Was war Faschismustheorie?

Was war Faschismustheorie? Epistemologie, Poetik und Medialität einer heterodoxen Gattung

Organisatoren
Morten Paul / Stefan Höhne, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) (Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI))
Ausrichter
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
PLZ
45128
Ort
Essen
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
18.09.2024 - 20.09.2024
Von
Constantin M. März, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)

Angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer Parteien und autoritärer Politiken erlebt die lange Zeit als überholt geltende gegenwartsdiagnostische Verwendung des Faschismusbegriffs derzeit eine neue Konjunktur. Der interdisziplinäre Workshop „Was war Faschismustheorie? Epistemologie, Poetik und Medialität einer heterodoxen Gattung“ am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) widmete sich ausgehend von dieser Beobachtung der über hundertjährigen Geschichte der Faschismustheorie. Der ideengeschichtliche Blick auf Faschismustheorien sollte einerseits allzu einfache Übertragungen verkomplizieren, andererseits Anschlussmöglichkeiten für die Analyse gegenwärtiger politischer Prozesse und Akteure aufzeigen – so lautete der Anspruch der Veranstalter. Hierbei trafen sich zeitgeschichtliche, literaturwissenschaftliche, kunsthistorische und kunstwissenschaftliche, philosophische, psychoanalytische, medienwissenschaftliche, kulturwissenschaftliche und soziologische Perspektiven.

Einer der beiden Veranstalter MORTEN PAUL (Essen) begann den Workshop mit einer Einführung, in der er anhand von vier historischen Szenen plastisch die Genese der Theorieentwicklung über den Faschismus nachzeichnete: 1. 1969: Ernest Mandel, 2. 1923: Clara Zetkin, 3. 1937: Max Horkheimer und 4. 1977: Michel Foucault. Paul betonte hier, dass diese Theoretiker:innen immer über das „Verstehen“ zum „Verhindern“ gelangen suchten und sich damit auch zentral die Frage nach der Vermittlung der Theorien stelle.1

CAROLINE ADLER (Hamburg) eröffnete Panel 1 und widmete sich Walter Benjamins Auseinandersetzung mit der Theoretisierung des Faschismus vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus, die sich in Schriften wie etwa „Linke Melancholie“ (1931) auffinden lässt. Ihr Vortrag zeichnete Benjamins Kritik an Geistesströmungen nach, die sich auf der Suche nach „wahrer Erfahrung“ und „geistiger Erneuerung“ letztendlich für den Faschismus und seiner Suche nach dem „Ausdruck der Massen“ offen und anschlussfähig zeigten, und deren Kritik von Seiten der revolutionären Linken, so Benjamin, „unverzeihlicherweise" unterlassen wurde. Auf die Frage nach Benjamins Theoriebegriff betonte Adler, dass der Faschismus nach Benjamin eben kein bloßes Attribut war, sondern immer im Rahmen einer grundsätzlichen Geschichtskritik betrachtet werden musste.

ELENA STINGL (Berlin) befasste sich mit den politischen Reiseberichten der dem Syndikalismus zugeneigten Französin Simone Weil. Weil reiste 1932 nach Deutschland, um ein eigenes Verständnis des Faschismus und der Lage im Land zu entwickeln. Sie kam mit der Überzeugung in die Reichshauptstadt, dass dort das „Epizentrum eines Schicksalskampfes“ liegen würde. Umso erstaunter zeigte sie sich über die politische Routine im öffentlichen Leben und die Spaltung der Linken. Stingl interessierte hier, wie die Kraft des Faschismus von einer ausländischen Beobachterin eingeschätzt wurde und inwieweit der Blick von außen auf die Weimarer Phase der NSDAP neue Erkenntnisse ermöglicht. In der Diskussion wurde nach einer spezifisch französischen Wahrnehmung des deutschen Faschismus sowie der historischen Genese des Syndikalismus gefragt.

