Innocenz III., Honorius III. und ihre Briefe. Die Edition der päpstlichen Kanzleiregister im Kontext der Geschichtsforschung

Innocenz III., Honorius III. und ihre Briefe. Die Edition der päpstlichen Kanzleiregister im Kontext der Geschichtsforschung

Organisatoren
Institut für Österreichische Geschichtsforschung; Österreichisches Historisches Institut in Rom
Ort
hybrid (Wien)
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.10.2021 - 15.10.2021
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Von
Aaron Schwarz, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Universität Wien

Anlässlich der in Bälde zum Abschluss gebrachten Edition der Register Papst Innocenz’ III., die in Kooperation zwischen dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien und dem Österreichischen Historischen Institut, Rom über mehr als ein halbes Jahrhundert in intensiver historischer Grundlagenforschung erarbeitet wurde, widmete das Institut für Österreichische Geschichtsforschung seine im Pfarrsaal des Schottenstiftes in Wien stattfindende Jahrestagung sowohl dem erreichten Editions- und Forschungsstand als auch dem Ausblick auf die angestrebte Fortsetzung der editorischen Bemühungen in Bezug auf die Registerbände des Nachfolgers im Papstamt, Honorius’ III. Die Tagung stand zudem im Zeichen der Memoria des Mitbegründers und langjährigen Hauptherausgebers, Othmar Hageneder (†2020), dessen Person und Werk im Kontext der Papstdiplomatik in den Beiträgen zur Konferenz und einer eigenen, seinem Andenken gewidmeten Abendveranstaltung besondere Würdigung erfuhr.

In seinen einleitenden Grußworten hob SEBASTIAN SCHÜTZE (Wien) die Bedeutung historischer Grundlagenforschung im Kontext der Auslandsinstitute hervor. CHRISTIAN LACKNER (Wien) übermittelte in seiner Einführung auch eine Grußadresse des Präfekten des Vatikanischen Archivs, Monsignore Sergio Pagano, an die Tagungsteilnehmer, in der dieser die Patronanz des apostolischen Archivs für eine Edition der Register Honorius’ III. zusicherte. ANDREA SOMMERLECHNER (Wien) gab anschließend einen Überblick über die Geschichte der Edition, die zunächst in den 1950er-Jahren in Rom von Leo Santifaller und Othmar Hageneder begonnen, ab den 1980er-Jahren auch am Institut in Wien fortgesetzt wurde und über eine sich im Laufe der Jahrzehnte stets verdichtende Frequenz im Erscheinen der Editions-Bände bis zur Fertigstellung des 15. Bandes gelangte, dessen Manuskript im Frühjahr 2020 bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eingereicht werden konnte und nach Überwindung der Verfahrensbürokratie derzeit vor dem Druck steht. Dabei machte sie einerseits deutlich, dass ein solches Großprojekt nur in langjähriger Teamarbeit zu realisieren sei und verwies andererseits auf den Quellenwert der Papstregister, die diversen Revisionen und Anpassungen, denen ein solches Projekt im Laufe der Jahrzehnte unterworfen sei und betonte zuletzt, auch mit Blick auf zukünftige Projekte, dass im Sinne überschaubarer Etappen und der Umsetzbarkeit solche Anpassungen notwendig seien, ebenso wie eine begleitende wissenschaftliche Auswertung der Register, wie sie bis dato erfolgt sei.

In der Sektion „Papstdiplomatik vor und nach 1198“ erläuterte PATRICK ZUTSHI (Cambridge) in seinem Referat die schwer zu fassende Rolle der Prokuratoren an der römischen Kurie, die über Kanzleiordnungen, Briefe in den Registern sowie im Original überlieferte Papsturkunden fassbar seien, wobei besonders die erste Quellengattung für die Beleuchtung ihrer konkreten Tätigkeit aufgrund ihres normativen Charakters problematisch sei. Es sei grundsätzlich zwischen von den Petenten ausgesandten und an der Kurie dauerhaft ansässigen Prokuratoren zu unterscheiden, es ergebe sich in der Gesamtschau aller drei Quellentypen aber ein konsistentes Bild der Prokuratoren-Tätigkeit unter Innocenz III.

