Exzellenzträume der Wissenschaft

Organisatoren
Julia Barbara Köhne, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin
Ort
online
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.01.2022 - 29.01.2022
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Von
Christhin Krage, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin; Nune Arazyan, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin; Mia vom Bruch, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin

Seit zwei Jahrzehnten spiegeln sich Exzellenzbestrebungen des deutschen Hochschulsystems in allgegenwärtigen Rhetoriken der Aufwertung und vielfältigen Konzepten von Spitze, Elite und Exklusivität wider. Die ‚Nachwehen‘ des Bologna-Prozesses, des Lissabon-Förderprogramms und der Pisa-Studie äußern sich, wie JULIA B. KÖHNE (Berlin) in der Einführung pointierte, in Form eines „Krisenmoments inklusive narzisstischer Kränkung“. Die südeuropäischen Städte wirkten rückblickend wie Symbolorte für hochschulpolitische Veränderung und für die Forderung nach Exzellenz. Der bildungspolitische Wandel des deutschen Hochschulsektors ziele seit langem auf dominante Leistung, Konkurrenz und Höherstellung, was sich in Vokabeln wie ‚Leuchttürme der Wissenschaft‘, ‚Bestenauslese‘ oder ‚Spitzenforschung‘ ausdrückt. Wie kann das ambivalente Verhältnis von Exzellenzierung, Neoliberalisierung und Wissenschaft heute beschrieben und reevaluiert werden? Zur Erörterung von historischen, soziokulturellen und epistemologischen Fragestellungen kritischer Exzellenzforschung und zur Annäherung an diskursive, mediale, postkoloniale und geschlechtersensible Themenkomplexe rund um Hochschulbildung organisierte Köhne die multidisziplinäre Tagung „Exzellenzträume der Wissenschaft. Explorationen kritischer Exzellenzforschung“, die am 28. und 29. Januar 2022 aufgrund der aktuellen pandemischen Lage digital stattfand. Die Tagung versammelte internationale Wissenschaftler:innen aus der Kultur- und Geschichtswissenschaft, Soziologie, Wissenschaftsgeschichte, Hochschulforschung sowie den postkolonialen Studien, um diverse Perspektiven auf die Genese und Wirkweise von „Exzellenz“ zu beleuchten. Außerdem wurden Studierende eines Forschungsseminars zur Exzellenzfrage am Institut für Kulturwissenschaft involviert, die in einen engen Austausch mit den Vortragenden traten.
STEFAN HORNBOSTEL (Berlin) führte mit einem kritischen Abriss zur bisherigen Entwicklung der sich seit den 1990er-Jahren kontinuierlich ändernden Förderungspolitik in die Exzellenzthematik ein. Er kontrastierte den ersten Anstoß unter dem Motto „Brain Up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“, der sich an dem US-amerikanischen Modell der Förderung einiger weniger Universitäten zur Erlangung einer herausragenden Stellung orientierte, mit der seit 2005 realisierten Exzellenzinitiative. Diese war ihm zufolge eher für die bis dahin bestehende Universitätslandschaft in Deutschland ausgelegt, indem sie eine größere Selektion an Universitäten förderte. Ziel des Programms war eine Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Sichtbarkeit deutscher Hochschulen sowie die Erarbeitung eines Zukunftskonzepts, so Hornbostel. Intendiert war eine „Performanzspirale“, die auch nicht durch dieses Programm geförderte Hochschulen mitnehmen und zu Leistungssteigerung anregen sollte. Hornbostels Forschungsansatz fragt danach, ob und wie der Erfolg dieser Politik gemessen werden kann. Er kritisiert zum einen ein Messbarmachenwollen von Exzellenz allein über die Anzahl von Peer-Review-Artikeln, self-monitoring-Berichte sowie Universitätsrankings. Zum anderen betont er positive Effekte der Exzellenzinitiative und -strategie wie vermehrte Kommunikation unter Forschenden, Fachbereichen und Universitäten. Hornbostel schloss mit einem Überblick über Problematiken und Chancen sowie dem Hinweis, dass Veränderung, wie sie durch die Exzellenzreform initiiert werden sollte, Zeit brauche. Nebenbei hätten sich seit den 1980er-Jahren – auch ohne Berücksichtigung der Exzellenzförderung – der Output des deutschen Wissenschaftssystems und die Fixierung auf Drittmittelakquise stetig gesteigert.
