HT 2006: Lokale Eliten unter den hellenistischen Königen

HT 2006: Lokale Eliten unter den hellenistischen Königen

Organisatoren
Boris Dreyer; Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2006 - 22.09.2006
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Von
Friedemann Quaß, Althistorisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen

Die Überschrift der Sektion ist gleichlautend mit dem Titel eines von der DFG geförderten Netzwerke-Projektes, dessen Arbeit im Juni d.J. eingesetzt hat. Eine Homepage findet sich unter www.dfg-netzwerke-elite.uni-frankfurt.de. Sie gibt Auskunft über die Teilnehmer des Projektes im In- und Ausland und ihre jeweiligen Forschungsvorhaben. Das Projekt hat, wie erkennbar, seinen Schwerpunkt in der Antike. Neben anderen ähnlichen Projekten, die auf die Epoche des sog. Späthellenismus und die Zeit der römischen Vorherrschaft beschränkt sind, geht dieses Projekt räumlich und zeitlich erheblich über diesen Rahmen hinaus. Es umfasst alle Gebiete, die hellenistische Könige zwischen Alexander dem Großen und dem Tod der Kleopatra (30 v.Chr.) beherrschten und die in dieser Zeit sukzessive unter die römische Herrschaft gerieten, d.h. nicht nur den altgriechischen Raum, sondern auch die Gebiete mit nichtgriechischer Bevölkerung in Kleinasien, Syrien, Palästina, Mesopotamien und das ptolemäische Ägypten. Von zentrale Bedeutung für die Arbeit am Projekt ist zweifellos der Elitebegriff. Er erwies sich für dieses Vorhaben als besonders gut geeignet; er ist relativ „modern”, erheblich elastischer und weniger vorbelastet als andere Begriffe zur Bezeichnung der Oberschicht. Zum besseren Verständnis haben die Mitarbeiter gemeinsam eine vorläufige Arbeitsdefinition von Elite erarbeitet: Dabei ist die Lokale Elite eine aus ihrer Gesellschaft hervorgehende, nicht notwendig homogene Minderheit, die legitimiert Entscheidungen mit gesamtgesellschaftlicher Tragweite maßgeblich mitbestimmt. Sie verfolgt in der Regel das Ziel, die Kommunikation mit der Machtzentrale zu monopolisieren, ihre Handlungen gegenüber der Mehrheit ihrer Gesellschaft dauerhaft zu legitimieren und somit ihre privilegierte Stellung zu perpetuieren.

Die Frage nach der unbestreitbaren Bedeutung der lokalen Eliten für das Funktionieren der hellenistischen Monarchien und später der römischen Herrschaft ist bisher nicht hinreichend erforscht worden. Daher ist zunächst zu untersuchen, welche Kriterien erfüllt sein mussten, um eine möglichst problemlose Zusammenarbeit zwischen der königlichen Verwaltung und den lokalen Vertretern der verschiedensten Völkerschaften zu gewährleisten. Die Mitarbeiter des Projektes haben sich darauf geeinigt, einen bestimmten Fragenkatalog zum Thema zu bearbeiten, an dem sich jeder zu orientieren hat, soweit die jeweilige Quellenlage es zulässt. Der Kürze halber seien die Fragen dieses Katalogs nur summarisch referiert. Sie sind ausführlich auf der angegebenen Homepage beschrieben:

1) Im ersten Schwerpunkt thematisieren die Fragen das Verhältnis der lokalen Eliten zur übrigen Bevölkerung der Region. In diesem Zusammenhang soll die Zusammensetzung der lokalen Eliten untersucht werden. Ihre Privilegien, die die Mitglieder der mächtigen Minderheit über die Mehrheit hervorhoben, und die Erwartungen der restlichen Bevölkerung an diese Schicht müssen geklärt werden.

