Natürliche Ressourcen in der Vormoderne. Sicherung – Mobilisierung – Rationierung

Natürliche Ressourcen in der Vormoderne. Sicherung – Mobilisierung – Rationierung

Organisatoren
Sabrina Hennig / Stefan Huber / Franziska Sedlmair, Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltungsort
Institut für Bayerische Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Förderer
Graduate Center der LMU München
PLZ
80539
Ort
München
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
30.06.2022 - 01.07.2022
Von
Sabrina Hennig / Stefan Huber / Franziska Sedlmair, Ludwig-Maximilians-Universität München

Der vom Graduate Center der Ludwig-Maximilians-Universität München finanzierte Doktorand:innen-Workshop fand in hybrider Form statt. Die Keynote hielt DOMINIK COLLET (Oslo) zum Thema Ressourcenkulturen in der Kleinen Eiszeit. Der einleitende Abendvortrag legte den Schwerpunkt auf die Verschränkung von Klima und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. Die Auswirkungen des cold-wet-complex der sogenannten Kleinen Eiszeit kennzeichnete ein Großteil dieser Periode in Gesamteuropa mit häufig kühlen Sommern und nassen Wintern. Collet bot einen aktuellen Forschungsüberblick mitsamt dem Ansatz eines proklamierten material turn und beleuchtete die Zugänge zu dieser so stark vom Klima beeinflussten Epoche. In diesem Zusammenhang griff er auf den von ihm etablierten Begriff einer „Getreidegesellschaft“ zurück: Die Bedeutung von Getreide sei für vormoderne Gesellschaften kaum zu überschätzen; nicht nur als grundlegendes Nahrungsmittel und damit wichtiger Kalorienlieferant, sondern auch als Herrschaftsinstrument oder Handelsprodukt.

In ihrer Einführung für den Promovierenden-Workshop am Freitag boten die Organistator:innen eine begriffliche und forschungsorientierte Einordnung des Terminus „Ressource“ und verwiesen zudem auf die während des Workshops berücksichtigten zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Unter „natürliche Ressourcen“ sollten für den Menschen nutzbar gemachte natürliche Vorkommnisse wie Nahrung, Futter, Bodenschätze und Energieträger verstanden werden.1 Der Begriff dient als Analysewerkzeug, findet er sich doch in der Regel nicht in vormodernen Quellen.

In der ersten Sektion „Ressourcenmanagement“ analysierte FRANZISKA SEDLMAIR (München) die unterschiedlich gerichteten Ressourcenströme für die Versorgung des bayerischen Militärs und arbeitete heraus, dass es galt, die Komplexität der ökonomischen, ökologischen, infrastrukturellen und politischen Gegebenheiten zu berücksichtigen, um somit natürliche Ressourcen gezielt auf Reisen zu schicken. Es folgte ein Vortrag von SALOME EGLOFF (Zürich), der sich ebenfalls mit dem Management von Ressourcen beschäftigte, besonders mit den Regelungen von beschränkten Zugänglichkeiten zu natürlichen Ressourcen und Exklusivitätsrechten. Sie unterschied zunächst die unterschiedlichen Rechtsstatus der in ländlichen Dörfern lebenden Bevölkerung und fokussierte sich in ihrem Vortrag auf den Rechtsstatus von Beisassen und Hintersassen. Egloff stellte die These auf, dass es für Beisassen im Laufe der Frühen Neuzeit immer schwieriger wurde, ihre erworbenen Rechte zu behalten, wurden diese doch auch jährlich in den Gemeindeversammlungen neu zur Debatte gestellt. Dieser Ausschluss von Rechten sei oftmals eine Antwort auf Knappheitserscheinungen, aber durchaus nicht alternativlos gewesen.

Die zweite Sektion stellte „Ressourcen und Ernährung“ in den Fokus und mit „Getreide“ eine der wichtigsten frühneuzeitlichen Ressourcen.2 Zunächst ging SABRINA HENNIG (München) auf den wiederkehrenden Mangel der Ressource Nahrung ein. Sie skizzierte die Regulierungs- und Rationierungsmaßnahmen von Getreide und teils anderen Lebensmitteln während frühneuzeitlicher Hungerkrisen in Bayern. In den von ihr herausgestellten Krisenzeiten (um 1570, 1770–1773 und 1816–1818) griffen Obrigkeiten, aber auch Untertanen, immer wieder auf die gleichen Krisenbewältigungsmechanismen zurück – die Instrumente des Krisenmanagements änderten sich im Laufe der Frühen Neuzeit kaum, lediglich deren Schwerpunktsetzung. Wie Sabrina Hennig aufzeigte, hätte ein (oftmals witterungsbedingter) Getreideengpass aber mit Hilfe von geplanten Krisenregulierungsmaßnahmen keine Hungerkrise zur Folge haben müssen. Außerdem war das Handeln der (lokalen) Beamtenschaft und der Bevölkerung nicht zwangsläufig konträr zueinander, sondern häufig von Kooperation geprägt.

