Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike – Red para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 11. Workshop

Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike – Red para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 11. Workshop

Organisatoren
Sabine Panzram (Universität Hamburg); Pieter H.A. Houten (University of Nottingham / CSAD University of Oxford); Jan Schneider (SPAU GmbH Münzenberg)
Ort
Hamburg und digital
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.10.2020 - 24.10.2020
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Von
Dominik Kloss / Sabine Panzram, Historisches Seminar – Arbeitsbereich Alte Geschichte, Universität Hamburg

Toletum XI, der Workshop des Netzwerks zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike, der auch in seinem elften Jahr – wenn auch CoVid-19 bedingt in hybrider Form – wieder im Hamburger Warburg-Haus stattfand, stand unter dem Motto „Antike digital“ und beleuchtete die Digital Humanities in der Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike. Die stetige Zunahme von digitalen Daten aus archäologischen Kontexten, aber auch aus Museen und privaten Sammlungen, konfrontiert die Altertumswissenschaften mit grundlegenden Fragen zu den Erkenntnis- und Innovationspotentialen, die sich durch neue digitale Verfahren in der Erforschung einer Region ergeben. In drei Sektionen ging es um die Präsentation der beständig an Bedeutung gewinnenden Verfahren zur Produktion, Organisation und Vorhaltung sowie Vermittlung digitaler Daten etwa durch Geoinformationssysteme (GIS), epigraphische Datenbanken und 3D-Modelle. Nicht zuletzt durfte die theoretische Reflexion nicht fehlen, die sich auf die Frage zuspitzen ließ: Haben genuin hermeneutische Interpretationen im Zeitalter der Digitalität noch Berechtigung?

Dass die bekannte Prophezeiung des französischen Mediävisten Emmanuel Le Roy Ladurie aus dem Jahr 1968 – „Der Historiker von morgen wird Programmierer sein, oder es wird ihn nicht mehr geben“ – sich ein gutes halbes Jahrhundert später nicht bewahrheitet hat und es wohl auch in absehbarer Zukunft nicht tun wird, sei zwar einerseits richtig, wie SABINE PANZRAM (Hamburg) einleitend betonte. Andererseits habe sich in den Geschichts- wie auch in den Altertumswissenschaften aber dennoch ein tiefgreifender Wandel vollzogen und seien die Vor- und Nachteile von Digitalisierung und big data offensichtlich. Der kritische Blick eines idealiter mit entsprechender Medienkompetenz ausgestatteten Altertumswissenschaftlers bliebe mithin trotz verbesserten Zugangs zu Quellen wie auch neuer Möglichkeiten nicht-invasiver archäologischer Untersuchungen unverzichtbar.

Aus der Perspektive übergreifend vernetzbarer archäologischer Forschung hielt REINHARD FÖRTSCH (Berlin) im ersten Abendvortrag ein Plädoyer für die Wichtigkeit einer dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Web-Infrastruktur. So wird am Deutschen Archäologischen Institut (DAI) seit 2019 in Form des Portals iDAI.welt die Möglichkeit eines zeitgemäßen Zugangs zu den eigenen digitalisierten Bibliotheks- und Archivbeständen, Online-Anwendungen sowie neu hinzukommenden Informationen aus Prospektionen und Grabungen geschaffen. Ein wesentliches Element ist dabei die Verknüpfbarkeit verschiedener Datenbestände, wie am konkreten Beispiel des zerstörten Aleppo gezeigt werden konnte: Die Synopsis von Satellitenaufnahmen, Kataster- und historischen Stadtplänen sowie Detailfotos aus der Bilddatenbank Arachne bereiten hier zukünftig geplante Rekonstruktionen vor. Nicht zu unterschätzen sei der noch anstehende Bearbeitungsaufwand in Relation zur enormen Menge an Daten. Die für entsprechende Vergleichsvorgänge nötige digitale Formalisierung umfasst bislang nur 5 der rund 105 Millionen in den Beständen des DAI erfassten Objekte.

