Deindustrialization and Reindustrialization Re-Connected. Comparing Developments in the Global South and the Global North from the 1970s to the Present Day

Deindustrialization and Reindustrialization Re-Connected. Comparing Developments in the Global South and the Global North from the 1970s to the Present Day

Organisatoren
Research Center for the History of Transformations (RECET); Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropastudien, Regensburg; Institut für soziale Bewegungen, Bochum
Förderer
Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln; Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Wien; Österreichische Forschungsgemeinschaft, Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
31.05.2023 - 02.06.2023
Von
Christine Eckes, Bundeszentrale für politische Bildung; Camille Buat, Universität Göttingen

Ziel der Konferenz war es, Historiker:innen und Sozialwissenschaftler:innen aus der ganzen Welt zusammenzubringen, um die Vergangenheit, mögliche Zukünfte und die Bedeutung industrieller Produktion im gegenwärtigen globalen Kontext zu diskutieren. Zu diesem Zweck wurden größtenteils vergleichende Fallstudien präsentiert. Daraus ergab sich ein umfassendes Bild von historischen Entwicklungen in Bezug auf Deindustrialisierungsprozesse im Globalen Norden und Industrialisierung im Globalen Süden, aber auch von Reindustrialisierung und (innerstaatlicher) Verlagerung von Industrien. Durch die Zusammenkunft der Disziplinen wurde ein fächerübergreifender Diskurs in Gang gesetzt. So konnten einerseits die Akteure und treibenden Kräfte bei den De- und Reindustrialisierungsprozessen beleuchtet wurden, andererseits aber auch spezifische Erinnerungsnarrative an diese aufgezeigt und in Frage gestellt werden.

Dies spiegelte sich schon in den Einführungsvorträgen wider. LACHLAN MACKINNON (Halifax) stellte in seinem Vortrag über die Deindustrialisierungsgeschichte der Amerikas heraus, wie Kapitalströme über nationale Grenzen hinweg verlaufen, um (wirtschaftlich und politisch) günstigere Orte mit geringeren Betriebs- und Personalkosten zu erschließen. Darüber hinaus ging er auf die Akteure ein, die an Prozessen der De- und Reindustrialisierung beteiligt seien (Unternehmen, Staaten, Arbeiter:innen, internationale Organisationen). Auch die unterschiedlichen Ebenen, auf denen sich diese abspielen – und dabei hochgradig verflochten sind – wurden thematisiert (Region, Kommune, Bundesstaat, Staat, international, transnational).

JOANNA WAWRZYNIAK (Warschau) stellte in ihrer Keynote die Seite der Geschichts- und Erinnerungskultur zu industriellen Transformationsprozessen anhand der polnischen Industrie vor. Sie betonte, dass das kulturelle Gedächtnis und die sich darin weitertragenden Erinnerungsnarrative das politische und ökonomische Handeln über Generationen hinweg beeinflusst haben und ging auf die Erinnerungsnarrative im sog. vernacular memory (John Bodnar) ein. Wie Mackinnon stellte Wawrzyniak fest, dass die Erinnerung national und auf das verarbeitende Gewerbe beschränkt blieb. Globale Zusammenhänge würden kaum erklärt werden (Erinnerungsorte an die polnische Industriekultur referieren selten auf internationale Verflechtungen). Hinzu komme, dass der Osten in der Erinnerungskultur der nicht recht einzuordnende Elefant im Raum sei, wenn es um die Imagination von Zugehörigkeit zum Globalen Süden oder Globalen Norden gehe, die wiederum selbst bei eingängiger Betrachtung nicht recht zu kategorisieren seien.1 Die Abwanderung des Kapitals und die damit einhergehende Deindustrialisierung des Globalen Nordens und die Industrialisierung des Globalen Südens sei jedoch, auch aufgrund der Frage nach der Position des „Ostens“ in diesem Konstrukt, recht schematisch und somit unterkomplex.

