Internationales Forschungsgespräch: Vertragsarbeiter im Sozialistischen Weltsystem

Internationales Forschungsgespräch: Vertragsarbeiter im Sozialistischen Weltsystem

Organisatoren
Berthold Unfried, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
31.05.2019 -
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Von
Berthold Unfried, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien

In seiner Einleitung stellte der Veranstalter BERTHOLD UNFRIED (Wien) das Sozialistische Weltsystem als System temporärer interkontinentaler Migrationen vor. Als sich das Sozialistische Weltsystem in den 1970er-Jahren in die "Drei Kontinente" ausweitete, brachte das interkontinentale Personenströme in Bewegung. Eine dieser Gruppen temporärer Migranten waren Arbeiter und zum geringeren Teil Arbeiterinnen, die in den europäischen sozialistischen Ländern ausgebildet wurden und gleichzeitig den Arbeitskräftemangel dort kompensieren sollten. In dieser letzteren Funktion sind sie den "Gastarbeitern" in Westeuropa zur selben Zeit vergleichbar. Mit diesem Forschungsgespräch sollten neben dem "Ost-West"-Vergleich auch noch Vergleichsebenen mit anderen Migranten und Migrantinnen innerhalb und am Rande des Sozialistischen Weltsystems eröffnet werden – deswegen gab es auch einen Beitrag zur Bildungsmigration nach Cuba.

Unfried sah das Forschungsgespräch als Teil einer neuen Welle der Forschung, die Ergebnisse der Historiographie kurz nach dem Zusammenbruch des Sozialistisches Weltsystem und der DDR Anfang der 1990er-Jahre revidiert. Diese Historiographie hat bisher kaum die Entsendestaaten und die entsendeten Personen in den Focus genommen, es sei denn als Opfer ohne eigene Interessen und Strategien zu deren Durchsetzung. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde vor dem Hintergrund zahlreicher fremdenfeindlich motivierter Angriffe auf Arbeitskräfte aus Afrika, Asien und Lateinamerika die Anwesenheit dieser Menschen als "Problem" angesehen. Die Absicht, in einer Perspektive der "DDR-Aufarbeitung" einen Beitrag zur Lösung dieses Problems in Empathie mit den Betroffenen dieser Übergriffe zu leisten, hinterließ deutliche Spuren in dieser Historiographie. Die anlassbezogen geschriebene Literatur zeigt eine deutliche Tendenz zur Darstellung der VertragsarbeiterInnen als einseitige Opfer einer Ausbeutung des Individuums durch den Staat – insoweit nämlich als ein Teil der Löhne von den Entsendestaaten zur Bezahlung ihrer Schulden an die DDR verwendet wurde – und als Opfer von Ausschließung und von rassistischen Einstellungen in der Bevölkerung. Die VertragsarbeiterInnen traten darin kaum als handelnde Subjekte auf. Das war auch Ausdruck fehlender Archive in den Herkunftsländern. Dieses Quellenmanko ist lange ein zeitbedingtes Erkenntnishindernis gewesen. Der Blick auf die kubanische Seite (in dem Forschungsprojekt, das diesem Forschungsgespräch zugrunde liegt) und die vietnamesische Seite (in den Arbeiten von Christina Schwenkel) verändert das Bild.

Während das interkontinentale Arbeitskräfteprogramm beispielsweise auf kubanischer Seite bis heute einhellig als Erfolg angesehen wird, über das es in Gesprächen nur Gutes zu berichten gibt, dominiert auf deutscher Seite seit dem Zusammenbruch der DDR eine kritische Sichtweise, welche in den Vertragsarbeitern in erster Linie Opfer eines Unrechtsregimes sieht. Allerdings sind das zwei unterschiedliche Ebenen der Vergegenwärtigung dieser Vergangenheit: persönliche Erinnerungen auf kubanischer Seite, ein Zweig der Geschichtsschreibung auf deutscher Seite.

Das Forschungsgespräch fand im Rahmen des von der Gerda Henkel-Stiftung geförderten Forschungsprojekts: "Inter-kontinentale Personenkreisläufe innerhalb des RGW. Das Beispiel der Arbeitsmigration zwischen Cuba und der DDR (1975–1990)" statt. Es ist ein Ziel des Forschungsprojekts, in einer globalgeschichtlichen Perspektive diese ArbeiterInnen nicht primär als passive "Opfer", sondern als handelnde Subjekte zu betrachten, die ihre Interessen und spezifischen Lebensweisen im Zusammenleben und mitunter in Konflikt mit ihren deutschen KollegInnen durchzusetzen versuchten. Die Einbeziehung der Perspektive der entsandten Arbeiter und der Entsendestaaten sollte der Historiographie dieser Formen der internationalen Arbeitsmigration einen neuen Anstoß geben.

