Die Historiografie zur Schutzstaffel (SS) weist einen langfristigen Trend auf: Von einer Organisationsgeschichte hat sie sich über die in den letzten 20 Jahren betriebene Täterforschung hin zu einer Gesellschaftsgeschichte entwickelt. Im Zeichen einer solchen Gesellschaftsgeschichte – die allerdings über die vermeintliche Zäsur von 1945 hinausführt – stand der Workshop „Die SS nach 1945. Narrative – Netzwerke – Gerichtsverfahren“. Dieser wurde vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin veranstaltet. Die von Jan Erik Schulte und Michael Wildt vorbereitete Tagung fand vom 6. bis 8. Dezember 2012 in den Räumlichkeiten des Hannah-Arendt-Institutes in Dresden statt. Unter Beteiligung von 45 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, davon 23 Vortragende, wurden neueste Thesen und Ergebnisse sowohl aus abgeschlossenen als auch aus noch laufenden Projekten vorgestellt und diskutiert.
Ziel des Workshops war es, aktuelle Erkenntnisse zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten in personeller, institutioneller wie auch ideeller Hinsicht vorzustellen und zu diskutieren. Eine hervorgehobene Rolle spielten hierbei die Wahrnehmung und Selbstdarstellung ehemaliger SS-Mitglieder, die Erinnerungsdiskurse sowie die Vergangenheitspolitik der Nachfolgestaaten des Dritten Reiches.
Die Gerichtsverfahren gegen ehemalige Angehörige der SS standen im Mittelpunkt des ersten Panels. Hier wurden neben den Motiven der ermittelnden Behörden der Westalliierten (STEFAN HÖRDLER, Washington, D.C.), der Sowjetunion (MIKE SCHMEITZNER, Dresden) und Westdeutschlands (KIM CHRISTIAN PRIEMEL, Berlin) auch die Verteidigungsstrategien der Angeklagten (JAN ERIK SCHULTE, Dresden) sowie die Wirkung der Prozesse sowohl in der Öffentlichkeit als auch für die Konstituierung eines Bildes der SS in der Nachkriegsgesellschaft diskutiert. Die Ermittlungen und Prozesse sind von den Alliierten bzw. Westdeutschen nicht zuletzt zum Zwecke der historischen Aufklärung der deutschen Bevölkerung über die Verbrechen der SS geführt worden. Sie hätten jedoch im Gegenteil auch die Herausbildung apologetischer Narrative seitens der Verteidigung provoziert und deren nachhaltige Verbreitung in der Öffentlichkeit zusätzlich gefördert. Die gemeinsame Internierung der ehemaligen Angehörigen der SS habe die Entstehung dieser Entschuldungsstrategien weiter begünstigt. Diese seien vor allem durch allgemeine Absprachen der Aussagen, durch Isolierung bei gleichzeitiger Be- (SS-Totenkopfverbände) bzw. Entlastung (Waffen-SS, Reiter-SS) bestimmter Organisationteile, durch Relativierung von Verbrechen sowie durch Abwälzung von Schuld auf bereits verstorbene Vorgesetzte gekennzeichnet gewesen.
