Den amici populi Romani widmete sich der Workshop, zu dem die Herausgeber des Prosopographieprojektes „Amici Populi Romani. Prosopography of the foreign friends of the Romans”1 nach Leipzig geladen hatten. Mit Beiträgen sowohl zu Romfreunden aus verschiedenen Teilen des Reiches sowie angrenzender Gebiete wie Illyrien, dem Schwarzmeerrraum, Kleinasien, der Levante, Kusch und Mauretanien als auch zu den Freundschaftsbeziehungen prominenter Persönlichkeiten wie Cato oder Polybios wurden neue Forschungsansätze zu Roms amici präsentiert. Dabei wurden einzelne Romfreunde vorgestellt, die bisher von der Forschung kaum Beachtung gefunden haben, und deren Bedeutung für das Römische Reich sowie einzelne Römer ausführlich besprochen.
Nach Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde der Workshop eingeleitet durch einen öffentlichen Abendvortrag von STEFAN PFEIFFER (Halle/Wittenberg) zum sog. „fetten“ König Ägyptens und dem diplomatischen Austausch Roms mit dem Ptolemäerreich. Der Vortrag setzte sich kritisch mit einer Gesandtschaft Roms nach Alexandria (140/139 v.Chr.) auseinander und legte verschiedene Punkte kultureller Missverständnisse dar, welche in Rom das Bild des hellenistischen Hofes nachhaltig prägten.
Der folgende Tag widmete sich schließlich in vier Sektionen den Beziehungen Roms zu seinen amici. Den Auftakt bot OLIVER BRÄCKEL (Leipzig) mit seinem Vortrag über die Inthronisierung von Nikomedes II. in Bithynien. Dem Übergang von Prusias II. zu seinem Sohn Nikomedes II. als König von Bithynien ging ein mehrjähriger Konflikt voraus, an dessen Ende der neue Herrscher Nikomedes seinen Vater umbringen ließ. Der innerbithynische Kampf wurde dabei maßgeblich von Attalos II. von Pergamon beeinflusst und landete schließlich vor dem römischen Senat. Dessen Versuche, den Konflikt zu beenden, wirken, gemessen an dem Aufwand, eher halbherzig und gipfelten in der Gesandtschaft „ohne Füße, Kopf und Herz“. Der Verdacht liegt nahe, dass hier unterschiedliche Interessen in Bezug auf Bithynien vorlagen, was die beteiligten Parteien gezielt auszunutzen versuchten. Im Vortrag wurde vor allem die ambivalente römische Haltung in diesem Konflikt zwischen mehreren seiner amici untersucht, um die verschiedenen Akteure sowie deren Interessen zu identifizieren.
Im zweiten Vortrag befasste sich JULIAN GIESEKE (Bielefeld) mit den Beziehungen Roms zum Illyricum. Die Geschichte Illyriens in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v.Chr. wurde oft durch die Brille der Römer betrachtet. Doch selbst nach dem zweiten Römisch-Illyrischen Krieg 219/218 v.Chr. annektierte Rom kein Land in der Region, sondern überließ die Verwaltung seinen amici. Der mächtigste Akteur in Illyrien war damals Skerdilaidas, der Fürst der Labeatae, aber er wird in der Friedensordnung nicht erwähnt und scheint 218 v.Chr. nicht mehr als amicus anerkannt worden zu sein. Es wurde herausgearbeitet, wie Skerdilaidas mit internen und externen Herausforderungen umging und zwischen verschiedenen politischen und ethnischen Gruppen in der Region vermittelte. Trotz seiner Verbindung zu den illyrischen Königreichen der Teuta und des Demetrios entging er dem Zorn Roms, erlangte schließlich die offizielle Anerkennung als amicus populi Romani und kämpfte in einer Koalition mit den Römern gegen Makedonien.
JEAN COERT (Dresden) befasste sich in seinem Vortrag mit den „verlorenen Prinzen Mauretaniens“ – den Söhnen von König Bocchus II. Der Beitrag stellte eine gängige Forschungsannahme zum mauretanischen Königreich infrage: Nach dem Tod von Bocchus II. (33 v.Chr.) sei das dortige Königshaus ausgestorben und daher durch Augustus mit Iuba II. (25 v.Chr.) eine neue Dynastie in Mauretanien installiert worden. Es wurde gezeigt, dass entgegen dieser Annahme uns die Quellen noch Angehörige der vorigen Dynastie überliefern (Cass. Dio 43,36,1). Deren Werdegang nach 33 v.Chr. wurde rekonstruiert und dazu diskutiert, warum sie nicht auf dem mauretanischen Thron nachfolgen konnten. In diesem Kontext wurde auch erörtert, ob und wann die Dynastie von Bocchus II. das römische Bürgerrecht erhielt. Damit verbunden war die Frage, wie sich wohl einige der Nachkommen des Königs identifizieren lassen.
