New Perspectives on Romanization and Islamication

New Perspectives on Romanization and Islamication

Organisatoren
Sabine Panzram / Stefan Heidemann, RomanIslam – Center for Comparative Empire and Transcultural Studies, Universität Hamburg
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.09.2021 - 01.10.2021
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Von
Dominik Kloss, Historisches Seminar - Arbeitsbereich Alte Geschichte, Univesität Hamburg

Als sich im Frühjahr 2020 Vertreter der Altertumswissenschaften und der Islamwissenschaften an der Universität Hamburg erstmals unter dem Dach des DFG-geförderten „RomanIslam Center for Comparative Empire and Transcultural Studies“ zusammenfanden, hatte ihnen ein grundlegender fachlicher Perspektivwechsel vorgeschwebt. Das zeitgleich und nachhaltig um sich greifende COVID-19-Virus hat dann ganz andere Aspekte und Herausforderungen für jenes interdisziplinäre und nur durch internationale Vernetzung mit Leben zu erfüllende Projekt mit sich gebracht. So konnte der ursprünglich als Auftaktveranstaltung angedachte Workshop „New Perspectives on Romanization and Islamication“ nach mehrmaliger Verschiebung erst eineinhalb Jahre später als Hybridveranstaltung stattfinden; er fungierte jetzt aber vielmehr als ein vorläufiges Resümee der zwischenzeitlichen Bemühungen, eine Forschungsinfrastruktur und den persönlichen Austausch unter pandemischen Bedingungen in Hamburg zu organisieren. Dass aus unterschiedlichsten Disziplinen Beitragende von drei Kontinenten in diesem Herbst persönlich am Tagungsort, dem Warburg-Haus, erste Ergebnisse ihrer Studien präsentieren konnten und zugleich zahlreiche weitere internationale Hörer zugeschaltet waren, darf daher ebenso als Bestandsaufnahme wie als Erfolgsmeldung gewertet werden.

Die Dankbarkeit für die Möglichkeit zur Teilnahme vor Ort, gleichsam aber auch die Freude darüber und über die Teilnahme einer breiteren internationalen Fachöffentlichkeit im Digitalen, stellten SABINE PANZRAM (Hamburg) und STEFAN HEIDEMANN (Hamburg) als gastgebende Direktoren in den Mittelpunkt ihrer Einführungen. Des Weiteren präsentierten sie eine Rückschau auf das bis dato erarbeitete umfangreiche Programm des RomanIslam-Centers etwa in Form von zahlreichen Gastvorträgen und mehreren Workshops. Das unter der vergleichenden Beschäftigung mit den Schlagworten „Romanisierung“ und „Islamication“ angestrebte Zusammenführen zweier unterschiedlicher Fachkulturen – nicht zuletzt in der Hoffnung, begriffliche Überschneidungen zu finden – könne nun noch gezielter angegangen werden. SILKE SEGLER-MESSNER (Hamburg) als Dekanin der geisteswissenschaftlichen Fakultät, NADER BOUSRIH als Generalkonsul von Tunesien sowie PEDRO VILLENA PÉREZ als Generalkonsul von Spanien betonten in ihren Grußworten unter anderem die zeichenhafte Rolle des (wieder) zugänglichen RomanIslam-Centers für den multikulturellen Zusammenhalt und die akademischen Traditionen an der Universität Hamburg.

Im ersten – althistorischen – der beiden Auftaktvorträge warf SEBASTIAN SCHMIDT-HOFNER (Tübingen) einen Blick auf das Forschungsfeld spätrömische Aristokratie und wertete dafür Textzeugnisse von Autoren wie Sidonius Apollinaris, Cassiodor oder Johannes Lydos aus. Jene hatten einerseits die anhaltende Relevanz der – in der statuarischen Darstellung vermehrt durch Rangabzeichen und Insignien sichtbar gemachten – Ämterlaufbahn in der Selbstdarstellung der Reichseliten betont, formulierten andererseits aber auch ein (in Amtseiden bezeugtes) ethisches und durch Gesetzeskenntnis geprägtes Regierungsverständnis. In christlicher Lesart konnte derartig vorbildhaftes Verhalten von Magistraten unter Bezug auf nachahmenswerte biblische Herrscherfiguren wie dem alttestamentarischen Josef weiterhin – nunmehr für Bischöfe – evoziert werden. Die in den letzten Jahren zu attestierende Popularisierung der Debatten um die Bewertung der Eroberung von al-Andalus im 8. Jahrhundert stand für ABIGAIL BALBALE (New York) im Fokus ihres Auftaktvortrages aus islamwissenschaftlicher Sicht. Dabei zeigte sich zunächst anhand einer Zusammenschau von Äußerungen rechter Gruppierungen bzw. Parteien in Spanien und den USA, dass durch jene Akteure eine islamophobe und immigrationsfeindliche Lesart der historischen Vorgänge in den Vordergrund gerückt wird, die eher als Reflex auf aktuelle Phänomene zu deuten ist. Von der Terrororganisation Islamischer Staat propagierte Parolen zur erhofften Rückeroberung von al-Andalus bedienen ihrerseits diesen Diskurs mit einer ganz eigenen Agenda. Beide Positionen können sich dabei auf einseitig argumentierende populärwissenschaftliche Publikationen berufen.