Daraus ergaben sich als Leitfragen: Lassen sich Vertragsarbeiter im "Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW) sinnvoll als Form temporärer internationaler Migration analysieren? Welchen Mehrwert an Erkenntnis bringt ein solcher Zugang? Was bringt ein Zugang, die europäischen RGW-Länder als Erziehungsstaaten zu betrachten, als Zivilisierungsinstanzen in das Blickfeld zu bringen? Als Beitrag zur Globalgeschichte von Arbeit und Arbeitsmigration sollte auch die Frage diskutiert werden: als welche Form globaler Arbeitsverhältnisse können denn die Vertragsarbeiter betrachtet werden?

DAGMARA JAJESNIAK-QUAST (Frankfurt/O), konstatierte in ihrem Einleitungsreferat, dass der RGW als globale Organisation nunmehr in das Blickfeld der Forschung rücke. In Handbüchern zur Geschichte internationaler Organisationen ist er bisher nicht vorgekommen. Aktuelle Forschungen revidierten das Bild des national beschränkten Staatssozialismus Doch gebe es noch viele Desiderata der Forschung, etwa die Koordinierung und Arbeitsteilung auf RGW-Ebene im Hinblick auf die Arbeitsmigration. Dazu müsse man in die Archivbestände der Ständigen Kommissionen des RGW gehen.
Jajeśniak-Quast unterschied 5 Kategorien ausländischer Arbeitskräfte in den europäischen RGW-Ländern: Pendler in grenznahe Regionen; Kontraktarbeiter - Arbeiter ausländischer Unternehmen, die zur Projektdurchführung in das jeweilige Land mitgenommen wurden; Vertragsarbeiter auf Grundlage zwischenstaatlicher Verträge; Politische Emigranten und Arbeiter ethnischer Minderheiten (etwa Roma). Die Vertragsarbeiter zeichneten sich insofern aus, als dass ihre Integration nicht erwünscht gewesen sei. Es war keine dauerhafte Migration beabsichtigt, deswegen auch kein Familiennachzug oder Familiengründung. Jajeśniak-Quast schloss mit der Überlegung, das Vertragsarbeiterverhältnis im RGW in Hinblick auf begünstigende Umstände und Praktiken des Zwangs zu untersuchen.

In seinem Kommentar knüpfte Berthold Unfried daran an mit der Frage, wo diese Zwangselemente lagen? Die Rekrutierung erfolgte ohne Zwang. Sanktionierungen, Rückführung bei Arbeitsdisziplin und Devianz, bei Frauen kam Schwangerschaft dazu, erfolgten, wenn Vertragsbestimmungen verletzt wurden. Wenn der Zwangsbegriff so weit gefasst werde, würde dann nicht fast jede Arbeit, die nicht freie Lohnarbeit ist, zur "Zwangsarbeit", womit im Gegensatz zu einem globalgeschichtlichen Zugang neuerlich eine Einengung auf europäisch-nordamerikanische Mehrheitsarbeitsverhältnisse stattfinde? Unfried bezweifelte, dass die Kategorisierung "frei-unfrei" bei der Untersuchung der Lebensrealität der Vertragsarbeiter weiter führe. Eher das zusätzliche Element: "Erziehung durch Arbeit", das in der Ausbildung der Vertragsarbeiter zum Ausdruck komme.

In seinem Beitrag über mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR verwahrte sich ULRICH VAN DER HEYDEN (Berlin) gegen einen Vergleich der Vertragsarbeiter in der DDR mit "Gastarbeitern" in der BRD, den er als potenzielle Gleichsetzung ansah. Die Unterschiede – staatliche Organisierung, von den Verträgen über die Zuteilung zu den einzelnen Betrieben, bis hin zur Regelung von Problemen; die Qualifizierungsabsicht und die überwiegende Entwicklungszielsetzung als Teil einer längerfristigen Zusammenarbeit; sowie die nichteuropäische Herkunft der Arbeitskräfte – überwögen so, dass ein Vergleich unangebracht sei. Van der Heyden, der eben ein Buch über mosambikanische Vertragsarbeiter publiziert hat, betonte, dass das Programm zum überwiegenden Vorteil der Entsendeländer gewesen sei. Er verwahrte sich auch gegen den Vorwurf, in der DDR habe "Rassismus" geherrscht. Von rassistischen Einstellungen in der Bevölkerung könne nicht auf die Ebene des Staats geschlossen werden, der rassistische Äußerungen und Handlungen konsequent verfolgt habe.

