Raub jüdischen Eigentums in Jugoslawien 1940-1945

Raub jüdischen Eigentums in Jugoslawien 1940-1945

Organisatoren
Christian Schölzel, Culture and more, Berlin; Sanela Schmid, Humboldt-Universität zu Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.07.2017 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Christian Schölzel, Berlin

Im Rahmen des DFG-Netzwerk-Projekts "Raub jüdischen Eigentums in Jugoslawien 1940-1945" konnte am 14. Juli 2017 der zweite von drei Workshops mit Teilnehmern/innen aus dem In- und Ausland am Institut für Zeitgeschichte, München abgehalten werden. Die erste Zusammenkunft diente einer Sammlung von Fragen und Antworten zu Quellenlage und Forschungsstand über den Raub jüdischen Eigentums im jugoslawischen Raum während des Zweiten Weltkriegs. Die jetzige, zweite Tagung widmete sich Fragestellungen der Erinnerungsgeschichte.

Nach einem Grußwort von FRANK BAJOHR (München) umrissen die beiden Initiatoren/innen des Projekts unter der Leitung von MICHAEL WILDT (Berlin), SANELA SCHMID (Berlin) und CHRISTIAN SCHÖLZEL (Berlin) ihr Forschungsanliegen, einer vergleichenden Untersuchung der Raubprozesse an jüdischem Eigentum in Serbien und im "Unabhängigen Staat Kroatien" während des Zweiten Weltkriegs. Komparatistisch seien Entwicklung, Abläufe, Träger, Betroffene der Raubvorgänge zu erforschen sowie Fragen der Restitution oder Entschädigung als auch weitere erinnerungsgeschichtliche Aspekte.

MILAN KOLJANIN (Belgrad) skizzierte einleitend die Einordnung der historischen Ereignisse des Raubs der Vermögenswerte von Juden im vom Großdeutschen Reich besetzten Teil Serbiens in dessen Konzept einer wirtschaftlich und rasseideologisch determinierten "Neuordnung" Europas. Deutsche und Österreicher, vor allem die deutsche Militärverwaltung bedienten sich bei dessen Umsetzung in Serbien der Hilfe dortiger Kollaborateure: Serben wie auch Angehörigen der deutschen Minderheit im Lande.

OLGA MANOJLOVIĆ PINTAR (Belgrad) ging in ihrem Referat auf die erinnerungsgeschichtlichen Aspekte des Themas Raub jüdischen Eigentums in Jugoslawien ein. Ausgehend von der bis ins vergangene Jahr reichenden Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung in Serbien verwies sie auf den Beginn der Erinnerungsgeschichte: die Arbeit der staatlichen Untersuchungskommissionen zur Feststellung der Kriegsverbrechen der deutschen Besatzer und ihrer Helfer seit 1943. Boten die Kommissionen mit ihrer Sammlung juristischer Fakten sowie der Zeitzeugen/innen-Erinnerungen eine wichtige Säule des Erinnerns, so war die zweite zweifelsohne im Verband der Jüdischen Gemeinden Jugoslawiens zu sehen. Staatliches antifaschistisches Erinnern im sozialistischen Jugoslawien folgte der Gleichheit der Völker und Völkerschaften im Lande: Kollaboration fand hier kaum Raum. Die Sozialisierung von Privateigentum blockierte einen adäquaten Umgang mit den Raubprozessen im Zweiten Weltkrieg. Erst mit dem Zerfallsprozess des sozialistischen Vielvölkerstaates entwickelten sich differenziertere Debatten, in denen auch Serben und Roma als Opfergruppen thematisiert wurden und werden.

In einer regen Diskussion ging MARIJA VULESICA (Berlin) erneut auf die erwähnte Blockade einer Restitution/Entschädigung im Sozialismus anhand einzelner Fälle ein. Bis in die heutige Zeit fehlten öffentliche Entschuldigungen von staatlicher Seite oder Gedenktafeln zum Thema Raub jüdischen Eigentums. DAVOR STIPIĆ (Belgrad) wandte ein, dass die Erinnerungsgeschichte nicht ohne Orte gedacht werden dürfe. Deren Zerstörung habe auch in Zeiten des Sozialismus um sich gegriffen. So seien zahlreiche Synagogen in Jugoslawien nicht wieder aufgebaut worden. Jüdische Gotteshäuser seien zudem für weltliche Nutzungen zweckentfremdet worden. JENS HOPPE (Frankfurt am Main) verwies auf die Aushandlung von Erinnerungen innerhalb der jugoslawischen Gesellschaft.

In ihren Diskussionsbeiträgen regten FRANK BAJOHR und GAËLLE FISHER (alle München) an, das von Schmid und Schölzel eingangs avisierte Projekt in territorialer Hinsicht zu erweitern und durch übergreifende systematische Fragenzugriffe neben den territorialen Studien zu ergänzen. Des Weiteren wurden auch die Begrifflichkeiten diskutiert. Bereits Schölzel und Schmid hinterfragten den Begriff "Arisierung" insoweit, als einerseits die weniger biologistisch argumentierenden Faschismen in Südosteuropa als lokale Legitimationsideologien berücksichtigt werden müssen. Andererseits erlaube der Begriff "Arisierung" nicht eine Erweiterung des Blicks auf die verbundenen Raubprozesse an Vermögenswerten von Serben oder Roma. Auch der Begriff der Nationalisierung sowie der Ausdruck "verfolgungsbedingt verlorengegangene Vermögenswerte" wurden aufgrund ihrer Verengung auf eine bestimmte Bedeutung bzw. der Sperrigkeit zugunsten des zunächst neutralen Wortes "Raub" verworfen.

Übereinstimmend regten die Teilnehmer/innen an, Forschungen zur Geschichte des Raubs jüdischen Eigentums in Jugoslawien und der Erinnerung daran voran zu treiben. Die Vielfalt der Akteure und die hieraus entstehende Vielfalt der Erscheinungsformen böten hierfür ein reiches Forschungsfeld.

Konferenzübersicht:

Welcome address by Frank Bajohr (Munich)

Sanela Schmid (HU Berlin) / Christian Schoelzel (Culture and more, Berlin): Project presentation: Appropriation of Jewish property in Serbia and the 'Independent State of Croatia' - a comparative perspective and summary of the first workshop

Milan Koljanin (Institute for Contemporary History, Belgrade): Ideology, Economy, Policy: The looting of the Jewish Property in German Occupied Serbia (1941-1944)

Olga Manojlović Pintar (Institute for More Recent History, Belgrade): (History of) Remembrance on the appropriation of Jewish Property in Yugoslavia, 1940 to 1945: Yugoslavia/Serbia

Nataša Mataušić, (Croatian History Museum, Zagreb): (History of) Remembrance of the appropriation of Jewish Property in Yugoslavia, 1940 to 1945: Croatia/Bosnia and Herzegovina (entfallen)

Diskussion:
Frank Bajohr (IfZ, München), Andrea Löw (IfZ, München), Marija Vulesica (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU, Berlin), Gaëlle Fisher (IfZ, München), Jens Hoppe (Jewish Claims Conference, Frankfurt am Main), Davor Stipić, (Universität Belgrad), Christian Schölzel (Culture and more, Berlin), Sanela Schmid (HU, Berlin)