Die seit langem – etwa bereits 1922 von Michael Rostovtzeff – betonte eigenständige Aussagekraft archäologischer Funde als wirtschaftsgeschichtliche Quellen war der Ausgangspunkt der Ausführungen von JOSÉ REMESAL RODRÍGUEZ (Barcelona). Hinsichtlich der Erforschung von Produktion und überregionaler Distribution antiker Grundnahrungsmittel, der sich die an der Universität Barcelona etablierte Forschergruppe CEIPAC seit den frühen 1990er Jahren verschrieben hat, zeigten sich vor allem beschriftete (respektive gestempelte) Transportamphoren als wichtige Informationsträger. Schon 1995 in einer online zugänglichen und seitdem stetig erweiterten Datenbank zusammengeführt, erweist sich die frühe Digitalisierung und systematische Auswertung von Amphorenfunden nunmehr als vorteilhaft bei der Bearbeitung neuer Fragestellungen, die z.B. Handelsnetzwerken zwischen Städten der Germania inferior nachspüren. Das vom European Research Council finanzierte Economic & Political Network (EPNet) konnte auf dieser Pionierarbeit aufbauen und führt sie jetzt in Zusammenarbeit mit Informatikern und Naturwissenschaftlern fort.

Die Sektion Produktion: Forschungsdaten und Arbeitstechniken leitete PAU DE SOTO (Tarragona) mit einer innovativen kartographischen Darstellungsmöglichkeit des Funktionsspektrums römischer Straßen ein. Das im Rahmen des Projekts Mercator-e auf der zugehörigen Website zugänglich gemachte Vorgehen sah dabei eine umfassende diachrone Dokumentation des Transportnetzwerkes auf der Iberischen Halbinsel vor. Hierzu wurden nicht nur vergleichende Quellenstudien zu Transportkosten und Geschwindigkeiten des antiken Güterverkehrs herangezogen, sondern durch Verknüpfung mit GIS-Daten auch Aussagen über die Zugänglichkeit einzelner Städte oder Regionen ermöglicht. Im Ergebnis lassen sich so See- oder Binnenhandelsrouten, aber auch die Genese der territorialen Gliederung der hispanischen Provinzen besser nachvollziehen.

Ein zunehmend dichteres Bild bilden inzwischen auch die baulichen Spuren der römischen Eroberung Kantabriens, wie JOÃO FONTE (Exeter) und JESÚS GARCÍA SÁNCHEZ (Mérida) anhand des erst jüngst erschlossenen Feldlagers Segisamo (Sasamón) beispielhaft aufzeigten. Hier konnte die 2017 erfolgte Survey-Kampagne im Vorfeld maßgeblich von luftgestützten Prospektionsmethoden wie LiDAR bzw. Projekten wie PNOA profitieren. Zudem konnten auf diese Weise weitere antike Wallanlagen im Grenzgebiet zwischen Galizien und Portugal geortet werden. Inzwischen hat sich die Plattform RomanArmy.eu etabliert, die regional wie international einen regen Austausch ermöglicht und über die sozialen Medien eine größere Öffentlichkeit zu erreichen sucht.

Dass auch die Siedlungsarchäologie durch die Datenerfassung mittels LiDAR im Idealfall ein zusätzliches nützliches Instrumentarium erhält, machte IGNASI GRAU MIRA (Alicante) am Beispiel der Contestania deutlich. Jene im Süden der Region Valencia gelegene Landschaft war in iberischer Zeit durch mehrere, nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegende Oppida und zahlreiche Gehöfte geprägt. Die im Zuge mehrerer Prospektionskampagnen auf 216 Hektar nachgewiesene Verteilung keramischer Fragmente erlaubte die Analyse der landwirtschaftlichen Nutzung in diesem Areal. Weiterhin konnte die Visualisierung von Keramikfunden in einem digitalen Geländemodell im Falle eines Oppidums auf dem El Cabeçó de Mariola eine südwestliche Erweiterung der Siedlungsfläche zeigen und dadurch eine bis in die Spätantike andauernde Belegung veranschaulichen.

MASSIMO GASPARINI (Córdoba) diente ebenfalls eine Regionalstudie als Ausgangspunkt seines Panoramas der digitalen Dokumentation mithilfe von fotogrammmetrischen Verfahren. Im Rahmen des 2016 initiierten Projektes Ager Mellariensis wurde dieses sich nordwestlich von Córdoba entlang der antiken Straße nach Emerita erstreckende Gebiet detailliert aus der Luft erfasst. Auf diesem Wege ließen sich neben den Resten einer Brückenquerung im Umfeld des auf einem auffälligen, kegelförmigen Hügel liegenden antiken Mellaria weitere Siedlungsspuren ausmachen. Für die benachbart liegende mittelalterliche Burg auf dem nicht minder markanten Cerro del Castillo de Belmez ermöglichte das zusätzlich zum Einsatz kommende Verfahren der Multispektral-Orthofotografie eine touristisch verwertbare Virtual-Reality-Simulation.

