14. Forum junger Bildungshistoriker:innen

14. Forum junger Bildungshistoriker:innen

Organisatoren
Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), Sektion Historische Bildungsforschung
Ort
Kassel
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.09.2021 - 13.09.2021
Url der Konferenzwebsite
Von
Stefanie Vochatzer, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Paderborn; Andreas Oberdorf, Institut für Erziehungswissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Beim 14. Forum junger Bildungshistoriker:innen standen neun Forschungsprojekte aus der Gruppe der Emerging Researchers im Mittelpunkt. Trotz des offenen Zuschnitts des Forums zeichnete sich in diesem Jahr ein klarer thematischer Schwerpunkt ab. So beschäftigte sich mehr als die Hälfte der Projekte mit Fragen der Demokratisierung und Demokratiebildung in der ost- und westdeutschen Transformationsgesellschaft im 20. Jahrhundert sowie deren Folgen. Außerdem standen Projekte zur Bildungsgeschichte der Sozialen Arbeit und des Lehrberufs zur Diskussion. Der Workshop wird alle zwei Jahre von den jeweiligen Sprecher:innen der Emerging Researchers organisiert und an wechselnden Tagungsorten im deutschsprachigen Raum veranstaltet. Die Organisation des 14. Forums lag bei Agneta Floth (Bielefeld) und Andreas Oberdorf (Münster).

Nach der Begrüßung durch die Sprecher:innen und dem einführenden Grußwort von Marcelo Caruso (Berlin) als Vorsitzender der Sektion begann die Präsentation der Dissertations- und Forschungsprojekte der anwesenden Emerging Researchers. Am Beispiel einer quantitativen Querschnittsanalyse zur preußischen Volksschule, die aus der Arbeitsgruppe „Vertikale Differenzierung des preußischen Volksschulwesens“ an der Humboldt-Universität zu Berlin hervorgegangen ist, stellten die Masterstudierenden JAN UREDAT und ANNA LINDNER (Berlin) neue Möglichkeiten der statistischen Auswertung zur Diskussion, die dazu verhelfen können, preußische Volksschulstatistiken als bildungshistorische Quelle neu in den Blick zu nehmen.

AXEL-WOLFGANG KAHL (Potsdam) stellte anschließend sein Dissertationsprojekt zur Transformation der ostdeutschen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vor. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Frage, inwieweit sich die Gründungsgeschichte der Fachdisziplinen an der Potsdamer Universität vom Transformationsprozess am Hochschulstandort Leipzig unterschied. In seiner Untersuchung stützt er sich auf teils bislang nicht zugängliche Archivbestände und untermauert seinen Quellenzugang mit Interviews der am Transformationsgeschehen beteiligten Akteur:innen.

Zum Thema Demokratisierung und Demokratiebildung gab zunächst DANA MARIA KIER (Duisburg-Essen) einen Einblick in ihr Dissertationsprojekt, in dem sie die Entstehung der Gesamtschule und des Faches Gesellschaftslehre seit den ausgehenden 1960er-Jahren in Nordrhein-Westfalen betrachtet. Mit dem Konzept des social engineering untersucht sie die Gesamtschule als sozialdemokratisches Projekt mit dem Ziel der Demokratisierung und berücksichtigt dabei sowohl die strukturellen Voraussetzungen der Bildungsreform als auch die Fragen, inwiefern diese auf die Bewältigung einer offenen und unsicheren Zukunft abzielten.

Einen genauen Blick auf zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen, die sich in den 1990er-Jahren in Ostdeutschland bildeten, warf CHRISTIN JÄNICKE (Berlin). Die oftmals marginalisierten Initiativen, die sich Demokratiebildung und Rechtsextremismusprävention zur Aufgabe machten, möchte die Doktorandin in ihren Handlungsanlässen und Kooperationen rekonstruieren und dabei auch staatliche Akteur:innen und Netzwerke identifizieren.

Anschließend stellte PHILLIP WAGNER (Halle-Wittenberg) seine Habilitationsschrift vor. Unter dem Titel „Schule der Demokratie? Sozial-liberale Schulreformen und Demokratie im Westdeutschland nach ‚1968‘“ wirft Wagner einen neuen Blick auf den Zusammenhang von Bildungsreform und Demokratisierungspolitik nach 1968 und stellt die sozial-liberale Politik kritisch infrage.