Einen wissenschaftshistorischen Blick auf die Innocenz-Edition richtete DAVID D’AVRAY (London), wobei er besonders die umfassenden diplomatischen Studien Heinrich Fichtenaus und Othmar Hageneders und die Verknüpfung mit konkreter historischer Forschung („angewandte Diplomatik“) sowie Hageneders Studien zur Bedeutung einzelner Formeln und zur Frage, was das päpstliche Urkundenwesen zum Anspruch einer „Weltherrschaft“ der Päpste beitrug, herausstrich. Als Desiderate meldete er die Ausdehnung der Arengen-Forschung in der Nachfolge Fichtenaus auf die spätantiken, über Dekretalensammlungen bekannt gebliebenen Papstbriefe, die nähere Untersuchung der delegierten Gerichtsbarkeit im 15. und 16. Jahrhundert sowie eine Papstdiplomatik des 16. Jahrhunderts an.

Die Präsenz der Papstbriefe Innocenz’ III. und Honorius’ III. in den im Umfeld der Kurie als Muster entstandenen Briefsammlungen, insbesondere des Thomas von Capua und des Ps.-Marinus von Eboli, beleuchtete ANDREAS FISCHER (Erlangen), der über 600 Papstbriefe in der „Normalsammlung“ des Thomas von Capua ausmachen konnte, diese mit Blick auf die päpstlichen Register verglich und anhand eines Honorius-Briefes die Veränderungen eines Schreibens in der Rezeptionsgeschichte verdeutlichte.

In der Sektion „Register und Kirchenrecht“ zeigte STEFAN SCHIMA (Wien) auf, dass Innocenz zwar nicht zu den „Juristenpäpsten“ im engeren Sinne zu rechnen sei, er aber u.a. durch die Einführung des Inquisitionsverfahrens und die „Kultivierung“ des Informationsprozesses in gewisser Weise als Vordenker der modernen Rechtsstaatlichkeit zu bezeichnen sei.

Anschließend ging RAINER MURAUER (Rom) auf den Spezialfall von Pfründentausch und Pfründenteilung und die veränderte Wahrnehmung und Handhabung in der Praxis ein, wobei anhand päpstlicher Schreiben deutlich gemacht werden konnte, dass die vielzitierten Bestimmungen des Kanon 1 des Konzils von Tours keinesfalls der Lebenswirklichkeit im 12. und frühen 13. Jahrhundert entsprachen.

Die Sektion abschließend beleuchtete LOTTE KÉRY (Kassel) die Wirkung Innocenz’ III. im Kirchenrecht anhand seiner Dekretalen, die für das kanonische Rechtsverständnis des 13. Jahrhunderts eine bedeutende gewesen sei, wobei er in seinen Entscheidungen auch pastoraltheologischen Erwägungen folgte. Sie exemplifizierte seine Rechtsauffassung anhand der ersten vier Dekretalen zum Titel De homicidio (X 5.12) des Liber Extra, in denen es um Fragen der Irregularität von Klerikern geht.

JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) stellte am Beginn der Sektion „Registerbenützung: Register auf dem Tisch der Historiker“ die Gesta Inocentii Papae als Versuch, Papstgeschichte in Form einer Vita neu zu beleben, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen und ging der Frage nach, wie die dort vielfach inserierten Papstbriefe zur Gesamtheit der Gesta in Beziehung stünden bzw. ob diese, die sich fast sämtlich in den Registern fänden, etwas über die Identität des „Autors“ der Gesta und über seine Intention hinsichtlich dieser Inserte (Herstellung größerer Authentizität?) aussagten. Dabei wurde deutlich, dass die Briefe vor allem im mittleren Teil ohne Kommentar in die Sammlung aufgenommen wurden und die Gesta sich inhaltlich an den Registern orientierten, die Formung durch den „Autor“ aber nur in der ersten Hälfte des Werkes stärker greifbar werde.

Die Bedeutung der Papstregister für die Geschichte der iberischen Halbinsel strichen DAMIAN SMITH (St. Louis) und PAUL FREEDMAN (New Haven) in ihrem Vortrag heraus, die sich dahingehend äußere, dass in den Registern die „Stimmen“ unterschiedlichster Personen aufschienen, die ansonsten verschwänden. Sie betonten aber auch den Wert der sehr verstreuten Urkundenüberlieferung Kataloniens und hoben auch die Bedeutung der Register Honorius’ III. für die Iberia hervor. Es gehe in Zukunft besonders darum, die iberischen Regionalarchive im Stil der Iberia Pontificia stärker auszuwerten und ebenso Überlieferung in Privatarchiven bzw. -besitz ausfindig zu machen.