Die kulturhistorische Aufladung des Exzellenzbegriffs erörterte TOBIAS PETER (Leipzig) und fragte kritisch, inwiefern sich die Abhängigkeit von Wissenschaftler:innen von Drittmitteleinwerbung und die Fokussierung auf Spitzenbildung auf das deutsche Hochschulsystem auswirken. Die Wirkmächtigkeit des Exzellenzziels zeige sich in einer „bildungspolitischen Ratio“1, die ein neoliberales Narrativ in Form von permanentem (Selbst-)Optimierungsstreben verfolge. Peter rekapitulierte die Entwicklung und semantische Verschiebung des universitären Exzellenzverständnisses in Deutschland und markierte den sogenannten „Sputnik-Schock“ 1957, den Anfang der 2000er-Jahre befürchteten „Brain-Drain“ sowie das Shanghai-Ranking als Auslöser für eine umfassende Krisensemantik. Das Gegenkonzept der Mittelmäßigkeit verwendete Peter, um den Exzellenzbegriff und „systematisierte Originalität“2 als neoliberale Konstrukte zu problematisieren sowie hegemoniale Hierarchisierungstaktiken und Sichtbarkeitsstrategien exzellenzorientierter Bildungspolitiken aufzudecken. Peter entfaltete ein Spannungsverhältnis zwischen Konzepten wie Elite, Spitze, Exzellenz und Mittelmaß sowie Sichtbarkeit, Simulation und Gleichberechtigung. Er verdeutlichte, welche Kritikpositionen und damit zusammenhängende Antagonismen im Exzellenzdiskurs auftauchen. Peter verwies zudem auf die in der Exzellenzförderungsarena häufig wenig beachtete Position von Studierenden, die wiederholt dafür plädiert haben, die Grundfinanzierung der Universitäten anzuheben und die Perspektive Unterprivilegierter miteinzubeziehen und diese explizit zu ermutigen.
RICHARD MÜNCH (Friedrichshafen) stellte in seinem Vortrag eine stark anwachsende Bedeutung internationaler Universitätsrankings sowie des daraus folgenden Wettbewerbs um wissenschaftliches und symbolisches Kapital fest. Das symbolische Kapital schließe die Anerkennung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft mit ein. Unter institutionellem Kapital versteht Münch begabte Studierende, erfolgreiche Forschende, Forschungsmittel und Machtpositionen, mithilfe derer Wettbewerbsvorteile erzeugt werden könnten.3 Aber auch jenseits politischer Zuwendung und Exzellenzförderung finde Erkenntnisfortschritt immer statt. Münch benannte drei Dimensionen der neuen Universitätsvariante, die auf Exzellenz und Wettbewerb fokussiere, und ihre Wirkung auf die wissenschaftliche Praxis: die wettbewerbsorientierte unternehmerische Universität, die „auf betriebswirtschaftliches Qualitätsmanagement zielende Audit-Universität“ und die Drittmittel-Universität. Gute wissenschaftliche Praxis, die mit Neugier, Skepsis, intellektuellem Kommunismus und Uneigennützigkeit zusammenhänge, werde von den derzeit herrschenden ökonomischen Spielregeln zunehmend verdrängt. Das Wettbewerbsparadigma erzeuge Markt-, Messbarkeits- und Motivationsillusionen und damit einhergehende Problematiken, wie die Zunahme vertikaler und horizontaler Differenzierung im akademischen Feld sowie eine Teilung in Zentrum und Peripherie. Des Weiteren reproduzierten sich die Stratifikation und soziale Ungleichheit durch Matthäus-, Potlatsch- und Schließungseffekte immer stärker, so Münch. Die Forschung bewege sich ständig zwischen Autonomie und Heteronomie.
ROSALIND HAMPTON (Toronto) warf eine kritische Perspektive auf die idealisierte und mythologisierte Institution ‚Eliteuniversität‘ sowie die rassistischen Traditionen und Tendenzen innerhalb der kanadischen Hochschulbildung. Dabei skizzierte sie einleuchtend, inwiefern Eliteuniversitäten Macht- und Herrschaftsgefüge bestärken, um den Eindruck einer Spitze und von wissenschaftlicher Objektivität und universeller Wahrheit zu erwecken.4 Hampton entmystifizierte den Begriff der Exzellenz, indem sie deren Repräsentation als dekolonisiert, inklusiv und divers in Frage stellte. Die Inklusion Schwarzer und indigener Studierender und Forschender werde auf der Repräsentationsebene nicht selten überdeutlich hervorgehoben, um ein Bild anti-rassistischer Hochschulstrukturen zu erzeugen. Hampton problematisierte am Diskurs dieser als „Black Excellence“ inszenierten Darstellungsweise, dass Schwarze Wissenschaftler:innen im Gefüge neoliberaler Universitäten als „diverse Hülle“ fungierten, während im Inneren koloniale sowie anti-Schwarze und anti-indigene Züge das Exzellenzwesen strukturierten.