NICOLAS ARENDT (Wien) untersuchte die Geschichte der rückläufigen industriellen Entwicklung Luxemburgs anhand der Objektbiografien von drei Hochöfen in Belval. Zwei wurden zu Industriedenkmälern umgebaut, einer der Hochöfen wurde Mitte der 1990er-Jahre an das chinesische Unternehmen Kunming Iron and Steel verkauft.

ANNA CALORI (Wien) befasste sich mit der langen Geschichte der Zusammenarbeit zwischen jugoslawischen Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Bauwesen, Pharmazie und Automobilbau mit blockfreien Partnern im Globalen Süden, darunter Kuba, Sambia, Ägypten, Tansania und Äthiopien. Sie argumentierte, dass jugoslawische Unternehmen in der Zeit zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren versucht hätten, ihre (halb-)periphere Lage zu überwinden, indem sie alternative globale Handelsnetzwerke innerhalb neuer räumlicher Konstellationen förderten. Diese Verbindungen hätten in den 1990er- und 2000er-Jahren eine neue Bedeutung erlangt, da diese Zeit von einer großen Wirtschaftskrise und der Privatisierung vieler großer ehemaliger sozialistischer Kombinate geprägt war, was zu deren Zersplitterung in kleinere Einheiten führte. In diesem Zusammenhang hätten transnationale Verbindungen eine entscheidende Rolle gespielt, da Joint Ventures und Geschäftsbeziehungen mit dem Globalen Süden (einschließlich Nord- und Zentralafrika sowie des Nahen Ostens) dazu dienten, die globale Relevanz eines Unternehmens wie Energoinvest, einem bosnischen Ingenieurbüro, aufrechtzuerhalten. Dies wiederum habe eine (begrenzte) Wiederbelebung der Industrialisierung im neu gegründeten Bosnien ermöglicht.

Die weit verbreitete Annahme, dass Kapital vom Globalen Norden in den Globalen Süden wandere, da dort die Produktionsbedingungen für die Unternehmen günstiger seien (geringere rechtliche Vorgaben, weniger Steuern, günstigere Arbeitskraft), wurde von INDRANIL CHAKROBORTY (Montreal) in Frage gestellt, der Kapitalflüsse aus Indien nach Europa, insbesondere Großbritannien, zum Thema machte. Chakroborty konzentrierte sich auf die Übernahme des anglo-niederländischen Stahlunternehmens Corus durch Tata Steel, Indiens größtem privaten Stahlhersteller, in den Jahren 2006/07. Ein Grund für diese Expansion nach Europa sei, dass die Expansion innerhalb Indiens durch Hindernisse beim Landerwerb und beim Zugang zu Primärrohstoffen aufgrund bürokratischer Prozesse, Korruption bei der Zuteilung von Minen und Widerstand der indigenen Bevölkerung begrenzt gewesen sei. Nach der Übernahme von Corus habe sich Tata Steel jedoch mit Schwierigkeiten konfrontiert gesehen (Rezession von 2008/09, die globale Finanzkrise, Dumping des Weltmarktes mit überflüssigem chinesischem Stahl, Arbeitskosten und Arbeitskultur im Vereinigten Königreich). Dies habe das Unternehmen zu einer Umstrukturierung, einer Reduzierung seiner Kapazitäten und der Schließung der unrentablen Standorte in Großbritannien gezwungen. Eine geplante Fusion mit dem deutschen Stahlkonkurrenten Thyssenkrupp sei von der Europäischen Kommission aus kartellrechtlichen Gründen blockiert worden. Chakroborty veranschaulichte sowohl eine sehr reale Gegendynamik von Investitionen vom Globalen Süden in den Globalen Norden (motiviert durch interne Grenzen der Expansion innerhalb Indiens) als auch deren Grenzen.

Neben der Diskussion über Kapitalströme kristallisierten sich in den Vorträgen Akteure heraus, die um De- und Reindustrialisierungsprozesse ringen.

Trotz der Dominanz des Kapitals wurde in den Fallbeispielen die Rolle des Staates betont, der die Rahmenbedingungen schafft. Beispielsweise stellte ALYSSA MAY KUCHINSKI (Durham) die Rolle des Unternehmens Fantus, gegründet 1919, bei inoffiziellen Absprachen zwischen Politik und Wirtschaft (hier: Automobilfirmen zwischen 1976 und 1992) heraus, die zur Ansiedlung von Unternehmen im Mittleren Westen und Süden der USA geführt hätten.

