Theorie trifft Praxis? Museen, Kurator/innen und Universitäten im Feld der Geschichtsausstellung

Theorie trifft Praxis? Museen, Kurator/innen und Universitäten im Feld der Geschichtsausstellung

Organisatoren
AG Angewandt Geschichte/Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. und das historische museum frankfurt in Kooperation mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.06.2016 - 01.07.2016
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Von
Steffi de Jong, Historisches Institut, Universität zu Köln; Thomas Hammacher, Agentur scopium (Essen)

Das traditionelle Museum, das sich allein über seine Sammlung definierte, ist in die Krise gekommen und steht unter einem wachsenden Legitimationsdruck. Von einem autopoietischen System entwickelte es sich in den letzten Jahren bildungspolitisch zur eierlegenden Wollmilchsau, die für fast alle sozialpolitischen Defizitentwicklungen in die Pflicht genommen wird. Und das vor dem Hintergrund sinkender Etats und eines massiven Abbaus an festen Stellen. Das kann die Institution Museum nicht mehr allein aus eigener Kraft stemmen, sie muss nach Kooperationen suchen. Ihre Grenzen werden durchlässig, Einflüsse von außen, sowohl in Bezug auf die Arbeitsweisen, die Arbeitsstellen, aber auch den Austausch zwischen Theorie und Praxis werden, wie SUSANNE WERNSING (Wien / Dresden), eine der Mitorganisator/innen dieser Tagung ausführte, immer wichtiger. Genau diesen Austausch zwischen Theoretiker/innen und Praktiker/innen zu befördern war das Ziel der Tagung Theorie trifft Praxis. Dieses Ziel wollen wir auch in diesem Tagungsbericht zum Ausdruck bringen. Wir, Thomas Hammacher und Steffi de Jong, wollen deshalb die Tagung einmal aus Sicht eines Praktikers und einmal aus Sicht einer Theoretikerin revue passieren lassen. Thomas Hammacher arbeitet als freiberuflicher Medienkurator mit Schwerpunkt auf historische Bildmedien und wird hier den Standpunkt des Praktikers vertreten. Steffi de Jong ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität zu Köln tätig und beschäftigt sich in ihrer Forschung und Lehre mit Fragen des Sammelns und Ausstellens. Sie wird hier den Standpunkt der Theoretikerin übernehmen. Dass wir beide davon überzeugt sind, dass die Grenzen zwischen Theorie und Praxis durchlässig sind und es auch sein sollten, versteht sich fast von selbst und kommt auch in den beiden Tagungsberichten zum Ausdruck.

Tagungsbericht 1 – Die Tagung Theorie trifft Praxis aus der Sicht eines Praktikers

Es war sicher kein Zufall, dass diese Veranstaltung in einem Haus stattfand, das wie kein anderes in den 1970er-Jahren für eine Reform des Museum unter dem Slogan „Kultur für alle“ und eine konsequente Anwendung sozialgeschichtlicher Fragestellungen stand und das auch damals schon auf neue zeit-, bildungs- und sozialpolitische Herausforderungen reagierte. Das Historische Museum Frankfurt wird, nach längerer Schließung und einem umfassenden Umbau, 2017 mit einer neukonzipierten Dauerausstellung wiedereröffnet. Eine Wiedereröffnung, die, wie Susanne Wernsing abschließend anmerkte, in der museologischen Community mit größerer Spannung erwartet werde, als die Eröffnung des Humboldtforums.

In seinem Vortrag stellte JAN GERCHOW (Frankfurt am Main), Direktor des Historischen Museums Frankfurt, das neue Programm seines Hauses und dessen konzeptionellen Wandel vom Geschichtsmuseum zum Universalmuseum der Mainmetropole vor, in dessen Fokus jetzt vor allem auch die Gegenwart der Stadt stehen werde. Mit einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Formate werde sich das Haus einer partizipativen Museumspraxis öffnen, die auch ein umfangreiches digitales Programm mit einschließe.

