer Bauvorhaben in Form von Konzessionen bzw. gesetzlichen Regelungen habe die als problematisch empfundene Kongruenz privater und öffentlicher Interessen offenbart – beispielsweise bei Abgeordneten, die zugleich an den jeweiligen Eisenbahngesellschaften Beteiligungen hielten oder ihnen vorstanden. Trotz öffentlicher Kritik an derart „lobbyistischen“ Konstellationen wurden indes nur zögerlich entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen, wie Ebhardt sowohl für England wie auch für Frankreich empirisch nachwies.
Die zweite Sektion unter dem Titel „Integration“ eröffnete BIRGIT EMICH (Freiburg) mit einem Vortrag über den Konnex von Patronage und Prozessen der Integration sowie Staatsbildung. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte um die Frage, ob eine Analyse der Korrespondenz zwischen Patron und Klient es erlaube, Rückschlüsse auf immanente Wertesysteme zu ziehen1, sprach Emich sich dafür aus, die „Sprache der Patronage“ weniger als Ausdruck affektiver Interaktionen zu betrachten denn als rhetorische Normierung, durch die eine Bereitschaft, spezifischen Rollenkonventionen gerecht zu werden, signalisiert werden konnte. Die Grenzen des Integrationspotentials von Patronage als Herrschaftsinstrument veranschaulichte hingegen STEVEN ELLIS (Galway) anhand des Scheiterns der „surrender and reget“-Strategie, mit der England in den 1540er-Jahren den eigenen Herrschaftsbereich auf das gälische Irland auszudehnen suchte. Denn das Leben am englischen Hof habe sich für die gälischen Häuptlinge sowohl als unattraktiv als auch unpraktikabel erwiesen, zumal die zunächst versprochene englische „Staatsbürgerschaft“ ausgeblieben sei, mit der Folge des verstärkten Einsatzes von Zwangsmitteln zur Unterwerfung Irlands. Dass Elitenintegration durch den Ausbau personaler Strukturen jedoch auch erfolgreich verlaufen konnte, zeigte GUY ROWLANDS (St. Andrews) am Beispiel der Reformen, die Ludwig XIV. nach 1650 in der stark anwachsenden französischen Armee vornahm. Durch Modifikationen im Beförderungs- und Kommissionswesen sei es dem König gelungen, die Mehrzahl der Offiziere unmittelbarer an die Person des Monarchen zu binden und mehr Einfluss auf Selektion und Beförderung des militärischen Nachwuchses zu erlangen. Zugleich konnten Rowlands zufolge im Rückgriff auf bestehende Patronagenetzwerke (beispielsweise der Provinzgouverneure) zahlreiche Adelige niederen Ranges erfolgreich in die Armee eingebunden werden.
Schließlich beschlossen die Vorträge von ANDREAS FAHRMEIR (Frankfurt) und FRÉDÉRIC MONIER (Avignon) die zweite Tagungssektion. Zunächst richtete Fahrmeir den Blick auf die Stadt London im „langen“ 19. Jahrhundert: Während dort seit Ende des 18. Jahrhunderts „illegitime“ Praktiken der Einflussnahme auf die Vergabe von Ämtern, der Selbstbereicherung und Vorteilsgewährung zunehmend öffentlich kritisiert und als Auswüchse der „old corruption“ bekämpft wurden, sei es am Übergang zum 20. Jahrhundert zu einer „Renaissance“ spezifischer korruptiver/klientelarer Mechanismen gekommen. Diese augenscheinliche Diskrepanz konnte Fahrmeir indes durch die These erklären, dass Patronagenetzwerke insbesondere in Zeiten intensiven ökonomischen Wandels den zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Druck mildern und die Akzeptanz gegenüber derartigen Transformationsprozessen vergrößern konnten. Analog zu Fahrmeir wies Frédéric Monier auf spezifische Formen des Klientelismus zwischen Bürgern und gewählten Vertretern in der dritten französischen Republik hin: in Form einer „demokratischen Patronage“, in der sich traditionelle Formen der Durchsetzung von Partikularinteressen mit dem politischen Projekt der Republik verknüpften. Als funktionale Ergänzung zur sozialen Integration, habe die „Politisierung“ persönlicher Interessen sowohl den Prozess der Akkulturation als auch die Integration des Individuums in die dritte Republik gefördert.