IMRE SZABÓ (Wien) ging auf die Bestrebungen der Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei) ein, die Deindustrialisierung zu verlangsamen bzw. deren Auswirkungen abzufedern. Zum einen wurden mit der Deindustrialisierung verstärkt Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst geschaffen, um die Aussicht der Beschäftigten auf Arbeitslosigkeit abzufedern. Zum anderen wurden Industriebetriebe staatlich subventioniert.

DORIS FISCHER (Würzburg) stellte im Abschlussvortrag die Strategieentwicklungen Chinas vor, die zur inländischen Ansiedlung von Unternehmen führte oder führen sollten.2

NAVEEN CHANDER (Göttingen) stellte die Verflechtungen von Staat und Kapital bei der Umsiedlung von Unternehmen aus Delhi in das Umland heraus, wozu auch gesetzliche Maßnahmen zur Luft- und Umweltverschmutzung im städtischen Raum durch das Oberste Gericht Indiens verabschiedet worden seien. Chander untersuchte Prozesse der industriellen Umstrukturierung in der Hauptstadtregion Delhis in den 1990er- und 2000er-Jahren. Er explizierte, wie Deindustrialisierung und damit einhergehende Umsiedlungen von Unternehmen nicht nur in globalen, internationalen Kontexten zu denken seien, sondern auch lokal. Die Frage der Deindustrialisierung in Südasien solle im Zusammenhang mit einem parallelen Prozess der Informatisierung gesehen werden, da die Schließung großer Industrien mit der parallelen Entwicklung kleiner Industrieeinheiten zusammenfiele, die nicht durch Arbeitsgesetze abgedeckt seien.

RUBÉN VEGA (Oviedo) und JULIANA FRASSA (La Plata / Florencia Varela) verglichen den Versuch der Schließung von Werften in Spanien (Gijón) und Argentinien (Ensenada). Die argentinische Werft wurde bis jetzt nicht geschlossen, die spanische Werft wurde Mitte 2009 stillgelegt. Es stellte sich heraus, dass die Motive, die zu einem entschlossenen Entgegentreten gegen die Schließungen beigetragen haben, in beiden Staaten ähnlich waren: u.a. hoher Organisationsgrad der Arbeitenden, ausgeprägte Arbeiterkultur, hoher Grad an Gewerkschaftsmitgliedschaften, ein politisches Bewusstsein der Arbeiter:innen, aber auch die Identifikation mit dem Arbeitsplatz und dem Unternehmen seien bei beiden Werften hoch gewesen.3

Ganz anders die Erfahrungen, die ESPERANZA ROCK NÚÑEZ (Santiago de Chile) in Bezug auf die Bergbaustadt Lota in Chile schilderte. In den dort entstandenen Mienen arbeiteten größtenteils Mapuche. Diese pfleg(t)en Rituale, die sich nicht recht in einen industriellen Arbeitstag eingliedern ließen und lassen. Die Pflege der Traditionen stünde über der Arbeit im Betrieb. Diese kulturellen Differenzen führten zu einer Reihe von Konflikten zwischen Mapuche-Arbeitern und Unternehmen, die eine Integration von Mapuche-Ritualen in den Betriebsablauf zur Folge hatten. Heute werde aus diesem Grund versucht, die Einstellung von Mapuche zu vermeiden.

