Wissen ordnen und entgrenzen – vom analogen zum digitalen Europa

Wissen ordnen und entgrenzen – vom analogen zum digitalen Europa

Organisatoren
Joachim Berger / Thorsten Wübbena, IEG Mainz
PLZ
55116
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
16.03.2022 - 17.03.2022
Von
Elisabeth Osing, Historisches Seminar, Universität Heidelberg

Wie Wissen geordnet werden kann und sollte, ist für (Geschichts-)Wissenschaftler:innen einerseits von individueller alltagspraktischer Relevanz. Andererseits können Wissensordnungen als Gegenstand historischer Forschung wissenschaftlich analysiert werden. Dem widmete sich auch die Konferenz „Wissen ordnen und entgrenzen – vom analogen zum digitalen Europa“. Dort wurde fokussiert, wie Wissensordnungen auf gesellschaftliche Differenzierungen wirken und welche graduellen oder prinzipiellen Veränderungen von derartigen Differenzierungsprozessen durch die Digitalisierung festzustellen sind. Die Tagung bildete den Abschluss der vierteiligen Konferenzserie „Ein Europa der Differenzen“. Angestrebt wurde auch die Identifizierung von zukünftigen Forschungsfragen.

Nach der Begrüßung durch IRENE DINGEL (IEG Mainz), die in einem historischen Abriss den Wandel von Wissensordnungen in Europa aufzeigte, stellten die beiden Organisatoren JOACHIM BERGER (IEG Mainz) und THORSTEN WÜBBENA (IEG Mainz) das Konzept der Konferenz vor. Um historische wie auch gegenwärtige Wissensordnungen zu betrachten, hatte die Tagung einem besonderen Aufbau: In sechs Sektionen wurde je einem Beitrag zu Wissensordnungen und gesellschaftlichen Differenzierungen in der Neueren Geschichte ein Beitrag zur Digitalisierung unter einem gemeinsamen Oberthema gegenübergestellt.

Den Anfang machten die Beiträge von MARKUS KRAJEWSKI (Basel) und JÜRGEN HERMES (Köln), die anhand der Betrachtung von Sprache und Übersetzungen den Zusammenhang von Wissensordnungen und hegemonialen Ansprüchen aufzeigten. Krajewski arbeitete den massiven Hegemonialanspruch Europas heraus, der den Plansprachen um 1900 als Impetus zugrunde lag. Ziel der Entwicklung von Plansprachen sei gewesen, eine künstliche Sprache als lingua franca zu etablieren, die als gemeinsame Grundlage der Kommunikation den Weltverkehr befördern sollte, das heißt als Äquivalent zur technischen Entwicklung und Beschleunigung zu fungieren. Dieser universalistisch-allumfassende Anspruch sei einhergegangen mit dem expliziten Ausschluss indigener Sprachen bei Gestaltung der Plansprachen wie auch der Vorstellung von Plansprachen als „Missionsprogramm“. Ausgehend von Überlegungen, wie Personen unterschiedlicher Muttersprache schnell und effektiv miteinander kommunizieren können, stellte Jürgen Hermes die Nutzung maschineller Übersetzer auf Basis neuronaler Netzwerke vor. Neben technischen Vorteilen würden diese die Auflösung von Sprachbarrieren und internationale Kommunikation befördern, ohne dabei auf eine bestimmte natürliche oder künstliche Sprache (und einen damit verbundenen Hegemonialanspruch) angewiesen zu sein. Bei den sog. Transformer Based Models werde diese Technologie seit 2020 bereits von allen führenden Plattformen (Google Translate, DeepL u. a.) genutzt.

