Bild und Abbild Siziliens und anderer Inseln des antiken Mittelmeerraums / Immagine e immagini della Sicilia antica e moderna e delle altre isole del Mediterraneo antico

Bild und Abbild Siziliens und anderer Inseln des antiken Mittelmeerraums / Immagine e immagini della Sicilia antica e moderna e delle altre isole del Mediterraneo antico

Organisatoren
Giornate internazionali di studi sull’area Elima e la Sicilia occidentale nel contesto Mediterraneo
Ort
Erice
Land
Italy
Vom - Bis
12.10.2006 - 16.10.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Nadin Burkhardt, DAI Abteilung Rom

Vom 12. bis zum 16. Oktober 2006 fanden die Giornate internazionali di studi sull’area Elima e la Sicilia occidentale nel contesto Mediterraneo zum sechsten Mal statt. Diese Tagungsreihe hat sich der Vorstellung der neuesten Forschungen zur elymischen Kultur und der aktuellen Grabungen im westlichen Sizilien verschrieben. Sie dient den Ausgräbern, den Soprintendenzen (~Landesdenkmalämter) und anderen Wissenschaftlern als Forum, ihre neuen Ergebnisse, Thesen und Ideen vorzutragen und im Anschluß zu veröffentlichen 1.

Die diesjährige Tagung Immagine e immagini della Sicilia antica e moderna e delle altre isole del Mediterraneo antico. Workshop G. Nenci wurde von dem Zentrum Fondazione Ettore Majorana. Centro di Cultura Scientifica - Erice und der Scuola normale superiore di Pisa in Erice veranstaltet.

Die archäologischen Vortragsthemen überspannten einen chronologischen Rahmen von der Bronzezeit bis in die byzantinische Zeit und wurden ergänzt durch Vorträge zur historischen Geographie. Topografisch stand Sizilien im Mittelpunkt, jedoch wurden durch gezielte Vergleiche mit den Entwicklungen auf den Äolischen Inseln, auf Sardinien, auf Zypern, auf Paros und in anderen Teilen Griechenlands Phänomene antiker Inselbesiedlung übergreifend untersucht. Inhaltlich wurden verschiedene Aspekte der Insularität, des Siedlungswesens, des Bauwesens, der Bestattungsformen, der Befestigungssysteme, der wirtschaftlichen Verknüpfungen, der schriftlichen Überlieferung und der interkulturellen Kontakte angesprochen und näher beleuchtet. Aufgrund der großen Anzahl von Einzelvorträgen (43 von 49 angekündigten) kann hier nur punktuell eine Rückschau erfolgen.

Innerhalb der ersten Sektion Immagine e immagini della Sicilia e delle altre isole del mediterraneo antico stellten Mario Lombardo (Insularità e colonizzazione) und Mauro Moggi (Insularità e assetti politici) ihre voneinander abweichenden Thesen zur chronologischen Entwicklung einer politisch-gesellschaftlichen Gemeinschaft der Rhodier, Kreter und Euböer dar. Während Lombardo durch die Auswertung der überlieferten Orakelbefragungen, der Olympionikenlisten und diverser Volks- und Ethnienbenennungen antiker Autoren eine bereits in früharchaischer Zeit bestehende Gemeinschaft der genannten Inselbewohner bestätigt sieht, lassen sich nach Moggi ein gemeinsames politisches Handeln und eine gemeinsame Identität erst ab dem 4. Jh. v. Chr. nachweisen.

Ebenfalls zu dieser Sektion gehörte der Vortrag von Clemente Marconi (Selinunte: problemi di metodo. Arte e insularità?). Marconi stellte einzelne Werke des Selinunter Kunstschaffens wie die Metopen des Tempels F verschiedenen attischen Skulpturen, Reliefs und Vasenbildern gegenüber, um die Einflüsse und damit die Kontakte sichtbar werden zu lassen. Diesem Versuch schloss sich Gianfranco Adornato (Agrigento: problemi di metodo) an, indem er die attischen Einflüsse auf die bildende Kunst in Akragas Ende des 6. Jh. v. Chr. unter anderem durch die Nähe des Kouros aus Akragas zum Kritiosknaben und ebenso durch die Ähnlichkeit eines gut erhaltenen weiblichen Terrakottakopfes aus Akragas mit dem einer Akropoliskore deutlich werden ließ.

