Scholarship on Romania and Moldova within German Academia – Meeting 2018

Scholarship on Romania and Moldova within German Academia – Meeting 2018

Organisatoren
Irina Marin, Bukowina-Institut, Universität Augsburg; Romanian-Moldovan Research Group; IOS Regensburg, Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung; Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München
Ort
Augsburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.03.2018 - 14.03.2018
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Von
Johannes Leonte, Neuere und Neueste Geschichte, Universität Augsburg

Die ‘Romanian-Moldovan Research-Group‘‚ traf sich in diesem Jahr im Bukowina-Institut an der Universität Augsburg. Nach einleitenden Grußworten von IRINA MARIN (London / Augsburg), und MAREN RÖGER (Augsburg), begann der Workshop, der ein offenes Forum für im Entstehen befindliche Forschungsprojekte war. Wissenschaftler/innen aus Deutschland, Österreich, Moldau und Großbritannien diskutierten aktuelle Forschungsvorhaben vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, wobei Schwerpunkte auf der Geschichte der Modernisierung, des ländlichen Raumes und der jüdischen Geschichte lagen. Die diesjährige Tagung fand in Kooperation mit dem IKGS München und dem IOS Regensburg statt.

Mit der Frage, wie der untere Donauraum zu einem für das moderne Europa bedeutenden Gebiet wurde, beschäftigte sich LUMINIŢA GĂTEJEL (Regensburg). Dabei verwies sie sowohl auf ökonomische wie auch auf geopolitische Aspekte des ausgehenden 18. Jahrhunderts und stellte die prägende Rolle der Habsburger ins Zentrum ihrer Betrachtungen. Diese sahen den unteren Donauraum als natürliche Verlängerung ihres eigenen Territoriums sowie als Cordon sanitaire zwischen Europa und dem Osmanischen Reich. Infolge zahlreicher Expeditionen sowohl staatlicher als auch privater Akteure wurde der zukünftige politische und wirtschaftliche Einflussbereich erkundet und politische bzw. infrastrukturelle Aufbauarbeit geleistet. Das Vorgehen der Habsburger deutete Gătejel als Beispiel für eine merkantilistisch ausgerichtete Politik, die Staatsbildungs-prozesse mit wirtschaftlicher Erschließung verknüpfte. Generell verstanden die Habsburger ihr Vordringen in den unteren Donauraum nicht zuletzt auch als Zivilisationsmission im „wilden Osten“.

Ebenfalls im 18. Jahrhundert angesiedelt war der Beitrag von PETER MARIO KREUTER (Regensburg), der über die Entwicklung und Erschließung Olteniens sprach. Nach dem Venezianisch-Österreichischen Türkenkrieg (1714-1718) begannen die Habsburger, sich für diese im Südwesten Rumäniens gelegene Landschaft zu interessieren. Sie erschlossen das kaum bekannte Gebiet kartographisch und sammelten Basisinformationen über Verkehrswege, die Anzahl wehrfähiger Männer sowie die allgemeinen Lebensumstände in Oltenien. Dank dieses Vorgehens waren seit 1734 erstmals detaillierte Informationen über eine südosteuropäische Region verfügbar, beispielsweise über Besitztümer, Steueraufkommen, Kommunikationsmöglichkeiten und wirtschaftliche Aspekte bestimmter Städte. Etwa 50 % dieser Daten sind heute noch vorhanden. Ein derzeit an der Universität Regensburg laufendes Projekt hat zum Ziel, die überlieferten Daten zu digitalisieren und eine Publikation vorzubereiten. Kreuter stellte dieses interdisziplinär ausgerichtete work in progress zwischen Geographie und Geschichtsschreibung vor, in dessen Rahmen auch Karten für den Gebrauch von Historikern erstellt werden sollen.

Anschließend präsentierte MAREN RÖGER (Augsburg) Überlegungen für zukünftige wissenschaftliche Projekte des Bukowina-Instituts. Ein anstehendes Vorhaben soll sich mit einer umfangreichen Sammlung historischer Postkarten aus der Bukowina befassen, die zu den wertvollsten Stücken des institutseigenen Archivs zählt und wissenschaftlich aufbereitet in Buchform erscheinen wird. Ein weiteres noch im Anfangsstadium befindliches Publikationsprojekt wird die Erfahrungsgeschichte des Modernisierungsprozesses in der Bukowina behandeln und aufzeigen, wie die politische, soziale und kulturelle Modernisierung in der Bukowina wahrgenommen wurde bzw. welche Modernediskurse prägend wirkten. Die Bukowina hatte eine der höchsten Analphabetenraten in der Donaumonarchie, während gleichzeitig das Renommee als „Dichterland“ überwiegt.