Einige dieser neuen Formate stellten zwei weitere Mitarbeiterinnen des Hauses, ANGELA JANNELLI und FRANZISKA MUCHA (beide Frankfurt am Main) vor. Angela Jannelli berichtete über die ‚Bibliothek der Alten‘, ein bereits 2001 zusammen mit der Künstlerin Sigrid Sigurdsson initiiertes Erinnerungsprojekt. Hier können Frankfurter/innen nach ganz subjektiven Kriterien eigene biographische Sammlungen anlegen. Die tradierten Standards des musealen Sammelns würden hierbei außer Kraft gesetzt, das Sammeln selber der Kontrolle durch die Institution entzogen. Die Sammlung, so Angela Jannelli, würde zur Ansammlung, die neuen, individualisierten Kriterien folge.

Den Prinzipien des partizipativen Sammelns verpflichtet ist auch das digitale Format „Museum of Selfies“, das Frankiska Mucha vorstellte. Auf einer digitalen Plattform haben Frankfurter/innen die Möglichkeit, Bild-, Text- und Sounddateien zu sammeln, die allein referentiell auf die Person des/der User/in und die Gegenwart der Stadt bezogen sein und einen eindeutigen Ortsbezug innerhalb der Topographie der Stadt haben müssten und so einen diversifizierten Blick auf den urbanen Raum ermöglichten.

Auch SUSAN KAMEL (Berlin) von der HTW Berlin sah das Museum vor allem in einer sozialen Funktion und plädierte in ihrem Vortag für ein konsequentes postrepräsentatives Kuratieren. Die inzwischen zahlreichen Versuche deutscher Museen, namentlich auch des Humboldtforums, sich partizipativ aufzustellen, beurteilte sie eher skeptisch als Alibifunktionen, die auf politischen Druck hin erfolgten. Eine wahre Partizipation müsse von innen heraus mit einem Überdenken der institutionellen Strukturen und einer Diversifikation aller Aufgaben und Beschäftigungsverhältnisse im Museum beginnen. Dem habe dann ein Hinterfragen des Kanons und die Entwicklung neuer Fragestellungen zu folgen. Dies schließe auch eine grundsätzliche Offenheit gegenüber externen Expertisen mit ein.

Wie dies aussehen könnte, machte ROLAND KAEHLBRANDT (Frankfurt am Main) von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt anschaulich, der das von der Stiftung initiierte und geförderte Programm der Stadtteilhistorikerinnen vorstellte, ein von bürgerschaftlichem Engagement getragenes Projekt, das lokale Amateurhistorikerinnen fördert und fachlich unterstützt und das Anleihen nimmt an der Geschichte-von-unten-Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre.

Wie unverzichtbar externe Expertisen für die wissenschaftliche Arbeit am Museum inzwischen geworden sind, verdeutlichte ULRIKE JUREIT (Hamburg) am Beispiel der beiden Wehrmachtsausstellungen 1995 und 2004. Erst die transdisziplinär geführte Diskussion um die erste Schau habe ein notwendiges Bewusstsein für den quellenkritischen Umgang mit historischen Fotografien geschaffen, das dann die zweite Ausstellung ausgezeichnet habe.

Im Rahmen der Diskussion um die Rolle der Partizipation an deutschen Museen gewinnt die museumspädagogische Arbeit, lange Zeit und vieler Orts auch heute noch das Stiefkind unter den musealen Gewerken, an Aufwertung. Ihr war das vierte Panel der Tagung gewidmet, das unter dem Titel ‚Vermittlung kuratieren‘ stand. Während CHRISTINE GERBICH (Berlin), praktizierende Vermittlerin und Dozentin an der Humboldt Universität Berlin, das Ausstellen selber als eine eigene Form der Wissensvermittlung beschrieb und die Vermittlung als Teil der kuratorischen Praxis begriff, verwies SUSANNE GESSER (Frankfurt am Main) vom historischen Museum Frankfurt auf die enge Kooperation zwischen Kurator/innen und Vermittler/innen in ihrem Haus und die Gleichwertigkeit beider Gewerke. Dass eine solche Egalisierung von Kuratierung und Vermittlung keineswegs auf uneingeschränkte Zustimmung trifft, zeigte die anschließende Diskussion, wo unter anderem auf die unterschiedlichen tariflichen Einordnungen verwiesen wurde.