Historische Überlegungen zum Einfluss der Insellage auf die Gesellschaftsformation stellte Leone Porciani (L’insediamento degli Cnidi a Lipari: forme die proprietà e insularità nelle Eolie) anhand der knidischen Siedler auf Lipari an, während Luigi Gallo und Stefania Gallotta (Isole e organismi sovrastatuali: il caso della lega dei Nesioti) recht provokante Thesen zum Nesiotenbund zur Diskussion stellten: Er sei als kultischer Bund mit dem Zentrum Delos gegründet worden, dessen Mitglieder sympolites waren und dessen Bestand eher im Sinne der jeweiligen Hegemonialmacht als in dem der Mitglieder war.

Mit den Ausführungen Giampaolo Graziadios (Gli sviluppi della società cipriota) erfolgte der Vergleich zur Insel Zypern: Graziadios stellte den Entwicklungsstand bronzezeitlicher zyprischer Siedlungen mit annähernd rechtwinkligen Straßennetzen, mehrräumigen Hauskomplexen, großen Magazinen mit den dazugehörigen Steinsockelmauertechniken vor und untersuchte verschiedene Aspekte des wirtschaftlichen Handelverkehrs wie die zyprischen Keramik- und Bronzegefäß-Exporte nach Italien und Sizilien.

Zur zweiten Sektion Rapporti fra grandi isole e la rete di isole del Mediterraneo zählte der Vortrag Anna Maria Bietti Sestieris (Le grande isole come fattore strategico dei collegamenti nel Mediterraneo: il ruolo della Sicilia nel II millennio a.C.), in dem sie die Entwicklung auf den Äolischen Inseln vom 17. bis zum 13. Jh. v. Chr. zusammenfasste und den jeweiligen Keramik¬formen nach in drei Hauptphasen unterteilte, deren erste (bis zum 15. Jh. v. Chr.) sich durch die hochfüßigen Henkelkelche und Metallformen nachahmende Ware der Castelluccio-Kultur auszeichnet, deren zweite (16.-15. Jh. v. Chr.) erste Kontakte mit den Einwohnern der phlegräischen Felder und ägäische Importe aufweist und von denen sich die dritte (15.-13. Jh. v. Chr.) durch die Thapsos-Ware und die Milazzo-Kultur abgrenzt.

Zu dieser Sektion gehörte auch der Vortrag von Riccardo Guglielmino (Rapporti fra Creta e il Mediterraneo centrale nell’età del Bronzo), in welchem er den Minos-Mythos den neu ergrabenen Befunden in Roca (Lecce) gegenüberstellt. In Roca wurde in mittel- bis spätbronzezeitlichen Schichten sehr viel spät- bis submykenische ägäische Keramik gefunden, wie sie in Dekor und Form sonst an der süditalischen Küste in dieser Menge nicht vorkommen. Auch im Kultbetrieb in Roca sieht Guglielmino minoische Einflüsse in den religiösen Praktiken.

Eugenio Lanzillotta (Da Paro al Mediterraneo) diskutierte die Elemente, welche die spezifischen Identäten der Bewohner der Kykladeninseln konstituierten und zeigte, wie Dichter (Homer für Ios, Archilochos für Paros) eine zentrale identifikatorische Rolle übernehmen konnten.