PIETER H. A. HOUTEN (Nottingham – Oxford) rundete die erste Sektion mit einer Vorstellung der computergestützten Reflectance Transformation Imaging-Methode zur fotografischen Erfassung von Objekten mit nur geringem Oberflächenrelief ab. RTI, altertumswissenschaftlich vor allem für die Dokumentation von schwer lesbaren Inschriften oder Münzen nutzbringend, setzt den Einsatz einer Kamera mit sukzessiv zuschaltbaren Lichtquellen voraus und erzeugt eine Datei, in die es einen auch nachmalig noch individuell variierbaren Lichteinfall sowie weitere Filter integriert. Inzwischen haben sich mit dem kaum fehleranfälligen, aber nur für kleinformatige Objekte brauchbaren kuppelförmigen „Dome“ und dem durch ein faltbares Stativ mobilen sowie für größere Objekte zu verwendenden, dafür aber aufwendiger zu bedienenden „High-light kit“ zwei Verfahren etabliert.

Zu Beginn der zweiten Sektion Reflektion: Organisationsformen und Vorhaltung fasste JAN SCHNEIDER (Münzenberg) die Erfahrungen der in der Woche vor dem Workshop ebenfalls unter der Ägide von Toletum veranstalteten Autumnschool „QGIS for Classical Studies“ zusammen. Der Onlinekurs sah eine 12 Module umfassende Schritt-für-Schritt-Anleitung in die Grundlagen der Arbeit mit jener frei verfügbaren Geoinformationssystem-Software vor, die unter anderem Netzwerk-, Raum- und Wegeanalysen ermöglicht. Den Organisatoren war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Einbindung von QGIS in ein Forschungsprojekt nicht automatisch sinnhaft ist und daher stets vorab sorgsam abgewogen werden sollte.

Der Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Erforschung des frühneuzeitlichen Mexikos stand bei PATRICIA MURRIETA-FLORES (Lancaster) im Fokus. Im Rahmen des Projektes Digging Early Colonial History wird das Verfahren Geographical Text Analysis (GTA) angewendet, um gezielt Informationen vor allem aus den Relaciones Geográficas zu gewinnen. Die lernfähige Anwendung soll es mittels „Text mining“ ermöglichen, das umfangreiche Text- und Kartencorpus bereits 2021 annotiert und komplett durchsuchbar als Open-Source-Quellenedition vorzulegen. Erste Ergebnisse, die z.B. den räumlichen Ablauf der spanischen Eroberung visualisieren oder die Kartierung von indigenen Toponymen veranschaulichen, werden bereits auf der Projekt-Website unter der Kategorie „Pathways to understanding 16th century Mesoamerica“ präsentiert.

IZA ROMANOWSKA (Barcelona – Aarhus) äußerte zunächst theoriegeleitete Überlegungen zur Unterscheidung von Modellen und Simulationen und wies darauf hin, dass Modellbildung neben Theorie und Beobachtung grundsätzlich als dritte Säule wissenschaftlichen Arbeitens gelten kann. Anders als statische, auf Gleichungen basierende Modelle biete ein agentenbasiertes Modell Vorteile bei der Analyse komplexer Systeme, da sein Bottom-up-Ansatz zwar von heterogenen und lokalen Verhältnissen ausgehe, aber verallgemeinerbare Ergebnisse erzeuge. Am konkreten Beispiel der Berechnung und Darstellung von unterschiedlichen Produktionszyklen oder Lagerkapazitäten antiker Keramik-Hersteller zeigte sich der konkrete Nutzen des Modells für altertumswissenschaftliche Untersuchungen.