Das Thema der „Judenfrage“ und des rumänischen Antisemitismus im zeitlichen Umfeld des Ersten Weltkriegs stellte bislang eine Forschungslücke dar, welche ELISABETH WEBER (Wien) mit ihrer Dissertation ausfüllen möchte, deren Konzeption sie in Augsburg vorstellte. Webers Arbeit betont dabei die jüdisch-rumänische Perspektive und behandelt den Verband der einheimischen Juden in Rumänien im Zeitraum von 1910 bis 1919. Dieser Verband verschrieb sich der Bildung und politischen Befreiung der Juden sowie der Aufklärung der nicht-jüdischen Bevölkerung Rumäniens. Weber machte deutlich, dass der Verband aufgrund seiner eigenen Einteilung der Juden in progressive Westjuden und rückständige Ostjuden durchaus als Eliteorganisation zu werten ist. Nichtsdestotrotz bemühte sich der rumänische Verband aber auch um eine Selbstemanzipation von der westlichen Auffassung der Judenemanzipation. In Gestalt einer entangled history sollen in Webers Dissertation Interaktionen zwischen rumänischen Juden und westlichen Juden sowie Lokalpopulationen und dem rumänischen Staat aufgezeigt werden.

Über ländliche Gewaltzirkulation in Rumänien zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie deren Bedeutung für die Grenzpolitik Rumäniens und seiner Nachbarn sprach IRINA MARIN (London / Augsburg). Während die bisherige rumänische Historiographie die Jahrhundertwende hauptsächlich in ein positives Licht rückte und infrastrukturelle, militär- und bildungspolitische Fortschritte der Zeit betonte, verwies Marin ausdrücklich auf die soziokulturelle Rückständigkeit und bittere Armut der rumänischen Bauern. Über 50 % der rumänischen Agrarflächen befanden sich in den Händen weniger Großgrundbesitzer, die Bauern wurden in ausbeuterische Lohnarbeitsverhältnisse gezwungen. Diese Quasi-Versklavung entlud sich schließlich 1907 in einem blutigen Aufstand, der auf den gesamten Staat destabilisierend wirkte. Besonderes Augenmerk legte Marin auf die Reaktion der Nachbarstaaten Rumäniens. Wenngleich weder Österreich-Ungarn noch Russland mit einem Übergreifen der Unruhen auf ihr Territorium rechneten, sahen beide Staaten ihre Grenzen als potenzielle Konfliktzonen und griffen zu Sicherungsmaßnahmen. Russland erkannte in den rumänischen Ereignissen zudem eine Bestätigung der zaristischen Ablehnung von Konstitutionalismus und Parlamentarismus. In Rumänien selbst fanden ebenfalls Grenzsicherungen statt, um Rumänen an der Auswanderung zu hindern. Gleichzeitig wurden Juden und Deutsche zur Auswanderung ermutigt, was Marin als Ausdruck der Angst vieler Rumänen vor einer „Kolonisation durch fremdländische Mächte“ deutete.

Am Ende des ersten Sitzungstages stellten JOHANNES LEONTE (Augsburg) und BIANCA WAGNER (Augsburg), die Themen ihrer Masterarbeiten vor. Leontes Arbeit soll das postsozialistische Pressewesen Rumäniens behandeln, Wagner untersucht die Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg in der Siebenbürgischen Zeitung. Die Studierenden erhielten in der Diskussion mit den anwesenden Wissenschaftler/innen
zahlreiche Anregungen für ihre Projekte.

