Santa Maria dell’Anima. Zur Geschichte einer 'deutschen’ Stiftung in Rom

Santa Maria dell’Anima. Zur Geschichte einer 'deutschen’ Stiftung in Rom

Organisatoren
Santa Maria dell'Anima; Deutsches Historisches Institut (DHI) in Rom
Ort
Rom
Land
Italy
Vom - Bis
29.05.2006 - 30.05.2006
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Von
Andreas Rehberg, Deutsches Historisches Institut in Rom

Das päpstliche Schutzprivileg vom 21. Mai 1406 für das im 14. Jahrhundert gegründete Hospiz für deutsche Pilger in Rom, das noch heute als Päpstliches Institut S. Maria dell’Anima weiterbesteht, war der Anlass für die Feier des 600jährigen Bestehens dieser bedeutenden "National"stiftung, deren bewegte Geschichte im Mittelpunkt des von der Anima und dem Deutschen Historischen Institut (DHI) in Rom organisierten Tagung stand. Nach der Begrüßung durch den Rektor der Anima Johann Hörist betonte der Direktor des DHI Michael Matheus in seiner Einleitung die Bedeutung der Anima als Begegnungsstätte zwischen Nord und Süd und bettete ihre Geschichte in den Zeitkontext ein, zu deren Beginn auch die Migrationswellen von Handwerkern aus dem Norden gehörten. Im späten 14. und im 15. Jahrhundert entstanden die sog. "Nationalkirchen", die auch eine wichtige Rolle für den Kulturtransfer spielten. Die "deutsche" Stiftung der Anima wurde von einer Bruderschaft getragen, die zunächst von in Rom ansässigen Laien (insbesondere Bäckern und Schustern), dann aber von Klerikern dominiert wurde. Der besondere Charakter der Anima in der neueren Geschichte als Brennpunkt einer nicht selten zwiespältigen deutschen Identität in der Ewigen Stadt läßt sich beispielhaft an der Jubiläumsschrift von 1906 ablesen, die von nationalem Pathos durchdrungen ist. Sein Autor, Josef Schmidlin, gehörte jedoch später zu den entschiedenen Gegnern des Nationalsozialismus und kam 1944 im Konzentrationslager um. Matheus betonte, dass die Tagung keine systematische Geschichte der Anima liefern wolle und könne. Sie gehe indessen schwerpunktmäßig ihrer Einbindung in das soziale und urbanistische römische Umfeld sowie ihrer Brückenfunktion zum Norden (in partibus) nach, wobei auch die Kunst- und Musikgeschichte in die Betrachtung einbezogen werden sollten.

Die der Geschichte der Anima im 15. Jahrhundert gewidmete 1. Sektion wurde von Ludwig Schmugge (Rom) geleitet. Christiane Schuchard (Berlin) stellte zunächst das päpstliche Exemtionsprivileg von 1406 vor. Nach der diplomatischen Analyse untersuchte sie die Bedeutung der Bulle für den kirchlichen Status des Pilgerhospizes. Ein kopial überlieferter Ablassbrief von 1398 referiert dagegen die eigentliche Gründungsgeschichte. Demnach war die Initiative für die Errichtung des Hauses von einem Ehepaar aus Dordrecht – der Mann, Johann Petri, war ein päpstlicher serviens armorum gewesen – ausgegangen. Der reiche Kuriale Dietrich von Niem, der auch großen Einfluss auf die zunächst von Laien dominierte Bruderschaft nahm, unterstützte die Gründung großzügig. Weitere päpstliche Privilegien sicherten der Anima Begräbnis- und Pfarrechte. Der Erwerb des für die Bestreitung des Unterhalts notwendigen Hausbesitzes wurde 1431 von der Übernahme des älteren, zwischenzeitlich als Beginenkonvent genutzten Andreas-Hospizes im Rione Parione gekrönt. Bemerkenswert ist, dass schon in den Anfängen die Rivalität zu den anderen "nationalen" Gründungen in Rom (man denke nur an die der Franzosen, Aragonesen, Kastilier und Engländer) eine große Rolle spielte. Dies zeigte sich nicht zuletzt um 1500, als man zum Neubau der Kirche schritt, bei dem man nicht hinter den anderen nationes zurückstehen wollte.