WALTRAUD SCHREIBER (Eichstädt-Ingolstadt) stellte dann ein Modell für die Geschichtsdidaktik vor, das vor allem auf das Moment der Irritation setzte. Ziel der Vermittlung müsse es sein, emphatisch die individuellen Orientierungsbedürfnisse des Gegenübers zu erkennen, um dann durch deren gezielte Irritation den historischen Reflexionsprozess einzuleiten. Ein dekonstruktivistisches Vermittlungsmodell, wie es auch von Susan Kamel präjudiziert wurde.

Der Expansion des musealen in den digitalen Raum war der Vortrag von RUTH ROSENBERGER (Bonn) gewidmet, die die Leitung der Online-Redaktion bei der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland innehat. Sie kritisierte eine ungenügende theoretische Reflexion der Digital Public History. Am Beispiel der Onlinepräsenzen ihres Hauses und der Geschichtsplattform LEMO – Lebendiges Museum Online, die 2014 eine vollständige Überarbeitung erfahren hat, verwies sie auf die große Reichweite dieser Angebote und trat dem Vorwurf entgegen, der digitale Raum verdränge den analogen oder zöge von diesem Besucher/innen ab. Stattdessen plädierte sie dafür, angesichts der hohen Zugriffszahlen, den digitalen Besucher/innen dem klassischen Museumsbesucher gleichzustellen. Ein Vorschlag, der keineswegs die Zustimmung aller Teilnehmer/innen fand.

Die Anforderungen an die Institution Museum sind gestiegen, Anforderungen, die diese nur noch im transdisziplinären und transinstitutionellen Diskurs wird bewältigen können. Das Bewusstsein und die Bereitschaft hierfür sind gegeben, das zeigte allein schon die hohe Teilnehmer/innenzahl dieser Tagung. Wie weit jedoch die Praxis hiervon noch entfernt ist, wurde nicht allein in den Diskussionen evident. Umso wichtiger ist es nun, gezielt die Barrieren in den Fokus zu nehmen, die den neuen Kooperationen noch im Wege stehen. Und das sind nicht wenige.

Tagungsbericht 2 – Die Tagung Theorie trifft Praxis aus der Sicht einer Theoretikerin

Lange Zeit waren Museen Orte an denen neue Theorien entwickelt und erprobt wurden. Disziplinen wie die Anthropologie, die Ethnologie und die frühe Naturkunde sind ohne Museen und deren Vorläufer wie den Wunder- und Kunstkammern, nicht denkbar. Hypothesen wurden an Objekten und deren Anordnung- und Neuordnung erprobt und einem Publikum zugänglich gemacht. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts aber sind Museum und Theoriebildung immer weiter auseinandergedriftet. Theoriebildung, so die gängige Auffassung, findet an den Universitäten statt und wird in der Regel in Buchform präsentiert. Museen wiederum werden – oft etwas despektierlich – der Populärwissenschaft zugerechnet. Museen sollen sich in ihren Bildungsprogrammen und Ausstellungen auf die von Akademiker/innen entwickelten Theorien berufen, werden aber kaum als eigenständige Theoriegeber wahrgenommen.

Den Austausch zwischen Theorie und Praxis wiederzubeleben war Ziel der Tagung Theorie trifft Praxis. Dass dieser Austausch wirklich funktionieren würde, dessen waren sich die Organisator/innen der Tagung wohl selbst nicht ganz sicher. Auf jeden Fall benutzten sie in ihrem Titel ein Fragezeichen, und nicht einen affirmativen Punkt oder sogar ein exklamatives Ausrufezeichen. Tatsächlich waren am Ende, soviel sei im Vorfeld gesagt, dann doch zu wenige ausschließlich an Universitäten arbeitende Theoretiker/innen anwesend, damit es wirklich zu neuen Dialogen gekommen wäre. Vielmehr befruchteten sich diejenigen, die sich ohnehin schon befruchten. Dies aber durchaus gewinnbringend. Vier Themen kamen dabei immer wieder zur Sprache: Partizipation, Museumspädagogik, der Austausch zwischen Universität und Museum, sowie der Einfluss der digitalen Medien auf die Arbeit von Museen.

