Polizei und Sicherheit in urbanen Räumen vom 18. bis 21. Jahrhundert

Polizei und Sicherheit in urbanen Räumen vom 18. bis 21. Jahrhundert

Organisatoren
Sabine Mecking / Martin Göllnitz, Philipps-Universität Marburg
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.09.2021 - 11.09.2021
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Von
Julia Richter / Philipp Peter, Philipps-Universität Marburg; Sarah Griwatz, Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Marburg

Die Polizei als Sicherheitsakteurin des Staates hat maßgeblichen Anteil daran, wie städtische Räume wahrgenommen werden. Ziel des 30. Kolloquiums zur Polizeigeschichte war es, zu untersuchen, wie die Polizei ihre Machtbefugnisse in städtischen Räumen durchsetzte und ob diese Praktiken eher ein Sicherheits- oder aber Unsicherheitsgefühl bei der (städtischen) Öffentlichkeit auslösten.

JOHANNES KISTENICH-ZERFASS (Marburg) machte im Grußwort darauf aufmerksam, dass das polizeigeschichtliche Kolloquium erst zum zweiten Mal in Hessen tagte. Der Veranstaltungsort, das geschichtsträchtige Hessische Staatsarchiv in Marburg, sei besonders geeignet, die Wichtigkeit der Polizei als Sicherheitsakteurin im städtischen Raum zu besprechen.

Zur Einführung gaben die Veranstalter MARTIN GÖLLNITZ und SABINE MECKING (beide Marburg) einen grundlegenden Überblick über die Komplexität von „Polizei“ und „Stadt“ als wissenschaftliche Untersuchungsgegenstände. Mecking verdeutlichte, dass die polizeilichen Akteur:innen den städtischen Raum strukturieren. Ob oder inwiefern sie darin Sicherheit oder Unsicherheit vermittelten, hinge von der Wahrnehmung der Sicherheitsheuristiken und -repertoires ab. An diesen Punkt knüpfte Göllnitz an und deutete Sicherheit als veränderbares Konzept. Die Analyse von Diskursen und Praktiken der Polizei könne die historischen Kontexte, in denen Situationen als sicherheitsrelevant wahrgenommen wurden, verständlich machen. Gleichzeitig könne dadurch der sich wandelnde Aufgabenbereich polizeilicher Arbeit nachgezeichnet werden.

Das erste Panel widmete sich Sicherheitsheuristiken und Sicherheitsrepertoires. ANNE PURSCHWITZ (Halle/Saale) diskutierte die zunehmende Sozialdisziplinierung durch die „Policey“ im frühneuzeitlichen urbanen Raum (1700-1850). Unproduktiv genutzte Zeit („Muße“) mache disziplinarische Maßnahmen notwendig. Purschwitz verfolgte daher die Frage, ob primär die gesellschaftliche Unterschicht von Kontrollmaßnahmen betroffen gewesen sei. Anhand von Kriminalprozessakten zeichnete sie für den sächsischen Raum jedoch nach, dass es der individuellen Einschätzungen der Kontrollorgane oblag, wann und bei wem ein Einschreiten für erforderlich erachtet wurde.

Im Anschluss ging PAUL SCHACHER (Leipzig) der Überlegung nach, inwiefern „Polizieren“ im frühen 20. Jahrhundert als lokales Problem betrachtet werden müsse. Revolutionäre Gruppen sowie Teile der Stadtbevölkerung stellten 1918/19 eigene paramilitärische Verbände auf, um die städtische Polizei zu unterstützen, wie Schacher am Beispiel der Stadt Leipzig aufzeigte. Zwar unterschieden sich diese Verbände in ihren Organisationsformen, Praktiken und Kommunikationsstrukturen, allen gemeinsam war jedoch das Bedürfnis nach Sicherheit, Ordnung und Ruhe. Die Vorstellung, was darunter zu verstehen war, variierte. Auch sei fraglich, ob die innerstädtischen Sicherheitsmaßnahmen oder das Einschreiten des Landesjägerkorps erfolgreich zur Ordnung in Leipzig beitrugen.