Die Beiträge und Diskussionen des zweiten Panels untersuchten zum einen die Beeinflussung der öffentlichen Darstellung der SS durch neue und alte Netzwerke ehemaliger SS-Angehöriger. Zum anderen wurden die Modi und Motive sowie die Wirksamkeit der Reintegration dieser Personengruppe in die deutsche Nachkriegsgesellschaft beleuchtet. So hätten sich die ehemaligen SS-Angehörigen der Netzwerke der Waffen-SS (JENS WESTEMEIER, Geiselhöring), der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) (KARSTEN WILKE, Bielefeld) oder der Polizei (CHRISTOPH SPIECKER, Münster) bedient, um in der neuen Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Gleichzeitig sei durch die eigene Darstellung als „Soldaten wie andere auch“ (Waffen-SS) eine Barriere zu Verbrechen der SS geschaffen bzw. seien diese aus den eigenen Narrativen völlig ausgeblendet worden. Einzelne Vertreter, wie der verurteilte Kriegsverbrecher Joachim Peiper, hätten sich bemüht, mit Unterstützung aus verschiedenen Netzwerken („Himmlerzirkel“, Absolventenjahrgänge der Junkerschulen, Kontakte aus den Internierungslagern) die dort entwickelten Entschuldungsnarrative in Umlauf zu bringen. So sollte das Bild der SS in der Öffentlichkeit entscheidend mitbestimmt und auf politische Entscheidungsprozesse – wie die Novellierung des 131er Paragrafen – Einfluss genommen werden. Um die Deutungshoheit über die SS-Geschichte zu behalten, habe man eigens verfasste Truppengeschichten publiziert, denen man mithilfe von Zitationskartellen einen wissenschaftlichen Anschein zu geben versuchte. Zudem sei es aufgrund der Vermittlung von Zeitzeugen aus diesen Netzwerken zur Beeinflussung von populärwissenschaftlichen Abhandlungen sowie von Journalisten und Filmemachern gekommen.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob die Gegenleistung der ehemaligen SS-Angehörigen für eine Reintegration in die Nachkriegsgesellschaft eine „entkernte“ bzw. relativierte Ideologie war, in der allein die äußere ideologische Schale und zum Teil die Traditionen erhalten blieben, die zudem nur noch innerhalb der Netzwerke gepflegt und weitergegeben wurden.
Im Mittelpunkt des dritten Panels standen die personellen Kontinuitäten sowohl in den beiden bundesdeutschen Sicherheitsdiensten – dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) (CONSTANTIN GOSCHLER / MICHAEL WALA, Bochum) und dem Bundesnachrichtendienst (BND) (GERHARD SÄLTER, Marburg; BODO HECHELHAMMER, Berlin) – als auch im Bundeskriminalamt (BKA) (HERBERT REINKE, Wuppertal). Es wurden die sich hieraus ergebenden operativen und zum Teil ideologischen Kontinuitäten ebenso diskutiert wie die Auslöser, Motive und Konsequenzen der Überprüfung der eigenen Mitarbeiter hinsichtlich einer SS-Vergangenheit in den späten 1950er- und in den 1960er-Jahren. Während sich die Westalliierten bei der Einrichtung des BKA und des BND auch institutionell an den Vorgängerorganisationen (Reichskriminalpolizeiamt bzw. Abteilung „Fremde Heere Ost“ beim Generalsstab des Heeres) orientierten, seien sie beim Aufbau des Inlandsgeheimdienstes bemüht gewesen, jedweden Bezug zur Gestapo zu vermeiden. Dies habe sich auch in der Einstellungspraxis wiedergespiegelt. So hätten BKA und BND selbst über das einzustellende Personal entscheiden können und ihre Mitarbeiter in erster Linie aus alten Netzwerken (BND) bzw. den Vorgängerorganisationen (BKA) rekrutiert. Da es an geeigneten Kräften mangelte und man auf deren Expertenwissen nicht verzichten wollte, sei nur eine recht oberflächliche Kontrolle der Kandidaten erfolgt, wobei die Zugehörigkeit zur SS so gut wie keine Rolle gespielt habe. Im Falle des BfV dagegen seien die westlichen Besatzungsbehörden die letzte Instanz bei der Entscheidung über