2) Zweitens sollen die Erwartungen der lokalen Eliten und der übrigen Bevölkerung an den König analysiert werden. Dabei werden die monarchischen Traditionen (am jeweiligen Ort) und die Wirkungsspielräume der Monarchen Berücksichtigung finden.

3) Zum dritten sollen die Aspekte behandelt werden, die die Erwartungen der hellenistischen Könige an die lokalen Eliten betrafen. Dabei sollen die Kommunikationswege und Belohnungsmechanismen evaluiert werden. Eine besondere Aufmerksamkeit wird den Loyalitätskulten bzw. den zentral organisierten wie dezentral eingerichteten Herrscher- und Dynastiekulten gewidmet.

4) Zuletzt sollen die Zielsetzungen und Absichten der Handlungen der lokalen Eliten abhängig von den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung, anderer Eliten benachbarter Regionen und des Königs selbst analysiert werden.

Auch die Referenten dieser Sektion, die beispielhaft ihre gerade begonnene Arbeit am Projekt vorstellen wollen, haben sich an diesem Fragenkatalog orientiert.

Stefan Pfeiffer (Trier): Die Tubiaden im ptolemäischen Koilesyrien
Nach dem Tode Alexanders d.Gr. (323 v.Chr.) nahm dessen General Ptolemaios Ägypten und die Kyrenaika in Besitz, doch bemühte er sich erfolgreich auch um die Gewinnung von Palästina und Syrien, und seit 302 v.Chr. gehörte dann „Syria kai Phoinikia” bis 198 v.Chr. als integraler Bestandteil zum Ptolemäerreich. Im Gegensatz zu Ägypten, wo es eine homogene Bauernbevölkerung gab, waren hier die ethnographischen Gegebenheiten sehr mannigfaltig; hier lebten (z.T. schon sehr lange) Phönizier, Juden, Araber und Idumäer nebeneinander. Wichtigste Fragestellung war, ob und wie lokale Eliten in die ptolemäische Verwaltung einbezogen wurden. Unter diesem Aspekt muss das Geschlecht der Tubiaden genauer untersucht werden. Seine Dominanz reicht hier bis in die persische, d.h. vorptolemäische Zeit zurück. Ein verlässliches Zeugnis findet sich bei dem Propheten Nehemia (Neh 2,10), aus dem hervorgeht, dass ein Tubias schon in der Zeit der Rückkehr der Israeliten aus dem Exil (537 v.Chr.) als Verwalter des Ammoniterlandes für den persischen Großkönig fungierte. Der Sitz seines Geschlechtes befand sich im heutigen Iraq el-Amir. Seine Verwaltungsfunktion überstand auch den Wechsel von der persischen zur ptolemäischen Herrschaft. Unter dem zweiten Ptolemäer tritt in papyrologischen Zeugnissen ein Tubias auf, der im Transjordanland eine bedeutende Stellung einnahm. Alle Informationen zur Stellung des Tubias entnimmt die Forschung den sog. Zenonpapyri, d.h. aus der Korrespondenz eines gewissen Zenon, der ein hochstehender Vewalter (Dioiketes) des ägyptischen Finanzministers, Apollonios, war. Wichtig für die Position des Tubias war ein Kaufvertrag, den dieser Zenon auf einer Reise (im Dienste seines Herrn) mit dem Griechen Nikanor aus Knidos, einem Angestellten des Tubias, abschloss (P.Cair.Zenon I 59003). In der Forschung werden Personen, in diesem Fall der Tubias, denen sich die Soldaten über ihren Kleros zuordenen, wie es auch in diesem Kaufvertrag geschehen ist, mit dem Titel „eponymer Offizier” versehen. Solche Personen gehörten in Ägypten zur Elite der griechischen Gesellschaft, die im engen Kontakt zum Königshaus stand. Auf Koilesyrien bezogen, ergibt sich, dass Tubias zur dortigen Elite gehörte und mit dem König eng verbunden war, aber einer vornehmen jüdischen, eben nicht-griechischen Familie entstammte. Der Referent hält es für denkbar, dass dem Tubias auch die Verwaltung über die Ammantis gehörte. Von seinem Sohn Joseph weiß man, dass er die Generalsteuerpacht für Syrien und Phönizien innehatte. Demnach hätte hier eine gewisse „familiäre Kontinuität” bestanden. Daraus ergibt sich ein wesentlicher Unterschied in der Verwaltung Ägyptens und Koilesyriens. Während in Ägypten zur Verwaltungsspitze ausschließlich Griechen gehörten, griffen die Ptolemäer in Koilesyrien auf eine traditionsreiche lokale Familie zurück, die im übrigen auch zur religiösen Elite der Juden gehörte. Es ist zu bedauern, dass die Tubiaden die einzige profilierte Familie in dieser Region waren, was auch in der anschließenden Diskussion thematisiert wurde. Mit dem Wechsel der Herrschaft von den Ptolemäern zu den Seleukiden blieben die Tubiaden in ihrer privilegierten Position. Hyrkan, der Enkel des Tubias, ließ in Iraq el-Amir, am Sitz der Familie, einen Palast errichten, der seine Verbindung zum Hellenismus bewies. Es scheint, dass Hyrkan in der Verwaltung der Ammantis eigene Wege ging, was von Antiochos IV. nicht geduldet worden zu sein scheint. Hyrkan endete durch Selbstmord.