OLIVER BENJAMIN HEMMERLE (Grenoble/Mannheim) stellte die editierten „Bulletins quotidiens“ vor. Unter Kaiser Napoleon I. bestand ein ausgeprägtes Berichtswesen über beobachtete Kriminaltaten. Aus den neu vom französischen Kaiserreich annektierten norddeutschen Groß- und Kleinstädten wurde insbesondere politisch motiviertes Fehlverhalten, wie Fahnenflucht, nach Paris gemeldet (1811-1814). In den polizeilichen und geheimdienstlichen Meldungen aus den französischen Reichsgebieten fänden sich hingegen überwiegend Beschreibungen zu Straftaten wie Mord.

Mit der Entwicklung von Polizeiarbeit im Spätkolonialismus setzte sich JULIUS HEISE (Marburg) auseinander. Aufstände (1933) im französischen Teil der Kolonie Togoland und Unruhen (1948) im britischen Teil führten zu Umstrukturierungen der kolonialen Polizeiarbeit. Zu Beginn der Kolonialisierung habe die gewaltsame Sicherung der Territorien oberste Priorität gehabt. Im Zuge der Umstrukturierungen sei die Bevölkerung einer bürokratiegelenkten polizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Darüber hinaus zeigte Heise auf, dass viele der neuen kolonialen Sicherheitsstrukturen später als Schablone für Reorganisationsmaßnahmen im europäischen Polizeiapparat dienten.

Im öffentlichen Abendvortrag stellte ECKART CONZE (Marburg) Sicherheit als historisches Konzept vor. Der Mangel an Sicherheit im Zuge internationaler Terrorismusanschläge sorgte spätestens seit dem 11. September 2001 dafür, dass „Sicherheit“ zum (politischen) Wertbegriff aufgestiegen sei. Wichtig sei jedoch immer das Zusammenspiel von Sicherheit und Unsicherheit. Das Sicherheitsgefühl variiere und könne als Versprechen, aber auch als Bedrohung wahrgenommen werden. Gleichzeitig sei Sicherheit nicht per se statisch. Die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse mache Sicherheit zu einem temporären Wert und führe schließlich zu Unsicherheiten.

Zu Beginn der zweiten Sektion, die sich mit Sicherheitsakteur:innen befasste, beschäftigte sich FLORIAN GRAFL (München) mit öffentlichen Sicherheitsdiskursen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Spanischen Bürgerkriegs. Er machte deutlich, dass Barcelona aufgrund der hohen Gewaltsamkeit als Unsicherheitsraum wahrgenommen wurde und die Polizei als Sicherheitsakteurin ihrer Aufgabe qualitativ sowie quantitativ nicht gewachsen war. Zeitzeugen nahmen die örtliche Polizei als „unwirksam“ wahr, teilweise führte ihre Anwesenheit zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft im Land.

Die Darstellung des Selbstverständnisses der Grenzkommissare in Elsass-Lothringen von SARAH FRENKING (Erfurt) zeigte, dass kleinräumige territoriale Sicherheit dort als nationale Sicherheit verstanden wurde. Die Inszenierung der Reichsgrenzpolizisten als Experten entstand durch neue Aufgaben und Praktiken der Grenzkontrolle, deren Berichte zu Konflikten vor Ort internationale Dimensionen annehmen konnten und somit eine zunehmende politische sowie mediale Relevanz erfuhren. Die Arbeit der Reichsgrenzpolizei bekam damit eine weitrangige Bedeutung bereits vor dem Ersten Weltkrieg und diente als Vorbild für weitere deutsche Grenzen.

HENDRIK MALTE WENK (Dresden) arbeitete das ambivalente Verhältnis des Abschnittsbevollmächtigten der Deutschen Volkspolizei heraus. In seiner Eigenschaft als „Sozialarbeiter“ konnte dieser Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Probleme der Energieversorgung lösen, womit das Vertrauen innerhalb der in seinem Abschnitt wohnenden Bevölkerung stieg. Er vermittelte scheinbar Sicherheit, weshalb die Bevölkerung sich an ihn wandte und auch Auskunft über ihre Nachbarschaft gab – dies ließ gleichzeitig eine genaue Überwachung zu, die sich in detaillierten Berichten niederschlug.