Bereits im ersten Panel plädierte SUSAN KAMEL (Berlin), für einen „inreach“ sowohl in die Ausstellungsgestaltung als auch in die Belegschaft von Museen. So müssten Museen, um ihrer sozialen Funktion gerecht zu werden, neue Fragen stellen, neue Methoden anwenden und mit den Herkunftsgemeinschaften zusammenarbeiten. Wie solche partizipativen Strategien funktionieren können, zeigten die Mitarbeiter des historischen museums frankfurt JAN GERSCHOW, ANGELA JANNELLI, FRANZISKA MUCHA und SUSANNE GESSER (alle Frankfurt am Main). Das Museum sieht alle Bürger/innen Frankfurts als Expert/innen ihrer Stadt an und konzipiert das Museum – auch – für und mit diesen Expert/innen. Als best practice Beispiel tat sich immer wieder das Projekt des Stadtlabors hervor, im Rahmen dessen Ausstellungen eng mit den Bürger/innen konzipiert wurden. In den Diskussionen kam zur Sprache, dass es leider noch immer administrative Hürden gibt, die die Einstellung von Minderheiten erschweren. Außerdem würden Museen noch zu oft davor zurückschrecken, unangenehme Themen anzusprechen. Welche Konsequenzen letzteres haben kann legte ULRIKE JUREIT (Hamburg) noch einmal am Beispiel der Ausstellungen „Die Verbrechen der Wehrmacht“ dar. Allerdings führten die Kontroversen, die die Ausstellung auslöste nicht nur zu einer für die deutsche Erinnerungskultur wichtigen Debatte, sondern auch dazu, dass neue Kriterien für das Ausstellen von historischen Fotografien ausgearbeitet wurden.

Dass Vermittler/innen bis heute nicht den Kurator/innen und Kustod/innen gleichgestellt angesehen werden und oft erst am Ende der Ausstellungsgestaltung oder nach deren Fertigstellung mit einbezogen würden, wurde in mehreren Vorträgen und Diskussionen beklagt. So stellte CHRISTINE GERBICH (Berlin) am Beispiel des Museums für Islamische Kunst in Berlin fest, dass Kurator/innen oft vom Besucher-self, ausgingen, also der Besucher/in als Spiegelbild ihrer selbst. Eine gute Vermittlungspraxis aber müsse immer unterschiedliche Interessen und Leidenschaften beachten. WALTRAUD SCHREIBER (Eichstätt-Inglostadt) betonte, dass es wichtig sei, Besucher/innen positiv zu irritieren. Sie müssten dazu gebracht werden für Probleme ihrer eigenen Lebenswelt Antworten in der Vergangenheit zu suchen. Deshalb müssten unterschiedlichen Besucher/innen individuell angesprochen werden. Was dies heißen kann zeigte IRIS GROSCHEK (Neuengamme) am Beispiel der Gedenkstätte Neuengamme. Die Guides der Gedenkstätte müssen unter anderem auf die Bedürfnisse und Interessen von Angehörigen der Opfer, Schüler/innen und Kreuzfahrttourist/innen eingehen. Zusammen mit einem syrischen Geflüchteten hat die Gedenkstätte zudem jüngst eine Führung organisiert, die dezidiert auf die Erfahrungen von Geflüchteten einging.

Die Entwicklung von neuen Vermittlungs- und Ausstellungsformen bedarf neuer Kompetenzen. Diese könnten bereits während des Studiums vermittelt werden. Dafür aber müssen Museen und Universitäten und Fachhochschulen in einem engen Austausch zueinander stehen was, wie mehrere der Teilnehmer/innen beklagten, nicht immer der Fall sei. NICOLA LEPP (Potsdam) betonte, dass die Vermittlung von Kompetenzen für die Ausstellungsgestaltung sich vor allem auf den Akt der Übersetzung von Wissen konzentrieren und immer praxisorientiert und interdisziplinär sein müsse. Wie eine solche Vermittlung konkret aussehen kann, zeigten KAREN ELLWANGER (Oldenburg) und IRENE VON GÖTZ (Berlin), die Projekte aus den MA Studiengängen Museum und Ausstellung an der Universität Oldenburg und dem Public History Studiengang der Freien Universität Berlin vorstellten. In beiden Fällen wurden die Studierenden dazu eingeladen eigenständig Ausstellungsprojekte zu gestalten und dabei alle Aufgaben unter sich aufzuteilen. Sowohl in den Vorträgen, als auch in der Diskussion wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die Strukturen der universitären Studiengänge längere praxisorientierte Seminare kaum zulassen.