Der dritte Tag stand zunächst im Zeichen der Bauforschung, dann der Epigraphik. Einen Vergleich von händischer Vermessungs- bzw. Zeichenarbeit und 3D-Lasercan konnte NICOLE RÖRING (Bamberg – München) anhand des Theaters von Mérida darstellen, bei dem zwischen 2005 und 2009 beide Verfahren nacheinander zur Anwendung kamen. So biete die Abtastung mittels Laser gerade bei der Dokumentation detailreicher kleinerer bauplastischer Objekte Vorteile und erleichtere beispielsweise einen nachmaligen Abgleich mit verstreuten musealisierten Stücken. Da allerdings bei größeren Bauten zur Vermeidung toter Winkel zahlreiche Messpunkte nötig sind und auch der Aufwand der digitalen Nachbereitung nicht unerheblich ist, werde das klassische Handaufmaß, unterstützt etwa von der Anwendung TachyCAD, weiterhin eine probate Methode bleiben – zumal für die Rekonstruktion älterer, mit dem Laser schwerlich erfassbarer Bauphasen.

Eine Zusammenschau antiquarischer und moderner Dokumentationsmethoden unter anderem am Beispiel stadtrömischer Monumentalbauten sowie des Theaters von Tarragona stellten RICARDO MAR MEDINA (Tarragona) und JOSÉ ALEJANDRO BELTRÁN-CABALLERO (Barcelona) an den Anfang ihrer Ausführungen zur jüngsten Untersuchung des Inka-Hauptortes Cusco in Peru. Unter anderem durch den Einsatz von Drohnen konnten auf den nördlich der modernen Stadt Cuzco liegenden Hanglagen rund um die ehemalige Festung Saqsaywaman Spuren von Irrigationssystemen ausfindig gemacht werden, zu der auch mehrere nahezu kreisrunde und baulich gefasste Becken des Wasser-Heiligtums Suchuna gehörten. Die Digitalisierung dieser Befunde ermöglichte nicht nur die Modellierung verschiedener Schnitte vom Grundriss bis zur axonometrischen Darstellung einzelner Bauten, sondern auch eine multiperspektivische Vogelschau auf das rekonstruierte Cusco der Inkazeit.

Inwiefern Open Data und Einbindung von Websites in das sogenannte Semantic Web auch für die Altertumswissenschaften seit einigen Jahren einen starken Bedeutungszuwachs erleben, war Thema von MANUEL RAMÍREZ SÁNCHEZ (Las Palmas). Beispielsweise kooperiert das im Rahmen des internationalen Europeana-Portals angesiedelte Projekt EAGLE zur Verknüpfung von digitalisierten Inschriftensammlungen mit der frei zugänglichen und mehrsprachigen Datenbank Wikidata. Diese wiederum erlaubt als Zweitverwertungsplattform beispielsweise von CIL-Einträgen und durch Verlinkung mit entsprechenden Bilddateien, die in der Mediensammlung Wikimedia Commons hochgeladen werden, eine fortlaufende Aktualisierung und Erweiterung des jeweils auf älteren Fachpublikationen fußenden Kenntnisstands.

Als Vertreterin von EpiDoc gab SIMONA STOYANOWA (Nottingham – London) einen Einblick ins Backend und die von der Forschergruppe entworfenen Leitlinien bei der Pflege von Inschriftendatenbanken. Die angestrebte einheitliche Codierung epigraphischer Texte in der Programmiersprache TEI XML soll Vergleichbarkeit und Erfahrungsaustausch der Bearbeitenden vereinfachen, wobei mangelnde Expertise und fehlende Zugänglichkeit zum benötigten technischen Equipment oft noch Hindernisse darstellen. Für das aktuelle Projekt Crossreads, das die bereits unter dem Label „I.Sicily“ digitalisierten Inschriften der multilingualen Mittelmeerinsel um indigene (etwa oskische oder sikelische) Textzeugnisse ergänzen wird, erweist sich die Standardisierung aber bereits als sinnvoll.