Die Folgen der Arbeitslosigkeit während und nach einem Deindustrialisierungsprozess kamen in den meisten Vorträgen zur Sprache. Besonders hervor stachen die Ausführungen von STEFAN HÖRDLER (Göttingen), der sich den Folgen der Stahlkrise in den USA und Westdeutschland in den 1980er-Jahren widmete. Nachdem staatliche Subventionen für die Stahlindustrie ausgelaufen waren, verloren in der alten Bundesrepublik viele Menschen ihre Arbeit im Stahlsektor. Auch in den USA kam es zu Massenarbeitslosigkeit. In den 1980er-Jahren seien aus diesem Grund erste staatliche Zentren für Arbeitslose in den USA eingerichtet worden. Auch die Kirche habe eine Lücke in der Arbeitslosenfürsorge ausgefüllt, die durch die Gewerkschaften, die sich nicht für Arbeitslose zuständig gesehen hätten, nicht geschlossen worden sei. Aber auch die Arbeitslosen selbst hätten sich organisiert. Beiderseits des großen Teiches wurden Arbeitslosenzeitungen gegründet und Netzwerke geknüpft. So begann beispielsweise ein transnationaler Wissenstransfer zwischen britischen und deutschen Arbeitslosen. In den 1990er-Jahren wiederum bildeten sich Vernetzungen zwischen West- und Ostdeutschland.

Auch auf die Rolle von Expert:innen bei De- und Reindustrialisierungsprozessen gingen mehrere Vortragende ein, so beispielsweise KUCHINSKI in Bezug auf die Rolle des Unternehmens Fantus. Dieses wurde 1919 als Beratungsunternehmen gegründet; seine Aufgabe war (und ist) u.a., Fabrikstandortverlagerungen zu erleichtern. Ab den 1970er-Jahren habe das Unternehmen begonnen, mit ausländischen Automobilherstellern zusammenzuarbeiten, die sich in den USA etablieren wollten: Es führte Wirtschaftsumfragen durch und verhandelte im Namen seiner Kunden mit lokalen und staatlichen Regierungsbeamten, von denen viele bis zum Abschluss des endgültigen Vertrags vor Ort anonym geblieben seien.

MAX TRECKER (Leipzig) befasste sich mit der Rolle von Experten aus dem Osten (UdSSR) im Globalen Süden (Indien). Technische Kooperationen vom Ostblock aus seien oft erfolgreicher gewesen als vom Westen. Trecker verglich mehrere Stahlwerke, die zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren mit ausländischer Unterstützung in Indien gegründet wurden: Rourkela, das mit Hilfe der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde, sowie Bhilai, Bokaro und Visakhapatnam, alle mit Unterstützung der UdSSR. Er hob verschiedene Probleme hervor, die die Zusammenarbeit mit Westdeutschland erschwert hätten, darunter einige Probleme bei der Planung und Nutzung der Anlage und die mangelnde Sensibilität gegenüber lokalen Umständen. Sowjetische Unternehmen seien offenbar besser in der Lage gewesen, sich an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Ein wichtiger Unterschied sei gewesen, so Trecker, dass die sowjetischen Unternehmungen eher bereit waren, Inder auf ihren Baustellen auszubilden, während westdeutsche Unternehmen Angst davor gehabt hätten, die Hoheit über ihr geistiges Eigentum zu verlieren – was für Indiens Industrialisierungsprojekt jedoch entscheidend gewesen sei.

Es zeigte sich auch, dass gängige historische Deutungen (Systemkonkurrenz zwischen Ost und West im Kalten Krieg) nicht zwangsläufig der damaligen Praxis entsprechen – zumindest der Praxis der Unternehmen und der Kapitalflüsse. Die Vergangenheit wird durch die Brille der Gegenwart ausgedeutet.

Wawrzyniak erläuterte in ihrem Einführungsvortag, dass die Erinnerungsnarrative in Bezug auf die Privatisierungen in Polen in den 1990er-Jahren durchaus divergierten. Schon in den 1970er-Jahren habe eine Verschränkung der polnischen Wirtschaft mit westlichen Unternehmen begonnen. Daraus habe sich ergeben, dass einige Gruppen mit den Privatisierungen in den 1990er-Jahren ihren Status schnell verbessern konnten, da sie schon längere Zeit über mit westlichen Unternehmen in Kontakt gestanden hatten und so westliches kulturelles und soziales Kapital (Pierre Bourdieu) vorweisen konnten. Anders der Teil der Bevölkerung, dem eben jene Kontakte gefehlt hätten. Diese Menschen erinnerten sich an die Privatisierungen der 1990er-Jahre als fundamentalen lebensverändernden Einschnitt.