In die dritte Sektion zur „Korruption“ leitete anschließend der Vortrag von NIELS GRÜNE (Bielefeld) über, der sich mit der Interdependenz frühneuzeitlicher Korruptionskritik und Patronage befasste. Auf der Grundlage analytischer Modelle, wie etwa des „neoklassischen“ Ansatzes Michael Johnstons2, wies Grüne zunächst auf Möglichkeiten hin, wie historische Korruptionsvorwürfe auch für die Patronageforschung operationalisiert werden können, ohne auf gegenwärtige, anachronistische moralische Standards zu rekurrieren. Darauf aufbauend konnte er anschließend am Beispiel von korruptionsbezogenen gesetzlichen Verordnungen und der politischen Praxis im Herzogtum Württemberg des 16. und 17. Jahrhunderts demonstrieren, wie Korruptionsvokabular und -vorstellungen Möglichkeiten eröffneten, Kritik an der zeitgenössischen Herrschaftsverfassung zu äußern. Anschließend verglich HORST CARL (Gießen) systematisch korruptive Phänomene in den Armeen Frankreichs und Preußens im 18. Jahrhundert. So konnte er nachweisen, dass insbesondere adelige Offiziere zusehends auf klientelare Beziehungen zu militärischen Kommissaren oder privatwirtschaftlichen Unternehmern auswichen, um trotz stetiger Zunahme staatlicher Restriktionen und „Entprivatisierung“ der Armee weiterhin private Profite erwirtschaften zu können. Korruptionsvorwürfe seien vor diesem Hintergrund dennoch nicht an konkrete Praktiken der Selbstbereicherung gebunden gewesen, sondern an das Ausbleiben militärischer Erfolge – erst in der Niederlage wurden Militärs und Armeen „korrupt“.
Systematischere Formen der Korruptionskritik stellte ECKHART HELLMUTH (München) am Beispiel Englands im 18. Jahrhundert vor. Ausgehend von der Amtszeit Robert Walpoles und der sogenannten „Whig Supremacy“ bis in die 1750er-Jahre hinein veranschaulichte Hellmuth die variablen, zum Teil anthropologischen Vorstellungen in Bezug auf Korruption. So sei es Autoren wie Bolingbroke möglich gewesen, explizit Kritik am korrupten „System Walpole“ zu üben. Zugleich hätten sich jedoch dem Hof nahe stehende Autoren – ebenso auch David Hume – durchaus positiv zu Praktiken der Beeinflussung von Parlamentariern geäußerten, um einen als zu groß empfundenen Einfluss der „Commons“ zu mindern. Die Vergabe von Kronämtern und Pfründen konnte Hellmuth zufolge so durchaus als legitimes Mittel der Beeinflussung und der Durchsetzung monarchischer Interessen erscheinen.
Die zeitgenössische Kritik an Korruptionspraktiken thematisierte auch ROBERT BERNSEE (Darmstadt) in seinem Vortrag. Am Beispiel des preußischen Beamten Joseph Zerboni konnte Bernsee nachweisen, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts zwar Gesetze bestanden, die Patronage und Korruption verboten, derartige Praktiken jedoch oftmals weiterhin geduldet wurden. Zum Teil sei diese Diskrepanz latenten Normenkonflikten geschuldet, die sich auch in der Verhaftung Joseph Zerbonis manifestierten, nachdem dieser öffentlich den Grafen von Hoym der Korruption beschuldigt hatte. Denn während Zerboni es als seine Amtspflicht angesehen habe, zunächst das Wohl einer abstrakt vorgestellten „Öffentlichkeit“ zu schützen und Missstände öffentlich zu machen, verlange das preußische Amtsverständnis zuvorderst unbedingten Gehorsam. Die Ahndung von Korruptionsdelikten scheiterte in diesem von Bernsee vorgestellten Fall demnach in erster Linie an disparaten Konzeptionen des öffentlichen Amtes. Ähnlich demonstrierte RONALD KROEZE (Amsterdam), der im Rahmen des niederländischen Forschungsprojekts „Under Construction. The Genesis of Public Value Systems“ die Genese und den Inhalt öffentlicher Wertesysteme untersucht, am Beispiel der niederländischen Billiton-Affäre des Jahres 1882, wie in krisenhaften Situationen kommunikativer Verdichtung implizite öffentliche Normen sichtbar werden. Ausgehend von der Hypothese, dass jede Zeit über eigene soziale Standards – und somit auch Korruptionsvorstellungen – verfügte, konnte Kroeze nachweisen, wie sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Vorstellung des „modernen“ und am öffentlichen Interesse orientierten Staates ausbildete, die mit spezifischen, nun als „korrupt“ wahrgenommenen Phänomenen nicht mehr vereinbar war.
Mit dem Vortrag von DAMIEN DE BLIC (Paris) über die Trias Korruption, Skandal und Massenmedien im Frankreich der Jahrhundertwende endete die dritte Sektion der Darmstädter Tagung. De Blic konnte nachweisen, dass korruptionsbezogene Skandalisierungen mit Aufkommen der modernen Massenmedien und verstärkt seit dem Panamaskandal substantiell an politischem Potential gewannen. Zugleich habe die finanzielle Abhängigkeit die neuen Printmedien jedoch selbst der Gefahr ausgesetzt, dass an ihrer Integrität gezweifelt werden konnte.
