Nach der Begrüssung durch den Direktor des Deutschen Historischen Instituts Rom, Michael Matheus, führten die Veranstalter Eberhard J. Nikitsch (Rom) und Sebastian Scholz (Zürich) in die Bedeutung der epigraphischen Zeugnisse für die Papstgeschichte wie auch für die stadtrömische Geschichte ein. Ziel der Tagung sei es, die Funktionsweise und Bedeutung der Inschriften für den päpstlichen Hof und sein Umfeld zum ersten Mal systematisch und aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen zu untersuchen. Dabei sollen neue Zugänge und Interpretationsmethoden der Quellengattung Inschriften entwickelt, verschiedene Zugangsweisen verknüpft und bekannte Methoden weiterentwickelt werden.
SEBASTIAN SCHOLZ eröffnete mit der Feststellung, dass seit Papst Damasus in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts Päpste Inschriften nutzten, um ihr Selbstverständnis zu formulieren sowie Ansprüche und Rechte zu proklamieren. Dabei stellten die Inschriften ein öffentliches Medium dar, das gerade in Rom traditionell seit der Antike als repräsentatives Kommunikationsmittel verwendet wurde. Die Bandbreite der Texte reichte von einfachen Datierungen über vollständig in Stein gehauene Papsturkunden bis hin zu liturgischen Anweisungen, die vielfach weitergehende Aussagen zur Kulturgeschichte zulassen.
WALTER KOCH (München/Wien) entwickelte anhand zahlreicher Beispiele einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Schriftformen römischer Inschriften im kurialen Umfeld vom 3. Jahrhundert bis in das spätere Mittelalter. Als Impulsgeber für den Drang nach Neuerung machte er ästhetische Vorstellungen der Auftraggeber in Rom/außerhalb Roms, Rückbesinnungen auf Vorgänger, aber auch die Eigendynamik der Werkstätten aus. Konservatismen und Innovativität der Formensprache stellte er am Beispiel von zwei Inschriften aus dem Jahr 1241 dar, die ohne Jahresangabe wohl in unterschiedliche Jahrhunderte datiert würden.
FRANZ-ALBRECHT BORNSCHLEGEL (München) stellte anhand renaissancezeitlicher Inschriften dar, dass es vor allem in Süddeutschland eine nordalpine Sonderentwicklung gab, die italienische Einflüsse weiterverarbeitete. In Rom hingegen setzten sich renaissancezeitliche Schriftformen in den Inschriften zunächst nur dort durch, wo florentinische Künstler arbeiteten.
OTTAVIO BUCARELLI (Rom) führte als Bearbeiter des Inschriftenbandes zum Petersdom im Vatikan in die Vielfalt der dort überlieferten Inschriften seit der Spätantike ein. Eine grosse Zahl der bisher 125 nachweisbaren Inschriften kann durch Abgleich von Stiftungsbeschreibungen des Liber pontificalis eventuell zusätzlich belegt werden, wie beispielsweise das Goldkreuz von Kaiser Konstantin und seiner Mutter Elena Augusta.
ANNA BLENNOW (Göteborg) stellte aus philologischer Sicht sprachgeschichtliche Überlegungen zum Formenwandel an Weiheinschriften dar. Im diachronen Vergleich der 43 stadtrömischen Weiheinschriften zwischen 1046 und 1263 zeigen sich Beziehungen zum Wandel der liturgischen Praxis. So nimmt z.B. die Nennung der dedicatio im Verlauf zugunsten der Betonung einer consecratio ab, hingegen kommt es gerade bei Ablassbestimmungen zunehmend zur Verwendung von juristischem Vokabular, das den zugrundeliegenden päpstlichen Urkunden entstammt.
SIBLE DE BLAAUW (Nijmegen) umriss in seinem Vortrag die Bedeutung der Topographie und der Liturgie für die Interpretation von Inschriften. Er konnte gerade an der Wahl des Anbringungsortes von Reliquieninschriften zeigen, dass den dauerhaft sichtbaren Texten, die auf die in der Regel geschützten Reliquien verweisen, ebenfalls liturgische Funktion in der rituellen Praxis zukam.
KAI-MICHAEL SPRENGER (Rom) untersuchte die Wirkung und das Konfliktpotenzial der politischen Botschaften in Inschriften. Am Beispiel der massiven und international beachteten diplomatischen Auseinandersetzungen (1632-1644) zwischen Rom und der Seerepublik Venedig um die redaktionelle Veränderung, Abnahme und schließlich Wiederanbringung der Inschrift zum Frieden von Venedig in der Sala Regia im Vatikan konnte er zeigen, wie sensibel derartige Texte als Medium der Repräsentation wahrgenommen und von Venedig bis ins kleinste Details gegen die redaktionellen Vorgaben des Papsttums als dem eigentlichen Hausherren letztlich erfolgreich verteidigt wurden.
JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) wertete in seinem Vortag päpstliche Urkundeninschriften aus, und ging dabei insbesondere auch auf diejenigen ein, die durch die Anbringung eines Bildes (sei es eine Darstellung des Ausstellers oder der Kopie seiner Bulle) in ihrer visuellen Aussagekraft unterstützt wurden. Dabei kam er zum Ergebnis, dass die Kombination einer Urkundeninschrift mit einem Bild des Papstes eine Sonderentwicklung „in partibus“ darstellte, wenn Privilegienempfänger diesem Vorgang besonderen Nachdruck verleihen wollten. Eine päpstliche Tradition von Urkundeninschriften in Stein (mit oder ohne Bebilderung) entwickelte sich nicht; das Medium für das (juristische) Wort des Papstes blieb das Pergament.
ALBRECHT WEILAND (Regensburg) führte im Rahmen einer Exkursion in die lebendige Tradition der steinernen Inschriften im Campo Santo Teutonico ein. Dort wurde aus der Frankenschola hervorgehend seit dem 15. Jahrhundert vor allem der Begräbnisort gepflegt und beherbergt daher – durchaus auch von den Zufällen geleitet – ein interessantes Korpus deutsch-lateinischer Inschriften der Deutschen vom späten Mittelalter bis heute.
Am zweiten Tag führte nach der Begrüßung durch BERNARD STOLTE, den Direktor des Königlich-Niederländischen Instituts, DANIELA MONDINI (Mendrisio/Zürich) plausibel vor Augen, dass das Grabmal des Guglielmo Fieschi (gest. 1256), in der Basilika San Lorenzo fuori le mura mit ziemlicher Sicherheit für Papst Innozenz IV. gebaut, dann aber für den Papstnepoten verwendet wurde. Die übermäßige Betonung, er stamme aus der Familie des Papstes, sollte demnach diese Unverhältnismässigkeit ausgleichen.
FRITHJOF SCHWARTZ (Mainz) stellte alle erhaltenen Inschriften der Grabmäler avignonesischer Päpste in Bezug zur Grabmalsarchitektur vor. Trotz der Bedachtsamkeit der Päpste, durch die Aufnahme römischer Traditionen den Anspruch auf das römische Papsttum zu untermauern, kommt es doch zu innovativen Übernahmen französischer aber auch italienischer (florentiner) Formen.
MICHIEL VERWEIJ (Brüssel) suchte nach den Beziehungen und Bezugnahmen zwischen den Grabmälern bzw. Inschriften von Papst Hadrian VI. (gest. 1523) und Willem van Enckenvoirt (gest. 1534), den beiden wohl prominentesten Grabdenkmälern in Santa Maria dell‘Anima. Mit philologischem Scharfsinn stellte er das humanistische Streben nach „Cicerionität“ im Medium der Inschrift fest, was den Zeitgenossen einmal mehr und einmal weniger gut gelang.
Das anschließende Roundtable-Gespräch „Epigraphische Editionsvorhaben in Deutschland und Italien“, an denen FLAVIA DE RUBEIS (Venedig), OTTAVIO BUCARELLI (Rom), MIRIAM TROJER (Innsbruck) und HARALD DRÖS (Heidelberg) unter der Leitung von CHRISTINE STEININGER (München) teilnahmen, diente vor allem dem Austausch von Erfahrungen und Verfahrensweisen der unterschiedlichen Editionsprojekte. Übereinstimmend wurde die immer unzureichendere Unterstützung der Großprojekte festgestellt, obwohl die Editionsbände unverzichtbare Grundlagenforschung darstellten und sich allseitig großen Interesses erfreuen.
Die Exkursionen gingen unter der Leitung von KORDULA WOLF, KAI-MICHAEL SPRENGER sowie EBERHARD J. NIKITSCH zu den Kirchen SS. Quattro Coronati (Silvester-Kapelle) und Lateran (Basilika mit Kreuzgang, Scala Sancta und Sancta Sanctorum) sowie Santa Maria dell’Anima, Santa Maria in Aquiro und San Lorenzo in Lucina.