Michael Matheus ging den Stiftungen Nikolaus von Kues' (1401-1464) in Rom und im Reich nach, an denen sich die Bedeutung des deutschen Kardinals für den kulturellen Austausch zwischen Italien und dem Norden ablesen lasse. Cusanus war einer der wenigen Deutschen, die es im Spätmittelalter zum Purpur brachten. Keiner von ihnen war so in Rom präsent wie er. Obwohl er als "armer" Kardinal galt, waren seine Stiftungen von beachtlichem Zuschnitt (von dem allerdings als Familienstiftung einzuschätzenden St. Nikolaus-Spital in Bernkastel-Kues bis hin zu einer Studienstiftung). In Rom dagegen war die Anima für den Kardinal nicht die prominenteste Adresse, obgleich sein Name natürlich im Bruderschaftsbuch eingetragen ist. Zugunsten der Anima stiftete er einen für betagte Priester gedachten Erweiterungsbau des Andreas-Hospitals. Als Stätte seiner memoria erwählte er aber seine römische Titelkirche, S. Pietro in Vincoli, wo er auch bestattet wurde. Noch heute sind wichtige Teile der Grabausstattung sowie mit dem Wappen des Cusanus geschmückte Balken aus dem Dachstuhl erhalten, die von Restaurierungsarbeiten künden. Aus dem Vergleich des römischen Grabmonuments mit den Kunstwerken in Bernkastel-Kues erschloss Matheus überzeugend eine im Kreis des Cusanus gepflegte Kunstauffassung, die bewusst die Verschmelzung nordeuropäischer Kunstelemente mit Stilformen der italienischen Renaissance betrieb. Diese Erkenntnis wird auch durch die Betrachtung der Lebensläufe einiger Testamentsvollstrecker und Mitarbeiter des Kardinals, allen voran seiner Familiaren Peter von Erkelenz († 1494) und des dem neuen Medium des Buchdrucks gegenüber aufgeschlossenen Giovanni Andrea Bussi († 1475), erhärtet, die auch für den Kulturtransfer wichtige Verbindungen nach Rom (und den dortigen Universitäten) sowie zur Anima ergeben. Der unermüdlichen Tatkraft des Peter von Erkelenz war es letztlich zu verdanken, dass die Stiftungen seines längst verstorbenen Herrn auch realisiert wurden.

Kirsi Salonen (Tampere/Rom) untersuchte die Namen von Skandinaviern, die sich im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Verbindung mit der Anima nachweisen lassen. Sie benutzte für diese prosopographische Untersuchung vorwiegend das Bruderschaftsbuch der Anima und ergänzte die dortigen Informationen durch Quellen aus dem Vatikanischen Archiv – was nahe liegt, weil diese Persönlichkeiten meist geistlichen Standes waren – und solchen in den Herkunftsländern. Namentlich erwähnt seien Magnus Andree (Mogens Andersen) de Dacia († 1473), Dekan von Roskilde und Rotanotar sowie sein Widerpart im Streit um das Dekanat in der dänischen Heimat, Johan Jensen Quitzow, der in Perugia und Rom studiert hatte. König Christian von Dänemark (reg. 1426-1481) – als Herzog von Holstein und vormaliger Page am Hofe des Kaisers Friedrich III. dem Reich verbunden – stattete während seines Rombesuchs 1474 der Anima einen Besuch ab und ließ sich mitsamt seinem Marschall Nicolaus Ronnowe (Claus Rønnow) († 1486) in ihr Bruderschaftsbuch eintragen. Kein Zweifel, die Beitritte solcher Potentaten kann man nur als Ehrenmitgliedschaft bewerten. Am Beginn des 16. Jahrhunderts findet man einige z. T. hochrangige Kuriale und Bischöfe als Mitglieder der Anima-Bruderschaft belegt. Nach der Reformation in Skandinavien um 1530 ließen sich einige exilierte Katholiken in Rom nieder, wobei mitunter alte Netzwerke um die Anima zum Tragen kamen. Die Vorliebe dieser Skandinavier – meist auch aus sprachlichen Gründen Dänen – für die Anima beruhte auf dem Fehlen eigener "nationaler" Häuser (nur die Schweden hatten mit dem Hospiz der hl. Brigitta eine eigene Anlaufstelle), auf der kulturellen und politischen Nähe zum Reich und – bei den Klerikern – auf den gemeinsamen Interessen an der Kurie.