In dem von NADINE HARTMANN (Berlin) eröffneten Panel 2 sollte es um faschistische Sozialstrukturen und -dynamiken gehen sowie um die Frage, welche Bewältigungs- und Präventionsmechanismen sich in Faschismustheorien finden lassen. Hartmann widmete sich der „postödipalen Gesellschaft“ und fokussierte sich so auf die Psychoanalyse. Sie nutzte dabei die Werke von Sigmund Freud, Jaques Lacan und Klaus Theweleit als analytische Sonden. Speziell der zentrale Einfluss von Freud auf Theweleits Werk „Männerphantasien“ rückte ins Zentrum, wobei es um Aspekte wie die „Figur des Führers als Wiederkehr des Übervaters“ ging. Die anschließende Diskussion drehte sich um die Rezeption von „Männerphantasien“ innerhalb der Psychoanalytik sowie die grundsätzliche Körperlichkeit des Faschismus.

YANARA SCHMACKS (New York) widmete sich der Rolle der Mutter und damit der mutmaßlichen Erklärbarkeit des Faschismus durch Erziehung und frühkindliche Prägung. Solche Vorstellungen einer „Nazi-Mutter” gingen in ihrer späteren Nachbildung aus Büchern wie „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” (1934) von Johanna Haarer hervor. Schmacks rekonstruierte, wie diese Formen der „schwarzen Pädagogik” später von Sozialwissenschaftlerinnen wie Sigrid Chamberlain und Ute Benz zur Erklärung der Mittäter:innenschaft von Frauen in der NS-Zeit eingesetzt wurden. Sie argumentierte, dass diese Idee der „NS-Mutter” aufgrund einer kaum vorhandenen empirischen Basis mehr über den gesellschaftlichen Wandel in ihrer Entstehungszeit der späten 1980er- bis frühen 2000er-Jahren aussagte als über die komplexere historische Realität. Dabei sei es hier nicht zuletzt um die gesellschaftspolitische „De-legitimierung des langsam wachsenden Eintritts von Frauen in den Arbeitsmarkt“ gegangen. Die Diskussion drehte sich danach etwa um die Frage von Erziehung und Mutterschaft in der DDR sowie wiederum deren nachträglicher Rezeption in der Bundesrepublik.

ELENA VOGMAN (Weimar) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der Bewegung der institutionellen Psychotherapie in Frankreich, die als eine Reaktion auf Faschismus und Kolonialismus betrachtet werden muss. Postkoloniale Vordenker wie Franz Fanon bezogen sich später ebenso auf diese Theorie wie der Psychoanalytiker Félix Guattari, der 1965 die medizinisch-politische Zeitschrift „Recherches“ (mit)gründete. Vogman konzentrierte sich auf deren zwölfte Sonderausgabe von 1973 anhand der sie die „anti-faschistische Politik des Körpers“ als ein Signum der institutionellen Psychotherapie herausarbeitete. Im Mittelpunkt stand die dort genutzte Technik der anonymen Bild- und Textmontage, über die Kritik an Rassismus, Sexismus, Homophobie und dem kolonialen Staat transportiert wurde. Während der Diskussion wurde auf die irritierende Gegenwärtigkeit der Themen und Darstellungen von „Recherches“ hingewiesen und über die Visualisierungstechniken diskutiert.

FRANK ENGSTER (Berlin) eröffnete Panel 3 und widmete sich einem italienischen Theoretiker: Furio Jesi. Jesi beschäftigte sich unter anderem mit der Mythologie des Faschismus und entwickelte Anfang der 1970er-Jahre das Konzept der „mythologischen Maschine“. Die These des Italieners war, dass die Mythologisierung im 20. Jahrhundert einen radikalen Umbruch erlebte, da keine sakrale Bedeutung oder sinngebende Botschaft mehr angerufen oder vermittelt wurde. Die faschistische Technisierung des Mythos geschah dann durch den Einsatz von Symbolen (Hakenkreuze oder Fahnen), Gesten (faschistischer Gruß) oder der emotionalisierten Nutzung von Containerbegriffen (Kultur, Volk etc.). In der Diskussion wurde nach der Existenz oder Nicht-Existenz „linker“ Mythen und einer für das Konzept essenziellen Verkopplung von Faschismus und Kapitalismus gefragt.