CHRIS SCHABEL (Nikosia) erläuterte die Bedeutung der Papstregister für den lateinischen Osten, zeigte Forschungsdesiderate u.a. für die Zeit des großen Schismas auf, stellte seine Forschungsvorhaben am Cyprus Research Center vor und verwies nachdrücklich auf die Probleme vieler zeitgenössischer Forscher bei der Analyse und Interpretation dieser Quellen, die vielfach auf mangelndes (lateinisches) Sprachverständnis und inhaltliche Unkenntnis der Zusammenhänge zurückzuführen seien.

Die in den Registern enthaltenen Briefe Innocenz’ III. zu Sizilien stellte KRISTJAN TOOMASPOEG (Rom) vor, wobei er zeigen konnte, dass besonders im ersten Pontifikatsjahr allgemein eine große Zahl an Urkunden registriert worden sei, während nach 1208 nur wenige Briefe zur Politik Innocenz’ III. in Sizilien überliefert seien. Hauptthemen der Papstbriefe seien Kirchenverwaltung und -politik ebendort; auch Konflikte zwischen Kircheninstitutionen und formelle Prozesse nach kanonischem Recht seien Gegenstände päpstlicher Schreiben. Desiderate meldete der Referent zum einen hinsichtlich der Zugänglichkeit des Materials sowie einer Katalogisierung aller Urkunden an, was beides vornehmlich digital zu erfolgen haben werde.

Sein Editions-Projekt der Monumenta Vaticana res gestas Polonicas illustrantia (1378–1503 umfassend) stellte MAREK KOWALSKI (Kraków) vor und erläuterte sein editionstechnisches Vorgehen, unter Erhalt der grammatikalischen Integrität der Texte diese in einer in den Formularteilen abgekürzten Form wiederzugeben (und sie in einer Datenbank in ihrer Vollform leicht abrufbar zur Verfügung zu stellen) sowie seine Heranziehung der verschiedenen kurialen Textsorten, also neben den Papstregistern auch Rechnungsbücher und Kameral-Akten und die durch andere Kriterien determinierte Überlieferung bei den Empfängern.

Die Arbeit am Repertorium Germanicum (RG), das ein wichtiges Vorbild für die Monumenta Vaticana Kowalskis darstellt, thematisierte JÖRG VOIGT (Rom/Hannover) am Beginn der Sektion „Technisches“ aus der eigenen Praxis am Deutschen Historischen Institut Rom heraus, zeichnete die Geschichte des Unternehmens von den späten 1880er-Jahren bis heute nach und ging ebenso auf das in den 1990er-Jahren durch die neue Zugänglichkeit der Quellen ermöglichte Repertorium Poenitentiariae Germanicum ein. Dabei wurde deutlich, dass die kuriale Überlieferung für Empfänger im Reich im 14. und 15. Jahrhundert durch die hierbei entwickelten editorischen Verfahren platzsparend und umfassend aufgearbeitet werden könne, was die Fortsetzung des derzeit bedrohten Projektes des RG in Rom dringend wünschenswert erscheinen ließe.

ANDREAS GOTTSMANN (Rom) beleuchtete ein Segment der Arbeit an der Innocenz-Register-Edition aus Sicht des Österreichischen Historischen Instituts in Rom, von den Anfängen in den 1950er-Jahren, den Bemühungen Leo Santifallers um die Schaffung entsprechender Posten in Rom, im Spiegel der im ÖHI verwahrten Briefkorrespondenz u.a. Santifallers und zeigte auf, dass viele ambitionierte Projekte der 1950er- und 1960er-Jahre nie eine Verwirklichung erfahren konnten. Außerdem ging er auf die Regesten Pietro Pressuttis zu Honorius III. ein, die bereits von den Zeitgenossen scharfe Kritik erfahren hatten.