Innerhalb der dritten Sektion Rassegne e contributi archeologici ed epigraphici stellte Francesca Spatafora (Scavi e ricerche nel territorio di Palermo 2004-06) die aktuellen Grabungen und deren Ergebnisse der Soprintendenza BB.CC.AA. Palermo vor. Hierbei handelt es sich unter anderem um den Nachweis einer indigenen Besiedlung von Makella, die Grabungen in einer punisch-römischen Nekropole in Panormos mit Brand- und Körperbestattung in Grubengräbern, Kammergräbern mit Dromoi, Sarkophagen und Gefäßen archaischer Zeit. Ebenfalls in diese Sektion gehört der Vortrag von Lorenzo Nigro (Mozia dal primo insediamento fenicio alla distruzione dionigiana: risultati delle campagne 22-24 dell’Università di Roma ‚La Sapienza‘), der die Ergebnisse der aktuellen Grabungen in Motya vorstellte, unter welchen die neuen Befunde am künstlichen Wasserbecken (Kothon), die selbiges als einen großen Süßwasserspeicher erscheinen lassen, zu den überraschendsten gehören. Ebenfalls aktuell sind die Funde und Befunde der Grabungen Hans Peter Islers (Monte Iato: scavi 2004-2006). Er stellte neben einigen neuen Inschriften die archaischen Häuser unterhalb der späteren Siedlungsschichten vor und ein kleines, von einem Stier bekröntes Ton-Sacellum, das neue Aspekte in die Diskussion um die Hüttenmodelle einbringt.

Hinsichtlich der lex sacra aus Selinus schlug Alessia Dimartino (La lex sacra di Selinunte: aggiornamenti bibliografici e nuove proposte di lettura) vor, die beiden Kolumnen als unterschiedliche Stadien eines Reinigungsrituals zu lesen, wobei Kolumne B die allein, Kolumne A die von der Gruppe, deren Mitglied sich verunreinigt hat, auszuführenden Entsühnungsriten vorschreibt.

Erich Kistler (Grattugio nella Sicilia occidentale. Cultura simposiale?) trug seine Untersuchungen zum Netzwerk lokaler Eliten im Mittelmeerraum in archaischer Zeit vor, welches sich möglicherweise aus der Verbreitung einer bestimmten Fundgruppe nachweisen lässt, die sich speziell auf die Weinzubereitung bezieht und aus bronzenen Perlrandbecken, Reibeisen, Silbergeschirr und qualitativ hochwertiger Importkeramik zusammensetzt.

Eine vierte Sektion bildeten die sowohl vortragsbegleitend und auch für sich sprechenden Poster, die mit Plänen und Abbildungen über neue Grabungen oder über Ergebnisse neuer Projekte informierten oder Untersuchungen zu verschiedenen Fundgruppen präsentierten.

Leider erfolgte trotz guter technischer Bedingungen keine Diskussion; ein Umstand, der wohl der hohen Anzahl an Vorträgen geschuldet war. Bedauerlich bleibt auch, dass nur wenige Vortragende ihre Ausführungen mit Abbildungen anschaulicher oder verständlicher gestalteten. Erfreulich sind dafür die durch die Veranstalter bereitgestellten Abstract-Sammlungen und die sehr gute Organisation und Leitung der Tagung durch Carmine Ampolo. Der weite chronologische Rahmen und die oft sehr unterschiedlichen Thematiken führte eher zu einer Anzahl interessanter Einzelergebnisse, als zu einem homogenen Gesamtbild, aber die schnelle Präsentation und Veröffentlichung neuer Grabungsergebnisse und der gegenseitige Austausch der in dieser Region auf oben genanntem Gebiet tätigen Wissenschaftler gehört zu den wirklich positiven Resultaten dieser Tagung(sreihe).

Anmerkung:
1 Bondi, L. u. a. (Hgg.), Giornate Internazionali di Studi sull’area elima. Gibellina 19-22 settembre 1991, Pisa 1992; Corretti, A. (Hg.), Seconde Giornate Internazionali di Studi sull’area elima. Gibellina 22-26 ottobre 1994, Pisa 1997; AA. VV. Terze Giornate Internazionali di Studi sull’area elima. Gibellina - Erice - Contessa Entellina 23-26 ottobre 1997, Pisa 2000; Quatre Giornate Internazionali di Studi sull’area elima. Erice 1-4 dicembre 2000, Pisa 2003.


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