MARCUS BÖICK (Bochum) stellte die Entwicklung von privaten Sicherheitsfirmen seit den 1890er-Jahren dar und fragte nach Kooperations- und Konkurrenzdenken zur Polizei. Es sei ein deutliches Oszillieren der beiden Sicherheitsakteure zu erkennen. Nach staatlichen Regulierungsversuchen in der NS-Zeit konnten Sicherheitsfirmen nach 1945 wachsen und sich als moderne Institutionen inszenieren. Trotz des Versprechens von Sicherheit bedienten sich die Sicherheitsakteure Gewaltformen („Schwarze Sheriffs“), weshalb sie in den Medien sehr kontrovers diskutiert wurden.

Das Verhältnis zwischen der deutschen und der britischen Polizei in deutschen Garnisonsstädten der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart beleuchtete BETTINA BLUM (Paderborn). Sie stellte heraus, dass es dabei nicht nur um das Zusammenleben zweier Nationen, sondern zugleich um das einer militärischen und einer zivilen Gesellschaft ging. Das Zusammenleben war geprägt von wiederkehrenden Aushandlungen über Zuständigkeitsbereiche und der Frage, welche Rechte dem fremden Militär im Gastland eingeräumt werden konnten. Konfliktpotential bestand darin, dass Verordnungen in den Ländern unterschiedlich streng geregelt waren, weshalb in der Praxis meist Kompromisse gefunden wurden, unabhängig von offiziellen Gesetzestexten. Dass der öffentliche Raum von fremdem Militär in Anspruch genommen und durch Manöver sowie Paraden zu einem militärischen Raum umdefiniert wurde, führte in der deutschen Zivilbevölkerung zu einer Reduktion des Vertrauens und wachsenden Protesten in den 1980er-Jahren.

Die dritte Sektion hatte Sexualität als Sicherheitsfeld zum Thema. Zunächst stellte FRANK JACOB (Bodø) seine Lokalstudie zu Prostitution während der NS-Zeit in der Stadt Würzburg vor. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der steigenden Zahl von Soldaten erhöhte sich die Nachfrage nach Prostitution, die staatlich gelenkt werden sollte. Jacob konnte herausarbeiten, dass Sicherheit im urbanen Raum unterschiedlich verstanden wurde: Stand für die NS-Dienststellen die gesundheitliche Sicherheit der Sexarbeiterinnen sowie die Verhinderung der Übertragung und Ausbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten im Vordergrund, die durch staatliche Kontrollen gewährleistet werden sollte, sah die lokale Bevölkerung Würzburgs die sittliche Sicherheit in Gefahr und äußerte sich kritisch gegenüber Bordellplänen in der Stadt.

Dass der Fokus sich im Wien der 1960er-Jahre von der gesundheitlichen Sicherheit von Sexarbeiterinnen hin zu öffentlicher Sicherheit verschob, zeigte NORA LEHNER (Wien) und führte dabei aus, dass bei der Bekämpfung von Zuhälterei die Kontrolle indirekt über die Sexarbeiterinnen erfolgte. Polizeiliche Maßnahmen und Handlungsanweisungen, die ein Verbot von Prostitution in einigen Stadtbezirken bewirkten, ließen diese zu einem Unsicherheitsraum werden. Daneben unterschied sich die Fremd- und Selbstwahrnehmung der polizeilichen Praxen erheblich.

Den Abschluss des zweiten Tagungstages bildete die Vorführung des Fernsehfilmes „In der Nacht zum Dienstag“ (1961) aus der Stahlnetz-Serie, den THOMAS SCHUBERT (München) unter Aspekten der (Kriminal-)Filmgeschichte als auch der gezeigten Darstellung und Selbstdarstellung der Polizei und ihrer Arbeit in den 1960er Jahren kontextualisierte.