Franz Peter Mittag (Köln), Die seleukidische Herrschaft in Mesopotamien
Der Autor konzentriert sich für sein Forschungsprojekt auf die nicht-griechischen Städte in Mesopotamien, d.h. Uruk und Babylon. Er will mögliche Veränderung in der herrschaftlichen Praxis und damit in der Kommunikation mit den lokalen Eliten beschreiben. Grundlegend ist die Feststellung, dass das spätachaimenidische und hellenistische Babylonien weitgehende Kontinuität aufweisen. Grundlage für diese Erkenntnisse ist ein Zuwachs an keilschriftlichen Texten; zu nennen sind die sog. Astronomischen Tagebücher aus Babylon oder die „chronicles”, die neu ediert und neu gelesen wurden. Freilich gibt es das Problem, dass die akkadischen Zeugnisse mit ihrer traditionellen Terminologie Kontinuität nur suggerieren, die in dieser Form nicht gegeben war. Diese Schwierigkeit ist für die Frage nach dem Verhältnis zwischen hellenistischen Königen und lokalen Eliten sehr bedeutsam.

An der Spitze fast aller babylonischen Städte stand jeweils der oberste Priester des wichtigsten Heiligtums der Stadt, der i.d.R. als satammu bezeichnet wurde. In Uruk nahm diese Funktion der „Verwalter der Tempel” wahr. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Amt (in Babylon) innerhalb derselben Familie, die aus der lokalen Elite stammte, weitergegeben wurde.

Neben dem satammu stand in allen Städten ein Gremium, das als kinistu bezeichnet wurde. Beide sorgten nicht nur für die Verwaltung des Tempels, sondern auch für die zivile Verwaltung der Stadt.

Die an das babylonische Königtum anschließenden hellenistischen Könige sahen sich mit den traditionellen Forderungen der Bevölkerung, wie z.B. Tempelbau und –renovierung, konfrontiert. Eine solche Tätigkeit berührte sich mit dem Verhältnis zwischen König und den lokalen Eliten.