Den zweiten Sitzungstag eröffnete ENIKŐ DÁCZ (München). Im Rahmen eines komparativen Studienprojekts des Hungarian Scientific Research Fund (OTKA) zu lokalen und regionalen Übergangsphasen in den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns befasste sie sich mit den transsilvanischen Städten Braşov und Sibiu. Dabei hob sie insbesondere den Mangel an staatlicher Ordnung und die allenthalben auftretenden Verwerfungen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hervor. Gewalt und Konflikte (auch solche ethnischer Natur) gehörten vielerorts zum Alltag. Die beiden von Dácz untersuchten Städte fungierten indes als Gegensatzpaar. Während das gleichmäßig von Rumänen, Deutschen und Ungarn bewohnte Industriezentrum Braşov von Konflikten verhältnismäßig wenig betroffen war, gab es im deutsch dominierten Kulturzentrum Sibiu immer wieder größere gewaltsame Auseinandersetzungen, die allerdings in der bisherigen Forschung nur unzureichend beleuchtet wurden. Als Ziel ihrer Arbeit formulierte Dácz die Ausarbeitung von Kontinuitäten sowie die Analyse der Rolle lokaler Eliten während der Transitionsphase nach dem Ersten Weltkrieg. Weitere Untersuchungsgegenstände betreffen symbolische Eroberungsversuche der Städte durch einzelne ethnische Gruppen sowie die Versuche der Ordnungserhaltung durch Armee, Polizei, Nationalgarde oder Bürgerwehren. Generell, so Dácz, gelte es, bisherige Annahmen der klassischen rumänischen Forschung anhand neuen Quellenstudiums einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Einem bislang eher wenig erforschten und ideologisch vielschichtigen Thema widmete sich DANIEL BRETT (London) in seinem Vortrag über rumänische und irische Bauernparteien im Zeitraum von 1918 bis 1965. Wenngleich diese Parteien zeitweise erfolgreicher gewesen seien als die Faschisten, müsse ihre Geschichte doch als eine Geschichte des Scheiterns erzählt werden, so Brett. Für dieses Scheitern machte er insbesondere stetige Inkohärenz auf politischer wie struktureller Ebene verantwortlich. Verglichen mit anderen Parteien seien die Bauernparteien schlecht organisiert und politisch „unreif“ gewesen, was sich von vornherein negativ auf ihre Institutionalisierung als politische Verbände ausgewirkt habe. Auch seien die Parteien von internen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen geprägt gewesen. Außerdem sei ihre Bedeutung hauptsächlich auf ländlich-lokaler Ebene vorhanden gewesen und im Zuge einer fortschreitenden Urbanisierung der Gesellschaft immer weiter zurückgegangen.

Die Mobilisierung der rumänischen Bauernschaft durch die faschistische Legionärsbewegung thematisierte RAUL CÂRSTOCEA (Flensburg). Für den nach einer Phase der Stagnation ab 1930 zunehmenden Erfolg der Legionäre unter rumänischen Bauern machte Cârstocea verschiedene Punkte verantwortlich. Befördert durch den aggressiven Nationalismus nach 1918, entwickelte sich die „Legion des Erzengels Michael“ zur einzigen dauerhaften und klassenübergreifenden politischen Massenbewegung Rumäniens und wurde zur drittgrößten faschistischen Bewegung Europas. Eine wichtige Rolle spielte die symbolisch aufgeladene, mit Elementen der rumänischen Landkultur angereicherte Selbstinszenierung der Legionäre. Zudem konnten sie aufgrund der religiösen Elemente ihrer Ideologie die Unterstützung einflussreicher ländlicher Geistlicher gewinnen. Mithilfe von „Nestern“ und gezielten Arbeitseinsätzen ihrer Mitglieder konnte die Legion ihre Präsenz auf dem Land institutionalisieren. Diese „anti-politische Politik“, die den archetypischen Bauern zum Leitmotiv des neuen rumänischen Nationalismus erhob und mit rituell-traditionalistischen Elementen operierte, führte allmählich, so Cârstocea, zu einer expliziten Abgrenzung des ländlichen Nationalismus von seiner urbanen Entsprechung. Generell wertete Cârstocea das Aufkommen des rumänischen Nationalismus als „Nebenwirkung“ der voranschreitenden Staatsentwicklung. Abschließend wies er darauf hin, dass der rumänische Staat die Faschisten nicht ernsthaft bekämpfte, sondern sie vielmehr imitierte – eine Entwicklung, die im (freilich kurzlebigen) „Nationallegionären Staat“ gipfelte.

Ein noch im Anfangsstadium befindliches Forschungsprojekt zur Geschichte der jüdisch-rumänischen Führung während des Holocaust stellte GAËLLE FISHER (München) vor. Ihr Schwerpunkt lag auf der Frage nach prägenden Akteuren und Verbänden sowie deren Beziehungen zueinander. Als wichtige zu untersuchende Persönlichkeiten hob Fisher zunächst den Vorsitzenden der Union der rumänischen Juden und Parlamentarier Wilhelm Filderman hervor, der im Zweiten Weltkrieg gute Beziehungen zu seinem ehemaligen Mitschüler Ion Antonescu nutzte, um zahlreiche rumänische Juden vor der Deportation zu bewahren und dadurch das Leben zu retten. Ebenfalls um die Rettung von Juden verdient machte sich Alexandru Șafran, während des Zweiten Weltkriegs Großrabbiner von Rumänien. Als dritte Figur erwähnte Fisher den Anwalt, Historiker und Politiker Manfred Reifer, der 1944 nach Israel emigrierte und mit seiner Schrift „Die Tragödie der rumänischen Judenheit“ einen wichtigen, noch zu analysierende Bericht zum rumänisch-jüdischen Schicksal während des Zweiten Weltkriegs verfasste. Anhand dieser Persönlichkeiten sollen die Wahrnehmung der Verfolgung sowie die Reaktionen darauf untersucht und herausgearbeitet werden, welche Besonderheiten der Fall der rumänischen Juden aufweist.