Der Nachmittag war der Zeit nach 1850 gewidmet und stand unter der Leitung von Alexander Koller (Vizedirektor des DHI Rom). Rupert Klieber (Wien) behandelte die Rolle des 1859 eingerichteten Priesterkollegs der Anima für die deutschen und österreichischen Rompilgerzüge von 1877 bis 1914, wobei er diese als ein neues Phänomen in den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergrund der Zeit einbettete. Auch dank der neuen Eisenbahnverbindungen zog Rom wie niemals zuvor Massen von Pilgern an, die die Ewige Stadt vor erhebliche logistische Probleme stellte. Dem vom vereinten Italien – der Verlust des Kirchenstaates provozierte 1870 die "römische Frage" – und vom liberalen Zeitgeist bedrohten Papst schlug die Begeisterung dieser Pilger entgegen, die aus allen Bevölkerungsschichten stammten, besonders aber aus den unteren Schichten und dem Adel. Während nördlich der Alpen Pilgerkomitees die Zugfahrten und Übernachtungen fachmännisch planten, lag der Beitrag der Rektoren und Priester der Anima in der geistlichen Betreuung der Pilger, die in einem straffen Programm zu den sieben Hauptkirchen und den Katakomben gebracht wurden. Höhepunkt des Romaufenthaltes war in der Regel die Audienz beim Papst, die trotz so mancher Unbill (wie dem langen Warten in Vorkammern) ihre emotionale Wirkung nicht verfehlte, wovon zahlreiche Reiseberichte Zeugnis ablegen.

Der Archivar der Anima, Johan Ickx, stellte in seinem Beitrag die Kriegergedächtniskapelle von S. Maria dell’Anima vor, deren Errichtung im Jahre 1937 von ihrem damaligen Rektor Alois Hudal (1919-1963) betrieben wurde. Dieser Aktion kommt angesichts des uneinheitlichen Bildes in der Forschung über den mindestens bis 1936/37 dem Nationalsozialismus nahestehenden Titularbischof von Ela und Verfasser der Schrift "Die Grundlagen des Nationalsozialismus" eine nicht unbedeutende Rolle zu. Hudal nutzte seine guten Beziehungen zu österreichischen und italienischen Stellen, um nach längerem Tauziehen schließlich am 31. Oktober 1937 in feierlichem Rahmen (selbst der Governatore di Roma, Fürst Colonna, war anwesend) in 456 Schachteln die Überreste von Soldaten der deutsch-österreichischen Armee beizusetzen, die wohl als Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg in Rom und Latium verstorben und an verschiedenen Orten bestattet worden waren. Nach seinen ursprünglichen Plänen sollten auch die in Norditalien beigesetzten österreichischen Soldaten nach Rom überführt werden, was aber am fehlenden politischen und finanziellen Rückhalt scheiterte. Die Berliner Stellen reagierten äußerst verhalten, da wohl nicht zuletzt die religiöse Motivation Hudals, der sein Tun als Pflichterfüllung eines Weltkriegsveteranen empfand, befremdete. Die Beschreibung der Architektur und der künstlerischen Ausstattung der Kapelle beschloss den Vortrag. Im übrigen wird die Anima ihrem so umstrittenen Rektor in den Jahren von 1923 bis 1952 im Oktober dieses Jahres eine eigene Tagung widmen.