MICHAEL HARTMANN (Darmstadt) teilte die Überzeugung, dass die Exzellenzinitiative bei einem ihrer Ziele einen unbestreitbaren Erfolg habe – bei dem einer durchgreifenden vertikalen Differenzierung in der deutschen Universitätslandschaft. Der Begriff der Elite wurde in der Nachkriegszeit wegen seiner machtmissbräuchlichen Verwendung während des nationalsozialistischen Regimes vermieden. Da der Exzellenzbegriff mit dem der Elite assoziiert wurde, hatte er bis Anfang der 2000er-Jahre, als er zum ersten Mal Eingang in den akademischen Bereich fand, eine Doppelbedeutung und genoss wenig Vertrauen. Neben leistungsbasierten Bewertungskriterien zur Erlangung des Exzellenzstatus beeinflussen mittlerweile folgende politische Tendenzen den Auswahlprozess: Zu Kriterien für Exzellenz gehören nun auch geschlechtergerechte Sprache und eine größere Sichtbarkeit von Frauen in Leitungsfunktionen, auf Professuren und als Principle Investigators von Exzellenzclustern. Das Vorhandensein von Forschungsclustern und deren exzellenter Status haben an Universitäten einen hohen medialen, materiellen, sozialen und symbolischen Wert, so Hartmann. (Beispielsweise gehörte die Technische Universität Darmstadt früher zu den fünf besten Universitäten und war die erste autonome Universität der Bundesrepublik; jedoch hatte die Exzellenzinitiative eine andere Auswirkung auf die Erfolgsgeschichte der Universität als erhofft.) Die letzten Studien zur Freien Universität Berlin belegen, dass durch die Exzellenzinitiative keine wirkmächtigen Veränderungen erzielt wurden und in diesem Fall die Verbesserung der Leistungsfähigkeit deutscher Wissenschaft nicht erreicht werden konnte.
In einer umfangreichen Präsentation führte ALBERT ZIEGLER (Erlangen-Nürnberg) unter einem holistischen Blickwinkel in die pädagogisch-psychologische Hochbegabtenforschung ein. Mit Fokus auf die Förderung von Begabung und Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter hob er die hohe Relevanz materieller, informationeller, sozialer und lernökologischer Faktoren im Zusammenspiel mit individueller Intelligenz auf die langfristige Entwicklung Begabter hervor. Ziegler identifizierte zwei Gruppen von Lernressourcen: Das Bildungskapital bestehe aus ökonomischen, soziokulturellen, infrastrukturellen und didaktischen Faktoren und das Lernkapital aus organismischen, aktional-episodischen und die Konzentration betreffenden Faktoren. Ziegler verweist damit auf die komplexe Relation zwischen exogenen und indogenen Elementen, zwischen Input und Output, das heißt zwischen Förderung und effektiven Handlungsrepertoires. In der systemischen Begabungsförderung werde ein möglichst produktives und der Gesellschaft zuträgliches Maß an Förderung angestrebt, das die Auswirkung von Differenzen, zum Beispiel hinsichtlich sozialer Herkunft oder Geschlecht, auf die Nutzbarmachung von Hochbegabten minimiere. Im Anschluss an den Vortrag wurde diskutiert, welche Bilder von Optimierung versus Überforderung von Menschen diesem Modell zugrunde liegen und welche Rolle Machtdynamiken spielen.
Der Vortrag von REINHILD KREIS (Siegen) führte in ihre Forschung zu Begabung als Ressource am Beispiel von Begabungsförderung in Industrienationen in Form von Jugendwettbewerben im 20. Jahrhundert ein. In diesem Kontext werde die Begabung des Individuums als Ressource für das Land im internationalen Wettbewerb aufgefasst. Individuelle Förderung solle die zukünftige internationale Wettbewerbsfähigkeit und eine Chance auf eine Führungsposition mitsichern. Das Talent des:der Einzelnen werde hier zum Humankapital des Staates. In Gestalt von Jugendwettbewerben konfrontiere dieser seine Nachwuchssorgen und führe mit dem, was als Entdecken und Fördern von Talenten daherkomme, gezielt lenkende zukunftsgerichtete Eingriffe aus. Über die Etablierung von Jugendwettbewerben verbreite sich das Wettbewerbssystem zunehmend an Schulen und Ausbildungsstätten. Auch die Freizeit der Jugend werde gewinnbringend für Staatsinteressen vereinnahmt. Talent und Begabung seien keineswegs Privatsache, sondern werden Kreis zufolge zur Basis der Bedeutung einer Person für sich selbst und innerhalb der Gesellschaft, sodass Talentsuche letztlich als Ordnungs- und Hierarchisierungsstrategie im Spannungsverhältnis Individuum – Staat – Welt zu sehen sei.
Im Weiteren untersuchte EVA BARLÖSIUS (Hannover) Sprachbilder und Metaphern der Qualitätssicherung, die Wissenschaftler:innen wiederkehrend in ihrer Argumentation verwenden, um Effekte von Leistungsbewertung und Begutachtungen, eingesetzt als Mittel zur Beurteilung wissenschaftlicher Qualität und Feststellung wissenschaftlicher Exzellenz, zu beschreiben. Die präsentierten Befragungen – basierend auf empirischem Material des Forschungsprojekts VORAUS des Bundesministeriums für Bildung und Forschung – bezogen sich erstens auf die Narration des eigenen wissenschaftlichen Werdegangs, zweitens auf Erfahrungen mit Begutachtungen (Peer-Review-Verfahren) von Forschungsanträgen und drittens auf die Meinung zu (teil-)randomisierten Anträgen. Anhand ausgewerteter qualitativer Interviews zeigte Barlösius, inwiefern die Wissenschaftler:innen ihre biographischen Schilderungen