MAXI WALLENHORST (Lüneburg) erweiterte die Thematisierung vergeschlechtlichter Dynamiken im Faschismus und in der Faschismustheorie um die Bedeutung der Diskussion von trans∗ für faschistische Mobilisierungen. Für die Rechte fungiert dabei etwa der Vorwurf der „Gender-Ideologie" als Allegorie der Krise gesellschaftlicher Reproduktion und manifestiert sich in Feindbildern wie „Trans-Gender-Marxism“. Der Vortrag warf einen Blick auf US-amerikanische „Culture Wars“ mitsamt ihren Manifestationen in den digitalen Medien, die „Faschisierung des Familienbildes“ in rechtspopulistischen und autoritären Denkfiguren sowie illustrierte die historische Kontinuität der Verfolgung von Trans-Personen seit der NS-Zeit. In der Diskussion wurde auf die irritierend erscheinende Heterogenität der Frauenbilder innerhalb der Neuen Rechten sowie auf die teils einflussreiche Rolle von Frauen im NS-System Bezug genommen.

LAURA RIVAS GAGLIARDI (Köln) konzentrierte sich auf Entwicklungen in Brasilien seit den 1930er-Jahren bis in die allerjüngste Vergangenheit. Sie zeigte drei Manifestationspunkte einer brasilianischen Variante des Faschismus: 1. Die Ära des antikommunistischen Präsidenten Getúlio Vargas (primär 1937–1945), 2. Die Jahre der Militärdiktatur 1964 bis 1985, während der politische Andersdenke brutal verfolgt wurden sowie die Amtszeit des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro 2019–2023. Sie illustrierte dies anhand von kulturgeschichtlichen Sonden wie dem Lied „Aquarela do Brasil“ (1939) oder der musikalischen Bewegung des „Tropicalismo“ (1960er- bis 1980er-Jahre). Rivas Gagliardis These war, dass die Besonderheit einer von der ehemaligen Sklavenhaltergesellschaft geerbten Klassenstruktur und die Bedingungen einer peripheren Industrialisierung diesem lateinamerikanischen Faschismus einzigartige Merkmale verliehen. In der Diskussion ging es unter anderem um die analytische Verbindung aus ästhetischer Ebene und politischer Machtpraxis.

Den zweiten Tag des Workshops beschloss ein öffentliches Abendpodium im KWI, bei dem LUCE DeLIRE (Berlin), ALEX DEMIROVIĆ (Frankfurt am Main) und TATJANA SÖDING (Berlin) mit dem Veranstalter Morten Paul (Essen) diskutierten. Die äußerst lebendige Diskussion inkludierte Aspekte wie die Rezeption der Klimakrise, die teils toxische Auswirkung digitaler Räume sowie die schleichende Institutionalisierung rechtsextremer Gesellschaftsvorstellungen.2

Panel 4 begann mit einem Beitrag von MORITZ NEUFFER (Berlin), der sich Dokumentationsbänden widmete. Bücher wie Joseph Wulfs „Die bildenden Künste im Dritten Reich – Eine Dokumentation“ (1963) versammelten Quellenkonvolute aus der NS-Zeit und erhoben dabei als zwischen historischer Materialsammlung und journalistischem Sachbuch angesiedelter Gattung ein „Objektivitätspostulat“. Der anti-kapitalistische Faschismustheorien kritisierende Wulf war keinesfalls der einzige Dokumentarist, auch im Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) und an politisch engagierten Publikationsorten wurde die dokumentarische Vorgehensweise zu einem wiedererkennbaren, aktivistisch geprägten Segment auf dem Buchmarkt. Neuffer argumentierte, dass „Dokumentation“ nur vermeintlich das Gegenteil von „Theorie“ war: Selbst wo die Quellen „roh“ präsentiert wurden, war ihre Auswahl und Anordnung von theoretischen Vorannahmen geprägt und Deutungsangebote in der Darstellung inkludiert. In der folgenden Diskussion wurde etwa nach den Lehren für die heutige Geschichtswissenschaft gefragt.