Am Dienstag, 30. Mai, übernahm Hans Cools (Koninklijk Nederlands Instituut in Rom) die Leitung der 3. Sektion, die der Bedeutung der Anima für die Kunst und Musik in der Neuzeit gewidmet war. Eva Reichart (München) sprach über S. Maria dell’Anima als Hallenkirche, wobei sie die Architekturwahrnehmung um 1500 und heute verglich. Der 1499 beschlossene Neubau der Anima-Kirche erfolgte bewußt in Konkurrenz zu den anderen Nationalkirchen in Rom. Dass die Provisoren der Bruderschaft in ihrer denkwürdigen Sitzung vom 25. September ein opus laudabile Alemanico more compositum beschlossen und am folgenden Tag von aus Deutschland zu berufenden Steinmetzen und einer Kirche mit gleichhohen Gewölben, also einer Hallenkirche, sprachen, wurde bislang als Ausweis ihres Willens gedeutet, einen gotischen Kirchenbau nach nordalpinem Vorbild zu errichten. Die Analyse der Architektur der Anima-Kirche, wie sie sich noch heute trotz späterer Eingriffe und Übermalungen präsentiert, scheint aber angesichts der korinthischen Pilaster, der Rundbögen und der geringen, bei genauerem Hinsehen nicht einmal im Turm und in den Fenstern durchgehaltenen gotischen Elemente dem zitierten Beschluss zu widersprechen, weswegen die ältere Forschung von einem Wechsel des Bauplans ausging. Gewiss wollten die Bauherren wohl keineswegs eine altmodische – also gotische – Kirche errichten (was auch nicht zu der von Vasari überlieferten Nachricht passen würde, dass kein Geringerer als Bramante an den Plänen mitgewirkt habe). So sehr auch in Italien die – hier seltenen – Hallenkirchen (der Begriff ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts!) als modello tedesco galten, so zeigt nach Reichart gerade das Beispiel der Kathedrale von Pienza, dass es seinem Errichter, dem in seiner Jugend viel im Reich herumgekommenen Papst Pius II., nicht um die Imitation eines deutschen Kirchenbautyps, sondern um den Vorzug der Helligkeit ging, den eine Hallenkirche auszeichnete. Während in Pienza die gleiche Höhe der Schiffe also lediglich der guten Raumbeleuchtung diente, ist sie in S. Maria dell'Anima das alleinige bedeutungstragende Element: Nur dadurch wurde der Bau als Werk von deutscher Art begriffen. Deshalb zeige letztlich nur der Bau selbst und die dazu erhaltenen Schriftquellen, dass die Hallenkirche schon um 1500 – wie auch heute noch – als eigener, nämlich als deutscher Bautypus wahrgenommen wurde. In der Diskussion ergab sich, dass man für die Frage eines möglichen Planungswandels auch den Umstand berücksichtigen müsste, dass Johannes Burckard, der bekannte, aus Straßburg stammende päpstliche Zeremonienmeister, der 1499 mit der Berufung deutscher Steinmetze betraut worden war, just 1504 gestorben ist. Burckards noch heute in seinem Wohnhaus in der Via del Sudario sichtbare Vorliebe für den gotischen Stil hatte sich also nicht durchgesetzt; die Steinmetze kamen schließlich nicht aus Deutschland, sondern aus Norditalien.

