Vernetzungsstrukturen

Vernetzungsstrukturen

Organisatoren
AG Elektronisches Publizieren der Union der Akademien der Wissenschaften
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.07.2006 - 22.07.2006
Von
Jörg Wettlaufer, Arbeitsstelle Kiel c/o Historisches Seminar der CAU, Residenzenkommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen

Zielsetzung des Münchener Treffens im Anschluss an den dortigen Wissenschaftssommer war der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Akademievorhaben und anderen Projekten, die zur Zeit im Bereich des elektronischen Publizierens aktiv sind oder sich dafür interessieren. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Möglichkeiten der Vernetzung der im Rahmen von Akademievorhaben erstellten Publikationen, zum Beispiel der Wörterbucher mit ihren Quellen, von kritischen Editionen mit ihren Überlieferungszeugen sowie von Wörterbüchern untereinander. Bei der Vielzahl der teilnehmenden Projekte war im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nicht an eine Detailvorstellung der einzelnen Projekte zu denken. Vielmehr hatten die Veranstalter schon im Vorfeld gebeten, Fragen einzusenden, die dann in freier Diskussion erörtert wurden. Des Weiteren erhielten einzelne ausgewählte Projekte und Institutionen die Möglichkeit, ihre Arbeit bzw. Angebote für die Akademievorhaben vorzustellen. Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch den Generalsekretär der Akademienunion, Dr. Herrmann, und den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe elektronisches Publizieren, Prof. Gärtner, folgte zunächst ein Block der Diskussion und des Informationsaustausches über den aktuellen Stand des Publizierens in „Open Access“ bei den einzelnen Vorhaben. Die Teilnehmer berichteten von unterschiedlichen Modellen der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse bzw. Wörterbücher mit und ohne Unterstützung von Verlagen. Freigabezeiten von circa einem halben bzw. einem Jahr nach der Druckveröffentlichung haben sich bei mehreren Projekten inzwischen etabliert. Die AG und die Teilnehmer des Workshops sprachen sich erneut für die Ziele der Göttinger Erklärung <http://www.urheberrechtsbuendnis.de/> zum Open Access in der Wissenschaft aus. Dabei wurde die mögliche Rolle der etablierten Verlage in Bezug auf die elektronische Publikation von Forschungsergebnissen unterschiedlich beurteilt.

In einem zweiten Block stellten sich mehrere Projekte bzw. Institutionen vor, die Dienstleistungen unter anderem für die Akademievorhaben anbieten. Zunächst präsentierte Hans-Walter Gabler die Funktionalität von HYPER, einem spezifisch für die Geisteswissenschaften konzipierten Forschungs- und Publikationsinstrument. Die aus dem Pilotprojekt http://www.hypernietzsche.org entwickelten Instrumente gestatten eine dynamische und bidirektionale Kontextualisierung von Wissen mit Hilfe von drei untereinander vernetzbaren Teilprogrammen: Hyperplatform, HyperJournal und Hyperfederation. Ziel des Programms ist es, räumlich getrennten Forschern zu ermöglichen, kooperativ und kumulativ zu arbeiten und die Ergebnisse dieser Arbeit im Internet zu veröffentlichen. Anschließend führte Simone Rieger vom MPI für Wissenschaftsgeschichte in Berlin das ECHO-Projekt vor. Die Abkürzung steht für European Cultural Heritage Online – eine Inititative zur Bereitstellung einer IT-Infrastruktur zur Open-Access-Veröffentlichung von geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen. Zur Zeit umfasst die Sammlung 25 verschiedene Kollektionen mit teilweise multimedialen Inhalten, die sich über eine Zeitspanne von 3000 vor Chr. (Keilschrifttafeln) bis zur Gegenwart erstrecken. Gemeinsames Merkmal der Kollektionen ist eine „wissenschaftshistorische Verwertbarkeit“ des Materials. Zur Präsentation und Bearbeitung des Content wurden XML-basierte Open-Source-Tools entwickelt, die eine Präsentation des sehr heterogenen Materials über ein gemeinsames Portal erlauben.
Frau Andrea Rapp präsentierte im Folgenden das Projekt TextGrid <http://www.textgrid.de>, das sich zur Zeit noch in der Anfangsphase befindet. Es handelt sich dabei um eine modulare Plattform für verteilte und kooperative wissenschaftliche Textdatenverarbeitung, sozusagen ein Community-Grid für die Geisteswissenschaften. TextGrid ist Teil der übergreifenden Initiative D-Grid <http://www.d-grid.de>, die versucht eine nachhaltige Grid-Infrastruktur verteilter Rechnerressourcen in Deutschland aufzubauen. Die Grid-Architektur, die basierend auf so genannten Web-Services eine Vernetzung dynamischer Ressourcen und den bequemen Zugriff darauf ermöglicht, bildet die Grundlage für das Projekt. Konkret sollen Werkzeuge für Textwissenschaftler erstellt werden, die den gesamten Arbeitsablauf von der Digitalisierung bis zur Publikation in gedruckter oder elektronischer Form unterstützen sollen. TextGrid setzt dabei auf offene Standards wie TEI, Unicode und die schon genannten Web-Services. Noch steht dieses Projekt wie gesagt am Anfang, aber von Seiten der Akademieprojekte wurden große Hoffnungen in die zu entwickelnden Module artikuliert.