Die Interessen der Könige waren vor allem fiskalischer Art und wurden von Mitgliedern der königlichen Verwaltung wahrgenommen. Unter ihnen war anscheinend der saknu von besonderer Bedeutung. Wesentlich ist es, dass der Posten mit einem Mitglied der Elite von Uruk besetzt wurde, worin man ein Beispiel für die Integration lokaler Eliten in die königliche Administration sieht. Von geringerer Bedeutung waren die königlichen Finanzfunktionäre pakdu und zazakku. Um 200 v.Chr. war der vom König eingesetzte pakdu in Uruk der Bruder des dortigen „Verwalters der Tempel”. Eine ähnliche Konstellation lag im Jahre 169 v.Chr. in Babylon vor, als ein königlicher Beamter, der zazakku, zugleich der Bruder des satammu von Babylon war. Nach der Meinung des Referenten, die diskutiert wurde, stellten die genannten königlichen Ämter Kontrollinstanzen im Bereich der Finanzen gegenüber den obersten Repräsentanten der Städte dar.

Dieses königliche Interesse zeigt auch ein Fall, in dem ein satammu von Babylon wegen Unterschlagung unter Seleukos III. belangt wurde und sich vor dem Gerichtshof aus königlichen Richtern und freien Bürgern von Seleukeia verantworten musste. Dagegen wurde ein Tempeldiebstahl von lokalen Amtsträgern verfolgt und hart bestraft.

Während es scheinbar den seleukidischen Königen gelang, über lange Zeit für Ihre Herrschaft gerade durch die Anknüpfung an altbabylonische Tradtionen bei der Bevölkerung Babyloniens große Akzeptanz zu erlangen, gibt es auch Indizien für Brüche: Z.B. entnahm Antiochos III. bei seinem Besuch in Babylon 187 v.Chr. aus dem Schatzhaus des akitu-Festes wertvolle Weihgegenstände, u.a. den Mantel Nebukadnezars, vermutlich um den Zahlungsverpflichtungen nach seiner Niederlage gegen Rom nachkommen zu können. Die Astronomischen Tagebücher sahen u.a. die Entnahme von Wertgegenständen aus dem Akitu-Festhaus als einen Einschnitt, der sich zum Nachteil des Renommees der Seleukidenkönige auswirken musste.

Boris Dreyer (Frankfurt/King's College London) hat sich in seinem Beitrag zu den Lokalen Eliten der griechischen Städte unter der Herrschaft der Attaliden zwischen 188 und 133 v.Chr. streng an den eingangs referierten Fragen orientiert. Sowohl Fragenkatalog als auch Arbeitsdefinition lassen ein Schwergewicht in diesem Teilprojekt erkennen. Das wurde auch in der Diskussion thematisiert. Eine Besonderheit des attalidischen Regiments – im Vergleich zu anderen hellenistischen Reichen – ergab sich aus dem Umstand, dass die Legitimation der Herrschaft aus dem römischen Sieg über die Seleukiden hergeleitet wurde, da die Römer als rechtmäßige Herren die Attaliden in der Herrschaft eingesetzt hatten. Die Forschungen des letzten Jahrzehnts am relativ reichhaltigen, neuen epigrafischen Material haben ergeben, dass die Attaliden gerade in den 188 neu hinzugewonnenen Gebieten die seleukidische Administration – in der Provinz-, Kult- und Finanzorganisation – übernahmen und im Sinne einer noch konsequenteren Erfassung weiterentwickelten. Auf diese griffen die Römer bei der Einrichtung der Provinz nach 133 v.Chr. zurück. Die Handlungsbedingungen für die lokalen Eliten reichsabhängiger Städte waren demnach über die politischen Zäsuren hinweg einigermaßen konstant, wenn auch abhängig vom rechtlichen Status und der administrativen Bedeutung der Stadt. Weiter agierten sie – wie ihre „Standesgenossen” in den „freien” Städten – im innenpolitischen Tagesgeschäft weitgehend ungestört von direkter königlicher Beeinflussung, da der König seine Administration und herrschaftliche Durchdringung nicht unwesentlich auf die griechischen Städte stützte, diese politische Organisationsform und ihre Traditionen demnach zu berücksichtigen hatte. Auf dieser Ausgangsbasis sind die Untersuchungen des Referenten im Rahmen seines Projektes zu sehen, in dem die Entwicklung der Rolle der Elite gegenüber der eigenen Bevölkerung, gegenüber der Machtzentrale und in der indigenen Umgebung untersucht werden soll.