Den Wert einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Diplomatikern, Archivaren und Informatikern demonstrierten MARCO MAIORINO, PAOLO MERIALDO und SERENA AMMIRATI (Rom) anhand ihres gemeinsamen Forschungsprojektes In Codice Ratio (ICR), das unter Verwendung der Register Honorius’ III. bemüht sei, computergestützte Verfahren zu entwickeln, um (vatikanische) Dokumente zu transkribieren. Versuche, „crowd based“ bzw. „advanced“ vorzugehen, d.h. entweder durch Laien eine große Zahl an Transkriptionen, die die Maschine benötige, um die Schrift (diplomatische Minuskel) zu „lernen“, herstellen zu lassen und dabei Fehler in Kauf zu nehmen oder durch versierte Paläographen und Diplomatiker präzisere, aber aufwendigere Transkiptionen zu erhalten, wurden vorgestellt und ihre Grenzen und Möglichkeiten erörtert. Dabei wurde deutlich, dass langfristig die Maschine zur Volltext-Transkription auch lateinische Sprachkenntnisse benötige. Durch das Einspeisen einer großen Varianz von Worttrennungs-Möglichkeiten könnten langfristig auch die Kompetenzen der Software in diesem Bereich verbessert werden. Ziel sei es unter anderem, die derzeit vor allem als Bildmaterial vorhandenen vatikanischen Dokumente durch maschinelle Transkriptionen im Sinne der Digital Humanities etwa in Form eines knowledge graph verknüpfen zu können und damit weiterreichende Zusammenhänge herzustellen und Semantiken zu generieren. Als Fazit wurde festgehalten, dass die Maschine zwar ein Assistent für den Paläographen sein könne, jedoch der ständigen Überwachung durch den Experten bedürfe.

Katalogisierung, Edition, Verarbeitung der Urkundentexte und visueller Eigenschaften von Urkunden bildeten den Gegenstand des Vortrags von GEORG VOGELER (Graz), der das Pilot-Projekt des Censimento digital (Deutschordenszentralarchiv Wien) vorstellte, für den Einsatz von aggregierten Datenbanken auf der Basis von Linked Open Data warb, um damit die Vernetzung von Datenbanken zu ermöglichen, sodass etwa Bezüge zwischen Originalurkunden und Registereinträgen technisch herstellbar und visualisierbar würden. Sein abschließender Appell ging dahin, grundsätzlich (digital-)editorische Verfahren auf Linked Open Data mit stabiler URL hin zu denken, für eine Umstellung etablierter Verzeichnungs- und Editionsprojekte in digitaler Umgebung einzutreten sowie „unsaubere“ Techniken bei den schieren Materialmassen zu akzeptieren und einen einfachen Zugang zu automatisierten Verfahren zu bieten.

In der abschließenden Sektion „Erfahrungen aus der Edition. Ausblick auf Honorius-Register, Probleme, Fragen, Möglichkeiten“ widmete sich CHRISTOPH EGGER (Wien) unter dem herausfordernden Titel „Sind 4183 Briefe genug?“ der Frage, inwieweit Innocenz III. als „Autor“ der unter ihm entstandenen Register anzusprechen sei, und ging dabei verschiedenen, philologischen Spuren nach, wobei er nach Einflüssen aus Liturgie, persönlichen Frömmigkeitskonzepten des Papstes und Formulargleichheiten fragte. Es wurde deutlich, dass die Frage nach der „Autorschaft“ im modernen Sinne insofern falsch gestellt sei, als Innocenz im mittelalterlichen Verständnis zwar als „Autor“ dieser Briefe zu gelten habe, indem sie unter seiner auctoritas entstanden, jedoch nicht alle von ihm persönlich verfasst worden sein müssen, sondern viele andere Personen beteiligt waren, die sich auf Schriften des Papstes selbst gestützt haben könnten, und schon gar nichts über seine „Persönlichkeit“ anhand der Briefe ausgesagt werden könne. Die gelegentliche Verwendung der 1. Person Singular etwa sei keine individuelle Eigenart, sondern werde durch Vorlagen zu einem Topos. Das Bild Innocenz‘ bleibe daher fragmentarisch.

Dem Verhältnis von Urkundenausstoß und Registereintragung unter Honorius III. versuchte sich THOMAS SMITH (Rugby) in seinem Vortrag anzunähern und konnte zeigen, dass die große Masse des von ihm untersuchten Registermaterial Empfänger in Frankreich betreffe. Dieses Übergewicht sei wohl empfängerbedingt. Weniger als zehn Prozent der untersuchten, vor allem England betreffenden, Originalurkunden seien in den Registern vertreten, was allgemein die Frage nach der Repräsentanz der Papstregister aufwerfe, der weitere Forschung angesichts des verhältnismäßig hohen Ausstoßes an Urkunden unter Honorius III. nachzugehen habe.