Den Abschluss des ersten Tages bildete, vor dem gemeinsamen Abendessen, die Darstellung der Bibliothekperspektive. Thomas Stäcker von der HAB Wolfenbüttel stellte das zentrale Verzeichnis digitalisierter Drucke zvdd <http://www.zvdd.de/> vor. Bei diesem Kooperationsprojekt der VZG <http://www.gbv.de> (GBV), des hbz <http://www.hbz-nrw.de> und der SSD (Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke) wird versucht, ein neues Portal für die bereits digitalisierten Druckwerke in deutscher Sprache aufzubauen. Schon in der zur Zeit verfügbaren ersten Ausbaustufe ist es möglich, auf circa 85.0000 verteilt vorgehaltene Digitalisate (zur Zeit vor allem aus den DigiZeitschriften <http://www.digizeitschriften.de/>) zentral zuzugreifen, wobei die aktuellen Suchmasken momentan noch über das hbz und den GBV realisiert werden. Ute Schwens von der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt erläuterte schließlich die aktuellen Bemühungen zur Langzeitarchivierung über kopal <http://kopal.langzeitarchivierung.de/> und nestor <http://www.langzeitarchivierung.de/> sowie die Fortschritte der Deutschen Nationalbibliothek in den Projekten „Normdaten-Recherche und –Vernetzung“ sowie „CrissCross - Verknüpfung internationaler Schlagwortnormdateien“. Sie wies auch insbesondere auf die schon existierende Infrastruktur der virtuellen Fachbibliotheken hin, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert werden. Die DFG vertrat auf dem Workshop Johannes Fournier vom Unterausschuss elektronische Publikationen. An ihn wurden von Mitarbeitern der Akademieprojekte viele Fragen hinsichtlich der Langzeitstrategie und der Förderung des Elektronischen Publizierens unter Open Access im Laufe der Diskussion herangetragen.

Der zweite Tag des Workshops wurde mit einem Block über Werkzeuge und Perspektiven der Vernetzung digitaler Wörterbücher eröffnet. Thomas Burch von der Initiative Wörterbuchnetz <http://www.woerterbuchnetz.de> des Trierer Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren stellte eine Methode zur halbautomatischen Vernetzung von Wörterbuchartikeln aus verschiedenen Wörterbüchern vor. Dabei werden in einem ersten Ansatz alle expliziten Verweise von einem Wörterbuch in ein anderes genutzt, weiterhin aber auch mit Methoden des Information Retrieval die einzelnen Wortformen in den Wörterbuchartikeln nach ihrer Häufigkeit im Vergleich zum Gesamtkorpus gewichtet und dann automatische Verknüpfungen erstellt, die mit einer recht hohen Trefferquote sowohl ausdruckseitige (semasiologische) als auch ein inhaltsseitige (onomalsiologische) Beziehungen der einzelnen Artikel zueinander repräsentieren. Im Anschluß an diese automatische Gewi chtung und Verknüpfung ist eine händische Kontrolle der Ergebnisse notwendig. Gerald Neumann von der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften präsentierte daran anschließend das Wörterbuch-Portal der Heidelberger und Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Wörterbuch-Portal <http://www.woerterbuch-portal.de/>) sowie das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS <http://www.dwds.de/>) und die dort angewendeten Techniken zur Vernetzung. In Berlin steht man dabei vor ganz ähnlichen Herausforderungen wie in Trier. Ausgangspunkt des DWDS sind die Artikel des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache (WDG). Diese werden mit automatisch berechneten semantischen Relationen aus dem WDG verknüpft, so daß automatisch Links zu Synonymen, Hyperonymen und Hyponymen vorgeschlagen werden. Des weiteren werden Fundstellen im DWDS Kernkorpus (ca. 100. Millionen Textwörter (tokens) in 79.830 Dokumenten) zur Verfügung gestellt und automatisch berechnete Kollokationen aus dem Korpus graphisch angezeigt.

Den Abschluss des Workshops bildete ein Block, in dem Grundfragen digitaler Editionen und Ressourcen (retrodigitalisiert wie von vornherein digital geplant) im Mittelpunkt standen und erneut in freier Diskussion erörtert wurden. Dabei wurden die Vor- und Nachteile von digitalisiertem (Text)Bild (schnell erstellbar) und Volltext (durchsuch- und strukturierbar) durchaus kontrovers thematisiert. Eine einheitliche Linie bei den Akademieprojekten zeichnet sich in dieser Frage nicht ab. Immer wieder wurden dabei auch Fragen des Urheberrechts und der daraus resultierenden Beschränkungen und Vorgaben bei der Publikation von Texten und Bildern angesprochen. In diesem Bereich herrscht, nicht zuletzt durch die unübersichtliche und im Fluss befindliche Gesetzeslage, weiterhin ein starker Klärungs- und Informationsbedarf. Die Diskussionen und Themenblöcke wurden von Kurt Gärtner mit Unterstützung der vertretenen anderen Mitglieder der AG Elektronisches Publizieren, Wilfried Brauer, Wolfgang Raible und Ralf Wolz, moderiert. Die Zielsetzung der Veranstalter, den Informationsaustausch unter den einzelnen Projekten und die Vorbereitung der Vernetzung unterschiedlicher Akademievorhaben zu intensivieren, konnte erfolgreich umgesetzt werden. Konkretes Produkt der aktuellen Diskussionen sind die im Vorfeld der Vorbreitung des Workshops entstandenen „Münchener Empfehlungen“ der AG Elektronisches Publizieren der Union der deutschen Akademien, die den Teilnehmern vorgelegt und dem Präsidium der Akademieunion zur Autorisierung übermittelt wurden. Um den nunmehr aufgenommen Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, soll im Oktober 2007 ein weiterer Workshop in Berlin stattfinden. Eine detaillierte Vorstellung von insgesamt 29 Projekten, zu denen auch die oben genannten zählen, ist über die URL: http://www.akademienunion.de/projektbeschreibungen/ verfügbar.

Kontakt

Joerg Wettlaufer, Kiel
http://www.nhfi.de

http://www.akademienunion.de/projektbeschreibungen/
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