Nicole Hegener (Rom/Berlin) wandte sich einem besonders schönen Beispiel der Innenausstattung der Anima-Kirche zu, und zwar der aus Mitteln des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1490-1545) finanzierten sog. Markgrafenkapelle (auch Kreuz- oder Zenturio-Kapelle). Der Erzbischof von Mainz, der niemals in Rom war, ist durch die Übernahme mehrerer deutscher Bistümer (Halberstadt, Magdeburg) und seine fruchtlosen Versuche, Martin Luther zum Schweigen zu bringen, bekannt. Mit einem überaus großzügigen und vielseitigen Mäzenatentum wollte er seine memoria sichern. Dass er hierfür – neben den bekannten Stätten in Halle, Aschaffenburg und Mainz – auch an Rom und die Anima dachte, ist wenig bekannt. Wahrscheinlich erinnerte sich Albrecht, der 1518 den Kardinalshut und die Titelkirche S. Crisogono erhalten hatte, an Cusanus, als er sich 1521 als neuen titulus die Kirche S. Pietro in Vincoli zuteilen ließ. Die genauen Umstände der Wahl der Kapelle in der Anima für die memoria des 1545 verstorbenen Kardinals liegen im Dunkeln. Die Entscheidung hierzu war aber wohl schon früh unter Einschaltung des Willem van Enckenvoirt († 1534) gefallen, der als Provisor der Anima Bartolomeo Lante mit den Marmorarbeiten im Chor der Kirche und am Altarbau der Markgrafenkapelle beauftragte. Die Vertreter Albrechts an der Kurie, Quirinus Galler, Kleriker der Diözese Passau, und Johann Lemeken, Priester aus Ratzeburg, sorgten dafür, dass der hochdotierte Auftrag für die malerische Ausstattung dem damals in Florenz und Rom sehr gefragten Florentiner Francesco Salviati (1510-1563) übertragen wurde, der mit ihren Portraits auch ihre eigene memoria sicherte. Das ausgefeilte Bildprogramm umfasst das Altarbild mit der Kreuzabnahme und dem dort integrierten monumentalen Stifterportrait Albrechts, der die Pietà verehrt, sowie die Darstellungen der Bistumsheiligen von Magdeburg und Halberstadt, Mauritius und Laurentius, sowie der Namenspatrone Albrechts, Albertus Magnus und Johannes Elemosinarius. Für das Profilbildnis des Kardinals, den der Maler sicherlich nicht kannte, dürfte Salviati sich eines der zahlreichen zeitgenössischen Portraits Dürers oder Cranachs bedient haben. Während die gemalte Kapellenarchitektur und die Figurenfindungen von Salviatis Bewunderung Michelangelos und seines Lehrers Bandinelli künden, zeugt die phantasievolle Groteskendekoration von der zeittypischen Begeisterung für die Ausstattung der Domus Aurea und die antike Wandmalerei. In der künstlerischen Gestaltung der Markgrafenkapelle zeigt sich die gelungene Verbindung römischer und Florentiner Motive ebenso wie die von Antike und Christentum. Somit bewahrheitete sich für Albrecht im fernen Rom jener Passus aus der Inschrifttafel seines zweiten Grabmalsprojektes in Halle: „Vivit post funera virtus“.

Rainer Heyink (Halle) präsentierte die Anima-Kirche in ihrer Funktion als „nationalpolitische“ Schaubühne. Ihre große Bedeutung für die Fest- und Musikgeschichte war ja schon durch das Konzert des Ensembles "Cantus Modalis" am Vorabend der Tagung unter Beweis gestellt worden, das dem musikalischen Werk des von Michiel Verweij (Brüssel) vorgestellten, der Anima vielfach verbundenen Sängers und Komponisten Christiaan van der Ameijden (1530-1605) gewidmet war. 1584 beklagte der Vorstand der Anima, dass die Kirche einer Musikkapelle bedürfe, wolle man nicht hinter S. Luigi dei Francesi zurückstehen. Im Jahr darauf berief man einen Kapellmeister, im übrigen auch unter Hinzuziehung des hinzugezogenen Christiaan van der Ameijden, der der letzte päpstliche Sänger aus den alten Niederlanden war. Die maestri di capella waren aber durchweg Italiener, was den gewandelten Musikgeschmack widerspiegelte. Bedauerlicherweise sind die Musikalien der Anima während der Besetzung Roms durch die Franzosen um 1800 verlorengegangen. Der besondere Status der Anima als "Hofkirche ohne Herrscher" hatte Auswirkungen auf ihren liturgischen Festkalender, dem 1697 das Namensfest des regierenden Kaisers und 1722 das Fest des böhmischen Nationalheiligen Johannes Nepomuk hinzugefügt wurden. Darüber hinaus wurden die Türkensiege sowie Geburten und die mit der Errichtung von großen Katafalken verbundenen Todesfälle des Hauses Habsburg gebührend zelebriert. Die enormen Kosten der auch mit öffentlichen Feuerwerken verbundenen Festlichkeiten wurden weitgehend von Wien übernommen.