Zusammenfassend hat die Darmstädter Konferenz zunächst deutlich gemacht, dass Patronage ein essentieller Bestandteil der politischen Kultur war – nicht nur in der Vormoderne, sondern noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. So konnten die Existenz und das integrative, soziale Kohäsion erzeugende Potential personaler Netzwerke im Europa der Frühen Neuzeit und Moderne von zahlreichen Referentinnen und Referenten nachgewiesen werden. Zugleich zeigte sich ferner, dass Patronage und Korruption kaum voneinander zu trennen sind. Denn sowohl Grenzen und Strategien der Legitimation privater Verflechtungen, als auch Natur, Variabilität oder das Fehlen kohärenter Normen erwiesen sich als zentral für die zeitgenössische Etikettierung spezifischer Praktiken und Phänomene als „korrupt“ oder „legitim“. Modernisierungstheoretische oder essentialistische Vorstellungen und Modelle von Korruption und Patronage stellen sich aufgrund dieser Befunde als nur bedingt tragfähig heraus. Vielmehr hat die Tagung in Darmstadt Wege aufzeigen können, wie Patronage- und Korruptionsforschung gemeinsam spezifische Phänomene der Netzwerkbildung und Einflussnahme als kulturhistorische Phänomene systematisch analysieren und erschließen können.
Konferenzübersicht:
Sektion I: Legitimation und Selbstinszenierung
Christian Kühner (Freiburg): „Il va de ma vie, de mon honneur et par conséquent de tout“. Die Selbstinszenierung des Grand Condé
Hillard v. Thiessen (Köln): Günstlingsherrschaft als Legitimationsproblem: Die spanischen Günstling-Minister Lerma und Olivares zwischen Ethos der Patronage und Dienst am König
Ronald G. Asch (Freiburg): Legitimizing patronage in England. Images and representations from the second Earl of Essex to the politics of „Thorough“ ca. 1590-1645
Arne Karsten (Berlin): Reform und Klientel. Zur Ikonographie religiösen Wandels
Reinhard Laska (Berlin): Abendvortrag: Korruption aufdecken. Korruptionsfälle in der Arbeit von Journalisten
Sektion II: Integration
Alan Lessoff (Normal, IL)/James Connolly (Muncie, IN): Defenses of political bossism in the United States, 1870-1920
Christian Ebhardt (Darmstadt): Eisenbahnlobbyismus im 19. Jahrhundert (England und Frankreich)
Birgit Emich (Freiburg): Staatsbildung und Klientel: Politische Integration und Patronage in der Frühen Neuzeit
Steven Ellis (Galway): Building the kingdom: Tudor integration and Ireland
Guy Rowlands (St. Andrews): Patronage, Absolutism and the Integration of France under Louis XIV
Andreas Fahrmeir (Frankfurt): Patronage als Symptom von Stabilität oder Zerfall? Die City of London im langen 19. Jahrhundert
Frédéric Monier (Avignon): Un „patronage démocratique“ en crise: intégration sociale et légitimité de la République en France entre les deux guerres mondiales
Sektion III: Korruption
Niels Grüne (Bielefeld): Wie patronagekritisch waren frühneuzeitliche Korruptionsklagen? Zur Problematisierung von personaler Verflechtung in Herrschaftstheorie und politischer Praxis
Horst Carl (Giessen): Wenn Amortisation und Patronage zum Problem werden – Korruption in der Armee im 18. Jahrhundert
Eckhart Hellmuth (München): Korruptionskritik in Großbritannien am Ende des 18. Jahrhunderts
Robert Bernsee (Darmstadt): Der Fall um Joseph Zerboni: Korruptionskritik in Brandenburg-Preußen um 1800
Ronald Kroeze (Amsterdam): The Billiton-affair. Corruption and modernisation in the Netherlands at the end of the nineteenth century
Damien de Blic (Paris): Corruption et médias des masse vers 1900
Anmerkungen:
1 Vgl. unter anderem Arthur L. Herman Jr., The Language of Fidelity in Early Modern France, in: The Journal of Modern History 67 (1995), S. 1-24; Jay M. Smith, No More Language Games: Words, Beliefs, and the Political Culture of Early Modern France, in: The American Historical Review 102 (1997), S. 1413–1440.
2 Vgl. Michael Johnston, The search for definitions: the vitality of politics and the issue of corruption, in: International Social Science Journal 149 (1996), S. 321–335.