Trotzdem ließen sich in vielen Vorträgen recht ähnliche Erinnerungsnarrative feststellen. Insbesondere wurde das Narrativ des hart arbeitenden, männlichen Industriearbeiters herausgestellt, auf dessen Zeit heute oft nostalgisch zurückgeblickt werde. Nach der Deindustrialisierung Luxemburgs etablierte sich beispielsweise, so Arndt, ein nationales Narrativ, bei dem sich die Zeit vor dem industriellen Niedergang in ein Symbol der hart arbeitenden Generationen transformiert habe.

Die Unterrepräsentation von Frauen in der Arbeitergeschichte erläuterten ÖZGE KELKÇI und MERAL AKBAS (Ankara) am Beispiel der Musealisierung der Zellstoff- und Papierfabrik (SEKA) in İzmit im Nordosten der Türkei. Erbaut wurde die Fabrik 1936. Nachdem sie 2005 nach großen Streiks geschlossen wurde, entstand auf dem Fabrikgelände ein Museum. Die Produktion wird im Museum erläutert, in der Vermittlung der Erinnerung würden Frauen jedoch ausgespart, obgleich sie in der Fabrik arbeiteten.

Die Verbindung von Sozial- und Geschichtswissenschaften auf der Tagung unterstrich, dass auch die Erinnerung an bestimmte Ereignisse – und die individuelle Identifikation mit ihnen – für das Verständnis gegenwärtiger Prozesse und Narrative entscheidend ist. So untersucht NORA MARIELLA KÜTTEL (Halle/Saale) die Identifikation und Identitätskonstruktion über die Arbeit in drei Werftenkombinaten der DDR, die bis heute intergenerational fortwirken. Dabei brachte sie die Dimension der Wahrnehmung des Raumes in die Konferenz ein, die Einfluss auf die Erinnerungsnarrative habe. Wird eine Industrie stillgelegt, verschwinde sie aus dem Stadtbild; zurück bleibe eine nostalgische Erinnerung an das, was dieses prägte, die die Erfahrung des Verlustes unterstreiche.

Ziel der Tagung war es, einen Überblick über globale De- und Reindustrialisierungsprozesse anhand von vergleichenden historischen und regionalen Feldstudien zu erlangen und einen Ausblick auf mögliche Zukünfte zu geben. Dies ist weitestgehend gelungen, obgleich eine Zusammenführung der unterschiedlichen Fallstudien am Ende der Tagung wünschenswert gewesen wäre. Die Konferenz war ein wichtiger Schritt hin zu einer Verbindung sozialwissenschaftlicher und historischer Forschung. Diese müsste für ein Verständnis gegenwärtiger gesellschaftlicher Prozesse weiter vertieft werden. Bei der sozialwissenschaftlichen Reflexion über De- und Reindustrialisierungsprozesse ist es wichtig, auch die Genese von Geschichtsbildern mitzubedenken, damit vermeintlich bekanntes Wissen, das doch einem historisch gewachsenen Narrativ folgt, nicht als historisches Faktum dargestellt wird. Andernfalls werde die hegemoniale Erzählung unreflektiert weitergetragen. Historische Forschung ihrerseits kann nicht im Partikularen verharren. Es braucht sozialwissenschaftliche Theorie, um gesellschaftliche Zusammenhänge nicht nur induktiv, sondern gleichzeitig auch deduktiv und im Zusammenspiel zu analysieren. Transnationale Ansätze, die den Fokus weiten, sind für die Forschung unerlässlich.