Neueinstellungen gewesen. Dies habe überwiegend zu einer Ablehnung von Aspiranten, die einer in den Nürnberger Nachfolgeprozessen als „verbrecherisch“ eingestuften Organisation angehört hatten, geführt. Aufgrund der angespannten Personallage und des auch in den beiden anderen Behörden stets vorgebrachten Verweises auf die Dienstrangangleichung sowie einer wie auch immer gearteten „Anständigkeit“ der Bewerber habe das deutsche Innenministerium versucht, dieses Dogma zu umgehen. Derart belastete Personen seien daraufhin vermehrt als „freie Mitarbeiter“ eingestellt worden. Nach der Überführung des Dienstes in die Bundeshoheit habe man diese dann auch in ein reguläres Angestelltenverhältnis übernommen. Eine Beschäftigung mit der Vergangenheit ihres Personals sei in allen drei Behörden jeweils erst infolge öffentlicher Skandalisierungen, welche entweder von der fortschreitenden historischen Aufklärung oder durch behördeninterne Probleme initiiert wurden, erfolgt. Die Motive für eine Überprüfung der Belegschaft seien dabei weniger moralischer Natur gewesen. Vielmehr sei eine Erpressbarkeit der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Vergangenheit befürchtet worden. Auch ideologisch seien in den drei Organisationen Parallelen zur nationalsozialistischen Vergangenheit erkennbar. Während man bei BND und BfV am Antikommunismus festgehalten habe, seien bestimmte Gruppen, die bereits während des Nationalsozialismus verfolgt worden waren, zum Beispiel Sinti und Roma oder Homosexuelle, nun vom BKA ins Visier genommen worden.
Im Zentrum des mit „Narrative“ überschriebenen vierten Panels standen die individuellen und gesellschaftlichen Strategien der „Vergangenheitsbewältigung“. Die Auseinandersetzung mit der SS-Vergangenheit in der bundesrepublikanischen Gesellschaft sei, ANDREAS EICHMÜLLER (München) zufolge, in einer Wellenform verlaufen, in der das Interesse aufgrund verschiedener Gerichtsprozesse, Debatten und medialer Darstellungen immer wieder auf- und abebbte. Bis Mitte der 1970er-Jahre hätten vor allem zwei Strategien dominiert. Zum einen die Dämonisierung der SS: Hier habe sich die Nachkriegsgesellschaft der SS als Differenzchiffre für die Grausamkeiten des nationalsozialistischen Regimes bedient, um die Bevölkerung beispielsweise von den Verbrechen im Zuge der Todesmärsche in den letzten Monaten des Krieges (CLEMENS WINTER, Leipzig) entkoppeln zu können. Zum anderen habe man sich auf die apologetischen Narrative der SS-Angehörigen bezogen: So seien bestimmte Verbände der SS zu einer unpolitischen Elite „anständiger“ Soldaten stilisiert worden, zudem habe man sich teilweise mit den demzufolge zu Unrecht Internierten aus Protest gegen die als „Siegerjustiz“ empfundene historische Aufklärungsarbeit der Siegermächte solidarisiert (ANDREW BEATTIE, Sydney). Sowohl aufgrund verstärkter Proteste linker Gruppen – zum Beispiel der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) oder von Gewerkschaften – als auch durch neue Debatten, die von individuellen Initiativen – unter anderem durch die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld – bzw. von den Medien – wie die Ausstrahlung der US-amerikanischen Fernsehserie „Holocaust“ im Jahr 1979 – lanciert wurden, sei es seit Mitte der 1970er-Jahre zu einer erweiterten Beschäftigung mit dem NS-Regime gekommen. In deren Verlauf seien bisherige Narrative kritisch hinterfragt worden. Anhand des Beispiels des Verlagsleiters Hellmuth Reinhard alias Pat(z)schke zeigte RAINER WIRTZ (Konstanz), dass unbehelligte und verdeckt lebende ehemalige SS-Angehörige sich neue Narrative ihrer Vergangenheit erschaffen hatten, die nur durch strikte Kontaktvermeidung zu den alten Netzwerken aufrechterhalten werden konnten.