FERNANDO ESPOSITO (Konstanz) beschäftigte sich mit dem Zusammenhang von Modernekritik und Faschismustheorie. Dabei skizzierte er eine dreiteilige Entwicklung: Die in den 1960er-Jahren durch Bildungsexpansion und Boom des Taschenbuchmarkts einsetzende Vormachtstellung vor allem linker anti-kapitalistischer Faschismustheorien wurde ab Ende der 1980er-Jahre durch Baumans Verkopplung von Moderne (die nun als Surrogat zum Kapitalismus diente) und Faschismus herausgefordert. Schließlich sei ein „Herbst der Theorie“ durch die englischsprachige Forschung zum Faschismus eingeleitet worden, wo Theorie immer mehr zugunsten einer vordergründig distanzierteren Narrationshaltung marginalisiert wurde. Drei Feststellungen waren dazu in Espositos Vortrag zentral: Erstens die Zeitgebundenheit von Faschismustheorien, zweitens die noch ausstehende Grundlagenarbeit zu deren Begriffsgeschichte sowie drittens die Erkenntnis, dass die vierte Welle der faschistischen Theoriebildung eigentlich in der Gegenwart einsetzen sollte. In der Diskussion ging es unter anderem um die befürchtete Rationalisierung der Shoah durch Faschismustheorien.

FRIEDERIKE SIGLER (Bochum) begann das letzte Panel mit einem Blick auf die kunstwissenschaftlichen und politischen Debatten der 1970er- und 1980er-Jahre über den Umgang mit faschistischer Kunst. Sie konzentrierte sich auf die Ausstellung „Kunst im Dritten Reich. Dokumente der Unterwerfung“, die 1974 vom Kunstverein Frankfurt durchgeführt wurde. Sigler vertrat die These, dass „die eigentliche kunstbezogene Faschismustheorie nicht in akademischen Institutionen geprägt wurde, sondern vielmehr extern in Ausstellungen, die in linken marxistischen Kreisen zu den Medien einer neuen alternativen Kunstgeschichtsschreibung wurden“. Durch diese kuratorische Praxis wurde NS-Kunst analysiert und ein Beitrag zur Theoretisierung des Faschismus geleistet. In der Diskussion kam etwa die Frage nach den Entwicklungen der 2000er-Jahre auf, in denen NS-Kunst zunehmend im Verbund mit künstlerischen Erzeugnissen aus Mussolinis Italien oder der kommunistischen Sowjetunion im Rahmen eines Konzeptes von „totalitärer“ Kunst betrachtet wurde.

MARTIN G. MAIER (Marburg) warf einen abschließenden Blick auf die Nutzung des Faschismus-Begriffs in den parlamentarischen Debatten des Bundestages der 1980er-Jahre. Er zeigte auf, wie der Faschismus hier in der erinnerungspolitischen Aufladung und als Kampfvokabel im tagespolitischen Diskurs weiter zirkulierte. Speziell nach dem Einzug der Partei Die Grünen ließ sich ein vermehrter Einsatz feststellen, der erstaunlicherweise auch massiv von konservativer Seite erfolgte. Die Totalitarismus- oder Extremismustheorie wurde so instrumentalisiert und der Faschismus als politische Gewaltpraxis der Straße kam in dieser Darstellung dezidiert von links. Dabei wirkten sich die Verschärfung des Kalten Krieges ebenso polarisierend aus wie die Befremdung der Unionsparteien über neue soziale Bewegungen in Bonn. Umgekehrt wurde der Begriff von links gegenüber der Kohl-Regierung in Rahmen der Volkszählungsdebatte prominent genutzt, um vor einem antiliberalen Überwachungsstaat zu warnen, dem Tür und Tor geöffnet werde.