In einem abschließenden Ausblick auf die geplante Edition der Register Honorius’ III. ging ANDREA SOMMERLECHNER auf den Sinn editorischer Arbeit ein und strich die Argumente für ein solches Vorhaben heraus: Für Innocenz habe gegolten: „der Migné ist unzureichend gewesen“; für Honorius gelte: „es gibt keine Edition!“ Die Arbeit Pietro Pressuttis und diverse regionale Auswahl-Editionen dieses auch sprachlichen Monumentes seien absolut unzureichend. Die Frage sei nun: „Wie soll diese Edition aussehen? Wie ist sie umzusetzen? Soll sie schlanker werden? Ist die Berücksichtigung der Empfängerüberlieferung überhaupt entbehrlich?“ Die Aufschlüsselung nach Similien, Sachangaben und Personen sei jedenfalls fortzusetzen und in Zukunft wohl noch stärker auf Experten (des In- und Auslandes) aufzuteilen. Es seien zudem sprachliche Aufbereitung und Interpunktion in der Waage zu halten. Zu einer erleichterten Benutzung könne etwa über englische summaries und ausführlichere Regesten nachgedacht werden. Die Frage der Machbarkeit erörterte die Referentin anhand einer aktuellen Bestandsaufnahme. In Kürze beginne die Bearbeitung des ersten Registerbandes; eine neue Transkription der ersten zwei Bände liege vor; es bestünde die Möglichkeit zur Vernetzung; schließlich sei kompetentes Personal für den Sachkommentar (weiterhin) verfügbar. Es brauche für eine Fortsetzung des Projektes insbesondere eine feste institutionelle Verankerung mit einem/einer hauptamlichen Bearbeiter:in, was die Innocenz-Edition gezeigt habe. Ebenso seien Förderer und Dienstgeber entscheidend für das Gelingen.

Den Abschluss der Tagung bildete ein Round Table, der Eindrücke und Anregungen vereinte. Es sei aus den Statements festgehalten, dass LUDWIG SCHMUGGE (Zürich) die historische Grundlagenforschung in Wien vor dem Hintergrund wechselnder Moden in der Geschichtswissenschaft lobte, die Wichtigkeit der Integration von Datenbanken für den internationalen Vergleich betonte und schließlich darauf hinwies, dass die ihrem Gründungszusammenhang entstammende nationale Ausrichtung der Auslandsinstitute diesen heute vielfach zu ihrem Nachteil gereiche. Er warb hinsichtlich des Honorius-Projektes und erschwerter Finanzierungsbedingungen dafür, Gelder für dieses Vorhaben, das ein genuin europäisches sei, über die Möglichkeiten der Europäischen Union einzuwerben. Aus seiner eigenen Arbeit an konstantinopolitanischen Patriarchats-Registern gab OTTO KRESTEN (Wien) Anregungen für die Honorius-Edition. So betonte er, dass es einer festangestellten Person als Hauptherausgeber, Leitfigur und Koordinator eines Teams von Mitarbeitern bedürfe sowie deutsche Übersetzungen zu überlegen, Vollregesten in englischer Sprache wohl notwendig seien. An eine Aufbereitung in digitaler Form sei jedenfalls zu denken; angesichts von Zweifeln hinsichtlich wohlwollender Finanzierer werde stetes Engagement bei den Geldgebern nötig sein. MARIA PIA ALBERZONI (Milano) hob als entscheidende Gründe für die Edition der Honorius-Register besonders die Forschungsdesiderate zu dessen Ansichten zu bestimmten Sachfragen und seiner Umgebung, die unzureichende und irreführende Arbeit Pressuttis, die revidierte und weiter zu revidierende Bewertung Honorius’ III. als eines „schwachen“ Papstes, sein Eintreten für die Bettelorden sowie seine Politik gegenüber der Häresie, sein Verhältnis zu Friedrich II. bis zur Kaiserkrönung und zu den oberitalienischen Kommunen und der Stadt Rom hervor, deren Aufklärung erst die Edition seiner Kanzleiregister ermöglichen könnte. Mit Blick auf das Wirken und das Vorbild Othmar Hageneders betonte sie zudem dessen praktizierte „Forschungsfreundschaften“ für eine internationale und langfristige Vernetzung eines solchen Langzeitunternehmens. Zum Schluss unterstrich WERNER MALECZEK (Wien), dass 1) durch das päpstliche Wirken die ganze lateinische Christenheit betroffen gewesen sei, eine Edition mithin in allen europäischen Ländern rezipiert würde, wozu eine von Rom ausgehende internationale Vernetzung unabdingbar sei, 2) dass durch die personelle Aufstellung und die exzellente Bibliothek des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung auch von dieser Seite ideale Bedingungen vorhanden seien und schließlich 3) die Innocenz III.-Edition sich von vergleichbaren Langzeitprojekten in ihrer organisatorischen Beständigkeit positiv abhebe und eine nahtlose Fortsetzung der Registeredition mit Honorius III. nach dem „wissenschaftlichen Desaster“ Pressuttis dringend zu wünschen sei.