CORINA WILLKOMMEN (Leipzig) wiederum orientierte sich in Richtung Süden: Im Jahr 25 v.Chr. belagerte die römische Arme unter der Führung des ägyptischen Statthalters Gaius Petronius die meroitische Hauptstadt Napata, nachdem die Meroiten unter König Teriteqase eine Reihe von Plünderungen auf römisch beherrschte Städte in Südägypten unternommen hatten und sich allgemein gegen den langen Arm Roms auflehnten. Nach Teretiqases Tod übernahm die einäugige Kandake (Königin[Mutter]) Amanirenas das Kommando gegen Roms Armeen (Strab. 17,1,54). Sehr wahrscheinlich handelt es sich um dieselbe Amanirenas, die auf der Akinidad-Stele verewigt wurde. Dies beweist nicht zuletzt das einzigartige Zeugnis einer beschriebenen Katapultkugel, die bei archäologischen Ausgrabungen in Qasr Ibrim (Primnis) in den 1970er Jahren zum Vorschein kam (British Museum EA 71839). Wie aus dem unverhältnismäßigen Kräftemessen zwischen Rom und Amanirenas ein Friedensvertrag (Frieden von Samos 21/20 v.Chr.) zugunsten der Meroiten geschlossen wurde, war Hauptthema dieses Vortrags.
ALEXANDER PLATE (Leipzig) befasste sich mit der Rolle der Nabatäer als amici populi Romani. Gegenstand des Vortrages waren die wechselhaften Beziehungen zwischen Rom und den Nabatäern – insbesondere im Kontext der jüdisch-nabatäischen Rivalität um die regionale Vorherrschaft – zwischen den 60er Jahren v.Chr. und 106 n.Chr. Die Ausdehnung des Römischen Reiches über den östlichen Mittelmeerraum und die Levante sollte den Expansionsbestrebungen der hellenistischen Königreiche in der Region ein abruptes Ende bereiten. Von nun an galt es auch für die Nabatäer, sich mit den Mächtigen in Rom zu arrangieren, um die Autonomie des Staates zu erhalten. Nachdem alle umliegenden Reiche nach und nach von den Römern provinzialisiert wurden, konnten die Könige in Petra bis 106 n.Chr. ihre Unabhängigkeit bewahren. Die dabei zu beantwortenden Fragen waren also, mit welchen Mitteln – falls es überhaupt eine aktive Politik in dieser Hinsicht gab – die Nabatäer ihr Gemeinwesen erhalten konnten und inwieweit sie sich dabei als folgsame amici populi Romani definieren lassen.
Anschließend widmete sich FRIEDRICH MEINS (Göttingen) dem älteren Cato, berüchtigt als der Mann, der für die Zerstörung von Karthago verantwortlich war. In Hegels Philosophie der Weltgeschichte diente er als beispielhafte Personifikation des „römischen Prinzips“, das aus reiner Gewalt und Eigennutz besteht. Als er sich jedoch gegen eine Kriegserklärung an die griechische Inselpolis Rhodos aussprach, berief sich Cato ausführlich auf die Ideale der amicitia und fides. Einem „neuen“ Fragment zufolge, das höchstwahrscheinlich aus den verlorenen Teilen von Ciceros De re publica stammt, scheint die literarische Figur Cato die iustitia als notwendige Bedingung des gesellschaftlichen Friedens und der zwischenstaatlichen Beziehungen propagiert zu haben. Es wurden mehrere Versuche unternommen, Catos Haltung entweder als Beleg für „realistische“ oder „konstruktivistische“ Ansätze zu erklären oder, in einer eher reduktionistischen Weise, als Ausdruck seiner persönlichen wirtschaftlichen Interessen, während seine Rhetorik der fides als rein zynisch bezeichnet wurde. Dieser Beitrag kehrte zu einer eher dialektischen Erklärung zurück: Catos fides ist in der Tat ein Mittel zur Unterwerfung, konnte aber nur deshalb als solches funktionieren, weil sie für die Römer selbst verbindlich war – eine Tatsache, die für sie mehr oder weniger offensichtlich war und die ihren symbolischen Ausdruck darin findet, dass Cato angeblich die Idee förderte, einen Tempel der personifizierten fides neben dem des Jupiter zu errichten.
Im nächsten Vortrag stellte SVEN-PHILIPP BRANDT (Leipzig) mit Polybios von Megalopolis und Anthemios von Tralleis zwei bedeutende Persönlichkeiten ihrer Zeit in den Fokus, die der Nachwelt weniger durch ihren Status als amici populi Romani, sondern vielmehr durch ihre schriftlichen Hinterlassenschaften in Erinnerung geblieben sind. Diesem verbindenden Element steht der Umstand gegenüber, dass beide in sehr unterschiedlichen Epochen zu amici populi Romani wurden. Der Vortrag arbeitete daher an diesen beiden Biographien sowohl Kontinuitäten als auch Unterschiede der Institution der amicitia populi Romani im Kontext ihrer jeweiligen Zeit heraus. Entscheidenden Ausgangspunkt hierfür bildete wiederum der Status der Gelehrsamkeit der beiden Persönlichkeiten.
