Die internationale Konferenz „‚Trading Religions‘“, durchgeführt vom 25. bis 27. Januar 2010 im Rahmen des Käte Hamburger Kollegs „Dynamics in the History of Religions“ an der Ruhr-Universität Bochum, beschäftigte sich mit der Entstehung und Transformation von religiösen Traditionen sowie dem interkulturellen Austausch zwischen Ost und West. Die Konferenz operierte auf der grundlegenden Annahme, dass Religionen weniger als monolithische Blöcke anzusehen sind, als vielmehr von dynamischen Prozessen bestimmt werden. Als eine mögliche Herangehensweise an diese Dynamiken wurde vom Vorbereitungskreis das Thema „Handel“ gewählt. Hierbei wurde zwischen wörtlichem und metaphorischem Handel unterschieden – daher die Anführungszeichen im Konferenztitel „Trading Religions“.
Das Bedeutungsspektrum der Titelformulierung wurde von PETER WICK (Bochum) im Einleitungsvortrag zur Konferenz dargestellt. Religionen breiten sich unter anderem durch ökonomische Prozesse aus, durch Handel entlang von Handelsrouten etc. Durch diese Bewegung von Individuen und Gruppen im geographischen und sozialen Raum wechseln verschiedene „religiöse Güter“ (wie zum Beispiel religiöse Symbole) ihren Standort und zum Teil auch ihren Besitzer sowie ihren Charakter. Der eingeladene Keynote Speaker, CHRISTOPH AUFFAHRT (Bremen), zog es auf dem Hintergrund dieser Bewegungen vor, von „Migration“ anstelle von „Handel“ zu sprechen. Neben dem ökonomischen Handel gibt es jedoch auch einen metaphorischen Handel, in dem „religiöse Güter“, wie zum Beispiel religiöses Wissen, „angeboten“ und „nachgefragt“ werden. Im Laufe der Konferenz wurden diese beiden Kategorien durch eine mögliche dritte ergänzt: die Markttheorie.
Die verschiedenen Konzepte von Handel wurden in den einzelnen Vorträgen der Konferenz mehr oder weniger stark aufgenommen. Einige Themen hatten einen deutlichen Bezug zu ökonomischem Handel, wie zum Beispiel der Vortrag von JASON NEELIS. Bei anderen Vortragsthemen bot sich eher das metaphorische Modell des Handels an, um die Dynamik des religiösen Austauschs zu beschreiben. Hierzu gehörten beispielsweise die ethischen Anweisungen zum Zusammenleben im antiken Haushalt (oikos), wie sie im Vortrag von LOREN STUCKENBRUCK diskutiert wurden.
Die 17 Einzelbeiträge der Konferenz (plus Einleitung und Keynote Lecture) wurden durch vier verschiedene Abschnitte strukturiert, die unterschiedliche „religiöse Güter“ repräsentieren. Im ersten Abschnitt wurde zu „Topologien religiösen Raums“ referiert. Hier wurde ein weites Spektrum an realen und virtuellen Geographien und Kosmologien diskutiert, die sich an verschiedenen Orten interkulturellen Austauschs ausgebildet haben. Als Beispiele können hier das von MICHAEL WILLIS dargestellte Udayagiri zur Zeit der Gupta Könige in Indien und das koreanische Samguk yusa dienen.
Der zweite Abschnitt der Konferenz beschäftigte sich mit religiösen Symbolen. Da solche Symbole eine Religion sichtbar und unterscheidbar machen, verleihen sie religiöse Identität. Durch kulturellen Austausch kommt es jedoch im Bereich religiöser Symbolik zu Transformationsprozessen. Die Referenten konnten darstellen, wie sich Symbole durch dynamische Prozesse über Raum und Zeit verändert haben und so zur Formation und Transformation von Religionen beigetragen haben.
Im dritten Abschnitt wurde der „Handel“ mit religiösem Wissen beleuchtet. Wenn neues Wissen mit schon bekannten Einsichten konfrontiert wird, kann diese Konfrontation zu Veränderungs- oder Verfestigungsprozessen führen. Konkret wurden Islam und Judentum als Hauptbeispiele des „Handels“ mit religiösem Wissen reflektiert. Diese Sektion wurde – ebenso wie die anderen drei – durch eine übergreifende Diskussion abgerundet, in der die in der Sektion aufgeworfenen Themen grundsätzlich und zusammenhängend diskutiert wurden.