Die am Morgen und Vormittag des zweiten Konferenztages angesiedelte erste Sektion mit Fallbeispielen von der Iberischen Halbinsel eröffneten ALBERTO LEÓN MUÑOZ und JOSÉ ANTONIO GARRIGUET MATA (Córdoba) mit Einblicken in die jüngeren Feldforschungen im nordwestlichen Areal der Moschee von Córdoba. Seit September 2020 erfolgte Grabungen im Patio de los Naranjos brachten Spuren eines spätantiken monumentalen Baus ans Tageslicht, bei dem es sich unter Umständen um den Bischofskomplex der Stadt gehandelt haben könnte. Ebenso wie für diesen zeigte sich die verkehrsgünstige Lage unweit der Brücke über den Guadalquivir für das westlich benachbarte Viertel mit Verwaltungsbauten als kontinuierlich vorteilhaft – erfolgte doch an dieser Ecke der Stadt nachmalig noch die Erweiterung zur arabischen und christlichen Palastanlage Alcázar. VOLKER MENZE (Wien), im Frühjahr 2020 einer der ersten Fellows des RomanIslam-Centers, präsentierte Ergebnisse seines Hamburger Forschungsaufenthaltes mit Schlaglichtern auf den Aufbau der hispanisch-westgotischen Kirche im 6. Jahrhundert. Bis in die 580er-Jahre hinein blieben deren Bischöfe weitestgehend ohne eigene Amtsbezirke und waren daher lediglich in der Hauptstadt Toledo einflussreich, ihre Legitimität wurde allerdings erst nach dem dritten Toletanum im Jahr 589 ernsthaft infrage gestellt. In diesem Zusammenhang sei daher zu überlegen, die bislang geläufigen, aber potentiell irrtümlichen Zuschreibungen „arianisch“ und „katholisch“ zugunsten einer zeitspezifischen Terminologie zu ersetzen. An für die jeweilige Theologie maßgeblichen Konzilien orientierte (Selbst-)Bezeichnungen wie „ariminisch“ bzw. „nicänisch“ könnten stimmigere Alternativen darstellen. Mit der Rechtspraxis am westgotischen Königshof beschäftigte sich DAMIÁN FERNÁNDEZ (Illinois – Berlin) und machte dabei einleitend deutlich, dass Gesetze weniger als Indikatoren sozialer Realitäten, sondern vielmehr als Versuche von Autoritäten, diese zu beeinflussen, gesehen werden müssten. Dies zeigte er an Beispielen aus dem Erbrecht, denen zufolge der testamentarische Pflichtanteil für Nachkommen zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert signifikant von 25 auf 80 Prozent erhöht wurde. Bei der Auswahl von Zeugen wurden außerdem eine einwandfreie Abstammung und materieller Wohlstand als Garanten für ein ordnungsgemäßes Testat in die Gesetzestexte eingeschrieben. Die reichhaltigen Befunde spätantiker Villen auf der iberischen Halbinsel nahm JAVIER ARCE (Lille) in den Blick. Deutlich werde einerseits, dass die gewaltigen Dimensionen einzelner Räumlichkeiten wie auch die Mosaikausstattung in Komplexen wie Noheda, Carranque oder Cercadilla als bauliche Entsprechungen der Villegiatur gelten können, wie sie bei Prokop und Orosius bzw. bereits in der Cena Trimalchionis Niederschlag fand. Andererseits müsse festgehalten werden, dass trotz bildlich dargestellter Individuen und einzelner inschriftlicher Indizien für so gut wie keine der 300 dokumentierten Villen ein konkreter Bauherr oder Besitzer zu benennen ist. Wie sich die zentraliberischen Landschaften rund um die westgotischen Herrschaftszentren Toletum und Reccopolis unter dem Eindruck der Zäsuren des 8. Jahrhunderts wandelten, beleuchtete LAURO OLMO ENCISO (Alcalá). Den von Fernando Ortiz Fernández um 1940 geprägten Begriff der „Transkulturation“ zugrunde legend, lässt sich anhand der vergleichenden Untersuchung nicht zuletzt ländlicher Fundplätze eine stetige Zunahme islamischer Hinterlassenschaften wie Münzen und Bestattungen in dieser Region attestieren. Auffällig ist dabei die trotz mehrerer neuer bzw. verlagerter Siedlungen noch bis zum 9. Jahrhundert andauernde arabische Präsenz – vielleicht sogar in Form einer Moschee – in Reccopolis.