Der Referent stellt eine kontinuierliche Entwicklung hinsichtlich der Rolle der lokalen Elite fest, für die Zäsuren nur schwer auszumachen sind. Im Ergebnis sind am Ende des zweiten Jh.v.Chr. folgende Änderungen auszumachen: In Athen, das für alle, das Verhältnis zwischen griechischer Stadt und Herrscher betreffenden Entwicklungen freiwillig und unfreiwillig zum Vorbild wurde, ist das Wahlarchontat wieder eingeführt worden. Damit gewann mittelbar der Areopag wieder an Einfluss. Schon vorher waren die griechischen Städte, die formal eine demokratische Verfassung nach athenischem Vorbild hatten, von den reichen Mitbürgern abhängig, die sich ein Leben für die Politik, „ohne von ihr leben zu müssen”, leisten konnten. Darüber hinaus waren immer speziellere Fähigkeiten für die Ausführung der Ämter notwendig: Spezialisten versahen immer wieder dieselben Funktionen. Diese Entwicklung setzte früh, in Athen schon Ende des 4. Jahrhunderts (z.B. im Falle der Strategie), ein, mit bemerkbaren Folgen für die Verfassung im 2. Jahrhundert. Auch in den Städten des Attalidenreiches ist dies nachweisbar: Eine noch nicht veröffentlichte Inschrift aus Metropolis demonstriert, dass auch innerhalb der Kommissionen und Kollegien der Spitzenämter, etwa im Strategenkollegium, sich eine Hierarchie ausbildete. Aber auch die Mitglieder der Elite erhielten nun privilegierte Bezeichnungen, die am Ende des zweiten Jahrhunderts in offiziellen Dokumenten, also mit Zustimmung einer Mehrheit der Bevölkerung, auftauchen (prwteuvein: I Claros, Ehrung für Menippos, col. I Z. 54). Sie kennzeichnen bereits eine starke Binnendifferenzierung innerhalb der Elite. Der Referent schlägt nun auch für diese Kennzeichnung Vorläufer in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts auf dem griechischen Festland, den Inseln und in Kleinasien vor, erstmals im Rahmen von Ehrungen für auswärtige Richter: Hier wird ausdrücklich die fachliche Leistung (das Richten) mit dem privilegierten Vertrauen (Pistis) der Mehrheit der Mitbürger in ihre „besten Männer” (kaloi kagathoi) verbunden. Die Städte wählten also ihre Vertreter nicht nur, weil sie sie wählen mussten, sondern weil sie sie wählen wollten.

Die Mitglieder der lokalen Elite entwickelten Mechanismen zur Perpetuierung der eigenen Stellung (exklusive Kontakte; mehrfache Bekleidung von Ämtern; Spezialisierung in Funktionen) und der Privilegien für die Familie, letzteres, indem sie für die exklusive Bildung der eigenen Nachkommen sorgten, die auch die karrierefördernden Kontakte außerhalb der Heimatstadt sicherstellte. Gruppen bildeten sich innerhalb der politischen Elite solcher Städte, die ihre gute Beziehung zu den Attaliden generell oder mit bestimmten Mitgliedern der Dynastie zur Etablierung der innenpolitischen Vormacht ausnutzten, besonders wenn sich die „weltpolitische” Lage oder auch die Politik des Königs gegenüber den griechischen Städten verschärfte (wie etwa bei Herrschaftsantritt von Attalos III.). Die unterlegene Gruppierung konnte aber – wenn sie nicht zu exponiert war und die Stadt nicht zu sehr im Zentrum des Geschehens lag (wie Pergamon) – hoffen, später erneut die politischen Geschicke der Stadt wieder bestimmen zu können (s. Metropolis in Ionien), gerade in der Zeit, als die Könige im zweiten Jahrhundert zunehmend ihre Macht an die Vormacht Rom verloren.