Die drei vorangegangenen Komponenten finden ihren Ausdruck in den religiös-ethischen Lebensweisen der Anhänger einer religiösen Richtung. Dementsprechend wurden im vierten und letzten Abschnitt der Konferenz die Dynamiken in den interreligiösen Interaktionen in Bezug auf die Ethik untersucht. In einem ersten Vortrag wurde dabei gezeigt, wie sich Institutionen der Vermittlung daoistischer Spiritualität durch buddhistische Einflüsse verändert haben (LIVIA KOHN). Die weiteren drei Vorträge bearbeiteten das Spannungsfeld Hellenismus-Judentum-Christentum in der Antike und diskutierten dabei grundsätzliche (VOLKER RABENS), konkrete (LOREN STUCKENBRUCK) und ästhetische (ERICH KISTLER) Aspekte der Ethik.
In einer als von den Teilnehmern als sehr hilfreich empfundenen Abschlussdiskussion zur Konferenz wurden die drei eingangs erwähnten Kategorien von „Handel“ nochmals aufgenommen, nebeneinander gestellt und weiter differenziert. Fragen, die dabei aufgeworfen wurden, betrafen u.a. die „Gegenseitigkeit“ („reciprocity“) von Einflüssen. Zum Beispiel, auf welche Weise beeinflussen „religiöse Güter“ Käufer und Händler? „Gegenseitige Beeinflussung“ wurde weiterhin auch als hilfreicheres Konzept zum Verständnis religiöser Entwicklungen herausgestellt als das herkömmliche „Ursache–Wirkung“-Schema. Dabei kann „religiöser Handel“ durchaus von Peripherie zu Peripherie stattfinden und muss nicht immer über ein kultur-politisches oder religiöses Zentrum (zum Beispiel Rom) laufen.
Konferenzübersicht:
Begrüßung
Volker Rabens (Bochum)
Address
Volkhard Krech (Bochum)
Einführung
Peter Wick (Bochum)
Sektion I: Topology of Religious Space
Moderation: Jörg Plassen (Bochum)
Michael Willis (London): Transformation of a Ritual Site: Udayagiri and the Gupta Kings
Abhishek Singh Amar (London): Mapping the ‘Buddhakshetra’ of Gotama at Sacred Bodhgaya
Georgios Halkias (Oxford): The Greek Buddhists of Asia: A Case Study in Reciprocal Assimilation
Jason Neelis (Gainesville, Florida): Localizing the Buddha’s Presence at Wayside Shrines: Stūpa Images, Donative Inscriptions, and Buddhist Narratives in Northern Pakistan
Myoungin Yu (Bochum): Buddhist Influence on Spatial Concepts in Thirteenth-Century Korea: Focusing on Samguk yusa (Memorabilia of the Three Kingdoms)
Keynote Lecture
Christoph Auffarth (Bremen): Together with the Grain Came the Gods from the Orient to Rome
Sektion II: Religious Symbol Systems
Moderation: Christian Frevel (Bochum)
Izak Cornelius (Stellenbosch): Ancient Religions as Symbol Systems
Joan Goodnick Westenholz (Chicago): Nanaja and her Symbols in East and West
Rosel Pientka-Hinz (Marburg): Snakes as Ancient Near Eastern Symbols in Cross-Cultural Contact
Sylvia Winkelmann (Halle/Saale): Transfer and Transformation of Religious Beliefs between Iran and Central Asia during the Bronze Age
Sektion III: Religious Knowledge
Moderation: Stefan Reichmuth (Bochum)
Görge Hasselhoff (Bochum): Revising the Vulgate: Jerome and his Jewish Interlocutors
Geoffrey Herman (Jerusalem): Zoroastrianism in the Talmud: The Case of Hannukah
Al Makin (Yogyakarta): The Concept of God according to Umayyah b. Abi Salt
Damien Janos (Bochum): The Place and Role of Astronomy in Sunni Kalam Works from the Tenth to the Fourteenth Centuries
Sektion IV: Religious-Ethical Ways of Life
Moderation: Peter Wick (Bochum)
Livia Kohn (Boston): The Buddhist Transformation of Daoism
Erich Kistler (Bochum): Hellenism as the Right Way of Life
Volker Rabens (Bochum): Moral Reasoning between Hebrew Bible and Greek Thought: Philo of Alexandria as an Agent of Religious Transformation
Loren Stuckenbruck (Princeton): New Testament Ethics and Jewish Tradition in Cross-Cultural Perspective
Plenary Discussion: Religious Formation, Transformation and Cross-Cultural Exchange
Moderation: Christian Frevel (Bochum)