Thematisch an das vorausgegangene Panel anschließend richtete sich in der fünften Sektion, „Selbstwahrnehmung“, der Fokus auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und deren öffentlicher Darstellung. Es wurde untersucht, inwieweit ehemalige Angehörige der SS ihre eigenen Taten reflektierten, ob und wie sie diese in ihren eigenen Lebensgeschichten thematisierten, rechtfertigten oder verharmlosten und was sie bzw. ihre Angehörigen unternahmen, um diese Selbstdarstellungen zu schützen oder sogar zu tradieren. Im Fall von Günter Grass hob JENNIFER STEUER (Mannheim) hervor, dass dessen öffentliches Bekenntnis zum freiwilligen Eintritt in die als Elitetruppe empfundene Waffen-SS – den er in der Rückschau selbst als dumm und naiv bezeichnet habe – der Endpunkt einer sich zwischen Schamempfinden und Schamabwehr bewegenden sechzigjährigen autobiografischen Annäherung innerhalb seines Erzählwerks gewesen sei. Am Beispiel des Ornithologen und SS-Obersturmführers Prof. Dr. Günther Niethammer, der innerhalb des „SS-Interessengebietes“ des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau seinen vogelkundlichen Forschungen nachgehen konnte, zeigte SWEN STEINBERG (Dresden), wie Teile der Wissenschaft ihre Rolle im NS-Regime mit dem Verweis auf ihre ausschließlich wissenschaftliche Tätigkeit zu relativieren versuchten. Ebenso sei aufgrund eines alten Netzwerkes, welches im Führungsgremium der bundesdeutschen Ornithologengesellschaft weiterbestanden habe, eine Überprüfung von Niethammers Narrativ verhindert worden. IRIS WACHSMUTH (Berlin) setzte sich in ihrem Beitrag mit der Selbstdarstellung von Frauen aus der SS-Sippengemeinschaft auseinander. Diese hätten zum einen – mittels einer Naivisierung ihrer Narrative – ihre Rolle im NS-Regime und die Folgen ihres Handelns oder das ihrer Lebenspartner zum Teil völlig ausgeblendet und zum anderen – durch Verklärung bzw. völlige Tabuisierung der NS-Zeit – diese Narrative innerhalb der Familie tradiert bzw. deren Verifizierung verhindert.
Im sechsten Panel wurde der Prozess der Reintegration ehemaliger SS-Angehöriger in die Nachkriegsgesellschaften im europäischen Ausland thematisiert. CHRISTIANE KOHSER-SPOHN (Berlin / Hannover) berichtete in ihrem Referat über die „Malgré-Nous“: in die Wehrmacht, Kriegsmarine und Waffen-SS zwangsrekrutierte Männer aus dem Elsass und aus Lothringen. Diese seien nach Kriegsende von der französischen Gesellschaft mit den freiwilligen Unterstützern und Kollaborateuren auf eine Stufe gestellt worden und deshalb zu Unrecht den Säuberungen (Épuration) unterworfen gewesen. Erst nach einem jahrzehntelangen Kampf hätten die „Malgré-Nous“ eine politische Rehabilitierung erfahren, die allerdings gesellschaftlich noch umstritten sei. In Rumänien, so THOMAS KLIPPHAHN (Dresden), sei die Reintegration ehemaliger SS-Angehöriger einerseits anhand individueller Anpassungsleistungen der Betroffenen selbst, wie der Rumänisierung des Namens und einem Leben abseits der realen Identität, andererseits mithilfe staatlicher Angebote zur Wiedereingliederung, wie dem Dienst im rumänischen Militär, erfolgt. In seinem Beitrag zur SS-Nostalgie im Ostseeraum nach 1990 betonte STEFFEN WERTHER (Stockholm), dass gerade im Baltikum die Waffen-SS-Veteranenorganisationen und die Freunde der Freiwilligenlegionen mit Unterstützung aus der neonazistischen Szene seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versuchen, durch Treffen und Aufstellung von Erinnerungsmonumenten in Verbindung mit einer Eigendarstellung als „Freiheitskämpfer“ und späte Sieger über die „bolschewistischen Besatzer“ sowie als frühe Verfechter der europäischen Idee ihre Reintegration in die baltischen Gesellschaften voranzutreiben.