Nach der Besprechung von Sprache und Übersetzung widmeten sich die Beiträge der zweiten Sektion dem Aspekt des Raumwissens und dessen Erzeugung, Vermittlung und Zusammenhang mit Wissensordnungen. MONIKA BARGET (IEG Mainz / Maastricht) bemerkte in ihrem Beitrag zur Frühen Neuzeit, dass es plurale und teils hybride Raumkonzepte gegeben habe. Wissen über Raum sei weiterhin von sehr unterschiedlichen Personen(gruppen) aus verschiedenen sozialen Schichten produziert und im Kontext allgemeiner Wissensorganisationsinnovationen wie der Katalogisierung von Bibliotheken geordnet worden. Wenngleich das in Europa produzierte Raumwissen transkulturell und transkontinental rezipiert worden sei, könne als spezifisch „europäische“ Erfassung von Raum dessen Politisierung zum Zweck der herrscherlichen Durchdringung sowie Ökonomisierung im Dienste des wirtschaftlich tätigen Bürgertums festgestellt werden. Entsprechend sei neben herrschaftlichen Monopolisierungsversuchen in Bezug auf Teilbereiche des Raumwissens auch ein paralleler privatwirtschaftlicher Markt festzustellen, in dem Raumwissen vor allem kollektiv und in Kooperation produziert worden sei. Im anschließenden Beitrag sprach der Geoinformatiker RENE WESTERHOLT (Dortmund) über die Veränderung von Wissen über und Erfassung von Raum durch die Digitalisierung und nutzergenerierte Geoinformationen. Westerholt postulierte die zunehmende Verzahnung von virtuellem und materiellem Raum, wodurch neuartige Raumkonzeptionen wie digitale Schatten (eine digitale Kopie des materiellen Raums), hybriden Räumen (der materielle Raum wird durch einen digitalen Raum erweitert) und Code/Space (Schaffung eines eigenständigen digitalen Raums, der in Wechselwirkung mit dem materiellen Raum steht) entstanden seien. Außerdem habe durch die Digitalisierung prinzipiell jede Person mit Smartphone die Möglichkeit, Raumwissen im Sinne von geographischen Datensätzen zu produzieren. Jedoch nehme de facto vor allem eine spezifische Gruppe an Personen diese Möglichkeit wahr.1

Die Überlegungen der ersten Sektion zur Verbindung von Wissensordnungen mit hegemonialen Ansprüchen wurden in der dritten Sektion weitergeführt und von JOËLLE WEIS (Trier) für Objektsammlungen in europäischen Museen und THORSTEN WÜBBENA für die digitale Repräsentation von Zusammenhängen herausgearbeitet. Als grundlegende These fungierte in Weis’ Beitrag ihre Annahme, dass in europäischen Museen seit den Kunst- und Wunderkammern des 17. Jahrhunderts der Anspruch erhoben werde, vermittels der präsentierten Sammlung metaphorisch die Welt abzubilden. Problematisch sei dieser Anspruch, weil dadurch vermittelt werde, dass die in einem europäischen Museum abgebildete Ordnung universell gelte. Die Digitalisierung könne, so Weis, als Möglichkeit zur Neuordnung begriffen werden, allerdings sehe sie die Gefahr der Übernahme und Reproduktion von Bias. Auch den gegenwärtig beliebten Begriff der „Wunderkammer“ für die in europäischen Museen ausgestellten Sammlungen sehe sie kritisch. Damit werde eine scheinbar nicht-hierarchische und vermeintlich objektive Ordnung verherrlicht. Den Aspekt der Zeitlichkeit und des Wandels von Wissensordnungen konnte Wübbena weiterhin mit seinem Beitrag zur Darstellung von Wissen in einem Knowledge Graph herausarbeiten. Mithilfe eines Knowledge Graph könnten die Beziehungen von Entitäten der realen Welt durch die Organisation in einem Graphen beschrieben sowie nach bestimmten Schemata klassifiziert werden. Allerdings sei diese Abbildung von direkten und indirekten Zusammenhängen zwischen Entitäten in einem Knowledge Graph stets eingebunden in die spezifische Wissensordnung, welche die postulierte Qualität der Beziehungen, die im Graphen dargestellt werden, präge. Entsprechend könnten sie normative Wertungen beinhalten, wie beispielsweise NS-Widerstandskämpfer durch ihre Verurteilung im NS-Regime als „Verbrecher“ klassifiziert werden. Bezüglich des Umgangs mit solchen normativen Wertungen sowie der in der wissenschaftlichen Praxis kaum vermeidbaren Unschärfe und Unsicherheit beim Postulat von Zusammenhängen plädierte Wübbena für kontextualisierte Datengeographien, das heißt für die durch Metadaten kontextualisierte Darstellung von Datensätzen. Die Nutzung von Knowledge Graphs könne dazu beitragen, Zugang zu Wissen für nicht-akademisch gebildete Personen zu erleichtern und Wissen zu entgrenzen, da Beziehungen zwischen Entitäten über die Grenzen von Räumen und Disziplinen hinweg aufgezeigt beziehungsweise diese Grenzen aufgelöst werden können.