Den Übergang zur nächsten Sektion, die sich nordafrikanischen Schauplätzen widmen sollte, gestaltete DARÍO BERNAL CASASOLA (Cádiz) passenderweise mit einer Analyse der Straße von Gibraltar als spätantiker Wirtschafts- und Handelsregion. Wenngleich deren atlantische Küstenabschnitte in der Forschung bislang unterrepräsentiert sind und moderne Überbauung einiger Städte deren Untersuchung erschwert, lassen sich mit Malaca (Málaga), Onuba (Huelva) und Septem (Ceuta) überregional wichtige keramische Produktionszentren zwischen dem 3. und 7. Jahrhundert benennen. In Baelo Claudia (Bolonia) und Traducta (Algeciras) überdauerte die garum-Produktion das Ende der römischen Kaiserzeit ebenfalls deutlich, wahrscheinlich einhergehend mit der anhaltenden militärischen Präsenz am fretum gaditanum. Eine Zusammenschau der epigraphischen Zeugnisse der nordafrikanischen Provinzen Roms – und insbesondere ihrer Erforschung – offerierte SABINE LEFEBVRE (Dijon). Sie wies darauf hin, dass Antiquare bereits früh einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Bestände lieferten, die gerade in den gut erhaltenen mauretanischen Ruinenstädten zahlreiche Aspekte antiken urbanen Lebens abdecken. Die von der französischen Kolonialmacht seit den 1880er-Jahren nach deutschem Vorbild und unter deutscher Beteiligung aufgebauten Inschriften-Korpora wurden (und werden) jedoch nur äußerst schleppend publiziert und ignorierten häufig antike überregionale Zusammenhänge zugunsten moderner Staatengrenzen. Abgesehen von Datenbanken wie „EpiCherchell“, die für einzelne Orte gepflegt werden, bleibe das Aussagepotential vieler nordafrikanischer Inschriften daher immer noch ungenutzt. Im Rahmen des von PHILIPP VON RUMMEL (Berlin) vorgestellten Kooperationsprojektes „ISLAMAFR“, welches urbane Veränderungsprozesse des Frühmittelalters im Tal des Flusses Medjerda unter die Lupe nimmt, möchten das DAI sowie seine englischen und tunesischen Partner das für Nordafrika als besonders quellenarm geltende 8. Jahrhundert stärker sichtbar machen. Zusätzlich zur Herausforderung, hier modern überbaute Städte wie Vaga (Beja) zu untersuchen, zeigt sich unter diesem Gesichtspunkt das Fallbeispiel Simitthus (Chemtou) durch seine detailliert erfassbare Stratigraphie als vielversprechend. Dass chronologische Lücken im frühislamischen Nordafrika auch durch das Einbeziehen überregionaler Kontakte – etwa mit Ägypten oder Sizilien – geschlossen werden könnten, zeigte anschließend CHOKRI TOUIHRI (Tunis). Wenngleich bislang nur wenige frühe Töpferofen gefunden wurden, sind etwa Exporte lokal hergestellter Gefäße in diese Nachbarregionen durchgehend vom 6. bis zum 9. Jahrhundert nachzuvollziehen, während wiederum die arabische Neugründung Kairouan selbst glasierte Keramik aus dem östlichen Mittelmeerraum bezog. Weitere Aussagekraft zu diesen Fragestellungen dürften künftig Neuuntersuchungen byzantinischer Kleinkastelle und arabischer Küstenfestungen (ribāt) sowie die Unterwasserarchäologie mit sich bringen.