zu den drei genannten Aspekten mit der Vorstellung von Glück, Pech oder Zufall verknüpfen. Hervorzuheben sei der Widerspruch, dass das Peer-Review-Verfahren zugleich als effizient und kontingent angesehen und Antragsverfahren nicht selten als „Lotterie“ metaphorisiert werden. Das paradoxe Phänomen oszilliere zwischen höchst subjektiven Einschätzungen, einer angestrebten objektiven Wahrnehmung wissenschaftlicher Leistung und feldfremdem Einwirken auf Bewertungsprozesse. Die Differenz zwischen wissenschaftlicher Leistung und der Anerkennung derselben resultiere einerseits aus den wissenschaftlichen Bewertungskriterien und andererseits aus Eigendynamiken des Bewertungssystems sowie äußerlichen Faktoren. Diese formlosen, ungreifbaren, nicht steuerbaren Einflüsse würden von den Forschenden schließlich als Glück oder Pech benannt, resümiert Barlösius.
LAUTARO VILCHES (Berlin) stellte Ausschnitte aus seiner Promotionsforschung vor, in der er sich kollaborativen Praktiken im Exzellenzraum, vor allem zwischen Exzellenzclustern, widmet. Kollaboration fasst Vilches als operative Politik zur Durchsetzung von Exzellenz auf; sie gelte im politischen Diskurs vielfach als Goldstandard und „Triebfeder“. Er selbst geht jedoch nicht davon aus, dass Kollaborationen und Kooperationen unbedingt produktiv ausfallen müssen. Exzellenz sei keineswegs als neutral zu verstehen, sondern als geradezu imperativisch. In Vilches Augen besteht der „kollaborative Imperativ“ aus drei Aspekten beziehungsweise Zielpunkten: der institutionellen Organisation („Zentren der Exzellenz“), Interdisziplinarität und Internationalität. Dieses Idealbild solle mittels konkreter Bildungsprojekte, Networking, kollektiven Publikationen und internationaler Mobilität erreicht werden, die nicht im luftleeren Raum stattfänden, sondern räumlich eingebettet und kontextabhängig seien. Diese Interaktionen ermöglichten kollaborativen Fortschritt und zugleich werde der kollaborative Imperativ durch sie stets re- und neudefiniert. Vilches plädierte für eine Demystifizierung von Kollaboration und eine größere Aufmerksamkeit für das Verständnis ihrer Operationalisierung und Pilotierung innerhalb der Exzellenz. Zudem stellte er praktische Auswirkungen von Kollaboration wie eine ungleiche Verteilung von Geldern und Macht infrage. Exzellenzagenden wie die Exzellenzinitiative oder -strategie gestalteten darüber hinaus auch immer mit, von wem und wie Wissen, Erkenntnis und Denkprozesse gebildet, konsolidiert und repräsentiert werden.
Insgesamt bot die Tagung den Rahmen für einen intensiven interdisziplinären Austausch über die facettenreiche Forschung zu Exzellenz im universitären und bildungspolitischen Kontext. Während der Vorträge und in den anschließenden Diskussionen wurde die Exzellenzfrage vielschichtig und fruchtbringend weitergedacht, wie beispielsweise hinsichtlich der Frage der Nachhaltigkeit von Exzellenz. Wie kann die durch Förderung erwirkte Exzellenz konserviert beziehungsweise künftig weiter überboten werden und in welche rhetorische Formel wird dies übersetzt? Bei dem multiperspektivischen Blick der Tagung kamen Ansätze aus neoliberalen Forschungsrichtungen, aus den Gender und Postcolonial Studies, aus der Begriffs- und Kulturgeschichte, aus der Kulturwissenschaft, Soziologie und Klassentheorie miteinander ins Gespräch, was sowohl Verknüpfungen und Überschneidungen zu Tage treten ließ, als auch Differenzen und Spannungen. Strategien der Optimierung und des Wettbewerbs formen eine Rahmenbedingung, die auf wissenschaftliche Innovation in Endlosschleife hofft und eine Ökonomisierung von Wissenschaft und unter permanentem Konkurrenzdruck stehende Einzelforscher:innen und Universitäten riskiert. Hinzu kommen aktuelle Diskurse um prekäre Studien- und Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen, die in Widerspruch zu dem überhöhten Status von Repräsentant:innen der Exzellenz und Profitierenden entsprechender Förderungen im Bildungssektor stehen. Auch ist die Frage, inwiefern Nachwuchsforschende im weiteren Exzellenzrennen Platz finden werden? Wünschenswert wäre daher, Exzellenzuniversitäten auch in Zukunft als Analysebeispiel für macht- und klassenkritische, postkoloniale und intersektionale Fragen zu nutzen, denn das hierarchisierende Prinzip von Oben und Unten widerspricht der Umsetzung von Gleichberechtigung. Die Tagung zeigte, dass das kritische Befragen des Exzellenzbegriffs und seiner wissenschaftspolitischen Wirkweise noch nicht abgeschlossen ist, sondern weiterhin auf komplexe Weise erkundet werden sollte.