Daran anschließend beschäftigte sich OSCAR DUBE (Halle-Wittenberg) mit der Produktivität von neuen landwirtschaftlichen Techniken, waren doch frühneuzeitliche Ernteerträge gerade im Vergleich zu heute gering und der Volatilität der Natur unterworfen. Dafür verglich Dube die Kornerträge sächsischer Bauerngüter ab 1700 mit der Entwicklung der europäischen Kornerträge. Seit 1700 lässt sich eine stetige Ertragssteigerung bei der Getreideproduktion erkennen. Eine Regressionsanalyse der sächsischen Ertragsdaten zeigte, welche Faktoren für den Getreideertrag besonders ausschlaggebend waren, wie etwa die jeweiligen Sommertemperaturen und die vorherige Aussaat von Klee.

Zuletzt stand ein Konnex im Vordergrund des Workshops, der aktuell die Debatte um den Umgang mit natürlichen Ressourcen maßgeblich bestimmt: Ressourcen und Nachhaltigkeit. STEFAN HUBER (München) ging in der dritten Sektion insbesondere der Frage nach, inwieweit die landesherrliche Administration der Wälder ökonomische, ökologische und soziale Aspekte als wesentliche Dimensionen der Nachhaltigkeit erfüllte. Die vormoderne Nutzung der Wälder war im Fokus unterschiedlicher Interessen und Akteure.

FELIX DIETZSCH (Chemnitz) lenkte im letzten Beitrag den Fokus auf den frühneuzeitlichen Bergbau in Sachsen. Für den Bergbau spielte die Ressource Holz eine herausragende Rolle. Somit prägte sowohl der Bergbau als auch die Holzwirtschaft sein Untersuchungsgebiet in der Frühen Neuzeit, kulturell und wirtschaftlich. Eine verstärkte Besiedlung wirkte sich etwa auch auf den Waldbestand und auf die Wahl der zu bepflanzenden Baumsorten aus. Im Gegensatz zu Stefan Hubers Fazit für sein Untersuchungsgebiet fiel Dietzschs Resümee bezüglich der Frage nach Nachhaltigkeit in Bezug auf die sächsische Bergbaukultur negativer aus: Die Bergbaukultur als Form der klassischen Rohstoffwirtschaft im Erzgebirge, die selbst wiederum große Mengen an Ressourcen wie Holz benötigte, habe wenig mit Nachhaltigkeit, so wie sie heute verstanden wird, zu tun. Im Fokus standen sehr viel mehr wirtschaftliche Interessen.

Abschließend kommentierte RUDOLF SCHLÖGL (Konstanz) die Ergebnisse des Workshops. Zunächst verwies er auf den durchaus vielseitigen und polyvalenten Begriff „Ressource“. Dadurch, dass er für viele Forschungsfelder und -fragen fruchtbar gemacht werden könne, bestünde auch gleichzeitig die Gefahr der Beliebigkeit und womöglich willkürlicher Assoziationsketten. Anschließend stellte er vier weitere seiner Beobachtungen vor: Erstens schien sich vormoderne Ressourcenknappheit immer auf unterschiedlichen Handlungsfeldern abzuspielen. Zweitens lassen sich unterschiedliche Strategien im Umgang mit Ressourcen ausmachen; unterschiedliche Regelungen konnten dabei zur Bildung von Hierarchien in einer Gesellschaft führen. Drittens erinnerte Rudolf Schlögl an die größeren Zusammenhänge der einzelnen Beiträge und dem Zusammenhang von gesellschaftlichen Großstrukturen und den Formen des Ressourcenmanagements in einer Gesellschaft ubiquitärer Knappheit. Wichtig sei in diesem Zusammenhang vor allem, inwiefern die vorgestellten Konzepte im Umgang mit Ressourcen spezifisch für die Frühe Neuzeit waren und welche Aussagen generell über diese Epoche getroffen werden können. Und viertens stellte er das Phänomen einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung seit dem Spätmittelalter heraus, das durch regionale Spezifizierungen bei gleichzeitiger Marktintegration über Produktströme gekennzeichnet war; in diesem Kontext griff er den von Dominik Collet vorgeschlagen Begriff von „Metabolismen“ auf.