In einem Zwischenfazit fasste JOHN C. WOOD (IEG Mainz) die Ergebnisse der Beiträge des ersten Konferenztages zusammen. Im Hinblick auf Wissen und Wissensordnungen betonte er, dass letztere prinzipiell nie neutral sein könnten und dementsprechend möglichst transparent sein sollten. Weiterhin seien sie immer „verortet“, eine globale, flache Wissensordnung gebe es nicht. Entsprechend der inhärenten Verbindung von Wissensordnungen und (normativen) Wertungen sei es von Bedeutung, zu fragen, welche Position Wissenschaftler:innen in der heutigen Wissensordnung einnehmen und wie viel (ethische, moralische oder politische) Orientierung die digitale Wissensordnung braucht.

Der Aspekt der zeitlichen Dimension und Verankerung von Wissensordnungen wurde in den beiden nachfolgenden Beiträgen aufgegriffen und in Bezug auf die Bedeutung von Medieninnovationen für den Wandel von Wissensordnungen untersucht. Ausgehend von einem Verständnis reformatorischer Theologie als Wissensordnung im weiten Sinne zeigte HENNING P. JÜRGENS (IEG Mainz) zunächst die handlungspraktische und gesellschaftliche Relevanz der Streitigkeiten um die reformatorische Lehre in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. Laut Jürgens sei die Strittigkeit einer bestimmten theologischen Lehraussage einhergegangen mit der Infragestellung des gesamten theologischen Lehrgebäudes, einer ethischen Dimension, welche unter anderem die Sorge um das individuelle Seelenheil umfasste sowie politisch-soziale Ordnungen, beispielsweise territoriale Kirchenordnungen. Zum Verhältnis von gelehrtem und öffentlichem Diskurs merkte Jürgens an, dass die Streitigkeiten zwar zunächst als Elitendiskurs in Form akademischer Disputationen geführt worden sein, jedoch durch die neuen Medien sehr schnell eindrucksvolle Breitenwirkung entwickelten. Anschließend sprach ALINE DEICKE (AdWL Mainz) über die Ergebnisse ihrer Forschung zur Netzwerkstruktur der nachinterimistischen Streitigkeiten und stützte sich dabei auf die Auswertung eines mit Metadaten versehenen Titelblattkatalogs.2 Sie merkte an, dass die Streitkultur noch mehrheitlich den Regeln traditioneller akademischer Diskursformen folgte und sich der Öffentlichkeit öffnete, jedoch mit dieser kaum interagiert habe.