Konferenzübersicht:

Stefan Hornbostel (Berlin): The long and winding road to excellence

Tobias Peter (Leipzig): Kritik der Exzellenz: Diskursive Kämpfe um Spitzenbildung

Richard Münch (Friedrichshafen): Die Universität im akademischen Kapitalismus

Rosalind Hampton (Toronto): “Black Excellence” in Canadian Academia

Michael Hartmann (Darmstadt): Die Exzellenzinitiative – Hierarchisierung oder Stärkung der Leistungsfähigkeit?

Albert Ziegler (Erlangen-Nürnberg): (Hoch-)Begabungsforschung und systemische Begabungsförderung

Reinhild Kreis (Siegen): Begabung als Ressource. Jugend, Talent und Förderung im 20. Jahrhundert

Eva Barlösius (Hannover): Unverdiente Exzellenz: Glück und Pech bei Begutachtungen

Lautaro Vilches (Berlin): Kollaboration als operative Politik zur Durchsetzung von Exzellenz: der Fall Exzellenzcluster

Anmerkungen:
1 Tobias Peter, Die Kritik der Exzellenz. Zur diskursiven Umkämpftheit von Spitzenbildung, in: Zeitschrift für Pädagogik 65 (2019), S. 25–40, bes. S. 25, URL: https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=24167.
2 Peter, Die Kritik der Exzellenz, S. 31. Vgl. auch ders., Genealogie der Exzellenz, Weinheim/Basel: Beltz Juventa 2014.
3 Richard Münch, Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2017 [2007].
4 Rosalind Hampton, Black Racialization and Resistance at an Elite University, University of Toronto Press 2020.


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