Im vierten Panel wurde die Perspektive nach innen gewendet und die Beschäftigung der Polizei mit sich selbst unter die Lupe genommen. MICHAEL IBRAHIM-SAUER (Münster) betrachtete Brüche und Kontinuitäten in der höheren Polizeiausbildung im 20. Jahrhundert und attestierte aus einem neoinstitutionalistischen Blickwinkel heraus der Deutschen Hochschule der Polizei in Hiltrup ein Anknüpfen an Traditionen des Polizei-Instituts Charlottenburg, wie es in der Weimarer Republik bestanden hatte. Die Umbrüche in der Polizeiausbildung während des Nationalsozialismus und in der Zeit der britischen Besatzung seien letztlich durch bewusste Rückbesinnung überbrückt worden. Die in der Debatte aufgeworfene Frage nach der personellen Kontinuität zwischen den Polizeischulen musste letztlich ungeklärt bleiben und bietet damit einen Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen.

Hauptthema des Panels waren die Gewerkschaften der Polizei in BRD und DDR und die Frage nach ihren Rollen als Akteure zwischen Staatlichkeit und gesellschaftlichem Wandel. Weitreichende Forschungsperspektiven tat JAN RENKEN (Göttingen) auf, der sich der Historisierung der Polizeigewerkschaften widmete. Er diskutierte die Gewerkschaftsfähigkeit der Polizei als Institution und untersuchte ihre Fremd- und Selbstverortung im Rahmen gesamtgesellschaftlicher Prozesse und ihren Kampf um Teilhabe.

Die Rolle der Gewerkschaft der Volkspolizei (GdVP) als Kristallisationspunkt eines Versicherheitlichungsprozesses, der innerhalb der Volkspolizei durch den Zusammenbruch der DDR und die Suche nach Job- und Versorgungssicherheit angestoßen wurde, trat im Vortrag ALEXANDER HEITs (Essen) deutlich hervor, der damit auch das Verhältnis des einzelnen Gewerkschaftsmitglieds zur Gewerkschaft in den Mittelpunkt rückte. Zahlreiche Mitglieder betrachteten die Gewerkschaft oft in einem ganz persönlichen Kontext nicht zuletzt als „Dienstleister“ zur Kontingenzbewältigung. In diesem Zusammenhang trat auch das durchaus ambivalente Verhältnis der GdVP zur westdeutschen Gewerkschaft der Polizei (GdP) heraus, das sich stets zwischen Konkurrenz und Synergie bewegte.

In der fünften Sektion wurde der Weg ad fontes eingeschlagen. Zunächst stellte GERHARD FÜRMETZ (München) kriminaltechnologische Gutachten, Vermisstenbücher und polizeiliche Kriminalstatistiken als Quellenarten vor. Teilweise liegen diese seriellen Quellen in Form klassischer Amtsbücher vor, teilweise wurden sie aber auch bereits digital archiviert. Die mit diesen unterschiedlichen Überlieferungsformen, aber auch mit ihrer seriellen Natur verbundenen Herausforderungen sowohl in der Auswertung, als auch in der nötigen Datenaufbereitung sorgen dafür, dass sie schwierig zu benutzen sind.

Über die Digitalisierung der Polizeiarbeit und deren Implikationen für die Forschung referierte BASTIAN GILLER (Duisburg). Durch die fortschreitende Digitalisierung im polizeilichen Alltag fallen nicht nur Daten an, die in ihrer Form mit den bekannten analogen Akten mitunter gar nichts mehr gemein haben, sondern von denen oft nicht einmal mehr offensichtlich sei, wo und wie sie abzugreifen seien. Löschroutinen und fehlende Schnittstellen zum Archiv könnten in der Frühphase der Digitalisierung bereits digitale „dark ages“ produziert haben, während zukünftig das Verständnis der Funktionsweise der Fachverfahren, in deren Rahmen die digitalen Daten erzeugt wurden, immer wichtiger werde. Auch die Veränderung der Akten als Quellen sei zu bedenken, da sie mit der Schaffung von Archivierungsroutinen zunehmend nicht mehr Überreste von Verwaltungsvorgängen darstellen, sondern durch bewusste Auswahl für das Archiv selektiert seien.