In der Abschlussdiskussion wurde die durchgehend hohe Qualität der Referate hervorgehoben, aber auch auf einige Leerstellen hingewiesen: liberale oder konservative Faschismustheorien, die historische Funktion der Totalitarismus-Theorie, außereuropäisch/post-koloniale Perspektiven (Beiträge entfielen krankheitsbedingt), der Einfluss des angeblichen „Ende der Geschichte“ sowie schließlich die aus der wissenschaftlichen Betrachtung erwachsenden Handlungsoptionen für Gegenwart und Zukunft. Letzterer Punkt wurde auch in einem (größtenteils positiven) Bericht in der Zeitung „Neues Deutschland“ behandelt, wo die Autorin von „Defätismus“ sprach und bei den Teilnehmer:innen das mangelnde Verständnis für die Kausalität zwischen Kapitalismus und Faschismus kritisierte.3 In jedem Falle schien der fluide Charakter „des Faschismus“ und seiner Theorie im Verlauf der Workshops immer stärker durch. Fernando Esposito bot hier noch die an Roger Griffin orientierte Definition einer „ultra-nationalistischen Haltung mit einem palingenetisch mythischen Kern“ an. In den Beiträgen selbst wurde der Begriff in fünffacher Weise operationalisiert: 1. Als die historische Epoche zwischen etwa 1922 und 1945, in denen von dieser Ideologie beherrschte Staaten durch aggressive Expansion weltweit exzeptionell-verbrecherische Gewalt entfesselten und dabei auf der Überbetonung des Militärs als Lebensform sowie der Idee vom Krieg als Selbstzweck fußten. 2. Als innerhalb von Demokratien erscheinenden Subkulturen, die selbst wenn sie als politische Parteien auftreten, weniger breite gesellschaftlich Unterstützung zu generieren suchen, als vielmehr die über Gewaltexzesse erfolgende Terrorisierung ihrer Feinde anstreben. 3. Als ein Gespenst, vor dem beim Aufkommen dezidiert anti-progressiver Politiken gewarnt wird, einer Art dämonenhaften Latenz, die zu gleichen Teilen aus der Vergangenheit und dem innersten Wesen der westlichen Gesellschaften zu kommen scheint. 4. Als koloniale gegen Menschen aus nicht-westlichen Weltregionen gerichtete Gewalt, die auf ethnisch-kultureller Hierarchisierung (sowie materieller Ausbeutung) beruht. 5. Als innerhalb der Parteiensysteme zunehmend etablierte Parteien, die rechts-konservative bis offen nationalistische Inhalte vertreten und dabei an als „faschistisch“ geltende Narrative anknüpfen oder aufbauen, aber dennoch (eher) politische Mehrheiten anstreben als den gewaltsamen Umsturz. Diese fünf faschistischen Dimensionen ließen sich in variierender Intensität in den Beiträgen auffinden, wobei sie sich oftmals vermischten – bewusst oder unbewusst. Gegenwartsspezifisch wäre vor allem das Verhältnis der fünften Variante zu den anderen vier interessant gewesen. Der Workshop zeichnete sich dennoch durch eine enorme Breite an Thematiken wie Perspektiven aus und leistete ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur Historisierung (der Historisierung) des Faschismus. Jene Diversität der Veranstaltung war auch darauf zurückzuführen, dass die Veranstalter bewusst interdisziplinär vorgingen und dabei auch aktivistische Perspektiven in den Workshop miteinbezogen. Was die Tagung im Rahmen des limitierten Zeitraums und der Vielzahl an fachlichen Positionen natürlich nicht leisten konnte ist die Erarbeitung einer eigenen Theorie des Faschismus. Indem sie jedoch gezielt den Blick auf die Heterogenität der Faschismustheorien richtete machte sie zahlreiche ungewöhnliche und produktive Anschlussstellen sichtbar.