Mit Fragen des Antisemitismus während der Sowjetisierung Moldawiens (1945-1953) befasste sich der von DIANA DUMITRU (Chişinău / Jena) gehaltene Abschlussvortrag der diesjährigen Tagung. Einleitend hielt sie fest, dass die zahlreichen Studien zum Antisemitismus im sowjetischen Machtbereich zumeist mit der Person Stalins verknüpft sind und seine Haltung und Politik hinsichtlich der jüdischen Bevölkerung innerhalb Russlands behandeln. Dumitru hingegen setzte den Schwerpunkt auf die Frage, was nach 1945 in der sowjetischen Peripherie geschah und wo die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zum jüdischen Leben unter Stalin lagen. Das vorherrschende Nachkriegsnarrativ einer Koexistenz von gesellschaftlichem und quasi-staatlichem Antisemitismus unterzog Dumitru einer kritischen Neubewertung. Zwar waren judenfeindliche Sentiments in Form von „Alltagsantisemitismus“ und dem klischeebeladenen Gefühl einer „Moldawischen Republik unter jüdischer Diktatur“ weit verbreitet, zudem befanden sich unter den neuen Sowjetkadern auch ideologisch „umgepolte“ ehemalige rumänische Rechtsradikale. Von staatlicher Seite wurden judenfeindliche Attacken jedoch ostentativ strafverfolgt. Die staatlichen Behörden achteten mit peinlicher Genauigkeit darauf, nicht in den Ruch des Antisemitismus zu kommen. Über das vielfach reproduzierte Paradigma eines staatlich sanktionierten sowjetischen Antisemitismus müsse deshalb, so Dumitru abschließend, neu nachgedacht werden.

Gerade die chronologische und thematische Bandbreite der vorgestellten Forschungsprojekte führte zu intensiven Debatten über die historischen Spezifika der heute rumänischen und moldauischen Gebiete. Besonders intensiv tauschten sich die Teilnehmer/innen über bestehende Forschungsdesiderate und die Notwendigkeit aus, tradierte Narrative zu dekonstruieren – ausgehend von einer neuen, unbefangenen Auseinandersetzung mit bekanntem wie unbekanntem Quellenmaterial.

Konferenzübersicht:

Irina Marin (London / Augsburg) / Maren Röger (Augsburg): Welcome Message

Luminița Gătejel (Regensburg): Exploring the Lower Danube. Cartographic and Commercial Projects of the Habsburg Monarchy in the Late 18th and the Early 19th Centuries

Peter M. Kreuter (Regensburg): Damian Hugo Graf von Virmont, the Treaty of Passarowit (1718) and the Question of the Development of Oltenia

Maren Röger (Augsburg): Modern Bukovina. Perspectives on a Habsburg Periphery

Elisabeth Weber (Wien): Verband der einheimischen Juden in Rumänien 1910-1919

Irina Marin (London): Peasant Violence and Antisemitism in Early-Twentieth-Century Eastern Europe: the Cross-Border Reverberations of the 1907 Romanian Peasant Uprising

Johannes Leonte (Augsburg): Das postrevolutionäre Pressewesen Rumäniens

Bianca Wagner (Augsburg): Zur Erinnerungskultur an den Zweiten Weltkrieg in der Siebenbürgischen Zeitung

Enikő Dácz (München): Local Societies in Transition after World War I. Braşov and Sibiu

Daniel Brett (London): Party Politics and the struggle for rural representation in the European periphery. Agrarian Parties in Romania and Ireland 1918-1965

Raul Cârstocea (Flensburg): Peasants into Fascists: A Case of Cultural Mobilisation in Interwar Romania

Gaëlle Fisher (München): Community and Subjectivity: The Jewish Leadership in Romania during the Holocaust

Diana Dumitru (Chişinău / Jena): Antisemitism in Sovietizing Moldavia (1945-1953)