Der Workshop machte erstens deutlich, dass die Beschäftigung mit natürlichen Ressourcen zwangsläufig auch andere Aspekte (kulturelle, gesellschaftliche, politische) in die jeweiligen Forschungen mit einbezieht. Wie die Beiträge zeigten, waren mit der Zentralschweiz, Bayern und Sachsen Naturräume gegeben, die sich hinsichtlich ihrer Geographie und ihrem Klima unterschieden. Quantität und Qualität der Ressourcen hing dabei etwa stets von der jeweiligen Bodenbeschaffenheit und der Witterung ab. Gleichzeitig prägte der Mensch auch seine Umwelt und formte diese.

Zweitens wurden die Quellenvielfalt und die daraus resultierenden Fragestellungen deutlich. Nicht zuletzt die ganz unterschiedlichen Forschungsansätze, häufig inspiriert von interdisziplinären Angeboten, bieten neue und zum Teil überraschende Perspektiven auf natürliche Ressourcen. Gerade bei der Analyse der Sicherung, Rationierung und Mobilisierung natürlicher Ressourcen ist es durchaus fruchtbar, die Untersuchung auf verschiedenen herrschaftlichen Ebenen anzulegen – dafür bieten sich nicht zuletzt landesgeschichtliche Zugänge an.

Konferenzübersicht:

Öffentlicher Abendvortrag

Dominik Collet (Oslo): Ressourcenkulturen. Klima und Gesellschaft in der Kleinen Eiszeit

Ferdinand Kramer (München) / Franziska Sedlmair / Stefan Huber / Sabrina Hennig: Begrüßung

Sektion I: Ressourcenmanagement

Franziska Sedlmair (München): Ressourcenströme für den Krieg. Die Organisation natürlicher Ressourcen zur Versorgung der Armeen Bayerns im Dreißigjährigen Krieg

Salome Egloff (Zürich): Ressourcenmanagement und Exklusion. Soziale Aspekte der Verwaltung kollektiver Ressourcen in der Zentralschweiz (1600-1750)

Sektion II: Ressourcen und Ernährung

Sabrina Hennig (München): Hungerkrisen aus Mangel an Ressourcen? Regulierung und Rationierung von Lebensmitteln im frühneuzeitlichen Bayern

Oscar Dube (Halle-Wittenberg): Das 4. Korn. Zur Ertragsfähigkeit traditioneller Landwirtschaft

Sektion III: Ressourcen und Nachhaltigkeit

Stefan Huber (München): Nachhaltig? Die landesherrliche Verwaltung der Wälder im Landgericht Tölz im „hölzernen Zeitalter“

Felix Dietzsch (Chemnitz): Bergbaukultur und Nachhaltigkeit?

Abschlusskommentar und -diskussion

Rudolf Schlögl (Konstanz)

Anmerkungen:
1 Zum Begriff der natürlichen Ressourcen siehe z.B. Ansgar Schanbacher, Begrifflichkeiten und Forschungskonzepte, in: Ders. (Hrsg.), Ressourcen in historischer Perspektive, Göttingen 2020, S. 3–18; Vorbrugg, Alexander, Ressourcen, in: Brunner, Dobelmann u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Land- und Rohstoffkonflikte, Bielefeld 2019, S. 272–278.
2 Bei Getreide handelt es sich um eine kultivierte Pflanze, die vom Menschen durch den Einsatz weiterer materieller (Boden, Wasser) und immaterieller Ressourcen (menschliches Wissen über die Anbautechnik, Ernte-Arbeit, etc.) nutzbar gemacht wird. Diese menschliche Nutzbarmachung überwindet nach Meinung der Workshop-Organisator:innen den Kultur-Natur-Gegensatz, sodass Getreide als natürliche Ressource betrachtet werden kann. Zu Nahrung als Ressource vgl. z.B. Ansgar Schanbacher, Umwelt und Ressourcen in der frühneuzeitlichen Stadt Mitteleuropas, in: Arnd Reitemeier u. a. (Hrsg.), Nachhaltigkeit in der Geschichte. Argumente – Ressourcen – Zwänge, Göttingen 2019, S. 111–134, hier S. 114–121.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts