Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Friedrichs II.

Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Friedrichs II.

Organisatoren
Knut Görich (München), Theo Broekmann (Kassel ) und Jan Keupp (München)
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.03.2007 - 14.03.2007
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Von
Johannes Bernwieser (München)

In der Forschung zu Friedrich II. ist die Tendenz zur sachlichen Darstellung gewiss ebenso charakteristisch wie die Tendenz zur skeptischen Distanz gegenüber den früher gängigen Klischees von seiner angeblichen Modernität, Aufgeklärtheit oder Toleranz. In den häufig auf die Person Friedrichs fixierten Geschichtsbildern, die zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Absichten entworfen wurden, fand die Tatsache, dass die zeitgenössischen Quellenaussagen immer auch von den unterschiedlichen politischen Traditionen in den verschiedenen Herrschaftsräumen des Imperiums abhängig waren, eher wenig Berücksichtigung. Die Herrschaftspraxis des Staufers bedarf indessen einer konsequenten Kontextualisierung vor dem Hintergrund differierender Herrscherrollen und -traditionen, die vom Kaiser in den unterschiedlichen Teilen des Reichs eingenommen und aufgerufen wurden. Die Münchener Tagung vermied daher eine Fixierung auf die Person des Staufers zugunsten einer durchgehenden Regionalisierung der Perspektive; sie sollte unterschiedliche, kontextgebundene Erwartungshaltungen problematisieren, die an den Herrscher herangetragen wurden und auf die er reagierte.

Den ersten Block „Geschichtsbilder und ihre Gegenwart“ eröffnete Marcus Thomsen (Kiel) mit seinem Vortrag „Modernität als Topos: Friedrich II. in der deutschen Historiographie“. Er machte anhand von ausgewählten Zeugnissen aus der deutschen Rezeption Friedrichs II. vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart deutlich, dass die verschiedenen „Bilder“ des Kaisers durch die Jahrhunderte in einem Punkt Parallelen aufweisen: im Topos einer mit ihm verbundenen, die Grenzen des Mittelalters scheinbar sprengenden „Modernität“ in staatlicher, kultureller und vor allem religiöser Hinsicht, die von Gegnern wie Bewunderern des Staufers prinzipiell nicht bestritten, sondern nur unterschiedlich beurteilt wird und für die Erinnerung an ihn konstitutiv zu sein scheint. Ob die Relativierung dieser „Unzeitgemäßheit“ in der neueren Forschung zu einer „Entzauberung“ des „Staunens der Welt“ führen wird, muss vorerst offen bleiben.

Im nachfolgenden Referat „Der Vater des ghibellinischen Vaterlands. Friedrich II. in der modernen Geschichtsschreibung und Kultur Italiens“ untersuchte Roberto delle Donne (Neapel) die Genese des Bildes von Friedrich II. als dem Wegbereiter der italienischen Nation. Ausgehend von den Vertretern der italienischen Aufklärung zeichnete der Referent das bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein wirksame Bild von Friedrich II. als demjenigen nach, der als erster den Impuls zur Entstehung einer nationalen Sprache und Literatur in Italien gab und der als „Italiener“ einen italienischen Nationalstaat hätte gründen können, wenn sich die Päpste ihm nicht entgegengestellt hätten.

Björn Weilers (Aberystwyth) Vortrag „Stupor Mundi: Friedrich II. in der zeitgenössischen Wahrnehmung Englands“ fragte nach der causa scribendi der Chronica Majora von Matthaeus Parisiensis und richtete sein Hauptaugenmerk ausdrücklich auf die Berücksichtigung des englischen Adressatenkreises. Es konnte gezeigt werden, dass Friedrich als Modell für ideales Herrscherhandeln diente, das klar „die Unzulänglichkeiten des englischen Königs hervorhob“ und kritisierte, dass er aber auch eingesetzt wurde, „um den Status, die Ehre, und den Ruhm Englands, seiner Herrscher und seines Adels zu betonen“.

Am Anfang des zweiten Blocks „Repräsentation und Herrschaftsräume“ widmete sich Jan Keupp (München) dem Thema „Im Bann ritterlich-höfischer Kultur. Aspekte der Repräsentation Friedrichs II. in Deutschland und Italien“. Anhand verschiedener Textstellen konnte gezeigt werden, dass die den Kaiser begleitende Ritterschaft ein „geeignetes Repräsentationsmittel seiner universalen Herrscherwürde“ darstellte, das einerseits die adligen Normen der Zeit verkörperte aber auch für die militärische Potenz und Durchsetzungsfähigkeit seiner Herrschaft stand.

Martina Giese (München) sprach über „Tierhaltung am Hof Friedrichs II. Tradition und Innovation nördlich und südlich der Alpen“. Sie zeigte, dass Friedrichs Tiersammlung alle früheren der Epoche übertraf, und dass er keinen geringen Aufwand trieb, um auf internationaler Ebene Tierpfleger zu rekrutieren. Zur Untersuchung des Zwecks der Tierhaltung am Hof differenzierte Giese zwischen einer Handlungs- und einer Deutungsebene. Auf der erstgenannten siedelte sie den praktischen Einsatz von Tieren als Jagdgehilfen an, auf der zweiten Ebene beschrieb sie die Funktionalisierung von Tieren im Dienste der Herrschaftsrepräsentation als „lebendige Insignien der Macht“, wobei sie zwischen Tieren als Geschenken, sowie zwischen der stationären und der ambulanten Menagerie unterschied und zeigte, dass sich Friedrichs ambulante Zurschaustellung auch von dinglichen Kostbarkeiten – entgegen früheren Meinungen – durchaus an Bekanntem orientierte.

Michael Matzke (Basel) stellte in seinem Referat „Der Kaiser im Münzbild italienischer Städte. Ikonographie und Bedeutung der Portraitmünzen Friedrichs II. von Como und Bergamo“ die Frage, warum gerade die Münzstätten dieser Städte den Typus der kaiserlichen Augustalen mit dem Bild Friedrichs II. imitierten, während andere der bildlosen italienischen Tradition folgten. In beiden Fällen konnte das außergewöhnliche Aussehen der Münzen damit erklärt werden, dass beide Städte zu Beginn der entsprechenden Prägetätigkeit nicht nur Friedrichs II. Hoheit anerkannten, sondern deren Münzstätten auch als kaiserliche Prägestätten galten, was durch das Münzbild in Anlehnung an den kaiserlichen Augustalis ausgedrückt wurde.

Anschließend widmete sich Harald Wolter-von dem Knesebeck (Kassel) den profanen Wandmalereien im Saal der Torre Abbaziale von San Zeno in Verona und fragte nach den Intentionen des Abts als Auftraggeber. Entgegen früheren Auffassungen, die in dem Gemälde einen direkten Ausdruck des herrscherlichen Selbstverständnisses Friedrichs II. zu erkennen geglaubt hatten, veranschaulichte er, dass es sich bei diesen Malereien um ein nicht seltenes Beispiel dafür handelt, wie ein Gastgeber in einem Festsaal sich selbst mit einem als Gast empfangenen Herrscher zu positionieren wusste.

Gerd Althoff (Münster) untersuchte im Abendvortrag „Öffentliche Demut: Friedrich II. und die Heiligen“ die „Möglichkeiten und Grenzen der Aussagekraft symbolischer Handlungen“ und deutete die Berichte über die Kreuznahme Friedrichs II. (1215) und über die elevatio der heiligen Elisabeth (1236) jeweils als prinzipielle Verpflichtung zum Kreuzzug oder zur christlichen Demut bei Amts- und Lebensführung, betonte aber, dass damit kaum festgelegt war, wie sich dies im Einzelnen bei politischen Entscheidungen oder im Umgang mit Päpsten auszuwirken hatte, sondern dass darüber verhandelt – oder wie im Falle Friedrichs II. – gestritten werden musste.

Den dritten Block „Herrschaftspraxis und Herrschaftsräume“ eröffnete Theo Broekmann (Kassel) mit dem Vortrag „Unterwerfung unter den Kaiser: Rhetorik und Ritual im Fall Faenza“. Er löste das „Deutungsdilemma“ der verschiedenen Stilisierungen Friedrichs II. bei der Unterwerfung Faenzas (1241) durch Einordnung der Texte in ihre jeweilige Kommunikationssituation auf und zeigte, dass die Betonung der kaiserlichen Sanftmut eine „Vertrauensoffensive“ gegenüber den noch nicht unterworfenen Kommunen darstellte, während durch das Versprechen, die mit den geworbenen Anhängern gemeinsamen Feinde gnadenlos zu richten und zu vernichten, die Beziehung zu Friedrichs Verbündeten gestärkt wurde.

Christoph Dartmann (Münster) betonte in seinem Beitrag „Städtische Amtsträger in Italien zwischen kaiserlicher Legitimation und kommunaler Autokephalie“ den Anachronismus von Julius Fickers These, dass es Friedrich II. weitgehend gelungen sei, sich den direkten Zugriff auf die oberitalienische „Beamtenschaft“ zu sichern, und zeigte statt dessen auf, dass sowohl der Kaiser als auch die Kommunen darum bemüht waren, bei der Auswahl städtischer Amtsträger „im Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz“ eine Lösung auszuhandeln, die beiden Seiten gerecht wurde. Der Charakter der ‚Regierungspraxis’ des Staufers lässt sich eher durch dieses fallbezogene Aushandeln und das Modell reaktiver Herrschaft erfassen als durch die Vorstellung einer routinisierten Administration.

Im Anschluss sprach Christoph-Friedrich Weber (Münster) über die „Kommunikation zwischen Friedrich II. und den italienischen Kommunen“ und warf die Frage auf, ob Kaiser und Kommunen in „unterschiedlichen Systemen“ agierten, die sich hinsichtlich der jeweiligen Herrschaftskonzeptionen und Formen symbolischer Kommunikation so weit voneinander entfernt hatten, dass es keine gemeinsame Basis für eine gelingende Kommunikation mehr gab. Er wies auf die mehrfach überlieferte Verbindung typisch kommunaler und „typisch friderizianischer“ Elemente in zeremoniellen Handlungsketten hin und konnte so zeigen, dass Friedrich II. die traditionellen Optionen kaiserlicher Reiseherrschaft weiterentwickelte und durch die von ihm und seinen Kommunikationspartnern berücksichtigten kommunalen Strukturen politisch nutzbar machte.

Georg Vogeler (München/Lecce) referierte über „Die ‚Veröffentlichung’ von Urkunden Kaiser Friedrichs II. im Regnum Siciliae“ und lieferte damit gleichzeitig einen Arbeitsbericht über sein Projekt, das sich mit der symbolischen Bedeutung und dem rituellen Kontext von Urkunden des Stauferkaisers beschäftigt. Dazu nahm er Friedrichs Kanzleiordnung von 1244, die Chronik Richards von San Germano und sizilische Urkunden in den Blick und zeigte als vorläufiges Zwischenergebnis, dass sich aus allen drei Gattungen „nur feine Spuren vom Symbolpotential der Urkunden filtern lassen“.

Von der für den deutschen Reichsteil charakteristischen Stellung des Königs über dem Rangstreit der Großen ausgehend fragte Knut Görich (München) in seinem Vortrag „Welche Normen? Der Prozess Friedrichs II. gegen Herzog Friedrich den Streitbaren von Österreich“ anhand der sog. „Klageschrift“ gegen den Babenberger nach der Ausgestaltung der konkreten Beziehungen zwischen Kaiser und Reichsfürsten. Dabei traten nicht die Verbindlichkeit von Rechtskodifikation, abstrakter Rechtsnorm und prozessförmigem Verfahren in den Vordergrund, sondern der honor als ein für die soziale Praxis der Beziehungen zwischen Kaiser und Fürsten charakteristisches Moment, das die personale Seite der Herrschaftspraxis markiert und, vor den Hintergrund modern anmutender Aspekte im Verhältnis Friedrichs II. zum Recht gestellt, das Ungleichzeitige im Gleichzeitigen deutlich erkennbar macht.

Klaus van Eickels (Bamberg) sprach abschließend über „Legitimierung von Entscheidungen durch Experten. Friedrich II. als Gesetzgeber im Königreich Sizilien und als Richter nördlich der Alpen“ und belegte anhand des Zustandekommens der Konstitutionen von Melfi und des Augsburger Judenprivilegs, dass Friedrich II. durch die ostentative Delegation von Problemlösungen an Experten die Akzeptanz der sich anschließenden Maßnahmen nicht nur durch seine Autorität als Aussteller, sondern auch durch die von den Sachverständigen verbürgte sachliche Richtigkeit ihres Inhalts sicherzustellen beabsichtigte.

Die Tagung sollte generell ein Beitrag zu einer „Kulturgeschichte des Politischen“ sein, insoweit sie sich der Dekonstruktion eines überhistorisch-universalisierenden Verständnisses politischer Wertevorstellungen und Motive verpflichtet sah und über der Rekonstruktion zeitgenössischer Diskurse und ritueller Praktiken mittelalterliche Bedeutungsstrukturen offenzulegen versuchte, die gleichzeitig Herrschaftsstruktur und Herrschaftspraxis der Zeit Friedrichs II. verständlicher werden lassen. Dabei wurden immer wieder die methodischen Schwierigkeiten deutlich, die Person des letzten Stauferkaisers überhaupt zu fassen zu bekommen. Für den Verlust an Anschaulichkeit, wie man ihn angesichts älterer und profilierter gezeichneter Geschichtsbilder beklagen könnte, entschädigt vielleicht die vertiefte Einsicht in das Funktionieren einer im wesentlichen reaktiven Herrschaft, deren je nach Anlass und Herrschaftsraum unterschiedliche Konkretisierungen von wenigen allgemeinen Grundsätzen der Herrschaftsausübung überwölbt werden.
Eine rasche Publikation der Beiträge ist geplant.


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