9. Treffen des „Netzwerkes Alchemie“

9. Treffen des „Netzwerkes Alchemie“

Organisatoren
Thomas Moenius, Inzlingen; Martin Mulsow, Universität Erfurt/Forschungszentrum Gotha
Veranstaltungsort
Forschungszentrum Gotha
PLZ
99089
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.01.2023 -
Von
Alexander Kraft, Eichwalde; Thomas Moenius, Inzlingen

Das Netzwerk Alchemie traf sich am Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt zu einem Workshop um das laufende Projekt „Der transmutatorische Prozess nach Processus Universalis des Michael Sendivogius (1566-1636)“ abzuschließen und ein weiteres Projekt zur Alchemie der Dorothea Juliana Wallich (1657-1725) vorzubereiten.

Ausgangspunkt des bisherigen Projektes war das Traktat „Höchstes Kleinod dieser Welt“ (FB Gotha, Chart 1078 Blatt 1-7). Als Erdsalzrezept beschreibt es die Gewinnung eines Menstruum universale aus Erde, das zur Auflösung von Gold verwendet wurde. Aus einer so erhaltenen Goldlösung sollte ein Samen kristallisiert werden, der zu einer Tinktur führen sollte. Das Rezept gehört damit zu den transmutatorischen Experimentaltexten. Auffällig ist auch hier ein Nebeneinander von klarer, praxisnaher Experimentalbeschreibung und zeitgenössisch akzeptierten, im Labor aber nicht realisierbaren Alchemiewissens. Dieser Gegensatz erscheint dem heutigen Experimentator als „Bruch“. Ziel des Projektes war es den Rezepttyp inhaltlich zu verorten und den „Bruch“ näher zu lokalisieren. Dazu wurden die Texte sowohl mit digitalen Methoden analysiert als auch die Vorgehensweise im Labor nachgestellt. Die Resultate dazu wurden von den jeweiligen Arbeitsgruppen vorgetragen.

THOMAS MOENIUS (Inzlingen) berichtete von der inhaltlichen Verortung. Der Text steht in der Tradition des Processus Universalis von Michaelis Sendivogius (1566-1636) und ordnet sich in eine Reihe ähnlicher Experimentaltexte ein. In seinem Traktat „De Lapide Philosophorum Tractatus Duodecim“ von 1604 beschrieb Sendivogius nicht nur seine Vorstellungen vom Aufbau der Natur, sondern versuchte diese auch experimentell zur Herstellung einer Tinktur anzuwenden. Mit den Worten „soweit bin ich gekommen“ deutete er jedoch an, sein Ziel nicht erreicht zu haben und forderte deshalb seine Leser auf, nach weiteren Realisationsmöglichkeiten seines Konzeptes zu suchen. Das Ergebnis sind mehr als 70 Varianten dieses Experimentaltextes aus dem Zeitraum von ca. 1615 bis 1780, die sich als kontinuierlicher Versuch einer Projektbearbeitung lesen lassen. Ein inhaltlich-präparativer Vergleich dieser Texte führte zu Kriterien (wie die Vorbereitung des Ausgangsmaterials, die Stöchiometrie der Komponenten und die Art des zuzugebenden Samens), die eine stringente inhaltliche Gliederung der Texte erlauben. Diese inhaltlich-orientierte Gliederung erlaubt einen inhaltlichen Überblick dieses Textcorpus.

In ihrem Beitrag behandelte SARAH LANG (Graz) die Frage, ob ein Übergang von der Beschreibung realistischer Laborerfahrung zur naturphilosophischen Spekulation mithilfe digitaler Analysen festgestellt werden kann. Als Arbeitshypothese fungierte dabei die Annahme, die ‘Brüche’ zwischen Theorie und Praxis manifestierten sich im Text als zunächst nicht weiter definierte, noch genauer zu evaluierende Unregelmäßigkeiten, die aber durchaus mit digitaler Textanalyse nachvollzogen werden können. Da alchemische Rezeptgruppen bisher noch nicht Gegenstand digitaler Textanalysen waren, wurden zunächst digitale Methoden zur Systematisierung der Textgruppe erprobt. Zudem wurde die Effektivität out-of-the-box verfügbarer Methoden zur digitalen Textkollation, Stilometrie, dem Topic Modeling und der Erstellung von word clouds sowie die händische thematische Verschlagwortung von Absätzen evaluiert. Ein besonderer Fokus lag auf dem Nachvollzug von text reuse und Intertextualität mithilfe einerseits von stemmatologischen Tools und andererseits Longest Common Substring Matching. Diese Analysen haben gezeigt, dass man sich unter Zuhilfenahme digitaler Methoden der Problematik bislang nur auf intertextueller Ebene nähern konnte. Das eigentliche Ziel der Feststellung eines Textbruchs auf intratextueller Ebene war bisher noch nicht zu erreichen.