Das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit und die Interaktion zwischen beiden Bereichen wurde auch im Beitrag von SIMON MEIER-VIERACKER (Dresden) behandelt, der sich mit der Figur und Funktion des Experten sowie der Bedeutung von Expertentum in einer durch Digitalisierung veränderten Wissensordnung und -vermittlung befasste. Mit der Digitalisierung, so Meier-Vieracker, hätten sich Vorstellung von und Erwartungen an Experten gewandelt. Laien sei nun der schnellere Zugang zu Informationen möglich, wodurch sie schon nach kurzer Zeit den Anschein von Kennerschaft erlangen und eine Laien-Experten-Rolle einnehmen könnten. Meier-Vieracker bezeichnete die Wirkung der Digitalisierung als Disruption der vorherigen Verhältnisse, welche allerdings auch produktiv wirken könne. Jürgens postulierte im Anschluss an den Beitrag von Meier-Vieracker, dass auch der Buchdruck disruptiv gewirkt habe. Denn durch den Buchdruck sei – wie auch durch die Digitalisierung – Personen ermöglicht worden, an Diskursen teilzuhaben und darin Sprecherrollen einzunehmen, welche zuvor nicht über diese Möglichkeit verfügt hätten. So habe es während der Reformation Laien gegeben, die sich an den entsprechenden Diskursen beteiligten und hinsichtlich theologischer Inhalte unterweisungsbefugt erschienen.

Auch die Beiträge der fünften Sektion behandelten Streitigkeiten um Wissen und arbeiteten deren produktives Potential heraus, das bis hin zur Erzeugung neuer Wissensordnungen reiche. JAAP GERAERTS (IEG Mainz) präsentierte mit dem Schisma von Utrecht ein frühneuzeitliches Beispiel für die Produktion und Etablierung neuer Wissensordnungen, während KATRIN PASSIG (Berlin) das produktive Potential von Streitigkeiten um digitales Wissen aufzeigte. Als zentrale These des Beitrags von Geraerts fungierte die Annahme, dass Schismen bestehende Wissensordnungen grundlegend verändern und schließlich die Entwicklung und Etablierung eigener Wissensordnungen zur Folge haben könnten. Am Beispiels des Schismas von Utrecht stellte er dabei zwei aufeinanderfolgende Phasen fest. In der ersten Phase sei die Infragestellung und Herausforderung einer bestehenden Wissensordnung zu beobachten. Jansenius habe sich für seine theologischen Überlegungen auf dieselben Texte von Augustinus gestützt, die auch von Autoren anderer Konfession heranzogen wurden. Jedoch habe Jansenius durch den Versuch einer umfassenden Synthese und historischen Einordnung der Schriften Augustinus’ eine von anderen signifikant abweichende Interpretation entwickelt. In der zweiten Phase sei dann die Produktion und Etablierung einer eigenen Wissensordnung erfolgt. Geraerts führte diesbezüglich die Entwicklung einer eigenständigen moraltheologischen Position an. Katrin Passig betonte ebenfalls die produktive Wirkung von Streitigkeiten um Wissen. Sie zeigte das Konfliktpotential und die Möglichkeiten zur Konfliktlösung bei Streitigkeiten um digital gespeichertes und genutztes Wissen auf und bezog sich dabei vorrangig auf Quellcodes. Als geeignete Lösungsansätze schlug sie neben vorab verfassten Verträgen auch das sog. Forking vor, das heißt die Mitnahme und eigenständige Weiterentwicklung des Quellcodes durch die verschiedenen Parteien oder Personen nach der Auflösung des ursprünglichen Projekts.