Am Beginn der den dritten Konferenztag einleitenden Sektion „Transcultural and Comparative Empire Studies“ standen bei MARTIN PITTS (Exeter) terminologische Überlegungen zur „Romanization“ im Fokus. Einhergehend wurde die Bandbreite von zentralistischen über dezentrale bis hin zu netzwerkartigen Modellen zur Erläuterung dieses Begriffes ebenso problematisiert wie die Schwierigkeit, Globalisierungskonzepte oder postkoloniale Zugänge in diesem Kontext anzuwenden. Ob der alternative Vorschlag, Romanisierung als eine von Strukturen und Institutionen weitgehend losgelöste, objektzentrierte Geschichte zu fassen, tragfähig ist, bleibt indes abzuwarten. Für eine von spezifischen Vergleichsbeispielen weiterer vorkolonialer Weltreiche geleitete Untersuchung von Prozessen der „Romanization“ und „Islamication“ warb PETER BANG (Kopenhagen). Anhand der Betrachtung, wie etwa die überbürokratisierte Qing-Dynastie in China oder dialogbetonte buddhistische Königreiche in Südostasien erfolgreich die Peripherie ihrer Herrschaftsgebiete einbezogen, während im islamischen Nordwestafrika zur Zeit des Ibn Chaldūn der Integrationsprozess maghrebinischer Dynastien weitgehend scheiterte, zeige sich das vielfältige Repertoire multiethnischer Imperien. Hier wie dort lässt sich in der komparatistischen Perspektive die Interaktion zwischen zentral gelegenen Höfen und lokalen Eliten als wichtiger Faktor festhalten.

Die Sektion „Conflicting Narratives – The Imperial Perspective” bestritt ALEJANDRO GARCÍA-SANJUÁN (Huelva) mit einem quellenbasierten Vortrag zur Entstehung von al-Andalus. Münzlegenden arabischer fulūs und Dinare aus den ersten beiden Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts zeigen, dass Mūsā ibn Nusair, der als Gouverneur in Ifrīqīya zunächst noch lateinische Beschriftungen verwendet hatte, auf der Iberischen Halbinsel dann bereits Bilinguen prägte. Archäologisch bezeugte Plünderungen aus der Zeit der Eroberung – etwa des Kirchenkomplexes El Bovalar beim katalanischen Serós – finden ihren Nachhall in arabischen Bleisiegeln und Chroniken, die Sklavenhandel, Beuteteilungen und Kapitulationen von Städten in Hispanien thematisieren. Wenngleich die Errichtung der neuen islamischen Herrschaft demzufolge nicht ohne Gewaltausübung einherging, müsse ein kritisches Bewusstsein gegenüber denjenigen Forschungsansätzen angebracht werden, die jenen Prozess jeweils einseitig nur als einschneidende Katastrophe oder aber als lediglich durch Aushandlungsprozesse geprägt sehen.

FELIX ARNOLD (Madrid) präsentierte zum Auftakt der Sektion zur „Material Culture“ die Ergebnisse jüngerer Grabungen im Umland von Córdoba, welches im 10. Jahrhundert – der Zeit des Kalifats – eine beispiellose Blüte erlebte. Im Bereich des sogenannten Gran Pórtico, der baulichen Rahmung eines zentralen Platzes in der Residenz Madinat al-Zahra im Nordwesten Córdobas, ließen sich während der 2017 bis 2022 erfolgten Neuuntersuchung sechs dicht aufeinanderfolgende Bauphasen aus den Jahren zwischen 940 und 975 dokumentieren. Die Entwicklung der Anlage von einer schlichten Umfassungsmauer über eine Verstärkung mit Türmen bis hin zu einem vorgeblendeten, mit Kapitellen verzierten und später wieder zugesetzten Arkadengang lässt sich nunmehr gut nachvollziehen. Zu den Besonderheiten zählt eine in den Hof vorragende hohe Bank aus der vierten Bauphase (ca. 950-955), die als Trittstufe für die Ankunft von Reitern gedeutet werden kann. Dass im Falle des frühislamischen Nordafrika archäologisch fassbare Zerstörungen oder Siedlungsaufgaben ohne stützende Chronologie allzu leicht in den Kontext der arabischen Eroberung gesetzt werden, problematisierte CORISANDE FENWICK (London). In diesem Zusammenhang müsse auch die Frage gestellt werden, ob die drastischen Schilderungen der Einnahme von Karthago im Jahr 697/698 nicht eher topisch sind und vormalige Eroberungen der Stadt evozierten. Bezeugt ist allerdings neue Siedlungstätigkeit arabischer Garnisonen im 8. Jahrhundert – etwa im tunesischen Henchir el-Faouar, wo sich nördlich des antiken Belalis Maior ein Fort mit umliegender Hofhausbebauung etablierte. An das berberische Walīla in Marokko, welches sich in das Stadtgebiet des im 5. Jahrhundert aufgegebenen antiken Volubilis gesetzt hatte, wurden im Laufe des 8. Jahrhunderts extra muros gleich mehrere arabische Viertel hinzugefügt.