FRANZISKA RANTZSCH (Erfurt) präsentierte ihr Dissertationsprojekt. Sie stellte Grundannahmen der bisherigen Forschung in Frage: etwa den Arbeitskräftemängel in der DDR als Ausgangspunkt oder bilaterale Abkommen als Grundlage, die zum Vorteil der DDR gewesen seien. Rantzsch hob demgegenüber die politische Motivation der DDR hervor, die nicht in wirtschaftlicher Rationalität aufgehe. Die Interessen der DDR seien jenen der Entsendeländer gegenüberzustellen. Rantzsch zitierte aus einem Bericht des Botschafters der DDR in Moçambique, in dem dieser auf unerwünschte Effekte des Aufenthalts in der DDR bei rückgekehrten Vertragsarbeitern hinwies. Dazu hätten höhere Lebensstandardforderungen, größere Beschwerdebereitschaft und geringere Bereitschaft, Moçambique mit der Waffe zu verteidigen, gehört. Das deute doch auf eine Entfremdung der Vertragsarbeiter von ihrem Herkunftsland hin, die den Absichten sowohl der Entsende- als auch der Aufenthaltsländer zuwider gelaufen sei.

In ihrem Kommentar sah Dagmara Jajeśniak-Quast in beiden Beiträgen eine Kritik an der bisherigen Historiographie, aus einer Perspektive, welche das Interesse der vorindustriellen Entsendeländer hervorhob, bei van der Heyden, von Seiten der DDR bei Rantzsch. Sie bezweifelte, dass, wie van der Heyden das versucht hatte, die hohe Zahl von Kindern mosambikanischer Vertragsarbeiter mit "DDR-Bürgerinnen" als ein Indikator für Integration gewertet werden könne. Kontakt bedeute nicht notwendigerweise Integration.

Berthold Unfried setzte sich in seinen Beitrag das Ziel, Interessen und Motivationen kubanischer Akteure in den Blick zu bekommen. Als ein Hauptproblem des sich als gleichermaßen "sozialistisch" und "unterentwickelt" verstehenden kubanischen Staats erwies sich die mangelnde Qualifikation von Jugendlichen und die daraus resultierende Jugendarbeitslosigkeit. Cuba suchte Hilfe in Qualifizierungsmaßnahmen bei seinen neuen Verbündeten im RGW, in den das Land 1972 aufgenommen worden war, und schickte im Zeitraum von Mitte der 1970er-Jahre bis zum Zusammenbruch des Sozialistischen Weltsystems mehrere Zehntausend Jugendliche zur Ausbildung in die europäischen sozialistischen Länder. Der kubanische Staat und die Partei etablierten eine Art Selbstverwaltung der kubanischen Vertragsarbeiter in der DDR. Der kubanische Staat war mit der Auswahl der Jugendlichen für das Vertragsarbeiterprogramm zu Beginn des Programms und dann wieder Mitte der 1980er-Jahre überfordert. Zu Beginn des Jahres 1986 erreichte die DDR-Verantwortlichen ein Beschluss des 3. Parteitags der KPK, dem zufolge die Entsendung von Vertragsarbeitern in die DDR, ČSSR, Ungarn und Bulgarien eingestellt werden solle, da in ihrem Verhalten "unerwünschte Erscheinungen" bestünden und die "negative Bilanz" für das Ansehen der kubanischen Revolution unübersehbar sei. Massive alltagskulturelle Probleme führten zu einem hohen Prozentsatz an Rückführungen (7–10% der entsandten Jugendlichen) und erweckten den Eindruck bei der Bevölkerung, dass das Arbeitskräfteprogramm auch von der DDR "nicht gemeistert" werde. Damit verbunden waren hohe Kosten auf Ebene der Einstellung der Bevölkerung.