Die 4. Sektion am Nachmittag stand unter der Leitung von Anna Esposito (Rom) und ging dem Immobilienbesitz der Bruderschaft nach. Luciano Palermo (Rom) konfrontierte den Fall S. Maria dell'Anima mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung Roms im 15. und frühen 16. Jahrhundert, als der Besitz von Häusern gegenüber dem Agrarsektor an Bedeutung gewann. Die Buchführung der Bruderschaft beschränkte sich auf einfache Listen der Ausgaben und Einnahmen in chronologischer Abfolge. Dieses im Vergleich zur doppelten Buchführung in Bankhäusern archaisch wirkende Wirtschaften sei dadurch bedingt gewesen, dass ihr spezifischer Zweck nicht etwa – einer kirchlichen Institution auch nicht anstehendes – Gewinnstreben war, sondern nur das Erzielen der Mittel für den Stiftungsauftrag, d. h. die Deckung der Unkosten für die Arbeit an den Bedürftigen. Die Einnahmen bestanden aus Almosen, testamentarischen Hinterlassenschaften (auch solchen der aufgenommenen Kranken) und Mieten. Die Ausgaben ergaben sich aus Reparaturen, den Unterhaltskosten für die Kranken und die Zinszahlungen für Anleihen. Die in den Registern zu findenden Münzsorten – darunter auch rheinische Gulden – spiegeln die wirtschaftlichen Kontakte des Hauses wider, das ja von vielen Deutschen aufgesucht wurde. Eine Reihe von Grafiken illustrierten den hohen Stellenwert der Einnahmen aus dem Immobilienbesitz, der auch Ausweis einer guten Verwaltung war. Die Häuser selbst wurden zu 90 Prozent an in Rom sesshafte Deutsche vermietet.

Silvia Puteo (Rom) zeichnete die Stationen des systematischen Häusererwerbs durch die Anima in unmittelbarer Nähe zur Kirche nach, dessen Ziel es war, den gesamten Häuserblock (isolato), der von den heutigen Straßen Via della Pace, Via dell'Anima und Via Tor Millina eingerahmt wird und sich noch heute im Besitz der Anima befindet, in einer Hand zu vereinen. Das Ziel wurde erst nach Jahrhunderten – nicht zuletzt mit Hilfe mancher großzügiger Stifter und vermittels geschickter Zukäufe – erreicht. Der älteste Besitz geht auf Johann Petri aus Dordrecht zurück, dessen Häuser zum Teil den Baugrund für die heutige Kirche hergaben. Aber es gab auch Rückschläge wie unter Sixtus IV. Della Rovere und Alexander VII. Chigi, unter denen einige Häuser des Hospitals dem Bau bzw. der urbanistischen Umgestaltung der benachbarten Kirche S. Maria della Pace und ihres Vorplatzes weichen mussten. Insgesamt umfasste die "Insel" der Anima 20 Einheiten, während die sonstigen Immobilien in ihrem Besitz aus 69 Häuser bestanden, die sich schwerpunktmäßig in den besonders dicht besiedelten und damit einträglichen Rioni Ponte und Parione konzentrierten.

Den einzelnen Beiträgen schlossen sich lebhafte Diskussionen an, die u. a. die Definition von "deutsch" am Ausgang des Mittelalters (auch in seiner Abgrenzung zum brabantisch-flämischen Raum), die noch offenen Fragen zu den Anfängen der Anima, zum spezifischen Charakter eines "nationalen" Hospizes (das eine multifunktionale Einrichtung war, für die die heutige Vorstellung eines Krankenhauses zu kurz greift), zur sozialen und ökonomischen Stellung der deutschen Zuwanderer in Rom (seien sie nun Geistliche oder Handwerker gewesen) und zuletzt die Einschätzung des wirtschaftlichen Verhaltens solcher Nationalgründungen wie der Anima betrafen, das noch des Vergleichs mit der Rechnungsführung anderer Hospitäler in Rom bedarf. Insgesamt haben die Beiträge der anregenden Tagung – wie Michael Matheus in seinem Schlusswort feststellte – Zeugnis vom Reichtum des Archivs dieser Stiftung gegeben, das noch zahlreiche neue Aufschlüsse zur Geschichte dieser Institution verspricht und – wie schon die Zusammensetzung der Referenten und Sektionsleiter aus sechs Ländern belegt -– von nationenübergreifender Bedeutung ist. Die Publikation der Tagungsbeiträge ist in der Reihe "Bibliothek des DHI in Rom" vorgesehen.