In der letzten Sektion wurde die Kategorie „Europa“ für die Forschung an und über Wissensordnungen besprochen. JOACHIM BERGER diskutierte die Historiographie Europas und MIRJAM BLÜMM (Köln) referierte zum aktuellen Stand der Entwicklung europaweiter digitaler Forschungsinfrastrukturen. Berger postulierte mit Blick auf Gesamt- und Überblicksdarstellungen zur Geschichte Europas in der Neuzeit, welche in deutscher, englischer oder französischer Sprache seit den 1990er-Jahren erschienen waren, dass darin nicht die einzelne Nation, sondern die „andere Welt“ als Gegenmodell zu Europa dargestellt werde und innere Diversität als Merkmal Europas gelte. Seit den 2010er-Jahren seien zunehmend die europäischen Weltbeziehungen in die Europa-Historiographie integriert worden und erste Darstellungen der Geschichte Europas seien ausschließlich digital erschienen. Letztere würden wie im Falle von EHNE (Encyclopédie d’histoire numérique de l’Europe) und EGO (Europäische Geschichte Online) den Anspruch verfolgen, die Geschichte Europas nicht-linear und multi-perspektivisch darzustellen. Insgesamt, so postulierte Berger, habe das Aufkommen der Globalgeschichte nicht nur die Nationalgeschichte, sondern auch die Europageschichte infrage gestellt. Er plädierte dafür, Europa in globalen Bezügen zu untersuchen, jedoch nicht Europa als Kategorie zu überspringen. Eine solche Überkreuzung werde durch die Möglichkeiten der digitalen Darstellung befördert. Im Anschluss an Berger besprach Blümm den aktuellen Stand der Entwicklung von digitalen Forschungsinfrastrukturen vor allem auf europäischer Ebene. Die Datenwissenschaften seien, so Blümm, für die heutige Forschung von zentraler Bedeutung und somit auch die Frage, wie geeignete Strukturen für die Ordnung von Wissen geschaffen werden können, die dieses Wissen für die Forschung zugänglich machen. Auf europäischer Ebene gebe es diesbezüglich seit den 2000er-Jahren Bemühungen. So seien mit ESFRI (European Strategy Forum on Research Infrastructure) bereits erste verstetigte digitale Forschungsinfrastrukturen auch für die Sozial- und Geisteswissenschaften geschaffen worden, unter anderem DARIAH (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities). Weiterhin werde seit 2015 an der Ausgestaltung einer EOSC (European Open Science Cloud) gearbeitet, deren Ziel es sei, Forschungsdaten europaweit zugänglich zu machen.

In der Schlussdiskussion wurden zentrale Ergebnisse der Konferenz von JOHANNES PAULMANN (IEG Mainz) festgehalten und hinsichtlich zukünftiger Forschungsfragen besprochen. Weiter erforscht werden könne, so Paulmann, die Legitimation von Wissensordnungen sowie der „ökonomische Bestandteil“, welcher in jeder Wissensordnung vorhanden sei. Neben der räumlichen Dimension und Repräsentation könnten soziale Basis und Trägerschaft(en) von Wissen beziehungsweise von Wissensordnungen untersucht werden, inklusive der Funktion von und Interaktion zwischen Laien, Experten und Wissensproduzenten. Weiterhin solle die Zeitlichkeit von Wissensordnungen beachtet werden: Wissensordnungen seien keine statischen Systeme, sondern sollten als sich prozesshaft entwickelnd verstanden und erforscht werden. Entsprechend sei auch die Annahme einer simplen Aufeinanderfolge und Gegenüberstellung von analoger und digitaler Welt kritisch zu betrachten. In der anschließenden Diskussion griff Wübbena die vorgeschlagenen Forschungsschwerpunkte auf und plädierte für die Untersuchung der Zusammenhänge von Legitimation und Ökonomie in Wissensordnungen sowie für diachrone Herangehensweisen. Außerdem schlug Barget bezüglich des ökonomischen Aspekts vor, Wissen als Ressource zu betrachten, die einen Preis habe.

Insgesamt bildete die Konferenz den gelungenen Abschluss der Konferenzserie „Ein Europa der Differenzen“. Dabei erwies sich der Aufbau der Tagung produktiv: Die Gegenüberstellung von Beiträgen zu historischen und gegenwärtigen Themen ermöglichte ein besseres Verständnis der generellen Funktion von Wissensordnungen. Ein besonderer Schwerpunkt der Beiträge sowie der anschließenden Diskussionen waren die den Wissensordnungen inhärenten hegemonialen Ansprüche und normativen Wertungen. Dabei wurde auch die Rolle und Funktion der (Geschichts-)Wissenschaften in gegenwärtigen und durch die Digitalisierung veränderten Wissensordnungen reflektiert und diskutiert. Das postulierte Ziel, zukünftige Forschungsfelder und -fragen auszuloten, wurde mit der Konferenz erreicht. Die in der Schlussdiskussion festgehaltenen Ergebnisse könnten möglicherweise auf zukünftigen Konferenzen auch durch Diskussionen zur Theorie und Methode der Erforschung von Wissensordnungen erweitert werden, sodass die Begriffe (beispielsweise „Raumwissen“ und „Wissensordnung“) präziser gefasst und für den Vergleich von historischen Beispielen zur Verfügung stehen.