Welche Rolle die SS in der rechtsradikalen Szene der Gegenwart spielt, untersuchten die Beiträge der letzten Sektion. So konstruieren, den Ausführungen von DANA SCHLEGELMILCH (Marburg) und MICHAEL KOHLSTRUCK (Berlin) zufolge, Teile der extremen Rechten aus einer verzerrten Wahrnehmung der Vergangenheit heraus eine eigene Identität, welche sich auf die tatsächlichen und angenommenen Ziele, Traditionen und Werte der SS bezieht, um heutiges Handeln und heutige Überzeugungen zu pseudolegitimieren.
Im Zuge der lebhaften Debatten wurden wiederholt Bezüge und Vergleiche zwischen den einzelnen Beiträgen und den vorgetragenen Thesen hergestellt. Ein wichtiges Ergebnis des Workshops war, dass es trotz Entnazifizierung und historischer sowie justizieller Aufklärung zum Teil ausgeprägte Kontinuitäten personeller, partiell auch ideologischer Natur in vielen Bereichen der sich formierenden Nachkriegsgesellschaft der noch jungen Bundesrepublik gegeben habe. Unsicher bleiben dabei die Stärke und die mittel- bis langfristige Bedeutung ideologischer Überzeugungen der ehemaligen SS-Angehörigen. Netzwerke und Narrative bildeten zentrale Begriffe des Workshops, die sich immer wieder gegenseitig bedingten. So waren es die alten bzw. die neuen nach dem Kriegsende, etwa in der Internierungshaft, entstanden Netzwerke, welche die Entschuldungsstrategien der SS-Angehörigen ersannen und einer breiten Öffentlichkeit zugängig machten. Dabei wurde deutlich, dass einzelne Narrative bzw. Elemente davon bereits SS-eigenen Diskursen sowie der Propaganda vor 1945 entstammten. Die Strategien der Dämonisierung bestimmter Teile der SS und der Schuldabwehr sollten das Bild der SS sowohl auf privater, politisch-institutioneller als auch auf gesellschaftlicher Ebene bis in die 1970er-Jahre hinein prägen. Zwar ist ab Mitte der 1970er-Jahre ein klarer Trend zu Verifizierung dieser Narrative erkennbar, jedoch werden sie vor allem in Teilen der radikalen Rechten sowie durch populäre Literatur und Filme bis heute am Leben gehalten. Da im Rahmen des Workshops vor allem die Kontinuitäten zwischen den ehemaligen SS-Angehörigen und der entstehenden demokratischen Gesellschaft der Bundesrepublik besprochen wurden, blieben die Verhältnisse in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. in der DDR wie auch der Themenkomplex der Diskontinuitäten mitunter unberücksichtigt. Auch im Vergleich des Umgangs mit der SS und ihrer Angehörigen in den beiden deutschen Staaten scheint noch immer ein Desiderat zu bestehen. Der Workshop in Dresden fand in einer angenehm offenen Atmosphäre statt, die zu intensiven Diskussionen sowohl während als auch nicht zuletzt nach Abschluss der offiziellen Programmteile einlud.
Konferenzübersicht:
Grußwort
Günther Heydemann (Dresden)
Begrüßung und Einführung
Michael Wildt (Berlin) / Jan Erik Schulte (Dresden)
Panel I: Verpasste Aufklärung
Moderation: Michael Wildt (Berlin)
Jan Erik Schulte (Dresden): Wiege apologetischer Narrative. Die Organisationsverfahren gegen SS und Gestapo vor dem Internationalen Militärgerichtshof
Stefan Hördler (Washington, D.C.): Verfahren ohne Prozess. US-amerikanische und britische „cases not tried“ gegen früheres KZ-Personal
Mike Schmeitzner (Dresden): Besondere Härte? Die sowjetischen Verfahren gegen SS-Angehörige
Kim Christian Priemel (Berlin): Der fehlende Anfang. Das Ludwigsburger Ermittlungsverfahren gegen das EK3
Panel II: Netzwerke
Moderation: Francesca Weil (Dresden)
Karsten Wilke (Bielefeld): Die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG). Eine Nachfolgeorganisation der SS in der Bundesrepublik Deutschland
Jens Westemeier (Geiselhoering): Der Einfluss der Veteranen auf die öffentliche Wahrnehmung der Waffen-SS nach 1945
Christoph Spieker (Münster): "Traditionsarbeiter" in der Polizei – Vom Umgang mit einer belasteten Vergangenheit nach 1945
Panel III: Personelle Kontinuitäten in den Sicherheitsdiensten
Moderation: Clemens Vollnhals (Dresden)
Constantin Goschler / Michael Wala (Bochum): Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die frühen Mitarbeiter
Herbert Reinke (Wuppertal): Kontinuität und Anpassung, Schweigen und Vergessen: Das BKA in den 1950er und 1960er Jahren
Gerhard Sälter (Marburg): Personelle Kontinuitäten zwischen Reichssicherheitshauptamt und BND. Rekrutierung, Netzwerke, Problembewusstsein. Ein erster Werkstattbericht
Bodo Hechelhammer (Berlin): Der lange Schatten der Vergangenheit. Über den schwierigen Umgang mit SS-Personal in der "Organisation Gehlen" und im Bundesnachrichtendienst
Panel IV: Narrative
Moderation: Klaus-Dietmar Henke (Dresden)
Martin Clemens Winter (Leipzig): „…dass die Einwohner die Schuld einzig auf die SS abzuschieben verstanden…“. Die SS als Negativfolie in Narrativen der Todesmärsche
Andrew Beattie (Sydney): Verdiente Strafe des harten Kerns oder noch eine unberechtigte Besatzungsmaßnahme? Gesellschaftliche Narrative zur Internierung von SS-Mitgliedern im Besetzten Deutschland
Rainer Wirtz (Konstanz): Verlagsleiter Hellmuth Reinhard alias Pat(z)schke. Vernetzungen und gemiedene Netze
Andreas Eichmüller (München): Bilder und Thematisierungen der SS in der bundesdeutschen Öffentlichkeit in den 1970er Jahren
Panel V: Selbstwahrnehmung
Moderation: Michael Wala (Bochum)
Jennifer Steuer (Mannheim): Überschriebene Erinnerung – Günter Grass’ autobiografische Rückschau Beim Häuten der Zwiebel
Swen Steinberg (Dresden): Der Ornithologe von Auschwitz. Zur Biographie des Vogelkundlers und SS-Obersturmführers Prof. Dr. Günther Niethammer (1908-1974)
Iris Wachsmuth (Berlin): Selbst- und Fremdwahrnehmung von Frauen der „SS-Sippengemeinschaft“ – neue Perspektiven auf das Geschlechterarrangement im Verbrechenskontext?
Panel VI: Europäische Re-Integration
Moderation: Marc Buggeln (Berlin)
Christiane Kohser-Spohn (Berlin / Hannover): Die „malgré-nous“ im Elsass nach 1945. Organisation und Erinnerungsarbeit
Thomas Klipphahn (Dresden): Namensänderung als Vermeidungsstrategie. Angehörige der Waffen-SS und ihre Re-Integration in das Zivilleben Rumäniens
Steffen Werther (Stockholm): Europäische Integration und das schwierige Terrain der Erinnerung. SS-Nostalgie im Ostseeraum nach 1990
Panel VII: Rechtsradikalismus
Moderation: Jan Erik Schulte
Dana Schlegelmilch (Marburg): Ein produktiver SS-Mythos. Die Deutung der Wewelsburg in der extremen Rechten nach 1945
Michael Kohlstruck (Berlin): Die SS in der kulturellen Praxis des heutigen Rechtsextremismus