In seinem Abschlussplädoyer sicherte CHRISTIAN LACKNER als Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung seine uneingeschränkte Unterstützung für ein Gelingen der Bemühungen um eine Edition der Kanzleiregister Honorius III. zu.

Konferenzübersicht:

Sebastian Schütze (Wien) / Christian Lackner (Wien): Grußworte

Andrea Sommerlechner (Wien): Einleitung. Zur Geschichte der Edition

Sektion I: Papstdiplomatik vor und nach 1198

Patrick Zutshi (Cambridge): Proctors in the chancery of Innocent III: the evidence of the chancery ordinance, the registers and the original documents compared (Videozuschaltung)

David d’Avray (London): Das Fichtenau Paradigma: angewandte Diplomatik und Papsturkundenlehre

Andreas Fischer (Erlangen): Schreiben Innocenz III. und Honorius III. in Briefsammlungen des 13. Jahrhunderts: Überlieferungszusammenhänge und Rezeptionsinteressen

Sektion II: Register und Kirchenrecht

Stefan Schima (Wien): Innocenz III. und die Entwicklung des Kirchenrechts. Versuch einer Überblicksdarstellung

Rainer Murauer (Rom): Pfründenteilung - Pfründentausch: Vom strikten Verbot zur bedingten Zulassung. Ein Beitrag zur Entwicklung des Kirchenrechts von Alexander III. bis Innocenz III.

Lotte Kéry (Kassel): Irregularität und Strafe bei Innocenz III.

Sektion III: Registerbenützung: Register auf dem Tisch der Historiker

Jochen Johrendt (Wuppertal): Die Register für sich sprechen lassen? Die Gesta Innocentii zwischen Sprachlosigkeit und Urteilsfindung

Damian Smith (St. Loius)/Paul Freedman (New Haven): The Papal Registers and the history of the Iberian Peninsula (Videozuschaltung)

Chris Schabel (Nikosia): Absolutely Essential, but Incompletely Edited, Inadequately Summarized, and Frequently Misunderstood: Papal Registers and the Latin East

Kristjan Toomaspoeg (Rom): Die Register Innocenz III. als historische Quelle für Süditalien: Beobachtungen, Bemerkungen und Desiderata

Marek Kowalski (Kraków): Problems of a comprehensive edition of the late medieval sources of papal provenance

Sektion IV: Technisches

Jörg Voigt (Rom/Hannover): Ausblick auf das 14. und 15. Jahrhundert: Das Repertorium Germanicum (RG) und das Repertorium Poenitentiariae Germanicum (RPG) (Videozuschaltung)

Andreas Gottsmann (Rom): Das Innocenz-Projekt und das Österreichische Historische Institut in Rom

Marco Maiorino/Paolo Merialdo/Serena Ammirati (Rom): Die Handschrift der Register Honorius III.: das Projekt “In Codice Ratio” und die Anwendung an den Papstregistern

Georg Vogeler (Graz): Digitale Methoden bei der Erforschung von Papsturkunden

Sektion V: Erfahrungen aus der Edition. Ausblick auf die Honorius-Register: Probleme, Fragen, Möglichkeiten

Christoph Egger (Wien): Sind 4183 Briefe genug? Überlegungen zu Autorschaft, Stil und Quellen in den Briefen Innocenz III.

Thomas Smith (Rugby): The Chancery and Registration Practice under Pope Honorius III

Andrea Sommerlechner (Wien): Ausblick

Round table
Moderation: Christian Lackner

Teilnehmer: Maria Pia Alberzoni (Milano), Brenda Bolton (St Albans; Videozuschaltung), Werner Maleczek (Wien), Otto Kresten (Wien), Ludwig Schmugge (Zürich; Videozuschaltung)


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