Das letzte Panel stand ganz im Zeichen der Unsicherheit. GERHARD SÄLTER (Berlin) beschäftigte sich mit dem 1963 von der DDR geschaffenen Grenzgebiet an der Berliner Mauer, in dem besondere Regeln galten. Die entsprechenden Normen kollidierten regelmäßig mit den Alltagsbedürfnissen der Menschen und konnten von der Polizei aufgrund stetig sinkender Akzeptanz auf Seiten der Bevölkerung nicht mehr durchgesetzt werden. Die mitunter erhebliche Differenz in den Ordnungsvorstellungen zwischen Staatsmacht und Wohnbevölkerung habe in der Folge eine vermehrte Unsicherheit im urbanen Raum geschaffen.

Den polizeilichen Umgang mit dem Rechtsterrorismus in der alten Bundesrepublik beforschte BARBARA MANTHE (Bielefeld) und nutzte dafür insbesondere das Mittel des Vergleichs zur Linksterrorismusbekämpfung. In der Fahndungs- und Ermittlungspraxis sei bei letzterer mit Massenmedien und Großfahndungen gearbeitet worden, während zur Aufklärung rechter terroristischer Straftaten das Framing „Terrorismus“ zwar verbal angewandt wurde, sich die praktische Polizeiarbeit jedoch trotzdem auf kleinformatige Ermittlungen ohne Großaktionen oder Ähnliches beschränkt habe. Angesichts der darin erkennbaren relativen Vernachlässigung des Rechtsterrorismus könne das Demokratisierungsnarrativ der BRD weiter hinterfragt werden.

Im letzten Beitrag befassten sich MARGO DE KOSTER (Gent) und HERBERT REINKE (Kerpen) mit dem dualistischen Verhältnis zwischen dem urbanen Nachtleben und dessen Versicherheitlichung durch staatliche Autoritäten. Dabei machten sie deutlich, dass die vorherrschende Forschungsmeinung bislang dazu neigte, sich die Top-down-Perspektive der Obrigkeiten zu eigen zu machen. De Koster und Reinke plädierten daher für einen Wechsel des Blickwinkels fort von der Wahrnehmung des Nachtlebens vornehmlich als Sicherheitsproblem und Hotspot der Unsicherheit hin zu einer Betrachtung der inneren Logik und der sozialen Gesetzmäßigkeiten, um so neue Erkenntnisse zu generieren und alte in Frage zu stellen.

Die zahlreichen Vorträge porträtierten ein breites Spektrum von Forschungsansätzen und -perspektiven. Eindrücklich wurde gezeigt, wie ergiebig der Beitrag der Polizeigeschichte für die Einordnung von politik-, gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Entwicklungen und Phänomenen in Staat und Gesellschaft sein kann. Nicht zuletzt wurde dies auch durch die regen Diskussionen unterstrichen, die den Referaten stets folgten.

Konferenzübersicht:

Grußwort

Johannes Kistenich-Zerfaß (Hessisches Staatsarchiv, Marburg)

Einführung

Martin Göllnitz und Sabine Mecking (beide Marburg): Polizei, Sicherheit und Stadt – Thema und Forschung

Panel 1: Sicherheitsheuristiken und –repertoires
Moderation: Klaus Weinhauer (Bielefeld)

Anne Purschwitz (Halle/Saale): „Zeitvergehen“ als Form von Devianz im urbanen Raum. „Polizei“ als Instrument und Projektionsfläche von sozialer Disziplinierung (1700–1850)

Paul Schacher (Leipzig): „Der Anlaß zur Gesundung kam auch für Leipzig von außen her“. Das Problem des Polizierens im urbanen Raum während der Revolution 1918/19 am Beispiel der sächsischen Großstadt Leipzig