Konferenzübersicht:

Ulf Brunnbauer (Regensburg), Stefan Berger (Bochum), Philipp Ther (Wien): Begrüßung

Opening Keynotes

Joanna Wawrzyniak (Warschau): Memory Perspectives on Industrial Transformation(s) in Eastern Europe

Lachlan MacKinnon (Halifax): Rethinking the Periphery: Deindustrialization in the Global North and South

Panel I: Political Economy & Legitimation

Moderation: János Kovács (Wien)

Alyssa May Kuchinski (Durham): The Fantus Company’s Influence on German and Japanese Auto Manufacturing Plants

Vera Scepanovic (Leiden) & Imre Szabó (Wien): The Roots and Costs of Reindustrialization - Lessons from the Visegrad Countries

Naveen Chander (Göttingen): Divergent trajectories: A Study of Industrial restructuring in North-India (1980s-2000s)

Thuc Linh Nguyen Vu (Wien): Framing Industrialization and Deindustrialization: The Long Doi Moi in the Vietnamese Press

Panel II: Workers’ Experiences

Moderation: Rosamund Johnston (Wien)

Agata Zysiak (Wien): Stories of Deindustrialization. Workers Narratives about Rupture, Adjustment, Continuity in Lodz and Detroit

Rubén Vega (Oviedo) & Juliana Frassa (La Plata / Florencia Varela): Deindustrialization, Worker Resistance and Work Culture in the Shipbuilding Industry. A Comparative Analysis of Two Shipyards in Argentina and Spain

Esperanza Rock Núñez (Santiago de Chile) & Irene Díaz Martínez (Oviedo): Cultural Representations in Lota-Chile and Asturias-Spain. Indigenism and Workerism in Post-Industrial Contexts

Panel III: Revisiting the North-South Paradigm

Moderation: Veronika Pehe (Prag)

Max Trecker (Leipzig): A Tale of Two Industries? The Intricate Relationship of the Soviet and Indian Steel Industry

Indranil Chakroborty (Montreal): Beyond the National: The Role of the Indian Steel Companies in Reindustrializing the Global North

Eliot Perrin (Montreal): Mining New Depths: Social Precarity amidst a Mining Boom in Sudbury, Ontario

Panel IV: Global and Regional Comparisons

Moderation: Lachlan MacKinnon (Halifax)

Stefan Hördler (Göttingen): Deindustrialization, transformation, and transnational impact of the steel crisis in West Germany and the USA in the 1980s

Nicolas Arendt (Wien): Between Extinction in Luxembourg and Resurrection in China. The History of the Three Belval Blast Furnaces after the Transformation of the Steel Site in the 1990s

Anna Calori (Wien): The Steady Stream? De-Industrialization and Re-industrialization in the Petro-chemical Industry in Yugoslavia and Italy

Panel V: Emotions of Industrial Transformation

Moderation: Joanna Wawrzyniak (Warschau)

Joey Ann Fink (Highpoint): Warrior Jesus, the Christian Soldier, and the Working Man: Evangelical Christianity in the Industrialized Regions of the United States and Canada since the 1970s

Nora Mariella Küttel (Halle/Saale): Loss in Transformation: Labor, Place, and Identity in East German Shipyards

Özge Kelekçi (Ankara) & Meral Akbaş (Ankara): Searching “Here but Lost” Memories in an Emptied Landscape of a Factory in Turkey

Boris Komakhidze (Tiflis): Visibility of the Deindustrialized City Landmark: Post-Socialist Transformation of the Liepaja’s Metallurgical Factory

Tao Chen (Shanghai): Foreign experts, Local protests, and Industrial Progress: Building Rolling Mills in Wuhan Steel Factory, 1973-1981

Schlussbemerkung

Doris Fischer (Würzburg): Dual Circulation, Decoupling and Dual Use: Chinese Policies‘ Impact on Europe‘s De- and Reindustrialization

Anmerkungen:
1 Kurze Abstracts zur Double Keynote zu Beginn der Konferenz sind hier zu finden: https://www.recet.at/event-news/events/detail/double-keynote.
2 Mehr zur Abschlusskeynote von Doris Fischer findet sich hier: https://www.recet.at/event-news/events/detail/keynote-dual-circulation-decoupling-and-dual-use-chinese-policies-impact-on-europes-de-and-reindustrialization.
3 Die Erfahrungen der Deindustrialisierung wurden (pop-)kulturell aufgenommen. So entstand 2002 der Film „Los lunes al sol“ (Montags in der Sonne) und 2007 „Argentina latente“ (keine deutsche Synchronisation), in denen die Perspektive der Arbeiter stark im Fokus steht.