Es folgten Beiträge zum Thema „Bildungsgeschichte der Sozialen Arbeit“. In seiner fortgeschrittenen Dissertation untersucht NORMAN BÖTTCHER (Ludwigshafen) die Eigenlogik jüdischer Jugendarbeit nach der Shoa, wobei er sich vor allem für Auslassungen und Wandlungsprozesse interessiert. Mit seiner historiografischen Untersuchung wendet er sich so einer Forschungslücke zu, in der er Kontinuitäten und Diskontinuitäten sozialpädagogischer Arbeit aufdeckt.

Anschließend stellte SOFIA KOHLER (Tübingen) ihr Dissertationsvorhaben zu Jane Addams (1860–1935) vor. Mit dem Ansatz des New Historicism möchte Kohler die Sozialreformerin und politische Aktivistin besonders auf ihr Bildungsverständnis untersuchen und so das bislang in der Forschung vernachlässigte feministisch-pragmatische Bildungsverständnis in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung rücken.

Der vierte und letzte Themenblock versammelte Beiträge zum Themenkomplex Lehrer:innen. ALEXANDER KATHER (Kassel) stellte seine Dissertation zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrer:innen vor, in der er eine wissenschaftlich-praxeologische Perspektive auf die Entstehung und Entwicklung der Fremdsprachenleher:innen zwischen 1871 und 1932 wirft. Schwerpunkt der Arbeit soll die vergleichende Perspektive zwischen Preußen und Baden sein, die auch den Einfluss regionaler Unterscheide in den Blick nimmt.

Abschließend stellte WILFRIED GÖTTLICHER (Brno) sein aktuelles Forschungsvorhaben zur Deutung des Lehrberufs durch Lehrer:innen zur Diskussion. Bei der Untersuchung kommunikativer Deutungen von Lehrer:innen vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart in Deutschland und Österreich soll vor allem der historische Wandel zwischen Beruf und Lebenssinn, Berufsrolle und sozialer Bedeutung im Vordergrund stehen und der Einfluss außerpädagogischer Diskurse herausgearbeitet werden.

Der Workshop der Emerging Researchers war von regem Austausch und lebhaften Diskussionen geprägt. Die vielfältigen inhaltlichen Bezugsfelder der Beiträge, einschließlich unterschiedlicher methodisch-konzeptueller Zugriffe und Perspektiven, führten wieder einmal vor Augen, wie breit die Historische Bildungsforschung in ihren Themen und Methoden aufgestellt und interdisziplinär anschlussfähig ist. Neben Diskussionen über die Forschungsprojekte stand am Ende der Veranstaltung die Wahl der neuen Sprecher:innen der Emerging Researchers an. Stefanie Vochatzer (Paderborn), Sofia Kohler (Tübingen, bis 31.3.2022) und Andreas Oberdorf (Münster) wurden zu neuen Sprecher:innen gewählt. Das 15. Forum junger Bildungshistoriker:innen wird im September 2023 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfinden.

Konferenzübersicht:

Jan Uredat / Anna Lindner (Berlin): Vertikale Differenzierung von Volksschulen – Querschnittsanalysen preußischer Schulstatistiken in der Weimarer Republik

Axel-Wolfgang Kahl (Potsdam): Folgen und Auswirkungen der Wiedervereinigung 1990 auf die Transformationspfade der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Dana Maria Kier (Duisburg-Essen): Zukunftsgestaltung durch Schulreformen – Gesamtschulen und das Fach Gesellschaftslehre als Form des „social engineering“

Christin Jänicke (Berlin): Zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratiebildung in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft. Handlungsanlässe, Bildungsprozesse und Kooperationen

Phillip Wagner (Halle-Wittenberg): Schulen der Demokratie? Sozial-liberale Schulreformen und Demokratie im Westdeutschland nach „1968“

Norman Böttcher (Ludwigshafen): Jüdische Jugendarbeit nach der Shoa

Sofia Kohler (Tübingen): Jane Addams: Feminismus – Pragmatismus – Bildung

Alexander Kather (Kassel): Die Ausbildung von Fremdsprachlehrer:innen als Beitrag zur Geschichte des Fachunterrichts – Skizzen einer wissensgeschichtlich-praxeologischen Rekonstruktion

Wilfried Göttlicher (Brno): Zur Deutung des Lehrberufs durch Lehrer und Lehrerinnen. Eine Geschichte berufsbezogener Deutungsmuster