Loyalität konnte über königliche Kulte (gleichsam tagtäglich) bekundet werden. Sie wurden durch Mitglieder der städtischen Elite besorgt. Die städtischen Kulte, die von den Attaliden eine besondere Förderung erfahren haben (Nikephorien in Pergamon), sind häufig nach dem Ende der Herrschaft weitergeführt worden. Die städtischen Eliten konnten sich mit der Fortführung der Pflege des Kultes nicht nur ihren Mitbürgern gegenüber in privilegierter Position immer wieder darstellen, sie konnten darüber hinaus in Umbruchszeiten Kontinuität und Stabilität suggerieren und damit sich als Garanten der Ordnung präsentieren.

Die Kontakte zwischen den griechischen Städten und ihrer indigenen Umgebung war zu beiderseitigem Vorteil rege. Immer schon waren die griechischen Städte und ihre Vertreter wegen ihrer Funktion in der königlichen, später römischen Administration gegenüber der indigenen Bevölkerung privilegiert. Die Unzufriedenheit der indigenen Bevölkerung brach sich Bahn im Zuge des Aristonikosaufstandes. Auf die indigene Bevölkerung griff der Usurpator nach den ersten Rückschlägen zurück. Kennzeichen der Unzufriedenheit war, dass lange nach der Festsetzung des Usurpators der Aufstand noch immer in Kleinasien loderte.

Raimund Schulz (TU Berlin/Hildesheim), Rom und die griechischen Eliten 133-49 v.Chr.
Der Referent nimmt als Ausgangspunkt seiner Überlegungen die bekannte Stelle ad Q. fr. I 1,16. Als einen Interessensschwerpunkt wählt er das Verhalten der städtischen Eliten im Ersten Mithridatischen Kriege und diskutiert deren sehr unterschiedliche Haltung in diesem Konflikt. Eingehend behandelt der Referent die Kommunikation einzelner Mitglieder der lokalen Elite mit den römischen Amtsträgern durch Gastfreundschaft und Patronat, insbesondere die Bedeutung von Kontakten der Griechen zu den großen Einzelnen der späten Republik und ihre Konsequenzen. Sehr nahe Beziehungen verbanden dabei nicht nur die politisch tätigen Eliten; von großer Bedeutung waren auch die Freundschaften bzw. Klientelverhältnisse zu griechischen Intellektuellen (Philosophen, Gelehrte und Rhetoren), die im übrigen nicht erst im Zeitalter von Pompeius und Caesar eine Rolle spielten. Plutarch nennt in diesem Zusammenhang auch zwei prominente Beispiele des sog. Scipionenkreises wie Polybios und Panaitios. Schulz sieht im letzten Jahrhundert der Republik über den Kontakten zwischen Provinzialelite und römischen Beamten eine neue Qualität der Beziehungen sich entwickeln, d.h. die Bildung einer zweiten Kommunikationsebene, auf der einzelne griechische Prinzipes steigenden Einfluss auf die Entscheidungen ihrer mächtigen Patrone in Rom gewannen. Mit dem steigenden politischen Gewicht einzelner Nobiles (wie Lucullus, Pompeius, Caesar, Antonius, Octavian, aber auch Brutus und Cicero) verfügten diese über einen reichsweiten Berater- und Freundeskreis, der denen der Könige des frühen Hellenismus ähnlich war.

Zusammenfassend hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass die vorgetragenen Ergebnisse – neben Kritik im einzelnen – insgesamt auf die Zustimmung des Publikums gestoßen sind. Die Mitarbeiter des Projektes können sich – hinsichtlich ihrer vorgestellten grundlegenden Thesen bzw. Fragestellungen und für ihre weiteren Forschungen – bestätigt sehen.


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