Die dritte und letzte Sektion Information: Rekonstruktion und Publikation eröffneten ROSARIO CEBRIÁN FERNÁNDEZ (Madrid) und JESÚS GÓMEZ (San Román de los Montes), indem sie zahlreiche Beispiele für die virtuelle Wiederauferstehung archäologischer Stätten gaben. Anders als frühere Stadtansichten etwa von Rom (die im ikonischen Stadtmodell von Italo Gismondi einen Vorläufer haben) oder Pompeji, sind neueste 3D-Rekonstruktionen nicht mehr auf eine illustrative Funktion beschränkt. Vielmehr können inzwischen zugrundeliegende Grundrisse, der Status quo ruinöser Monumente oder die rezente Landschaft als Informationen in entsprechende Modelle eingebettet werden. Mittels Fotogrammmetrie passgenau erstellte virtuelle Ergänzungen von fragmentierten Statuen oder simulierte 360°-Panoramen aus der Arena eines derart wieder komplettierten Amphitheaters waren weitere Beispiele für die Anwendung von Augmented Reality in diesem Bereich.

Die hinter einer einfachen Online-Recherche steckenden Prozesse – aber auch Fehlerquellen – listete PAULA GRANADOS GARCIA (London) auf und rekurrierte auf die Wichtigkeit der Verknüpfung von Daten im Sinne des Semantic Web. In der Übersicht einiger epigraphischer, numismatischer und weiterer altertumswissenschaftlicher Datenbanken zeige sich, dass über das Prinzip Open Access hinausgehende Standards zwar häufig, aber nicht konsequent Berücksichtigung finden. Um Redundanzen bei der Bearbeitung des antiken Materials zu vermeiden und die Sichtbarkeit neuer Online-Ressourcen zu verbessern, gebe es bei der Vernetzung diverser Projekte daher noch Nachholbedarf. Auch der angemessene Umgang mit lizenzierten Datenbeständen werde ein wichtiges Thema bleiben.

Einblicke in das Forschungsspektrum des Instituts Ausonius gaben MILAGROS NAVARRO CABALLERO und NATHALIE PRÉVÔT (beide Bordeaux). Die Mitte der 1990er Jahre etablierte Forschungseinrichtung konnte mit der Reihe „Inscriptions latines d'Aquitaine“ (ILA) nicht nur die Publikation von Inschriften der Aquitania vorantreiben, sondern dabei bereits zu diesem frühen Zeitpunkt auf die epigraphische Datenbank PETRAE zurückgreifen. Inzwischen erfasst PETRAE mehrere Tausend Inschriften aus dem gesamten Mittelmeerraum (darunter allein 4.000 Inschriften von der Iberischen Halbinsel), wird technisch stetig aktualisiert und mit weiteren europäischen Inschriftendatenbanken verbunden. Als internationales Kooperationsprojekt baut zurzeit ADOPIA, ein digitaler onomastischer Atlas der Iberischen Halbinsel, auf diesen Bemühungen auf.

LUIS HIDALGO MARTÍN (Mérida) schließlich stellte die epigraphische Datenbank CILAESEP vor, welche die Grabinschriften aus Emerita Augusta und damit einen Teilbestand der Neuauflage des CIL-Bandes II digitalisiert. Eine umfangreiche Bibliographie und zahlreiche Suchfilter – beispielsweise gezielt nach als 3D-Scan vorliegenden Inschriften – ergänzen die sehr viele Aspekte umfassenden Einzeleinträge. Wie ein Fallbeispiel zeigte, ermöglichen innovative Anwendungen wie Morphological Residual Model (MRM) teilweise die Sichtbarmachung von Rasuren, so dass daraus resultierende Neulesungen durch das entsprechend eingebundene Foto unmittelbar überprüft werden können.

Den Workshop resümierend, betonten Pieter Houten und Jan Schneider noch einmal, dass nicht nur die Potentiale, sondern auch mögliche Probleme des digitalen Methodenspektrums benannt werden müssen. Datenproduktion solle kein Selbstzweck sein, sondern einer wissenschaftlichen Zielsetzung dienen und für Dritte nachvollziehbar bleiben. Transparenz und Offenheit auf der einen Seite, aber auch einfache Bedienbarkeit, langfristige Speicherung und jeweils auf aktuellem Stand gehaltene Lesbarkeit für weitere Computerprogramme bringen die Digital Humanities für alle mit ihnen Konfrontierten als immer neu zu überwindende Herausforderungen mit sich. Angesichts interpretativer Fehlleistungen, die durch eine ungeübte Anwendung durchaus vorkommen können, müsse die häufig suggerierte Fehlerfreiheit der neuen Verfahren daher noch stärker hinterfragt werden. Dass auch im Zuge des digitalen Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften das Denken zwar unterstützt, aber nicht ersetzt werden kann, blieb den Organisatoren als prägnantes Fazit zu ziehen.