„Manuscripts and Documents“, die sich anschließende Sektion zur Schriftkultur, eröffnete JONATHAN BROCKOPP (State College – Hamburg) mit Beobachtungen zum Wirken der frühislamischen Ulema. Jene Gelehrten, die wesentlich zur Verbreitung der arabischen Schriftsprache beitrugen, dürften erst im späten 8. Jahrhundert aus mönchsartigen Gemeinschaften hervorgegangen sein. Eine Sammlung von gut zwei Dutzend Manuskripten aus den darauffolgenden Jahrzehnten, die sich in Kairouan erhalten hat, bezeugt die große Bedeutung literarischen Schaffens in diesen Kreisen. So konnte im späten 10. Jahrhundert ein Kopist wie Ahmad b. Muhammad b. Abd al-Rahman al-Qasri Auskunft über sein prüfendes Vorgehen beim Abgleich mehrerer ihm vorliegender Handschriften geben. Die hochmittelalterlichen arabischsprachigen Manuskripte aus dem Kirchenarchiv der Kathedrale von Toledo standen sodann bei ROCIO DAGA-PORTILLO (München) im Mittelpunkt. Christliche Schreiber hatten zwischen dem späten 11. und dem späten 14. Jahrhundert fast 1200 Texte verfasst, die – insbesondere in rechtlichen Fragen – der Lebenswirklichkeit islamischer Bevölkerungsteile in der nunmehr kastilisch beherrschten Stadt Rechnung trugen. So wurde in Testamenten darauf Wert gelegt, dass Datierungen und die Stellung von Zeugen dem kastilischen Recht folgten, während Dokumente wie ein Heiratsvertrag des Jahres 1185 zeigen, dass Elemente arabischer Tradition wie die Festlegung der Mitgift als Brautgeschenk weiterhin geduldet blieben.

Auch die beiden Beiträgerinnen der letzten Sektion widmeten sich unter dem Thema „Emergence of Islamic Scholarship“ noch einmal gezielt den Hinterlassenschaften arabischer Gelehrter in al-Andalus wie auch in Ifrīqīya. MARIBEL FIERRO (Madrid) wertet im Rahmen des Projekts „History of the Authors and Transmitters of al-Andalus (HATA)“ die Entstehungs- bzw. Übersetzungsumstände der deutlich über 13.000 Texte im arabischen Hispanien zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert aus. Bei der statistischen Auswertung der beispielhaft in den Blick genommenen aus al-Andalus stammenden Ulema – es sind mehrere hundert –, die bis zum späten 10. Jahrhundert die islamische Welt bereisten, fällt auf, dass deren Ziele zunächst in den nahöstlichen Kernlanden lagen und erst ab dem späten 9. Jahrhunderts vermehrt in Nordafrika. Auch hierin spiegelt sich die zunehmende Bedeutung von Kairouan als Gelehrtenzentrum. Mit einer erschöpfenden Präsentation biographischer Quellen aus der Zeit der Aghlabiden beschloss CAMILLA ADANG (Tel Aviv) den inhaltlichen Part des dritten Tagungstages. Anhand der in vielen Varianten überlieferten Lebensbeschreibung des Abū Jaʿfar Aḥmad b. Muʿtib b. Abī l-Azhar, der aufsehenerregender Weise beim Hören eines zum genügsamen Leben mahnenden Koranverses einen Schlag und daraufhin – im Jahr 890 – den Tod erlitten haben soll, ließ sich das methodische Vorgehen frühislamischer Schriftgelehrter an einem konkreten Beispiel nachempfinden. Ursprünglich in Büchern aus der Mitte des 10. Jahrhunderts überliefert, erlebte der Text bis ins späte 15. Jahrhundert noch mehrere Kompilationen und Revisionen.