Oliver Benjamin Hemmerle (Grenoble/Mannheim): Norddeutsche Städte von Paris aus kontrollieren. Polizei und Sicherheit im französischen Polizeiberichtswesen für Napoleon (1811–1814)

Julius Heise (Marburg): Vom Schlagstock zur Schreibmaschine. Polizeiarbeit im Spätkolonialismus

Öffentlicher Abendvortrag
Moderation: Sabine Mecking (Marburg)

Eckart Conze (Marburg): Sicherheit. Ein historisches Konzept zwischen Versprechen und Bedrohung

Panel 2: Sicherheitsakteure (I)
Moderation: Gerhard Fürmetz (München)

Florian Grafl (München): Das „Chicago Europas“? Die Polizei als Sicherheitsakteurin und ihre öffentliche Wahrnehmung in Barcelona vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum spanischen Bürgerkrieg (1888–1936)

Sarah Frenking (Erfurt): Gatekeeper der Nation. Grenzpolizeikommissare im Reichsland Elsass-Lothringen und ihre Experteninszenierung um 1900

Hendrik Malte Wenk (Dresden): Der Abschnittsbevollmächtigte der Deutschen Volkspolizei. Ambivalente Sicherheit im städtischen Wohngebiet

Panel 2: Sicherheitsakteure (II)
Moderation: Herbert Reinke (Kerpen)

Marcus Böick (Bochum): Verbündete oder Gegner in urbanen Angst-Räumen? Private Sicherheitsfirmen und die Polizei im 20. Jahrhundert

Bettina Blum (Paderborn): Polizei in transnationalen Räumen. Royal Military Police und deutsche Polizei in nordwest-deutschen Garnisonsstädten 1955–2019

Panel 3: Sexualität als Sicherheitsfeld
Moderation: Martin Göllnitz (Marburg)

Frank Jacob (Bodø): Die Polizei, die SS und die Prostitutionskontrolle im urbanen Raum des Zweiten Weltkrieges: eine unterfränkische Lokalperspektive

Nora Lehner (Wien): „Sind Wiens Kriminalbeamte arme Hascher?“ Kommerzielle Sexualität und Zuhälterei im Spannungsfeld von polizeilicher Fremd- und Selbstwahrnehmung im Wien der 1960er-Jahre

Filmvorführung
Moderation: Sabine Mecking (Marburg)

Thomas Schubert (München): Polizei und die Fernsehreihe „Stahlnetz“

Panel 4: Polizei intern
Moderation: Florian Wenninger (Wien)

Michael Ibrahim-Sauer (Münster): Demokratielernen in der Polizei. Zur Kontinuität höherer Polizeiausbildung am Beispiel der politischen Bildungsarbeit in Berlin-Charlottenburg und Münster-Hiltrup (1925–1949)

Jan Renken (Göttingen): Polizeigewerkschaften in der Bundesrepublik. Perspektiven und Probleme der historiographischen Analyse

Alexander Heit (Essen): „Es geht um uns, um unsere ureigensten Interessen“. Die Gewerkschaft der Volkspolizei als Bewältigungsagentur für Kontingenz (1989–1990)

Panel 5: Spurensuche: Quellen
Moderation: Gerhard Sälter (Berlin)

Gerhard Fürmetz (München): Vermisstenbücher, kriminaltechnologische Gutachten, Polizeiliche Kriminalstatistik. Serielle Unterlagen des Bayerischen Landeskriminalamts und ihr Nutzen für die Polizeigeschichtsforschung

Bastian Gillner (Duisburg): Die Digitalisierung der Polizeiarbeit. Bessere, schlechtere oder andere Überlieferung im Archiv?

Panel 6: Unsicherheit
Moderation: Lena Haase (Trier)

Gerhard Sälter (Berlin): Unsicherheit als Resultat polizeilichen Handelns. Das Beispiel Ost-Berlins im Kalten Krieg

Barbara Manthe (Bielefeld): Polizei und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1990

Margo De Koster (Gent) / Herbert Reinke (Kerpen): „gantz scharen töchteren und wyber“. Urban Nights and Urban (Dis-)Order: A Research Agenda