ALTAY COŞKUN (Waterloo) widmete sich im Folgenden der Schwarzmeerregion. Dynamis war die berühmteste Königin des bosporanischen Königreichs. Als Gattin des Usurpators Asander verhalf sie ihm 47 v.Chr. zu dynastischem Ansehen und zur Festigung seiner Macht. Sie verbündete sich mit dem Aufständischen Scribonius (20/19 v.Chr.), und nach einer kurzen Zeit der Alleinherrschaft (ca. 16/14 v.Chr.) gab sie dem römischen Druck nach und heiratete Polemo I., der die Königreiche Pontus und Bosporus vereinigte (14-9/8 v.Chr.). Erst nach seinem Tod gestattete Augustus ihr, allein zu regieren, wahrscheinlich bis zu ihrem Tod im Jahr 7/8 n.Chr. Es wird vermutet, dass der ansonsten unbekannte Scribonius als König Mithradates regierte, worauf bisher nicht zugeordnete Münzen hindeuten. Der Vortrag befasste sich neben der Analyse des zuzuordnenden numismatischen Quellenmaterials ausführlich mit der Diskussion epigraphischer und literarischer Quellen, welche das Bild stützen.
Im letzten Vortrag befasste sich HENDRIKUS VAN WIJLICK (Peking) mit der Rolle der Polemoniden-Dynastie in zwischenstaatlichen Freundschaftsnetzwerken während des frühen Prinzipats. Die Rekonstruktion der Polemoniden-Dynastie, deren Mitglieder während des frühen Prinzipats in den verschiedenen Teilen des östlichen Mittelmeerraums herrschten, sowie ihrer Rolle in den zwischenstaatlichen Freundschaftsnetzwerken ist eine Herkulesaufgabe. Die Quellenlage, bestehend aus Inschriften, Münzprägungen und literarischen Texten, ist nicht selten schwer zu überblicken. Da die Dynastie nicht in ihrer Gesamtheit behandelt werden kann, konzentrierte sich der Beitrag auf den König von Pontus, der – wie in der APR-Datenbank – oft als M. Antonius Polemon II. bezeichnet wird. Dabei wurden in erster Linie Probleme der Identifizierung, der Beziehungen zu nahen Verwandten und seiner Funktion als Herrscher in Kleinasien behandelt. Im letzten Teil des Vortrages wurden Perspektiven aufgezeigt, wie die Stellung Polemons II. und seiner nahen Verwandten im kleinasiatischen Verwaltungsgeflecht zu verstehen ist.
Abschluss des Workshops bildete eine breite Diskussion über die verschiedenen Aspekte der römischen Freundschaftsbeziehungen. Nutzung und Entwicklung des Beziehungsgeflechts der Amici Populi Romani standen dabei im Fokus. Weiterhin wurde ein Ausbau der Kooperation zwischen den verschiedenen Beteiligten des Workshops vereinbart, um das Projekt der APR-Prosopographie sowohl digital fortzuführen als auch mit regelmäßig stattfindenden Tagungen zu dem Thema für weitere Forschungsanreize zu sorgen.
Konferenzübersicht:
Eröffnungsvortrag
Stefan Pfeiffer (Halle-Wittenberg): The fat king of Egypt and Roman senators: the so-called culture shock of a Roman embassy to the Ptolemaic court in Alexandria (140/39 BCE)
Sektion 1
Moderation: Altay Coşkun (Waterloo)
Oliver Bräckel (Leipzig): Die Inthronisierung von Nikomedes II. in Bithynien
Julian Gieseke (Bielefeld): Between Rome, Illyria and Greece. Skerdilaidas’s long quest for amicitia
Sektion 2
Moderation: Oliver Bräckel (Leipzig)
Jean Coert (Dresden): Die verlorenen Prinzen Mauretaniens. Überlegungen zum mauretanischen Interregnum und der ersten Vergabe des römischen Bürgerrechts an ein auswärtiges Königshaus
Corina Willkommen (Leipzig): „Reicht das jetzt, Kandake?“
Alexander Plate (Leipzig): Die Nabatäer als amici populi Romani
Sektion 3
Moderation: Jean Coert (Bielefeld)
Friedrich Meins (Göttingen): Cato’s fides
Sven-Philipp Brandt (Leipzig): Von Polybios zu Anthemios von Tralleis – Gelehrte als amici populi Romani im Spiegel ihrer Zeit
Sektion 4
Moderation: Friedrich Meins (Göttingen)
Altay Coşkun (Waterloo): Basilissa Dynamis Philorhomaios, Basileus Mithradates (Scribonius), and Basileus Polemon I Philokaisar Philorhomaios Eusebes
Hendrikus van Wijlick (Peking): The role of the Polemonid dynasty in interstate friendship networks during the early Principate
Zusammenfassung und Abschlussdiskussion
Anmerkung:
1https://www.altaycoskun.com/apr (13.09.2024)