Dass ein Austausch zwischen Universitäten und Museen auch außerhalb der Lehre stattfinden kann, zeigten CORD ARENDES (Heidelberg) und KLAUS RING (Vogelsang), sowie MARIE LUISA ALLEMEYER (Göttingen). So findet die Neugestaltung der Dauerausstellung der ehemaligen Ordensburg Vogelsang im engem Austausch mit der Universität Heidelberg statt. In Göttingen wiederum führt das sich noch in der Planung befindliche Forum Wissenschaft dazu, dass Objekte in den universitären Sammlungen wiederentdeckt und neu bewertet werden und neue Forschungsfragen entstehen.

Sowohl das Sammeln, als auch die Ausstellungsgestaltung und -vermittlung sind heute nicht mehr ohne die digitalen Medien denkbar. Diese bringen neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen mit sich. So erlauben Datenbanken es auf der einen Seite, die Forschung an Sammlungen zu vereinfachen, wie STEFAN RAHNER (Hamburg) am Beispiel des Reemtsma Archives darlegte. Auch können Museen über die digitalen Netzwerke neue Besucher/innengruppen oder auch nicht-Besucher/innen erreichen, wie RUTH ROSENBERGER (Bonn) am Beispiel des Hauses der Geschichte der Bunderepublik Deutschland betonte. Zugleich stellen sich aber neue rechtliche und ethische Fragen. So entspann sich am Beispiel des Sammelns von kurzen Videobeiträgen auf einer open Access Plattform im Rahmen des Stadtlabors des historischen museums frankfurt eine Diskussion über Urheberrechte und über den Umgang mit rassistischen oder anderweitig problematischen Inhalten.

Die meisten der Beiträge konzentrierten sich also auf Fallstudien und damit dann doch eher auf Fragen der Praxis als auf Fragen der Theorie. Fast gänzlich außen vor blieben Beiträge aus den Museum Studies oder der Museumsgeschichte, die das Museum als Untersuchungsgegenstand verstehen. Auch wurden Fragen, wie neue Forschungsergebnisse und theoretische Zugänge in der Ausstellungsgestaltung beachtet werden können zu wenig angesprochen. Die Museen selbst präsentierten sich leider oft zu sehr einseitig als Bildungsinstitutionen und zu wenig als Forschungsinstitution die, durchaus auch aus den Erkenntnissen ihrer Bildungsarbeit, wichtige theoretische Erkenntnisse nicht nur für die Museumspraxis liefern können. So versuchen die Museum Studies, eine Disziplin die sich dadurch auszeichnet, dass sie sowohl Praktiker/innen als auch Theoretiker/innen zu Wort kommen lässt, jüngst auch das Museum selbst wieder als Medien der Theoriebildung zu verstehen. In ihrer Einleitung zu dem Band „Museum Theory“ beispielweise berufen sich Kylie Message und Andrea Witcomb 1 auf Nicholas Thomas 2, den Direktor des Cambridge Museum of Archaeology and Anthropology, der dafür plädiert, die Museumspraxis selbst als Methode zu verstehen, die zu neuen theoretischen Erkenntnissen beitragen kann. Wünschenswert für den weiteren Austausch zwischen Theorie und Praxis wäre deshalb noch stärker dezidiert theoretische Beiträge einzubringen, sowie das Museum noch stärker in seiner ganzen Breite zu betrachten.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung
Jan Gerchow (historisches museum frankfurt)
Irmgard Zündorf (ZZF Potsdam)
Susanne Wernsing (Ausstellungskuratorin, Wien/Dresden)

I. Ausstellungen kuratieren und Institutionen positionieren
Moderation: Susanne Wernsing (Ausstellungskuratorin, Wien/Dresden)

Jan Gerchow (historisches museum frankfurt): Stadtgeschichte im neuen Historischen Museum