Der Kommentar von BERTHOLD MOLDEN (Wien) problematisierte im Anschluss an die von Unfried aufgeworfene Frage, ob nicht zumindest ein Teil der am Entsendungsvorgang beteiligten kubanischen Akteure einen "Prozess der Zivilisierung" von entsandten Jugendlichen im Zuge ihrer Ausbildung in der DDR erwartete, den zugrundeliegenden Zivilisationsbegriff.

Einen ganz anderen Zugang zu dem Thema nahm BALINT TOLMAR (Budapest / Exeter). In seinem Beitrag bezog er sich stark auf die Bilder- und Vorstellungswelt, die mit den kubanischen VertragsarbeiterInnen in Ungarn verbunden wurde. Während in der DDR rund 3/4 männliche Jugendliche waren, so in Ungarn an die 2/3 weibliche. Entsprechend unterschiedlich war das Bedrohungspotenzial der Sexualpartnerkonkurrenz. Zusammenstöße zwischen kubanischen und einheimischen Männern gab es auch in Ungarn. Im Zuge der Verschlechterung der ungarisch-kubanischen Beziehungen in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre aufgrund entgegengesetzter politischer Entwicklungen (wirtschaftliche "Liberalisierung" in Ungarn, Neubetonung des politischen Anteils von Wirtschaft und Arbeit in Kuba) rückte auch das Bild von den heroischen Kubanern und den erotischen Kubanerinnen hin zu einer Assoziierung mit den Marginalen und Peripheren des eigenen Landes. Sie wurden von Einheimischen mit Roma assoziiert, verwechselt und abwertend behandelt. Mit dem Beschluss von 1986 wurden auch aus Ungarn die kubanischen Vertragsarbeiterinnen zurückgeholt. Hier kam als Motiv noch die befürchtete Kontamination durch die ungarischen Wirtschaftsreformen in Richtung einer Stärkung von Privatwirtschaft und Erwerbsgeist dazu.

In seinem Kommentar griff ERIC BURTON (Innsbruck) die Ebene der Betriebe als Arbeitgeber der kubanischen Vertragsarbeiterinnen auf und stellte die Frage nach ihrem Anteil an Entscheidungen und Abläufen zum Vertragsarbeiterprogramm. Ebenso nach Motiven der jungen Kubanerinnen, nach Ungarn zu gehen. Diese sah Tolmar v.a. in der Möglichkeit, patriarchalen Strukturen zu entkommen.

DAYANA MURGUIA (Berlin) referierte abschließend über ihr Berliner Dissertationsprojekt zu den "internationalistischen Schulen" auf der kubanischen Isla de la Juventud (Estudiantes internacionales en la Isla de la Juventud de Cuba). Spezialität dieser Schulen auf der Isla de la Juventud war, dass eine ganze Erziehungslaufbahn von der Primarschule bis zur polytechnischen und höheren Schule angeboten wurde, sowie der Umfang des Programms: 1989 befanden sich 18.000 von 24.000 Stipendiaten in Cuba auf der Isla. Damit war Cuba nach der SU und noch vor der DDR das zweitwichtigste Bildungszentrum des Sozialistischen Weltsystems für SchülerInnen und Studierende aus den 3 Kontinenten – ein einmaliges Experiment von Bildungskooperation "Süd-Süd", wie die Referentin anmerkte. Murguia hob den multi-kulturellen Charakter der Schulen hervor, der die nationalen Eigenheiten betonte, statt sie einebnen zu wollen. Die nationale Identität der Studenten sollte gestärkt werden. Der Unterricht in Geschichte, Geographie und den jeweiligen Sprachen wurde von LehrerInnen aus den jeweiligen Ländern gegeben. Man kann auch sagen, dass Studenten aus Angola oder Moçambique erst auf der Isla eine angolanische bzw. mosambikanische nationale Identität vermittelt bekamen. Das war eine interessante Verbindung zwischen dieser Betonung nationalkulturellen Diversität einerseits und der kubanischen Lebenswelt, die sich als einigendes Element über den Alltag der Studenten legte, andrerseits. Ein neues Ergebnis von Murguias Forschungen ist, wie lange die Schulen in Betrieb waren, nämlich weit über den Zusammenbruch des RGW und die kubanische "Spezialperiode" hinaus. Sie wurden erst 2012 definitiv geschlossen.