RAINER WERTHMANN (Kassel) berichtete über eine experimentelle Nachstellung. Die experimentelle Nacharbeit einer recht ausführlichen Processus-Universalis-Variante zeigte, dass trotz hauptsächlich qualitativer Beschreibungen wesentliche der beschriebenen Zwischenergebnisse experimentell nachvollzogen werden konnten: die Gewinnung eines Salzkonzentrats durch Auslaugung von Bodenproben, die Herstellung einer Gold auflösenden Säure durch trockene Destillation solcher Salze mit einem Anteil an Boden sowie die Gewinnung roter Produkte durch Weiterverarbeitung derartiger Goldlösungen. Überraschend war das Auftreten eines auch in der Vorschrift beschriebenen sublimierbaren Salzes, mit großer Wahrscheinlichkeit Aluminiumchlorid aus der Reaktion von Metakaolin mit Salzsäure. Diesem Phänomen wird in der Originalvorschrift eine gewisse Bedeutung beigemessen, während es aus heutiger Sicht die Wirkung der goldlösenden Säure nicht wesentlich verändert.

Der im Athanor stattfindende zweite Teil des Prozesses konnte nicht experimentell nachgearbeitet werden, da die Angaben zu unkonkret waren. Während der erste Teil auf im 17. Jahrhundert bekannten Prozessen beruht, scheint der zur Tinktur und zur Goldvermehrung führende zweite Teil weitgehend spekulativ zu sein. Methodisch wurde folgendermaßen vorgegangen: Nach Gewinnung und Analyse des Salzextraktes wurden die nachfolgenden Versuche mit synthetischen Mischungen durchgeführt. Fehlten genaue Mengenangaben, wurden qualitative bis halbquantitative Versuche durchgeführt, um die prinzipielle Machbarkeit zu zeigen. Eine ausführliche Diskussion der hier zusammengefassten Ergebnisse wird in einer Publikation des Landesmuseums für Vor- und Frühgeschichte in Halle erscheinen. Die Autoren möchten sich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Gerda-Henkel-Stiftung für die finanzielle Unterstützung bedanken.

ALEXANDER KRAFT (Eichwalde) ging in seinem Vortrag „Das Wallich-Projekt“ auf das nächste geplante Forschungsvorhaben des Netzwerkes Alchemie ein. Die aus Weimar stammende Alchemistin Dorothea Juliana Wallich (1657-1725) hatte in den Jahren 1705 und 1706 drei alchemische Bücher veröffentlicht. Im ersten dieser Bücher, dem Mineralischen Gluten gibt es einen Abschnitt, in welchem sie ihre Partikularrezepte und die zugrundeliegende Theorie des „güldischen Sulphur“ beziehungsweise des „tingierenden Sulphur“ detailliert erläuterte. Demnach würden bestimmte Substanzen diesen „güldischen Sulphur“ enthalten. Um Silber in Gold umzuwandeln, müsse man den „güldischen Sulphur“ aus diesen Substanzen isolieren und dann in die „Luna“, also in das Silber, einbringen. Dazu gäbe es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel durch Quecksilber, welches „mit güldischen Sulphur animiert“ ist, durch „Cementationes“ oder durch Einlegen der „Luna“ in Gradier-Öle und Gradier-Wässer. Aus Thüringer Archiven kennt man verschiedene Originalrezepte von Wallich, in denen diese Prozesse beschrieben sind. Im Vortrag wurde ein solches Rezept als Startpunkt für den experimentellen Teil des neuen Projektes vorgeschlagen. Der theoretische Teil des neuen Projektes soll sich mit der Theorie des „güldischen Sulphur“ beschäftigen und untersuchen, in welchem Zusammenhang diese Theorie mit anderen bekannteren alchemischen Theorien steht, wie etwa der Sulfur-Merkur-Theorie. Als drittes Teilprojekt wurde das Thema „Frauen und Alchemie“ diskutiert, da man am Beispiel Wallichs die Schwierigkeiten und Herausforderungen beispielhaft nachvollziehen kann, denen eine Frau gegenüberstand, wenn sie in der Frühen Neuzeit als Alchemistin tätig werden wollte. Das nächste Netzwerk-Treffens ist für den Zeitraum von 09. bis 10. Oktober 2023 geplant.

Konferenzübersicht:

Einführende Bemerkungen
Thomas Moenius (Inzlingen), Martin Mulsow (Erfurt/Gotha)

Ergebnisse der strategischen Ansätze

Thomas Moenius (Inzlingen), Der Processus-Universalis Corpus.

Sarah Lang (Graz), Ergebnisse eines computergestützten Textvergleiches.

Rainer Werthmann (Kassel), Ergebnisse der experimentellen Nachstellung des Processus Universalis.

Christian-Heinrich Wunderlich (Halle/Saale), Status und Planung des Buchprojekts zum Processus Universalis.

alle: Resümee, Ergebnisse, Lessons-learnt

Planung des neuen Projektes

Alexander Kraft (Eichwalde), Das Wallich-Projekt.

alle: Diskussion und Planung der Vorgehensweise

Ausblick

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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
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