Susan Kamel (Lehrstuhl Sammeln und Ausstellen in Theorie und Praxis, HTW Berlin): Let’s do the Inreach – Bemerkungen zur Diversifizierung von Institutionen

II. Ausstellen lehren
Moderation: Irmgard Zündorf (ZZF Potsdam)

Nicola Lepp (Lehrstuhl für Kulturvermittlung im Studiengang Kulturarbeit an der FH Potsdam und Ausstellungskuratorin): Lehre in der entdisziplinierten Zone

Karen Ellwanger (Institut für materielle Kultur, Universität Oldenburg): Das Ausstellungsprojekt im Oldenburger MA-Studiengang Museum und Ausstellung. Curriculare Verankerung, Probleme, Ergebnisse.

Irene von Götz (Jugendmuseum Schöneberg/ Public History, Freie Universität, Berlin): Ausstellungen machen mit Studierenden – Konzeption, Recherche und Umsetzung

III. Sammeln und Erforschen
Moderation: Sandra Schürmann (BMBF-Forschungsverbund „PolitCIGs“ am Museum der Arbeit, Hamburg)

Angela Jannelli / Franziska Mucha (historisches museum frankfurt): Vielstimmigkeit versus Eindeutigkeit. Partizipative Museumsarbeit und ihre museologischen Konsequenzen

Stefan Rahner (Stifung Historische Museen Hamburg/ Museum der Arbeit): Die Sprache der Zigaretten. Forschung an den Reemtsma-Archiven

Marie Luisa Allemeyer (Zentrale Kustodie der Georg-August-Universität Göttingen): Objektbasierte Forschung, Lehre und Vermittlung – das Forum Wissen in Göttingen

IV. Vermittlung kuratieren
Moderation: Jasmin Alley (freie Museologin/ content creator bei simple GmbH, Köln)

Christine Gerbich (Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage, Humboldt-Universität zu Berlin / Graduiertenkolleg des Exzellenz-Clusters TOPOI): „Vermittlung“ lernen - ein Fallbeispiel aus dem Museum für Islamische Kunst in Berlin

Waltraud Schreiber (Theorie und Didaktik der Geschichte, KU Eichstätt-Ingolstadt): Einen kompetenten Umgang mit Geschichte fördern. Was sein könnte, wenn Schule und Museum dasselbe Ziel verfolgen würden.

Susanne Gesser (historisches museum frankfurt / kinder museum): Vermittlungsstrategien für ein breites Publikum und 700.000 Stadtexperten

V. Dokumentieren und Gedenken
Moderation: Nina Holsten (gwf-ausstellungen, Hamburg)

Ulrike Jureit (Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur): Zeigen heißt Verschweigen. Die Ausstellungen über die „Verbrechen der Wehrmacht“

Cord Arendes (Angewandte Geschichtswissenschaft – Public History, Universität Heidelberg) und Klaus Ring (Akademie Vogelsang IP): Projektvorstellung: Die zukünftige NS-Dokumentation in der ehemal. Ordensburg Vogelsang/Eifel

Iris Groschek (KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Gedenkstättenpädagogik): Bericht aus der Praxis. Was erwartet die Gedenkstättenpädagogik von einer guten Ausstellung?

VI. Finanzieren, Vermarkten , Vernetzen
Moderation: Thomas Prüfer (Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer, Köln)

Wilhelm Stratmann (Historisches Museum Bielefeld): Wie vermarkten, wie vernetzen? Wirken in Museum und Museumsverband

Roland Kaehlbrandt (Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Frankfurt): Bürgerwissenschaft in Frankfurt – das Programm „StadtteilHistoriker“)

Ruth Rosenberger (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland): Digital Public History: Historische Museen im Netz

Zusammenfassung und Schlussdiskussion: Susanne Wernsing und Irmgard Zündorf

Anmerkungen:
1 Message, Kylie/ Witcomb, Andrea, Introduction: Museum Theory. An Expanded Field, in: dies. (Hrsg.), The International Handbook of Museum Studies: Museum Theory, Chichester 2015, S. xxxv–lxiii, bes. S. xxxv.
2 Thomas, Nicholas, Commentary: The Museum as Method, in: Museum Anthroplogy 33: 1 (2010), S. 6–10.


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