Gerade in diesem Sinne wird sicher auch Toletum XII, auf den 4. bis 6. November 2021 terminiert, wieder eine geeignete – digitale, hybride oder reale – Plattform für den Gedankenaustausch abgeben.

Konferenzübersicht:

Sabine Panzram (Universität Hamburg) / Markus Trunk (Universität Trier) / Pedro Antonio Villena Pérez (Generalkonsulat von Spanien / Hamburg): Begrüßung und Einführung

Reinhard Förtsch (Deutsches Archäologisches Institut Berlin): „i(t‘)s the infrastructure(,) stupid“: iDAI.welt, Arachne & Co. – Genese und Perspektiven

José Remesal Rodríguez (Universidad de Barcelona): Ciencia y Techné. El cambio de paradigma

Produktion: Forschungsdaten und Arbeitstechniken

Pau de Soto (Institut Català d’Arqueologia Clàssica Tarragona): Mille viae ducunt homines per saecula Romam. Aplicando Network Science para analizar las redes de transporte romanas en la Península Ibérica

João Fonte (University of Exeter) / Jesús García Sánchez (Instituto de Arqueología Mérida): Digital approaches and methods to disentangle the Roman conquest of the Iberian Northwest

Ignasi Grau Mira (Universidad de Alicante): La aplicación de técnicas geoespaciales en Arqueología del Paisaje: Propuestas y estudios en el área oriental de la Antigua Iberia

Massimo Gasparini (Universidad de Córdoba): Aplicaciones digitales para la investigación y sociabilización de un paisaje histórico: el Proyecto „Ager Mellariensis“

Pieter H.A. Houten (University of Nottingham – CSAD University of Oxford): Autopsia epigráfica de sillón: Reflectance Transformation Imaging

Reflektion: Organisationsformen und Vorhaltung

Jan Schneider (SPAU GmbH Münzenberg): Big Data aus der der Baetica: die Autumnschool Toletum XI „QGIS for Classical Studies“ – Bilanz und Perspektiven

Patricia Murrieta-Flores (Lancaster University): El Futuro del Pasado: Desarrollando métodos de Inteligencia Artificial y otras técnicas computacionales para investigación histórica y arqueológica

Iza Romanowska (Barcelona Supercomputing Center – Aarhus Institute of Advanced Studies): Agent-based Modelling in Historical Research

Nicole Röring (MEMVIER Bamberg – Technische Universität München): Vom Handaufmaß zur Punktwolke – haptisch oder virtuell?

Ricardo Mar Medina (Universitat Rogira i Virgili Tarragona) / José Alejandro Beltrán-Caballero (Barcelona): Lapices, tinta y ordenadores: 25 años de arqueología y arquitectura

Manuel Ramírez Sánchez (Universidad de Las Palmas de Gran Canaria): Más allá de las bases de datos epigráficas: Wikimedia Commons y Wikidata

Simona Stoyanova (University of Nottingham – King’s College London): Digital Epigraphy: standards and possibilities

Information: Rekonstruktion und Publikation

Rosario Cebrián Fernández (Universidad Complutense de Madrid) / Jesús Gómez (Balawat San Román de los Montes): La recreación virtual en la interpretación arqueológica y en la comunicación al gran público. El ejemplo de Segobriga

Paula Granados Garcia (Open University London): La integración de recursos digitales para el estudio de la Península Ibérica a través de Datos Abiertos Vinculados

Milagros Navarro Caballero (CNRS, Paris – Université de Bordeaux-Montaigne) / Nathalie Prévôt (Université de Bordeaux-Montaigne): El Instituto Ausonius y la epigrafía de la Península Ibérica en la era de las Humanidades Digitales

Luis Hidalgo Martín (Consorcio Ciudad Monumental Histórica-Artística y
Arqueológica de Mérida): CILAESEP, una base de datos epigráfica online de tituli Emeritenses. El proyecto CIL II-Mérida digital

Pieter H. A. Houten / Jan Schneider: Abschlussdiskussion: El legado antiguo en tiempos de las humanidades digitales: ¿cómo estudiarlo?