Konferenzübersicht:

Stefan Höhne (Esssen) / Morten Paul (Essen): Begrüßung & Einführung

Panel 1: 1919–1933: Erste Erklärungen eines neuen politischen Phänomens

Moderation: Danilo Scholz (Essen)

Caroline Adler (Hamburg): Faschistische Armaturen. Walter Benjamins Theorien des deutschen Faschismus

Elena Stingl (Berlin): Warten auf Revolution. Simone Weil in Berlin 1932

Panel 2: Um 1968: Warum wird man Faschist:in?

Moderation: Stefan Höhne (Essen)

Nadine Hartmann (Berlin): „Ödipus als Fantasie des nicht-faschistischen Bürgers“ – Freud, Theweleit und die Zeiten des Neurotikers

Yanara Schmacks (New York): Die Nazi Mutter. Zur Geschichte und Wirkmächtigkeit einer Fantasie

Elena Vogman (Weimar): Sex-Pol en acte. Faschismus und Begehren im Blick der Institutionellen Analyse in Frankreich um 1970

Panel 3: 1964–2024: Über den historischen Faschismus hinaus

Moderation: Leonie Karwath (Bochum)

Frank Engster (Berlin): Furio Jesi und das Konzept der mythologischen Maschine

Maxi Wallenhorst (Lüneburg): Verfallsphantasien. Faschismus und Trans Panic

Laura Rivas Gagliardi (Köln): Faschismus nach lateinamerikanischer Art: Auseinandersetzungen im brasilianischen Kulturfeld

Öffentliches Abendpodium: Faschismus im 21. Jahrhundert: Brauchen wir neue Theorien?

Diskutant:innen: Luce deLire (Berlin) / Alex Demirović (Frankfurt am Main) / Tatjana Söding (Berlin)

Moderation: Morten Paul (Essen)

Panel 4: 1955–1991: Geschichtswissenschaft & Faschismustheorie: Eine komplizierte Beziehung

Moderation: Jonas Schmidt (Essen)

Moritz Neuffer (Berlin): Faschismus ohne Theorie? Zur dokumentarischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der frühen Bundesrepublik

Fernando Esposito (Konstanz): Faschismustheorie und Modernekritik

Panel 5: 1974 ff.: Der Faschismusbegriff im kulturellen Leben der Bundesrepublik

Moderation: Mona Leinung (Essen)

Friederike Sigler (Bochum): Faschismustheorie als Ausstellungspraxis. Ausstellungen zu NS-Kunst in Westdeutschland 1974 bis 1987

Martin G. Maier (Marburg): „Wir wollen und werden die Auseinandersetzung mit dem Faschismus aber nicht rückwärts, sondern nach vorn gerichtet führen.“ Der Faschismusbegriff und das Geschichtsbewusstsein in der frühen Ära Kohl im Deutschen Bundestag

Abschlussdiskussion

Anmerkungen:
1 Detaillierter: Morten Paul, Verstehen/Verhindern I: Vier Theorieszenen der Faschismustheorie, https://blog.kulturwissenschaften.de/verstehen-verhindern-i/ (25.11.2024); Ders.: Verstehen/Verhindern II: Vier Theorieszenen der Faschismustheorie, https://blog.kulturwissenschaften.de/verstehen-verhindern-ii/ (27.11.2024).
2 Siehe detaillierter dazu den Text von Veranstalter und Moderator Morten Paul (KWI Essen): Paul, Morten, Podiumsdiskussion zu Faschismustheorien heute, https://www.kulturwissenschaften.de/podiumsdiskussion-zu-faschismustheorien-heute/ (29.10.2024).
3 Tanja Röckemann: Antifaschistische Suchbewegungen, in: Neues Deutschland, 04.10.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185757.theoriegeschichte-antifaschistische-suchbewegungen.html (18.12.2024).

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