In seinem Kommentar bezog sich Berthold Unfried auf Murguias Einschätzung der Bildungshilfe Kubas als eine alternative, "altruistische" Form der Globalisierung. Altruismus und Gegenseitigkeit: ist das ein Gegensatz? Was konnte das "gegenseitige" Interesse sein? Cuba war in seiner RGW-Zeit ein Advokat für die Interessen der "Drei Kontinente" im RGW und bekam dadurch auch eine internationale Bedeutung, die es kaum je in seiner Geschichte gehabt habe. Für Murguia ist das Experiment der Isla de la Juventud stark kubanisch nationalstaatlich geprägt. Könnte man es aber nicht auch als Teil der Welt des RGW sehen, die mit anderen Bildungszentren im Austausch stand?

Der Internationalismus des Sozialistischen Weltsystems hatte starke nationalstaatliche und nationale kulturelle Züge – mit dieser Bemerkung leitete Berthold Unfried in die Schlussdiskussion über. Wenn man das Sozialistische Weltsystem als System temporärer interkontinentaler Migrationen betrachte, so falle der starke zwischenstaatliche Rahmen auf. Die Kontrolle der Arbeitsmigranten wurde über weite Strecken dem Herkunftsstaat überlassen, der für "seine" Bürger als zuständig angesehen wurde, auch wenn sie in Europa arbeiteten. Ein Focus auf die Migrationsströme, die das Sozialistische Weltsystem zusammenhielten, indem sie die Nationalstaaten überschreiten, modifiziere aber auch das Bild abgeschlossener Nationalstaaten, exemplarisch der DDR.

In der Debatte wurde das Entstehen einer neuen Welle der Historiographie zu den Vertragsarbeitern im Sozialistischen Weltsystem diskutiert. Die Schlussdiskussion griff weiter die Frage auf, in welche Arbeitsverhältnisse die Vertragsarbeiter in der langen Sicht globalgeschichtlich eingeordnet werden könnten. Es wurde von Dirk Hoerder angemerkt, dass auch die Kontraktarbeiter (Contract Workers) der Kolonialreiche staatlich organisiert gewesen seien. Dort war aber Zwang in einem handgreiflichen Wortsinn mit im Spiel.

Eric Burton verwies auf Meinungen, welche die Migrationserfahrungen des Sozialistischen Weltsystems als in ihrer Bedeutung marginal für die Geschichte der "Globalisierung" einschätzen. Das seien zu dünne Migrationsströme gewesen, um diese Geschichte nennenswert zu beeinflussen. Ist also der Beitrag des Sozialistischen Weltsystems zur internationalen Migrationsgeschichte marginal? Die Migrationsströme waren zweifellos kleiner als die vom kapitalistischen Weltsystem ausgelösten. Was macht das Spezifische der Migrationen innerhalb des RGW aus? Die Konzentration auf die Menschenerziehung – den "allseitig schöpferischen Menschen"? Die Arbeitskräftemigration hatte größere menschenerzieherische, "zivilisatorische" und in diesem Sinn andere politische Intentionen als die Migration der "Gastarbeiter". Sie war klein, aber fein, könnte resümiert werden. Wie diese Veranstaltung.

Konferenzübersicht:

BERTHOLD UNFRIED (Wien): Begrüßung und Einleitung

DAGMARA JAJESNIAK-QUAST (Frankfurt/O): Vertragsarbeiter aus den "Drei Kontinenten" im europäischen RGW
Kommentar: BERTHOLD UNFRIED (Wien)

ULRICH VAN DER HEYDEN (Berlin): Mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR
Kommentar: DAGMARA JAJESNIAK-QUAST (Frankfurt/O)

FRANZIAKA RANTZSCH (Erfurt): Die Vertragsarbeiterpolitik der DDR. Interessen – Konzeptionen – Entwicklung
Kommentar: DAGMARA JAJESNIAK-QUAST (Frankfurt/O)

BERTHOLD UNFRIED (Wien): Kubanische Vertragsarbeiter in der DDR
Kommentar: BERTHOLD MOLDEN (Wien)

BALINT TOLMAR (Budapest-Exeter): Sweatshops under State-Socialism? Cuban Temporary Workers in the Hungarian Textile Industry during the 1980s
Kommentar: ERIC BURTON (Innsbruck)

DAYANA MURGUIA (Berlin): Estudiantes internacionales en la Isla de la Juventud de Cuba
Kommentar: BERTHOLD UNFRIED (Wien)


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