Konferenzübersicht:

Irene Dingel (IEG Mainz): Begrüßung

Joachim Berger (IEG Mainz) / Thorsten Wübbena (IEG Mainz): Einführung

Sektion I: Sprache, Lernen und Hierarchisierung. Von Esperanto bis DeepL
Moderation: Joachim Berger (IEG Mainz)

Markus Krajewski (Basel): Sprache nach Plan, verfahren. Die Welthilfssprachbewegung um 1900

Jürgen Hermes (Köln): Durch neuronale Netzwerke zur lingua Franca. Wie Algorithmen unsere Kommunikation bestimmen

Sektion II: Räume, Bewegung und Wissensimagination. Von der Apodemik zu google-maps
Moderation: Fabian Cremer (IEG Mainz)

Monika Barget (IEG Mainz / Maastricht): Raumwissen konstruieren, konservieren und kommunizieren. Die Vermessung Europas in der Frühen Neuzeit

René Westerholt (Dortmund): Geographische Räume, neu konstruiert. Zur Konstruktion, Kuration und Analyse digitaler Geographien

Sektion III: Wissensräume. Objektsammlungen und ihre digitale Repräsentation
Moderation: Constanze Buyken (IEG Mainz)

Joëlle Weis (Trier): Von kosmisch-göttlicher Ordnung zur Museumssammlung? Eine Meistererzählung als Wissensordnung

Thorsten Wübbena (IEG Mainz): Algorithmus statt Denkmälerkenntnis? Zur Wissensrepräsentation im Knowledge Graph

Zwischenfazit
Impuls: John C. Wood (IEG Mainz)

Sektion IV: Diskurse, Netzwerke, Argumente. Ausgrenzung und Hierarchisierungen von der europäischen Res publica literaria zur globalen Netzgemeinde
Moderation: Cindarella Petz (IEG Mainz)

Aline Deicke (AdWL Mainz) / Henning P. Jürgens (IEG Mainz) / Demival Vasques Filho (IEG Mainz): Streit – Konsens – Dissens. Theologische Kontroversen als Netzwerkdynamiken

Simon Meier-Vieracker (Dresden): Kommentar – Replik – Mediengewitter? Expertentum in der digitalen Welt

Sektion V: Spaltung der Gemeinde. Wem gehört das Wissen nach der Trennung?
Moderation: Thorsten Wübbena (IEG Mainz)

Jaap Geraerts (IEG Mainz): Frühneuzeitliche Schismen und Informationskulturen. Kontinuität und Wandel

Kathrin Passig (Berlin): Das Teilbare und das Unteilbare. Schismen in digitalen Projekten

Sektion VI: Europa als Wissensordnung. Ein- und Entgrenzungen von der »Cosmographia« zur europäischen Dateninfrastruktur
Moderation: Markus Müller (IEG Mainz)

Joachim Berger (IEG Mainz): Europa in der Welt. Historiographische Ordnungsversuche

Mirjam Blümm (Köln): Das Europa der Daten. Forschungsinfrastrukturen als europäische Wissensordnungen?

Schlussdiskussion
Moderation: Johannes Paulmann (IEG Mainz)

Anmerkungen:
1 So würden vor allem Personen mit akademischem Abschluss, gehobenem Einkommen und mittleren Alters sowie deutlich mehr Männer als Frauen Geoinformationen erzeugen.
2 Diese liege auch verschriftlicht vor: Aline Deicke, Networks of Conflict. Analyzing the „culture of controversy“ of polemical pamphlets of intra-Protestant disputes (1548–1580), in: Journal Of Historical Network Research 1 (2017), S. 71–105.

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