In der resümierenden Abschlussdiskussion wurde noch einmal hervorgehoben, dass es gerade angesichts der Vielzahl von charakterisierenden – teils synonym gebrauchten – Zuschreibungen, die im Zuge der Tagungsbeiträge für die Phänomene „Romanization“ und „Islamication“ aufkamen, eine vorrangige Aufgabe bleibe, die gemeinsam verwendete Terminologie zu schärfen. Des Weiteren erwiesen sich Fragen nach Kontinuität und Wandel städtischer Identitäten und Verwaltungsformen sowie dem Fortleben von älteren Sprachen als wichtige Aspekte bei der Analyse der Perseveranz römischer Strukturen in frühislamischer Zeit.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Konferenz dem Anspruch der Organisatoren, „gegenwärtige Debatten hinsichtlich konstitutiver Forschungsprobleme, methodischer Fragestellungen und Positionen komparativ zusammenzuführen“, gerecht wurde.

Konferenzübersicht:

Welcome and Introduction

Sabine Panzram (Universität Hamburg) / Stefan Heidemann (Universität Hamburg) / Silke Segler-Meßner (Dean of the Faculty of Humanities / Universität Hamburg) / Nader Bousrih (Generalconsul of Tunisia in Hamburg) / Pedro Villena Pérez (Generalconsul of Spain in Hamburg)

Sebastian Schmidt-Hofner (Universität Tübingen): Images of Good Government and the Ideology of the Late Roman Aristocracy of Service

Abigail Balbale (New York University), online: Al-Andalus 8th/21st c.: The Islamic Conquest in Contemporary Debate

Iberian Peninsula

Alberto León Muñoz (Universidad de Córdoba) / José Antonio Garriguet Mata (Universidad de Córdoba): Archaeological Analysis of 1500 Years of History in the Mosque-Cathedral of Córdoba and its Urban Environment. First Results of the Excavation in the Patio de los Naranjos

Volker Menze (Central European University Vienna): The Ariminian-Visigothic Church in Sixth-Century Spain: The Quest for an Ecclesiology

Damián Fernández (Northern Illinois University – Freie Universität Berlin): Inheritance Law, Lineage, and Class Identity in the Visigothic Kingdom

Javier Arce (Université de Lille): Villae and the Society of Late Roman Spain (4th-6th Centuries)

Lauro Olmo Enciso (Universidad de Alcalá): From Visigoths to Arabs: Landscape and Transculturation in Central Iberia (6th-9th Centuries)

North Africa

Darío Bernal Casasola (Universidad de Cádiz): Late Roman Economy & Trade in Both Sides of the Strait of Gibraltar: Trends & Challenges

Sabine Lefebvre (Université de Bourgogne): The Epigraphy of the Provinces of North Africa: An Abundance of Documentary and Textual Richness

Philipp von Rummel (Deutsches Archäologisches Institut Berlin): Africa and the Long Late Antiquity

Chokri Touihri (Institut National du Patrimoine Tunis): The Africa – Ifriqiya Transition: Some Economic Effects of the Arab Conquest through Ceramic Studies

Transcultural and Comparative Empire Studies

Martin Pitts (University of Exeter), online: Romanization 2.0: Perspectives, Possibilities, and Practicalities

Peter Bang (University of Copenhagen): Empire and Culture – Islamication, Romanization and Comparative World History

Conflicting Narratives - The Imperial Perspective

Alejandro García-Sanjuán (Universidad de Huelva): The Origins of al-Andalus; the Issue of the Sources

Material Culture

Felix Arnold (Deutsches Archäologisches Institut Madrid): The Contribution of Architectural History to the Study of Empires: Problems and Potentials

Corisande Fenwick (University College London), online: Archaeology and Early Islamic North Africa: New Answers to Old Questions

Manuscripts and Documents

Jonathan Brockopp (Penn State University / CSMC Hamburg), online: An Empire of Books

Rocio Daga-Portillo (Ludwig Maximilians Universität München): „Mestizage“ of Legal Culture. Documents from the Cathedral of Toledo (11th.-14th. Century)

Emergence of Islamic Scholarship

Maribel Fierro (The Spanish National Research Council Madrid): The Emergence of the Group of Religious Scholars in al-Andalus

Camilla Adang (Tel Aviv University), online: The Early Maghribi Tradition: Ifrīqiya as a Case-Study

Roundtable Discussion / Final remarks