Fazit: Die aus dem Blick unterschiedlicher Disziplinen gewonnenen Erkenntnisse der Tagung haben eindrücklich gezeigt, wie sich an hand von allgemein zugänglich angebrachten Inschriften vielfältige Informationen darüber gewinnen lassen, wie und über was in der Vergangenheit öffentlich kommuniziert wurde. Die Orte, an denen Inschriften platziert werden sollten, wurden sorgfältig ausgesucht und die Ausführung der Texte kontrolliert. In Rom lässt sich eine lange Tradition der Kommunikation durch Inschriften feststellen, die von der Antike bis in die Neuzeit reicht. Vor allem im Mittelalter wurden der päpstliche Hof und sein Umfeld zu den wichtigsten Auftragebern für Inschriften. Ihre Texte spiegeln die Beziehungsgeflechte zwischen den päpstlichen Auftraggebern und verschiedenen Personen und Personengruppen wider, zeugen von besonderen politischen Ereignissen, geben Aufschluss über liturgische und kultische Handlungen, berichten über Baumaßnahmen, dienten der Propaganda, aber auch der Rechtssicherung und vermittelten das päpstliche Selbstverständnis. Neben der seit dem Hochmittelalter am päpstlichen Hof stark angewachsenen Schriftlichkeit bildeten Inschriften bis in die Neuzeit hinein stets ein wichtiges Element der öffentlichen Kommunikation.
Konferenzübersicht:
Schrift und Ausstattung (Leitung: Sebastian Scholz, Zürich)
Michael Matheus (Rom): Begrüßung
Eberhard J. Nikitsch (Rom) und Sebastian Scholz (Zürich): Wissenschaftliche Einführung
Walter Koch (München-Wien) und Franz-Albrecht Bornschlegel (München): Schriftentwicklung und Schriftrezeption im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rom
Ottavio Bucarelli (Rom): Epigraphik und liturgische Ausstattung in der Basilika St. Peter im Vatikan zwischen Spätantike und Mittelalter (in englischer Sprache)
Anna Blennow (Göteborg): Sprachgeschichtliche und paläographische Aspekte in Weiheinschriften römischer Kirchen zwischen 1046 und 1263
Sible de Blaauw (Nijmegen): Liturgische, kultische und räumliche Aspekte in Weiheinschriften römischer Kirchen des 11. bis 13. Jahrhunderts
Politik und Kommunikation (Leitung: Franz-Albrecht Bornschlegel, München)
Kai-Michael Sprenger (Rom): Krieg um Frieden – Die Inschrift der vatikanischen Sala Regia zum Frieden von Venedig (1177) als Auslöser eines internationalen Konfliktes (1632-35)
Jochen Johrendt (Wuppertal): Ad perpetuam rei memoriam – Urkunden in Stein
Albrecht Weiland (Regensburg): Epigraphische Führung durch Kirche und Friedhof, sowie die Inschriften-Sammlungen im Campo Santo Teutonico; anschließend Empfang im Ehrenhof der Schweizergarde
Bernard Stolte (Rom): Begrüßung
Repräsentation und Memoria (Leitung: Eberhard J. Nikitsch, Rom)
Daniela Mondini (Zürich): Candidior cigno. Überlegungen zur sepulkralen Selbstdarstellung eines Papstnepoten. Guglielmo Fieschi (†1256) in San Lorenzo fuori le mura
Frithjof Schwartz (Mainz): Zwischenspiel oder Entwicklungsprozess? Römische und avignonesische Grabinschriften des 14. Jahrhunderts im Vergleich
Michiel Verweij (Brüssel): Papst Hadrian VI. (†1523), Kardinal Wilhelm van Enckenvoirt (†1534) und Santa Maria dell’Anima – Nicht nur epigraphische Aspekte einer intensiven Beziehung
Roundtable-Gespräch: Epigraphische Editionsvorhaben in Deutschland und Italien
Teilnehmer: Flavia de Rubeis (Venedig), Ottavio Bucarelli (Rom), Miriam Trojer (Innsbruck), Harald Drös (Heidelberg). Leitung: Christine Steininger, München
Exkursion: SS. Quattro Coronati (Silvester-Kapelle) und Lateran (Basilika mit Kreuzgang, Scala Sancta und Sancta Sanctorum), Leitung: Kordula Wolf und Kai-Michael Sprenger, Rom. Santa Maria dell’Anima, Leitung: Eberhard J. Nikitsch, Rom. Inschriften in San Lorenzo in Lucina und in Santa Maria in Aquiro, Leitung: Kai-Michael Sprenger, Rom