Historisch-thematische Kartographie. Konzepte, Methoden, Anwendungen

Historisch-thematische Kartographie. Konzepte, Methoden, Anwendungen

Organisatoren
Universität Trier; Fritz-Thyssen-Stiftung
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.02.1998 - 27.02.1998
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Von
Martin Schmidt

130 Fachleute unterschiedlichster Disziplinen diskutierten vier Tage lang zukunftsweisende Methoden in den historischen Wissenschaften

Wer sich Geschichtswissenschaftler als verstaubte Sonderlinge, die in verstaubten Räumen über noch verstaubteren alten Büchern brüten, vorstellt, konnte in der letzten Februar-Woche vergangenen Jahres im E-Gebäude der Universität Trier sein historischen Aha-Erlebnis haben. Denn zweifelsohne ging es bei der dort stattfindenden Tagung um Geschichte, doch die Rede war zumeist von Software und Hardware, von Kartenkonstruktionsprogrammen und Geoinformationssystemen, von digitaler Bildbearbeitung, Visualisierung oder Datenbankmodellierung. Jedem Zuhörer wurde schnell klar: der Einzug modernster, multimedialer EDV-Techniken auch in die Geschichtswissenschaft ist längst nicht mehr aufzuhalten.

Ausgangspunkt für diese Konferenz war die Arbeit einer Projektgruppe, die seit nunmehr gut vier Jahren unter der Leitung von Professor Dr. Dietrich Ebeling (Fachbereich III, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Neuzeit) im Rahmen des SFB 235 'Zwischen Rhein und Maas' den Ursprüngen der rheinischen Frühindustrialisierung auf der Spur ist. Ein Projekt, das in großem Umfang auf computergestützte kartographische Methoden setzt und sich intensiv bemüht, die historisch-thematische Karte als ein Arbeitsinstrument einzusetzen, das der wissenschaftlichen Analyse dient. Das Trierer Projekt gehört damit zu einer noch kleinen, aber stetig wachsenden Gruppe, welche die neuesten Entwicklungen aus Geographie, Kartographie und Informatik auch für die historischen Wissenschaften nutzbar machen will. Leider besteht bislang kein umfassendes Netzwerk, das eine engere Zusammenarbeit zwischen solchen Unternehmungen ermöglicht.

Die Arbeit an dem Trierer Projekt und die zunehmenden Kontakte zu ähnlich gelagerten Vorhaben an anderen Universitäten und Instituten ließ vor rund einem Jahr den Plan entstehen, eine größere Tagung unter dem Titel 'Historisch-thematische Kartographie - Konzepte, Methoden, Anwendungen' zu veranstalten. Die Tagung diente drei Zielen: Zum einen sollte ein möglichst großer Kreis von Forschern, die sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen und vergleichbare Methoden anwenden, zur intensiven Diskussion versammelt werden. Desweiteren sollte eine Informationsbörse angeboten werden, die es allen Interessierten erlaubte, sich über die laufenden Arbeiten und die Möglichkeiten, aber auch die Probleme im Bereich der historisch-thematischen Kartographie ins Bild zu setzen. Schließlich sollte ein möglichst große Zahl von Nachbardisziplinen angesprochen werden, um innerdisziplinäre Inzucht in diesem noch jungen Bereich von vornherein zu vermeiden und interdisziplinäre gegenseitige Befruchtung zu ermöglichen. Auf diese Weise sollten erste Schritte für eine Vernetzung der auf diesem Feld arbeitenden Einzelforscher gegangen werden.

Durch die finanzielle Unterstützung der Fritz-Thyssen-Stiftung wurde es möglich, diese Tagung im angestrebten Umfang zwischen dem 24. und 27. Februar 1998 an der Universität Trier zu verwirklichen.

Die Breite des Teilnehmerkreises und der zur Diskussion gestellten Beiträge berechtigen zu der Behauptung, daß die Ziele der Tagung in vollem Umfang erreicht worden sind. Insgesamt nahmen rund 130 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teil. Vertreten waren neben der Geschichtswissenschaft als veranstaltender Disziplin Vertreter aus der Geographie, Kartographie, Geodäsie, Informatik, Kunstgeschichte, Archäologie und Denkmalpflege. Diese interdisziplinäre Zusammensetzung war Garant für durchgehend rege und fruchtbare Diskussionen, welche die Erwartungen der Veranstalter vollauf erfüllten.

Thematisch behandelte die Tagung in fünf verschiedenen Sektionen, ergänzt durch zwei Abendvorträge, sowohl grundlegende Fragen - wie die Anwendungsmöglichkeiten von Geoinformationssystemen in der Geschichtswissenschaft oder Probleme der Datenbankmodelation unter Berücksichtigung der "vierten Dimension" Zeit - als auch verschiedene aktuelle Einzelprojekte. Bei letzteren reichte die Bandbreite von den schon beinahe klassischen historischen Atlanten, von denen der 'Geschichtliche Atlas der Rheinlande' an der Universität Trier angesiedelt ist, über deren Weiterentwicklung zu digitalen historischen Informationssystemen, welche interaktive Abfragen des Nutzers und die multimediale Einbindung verschiedenster geschichtlicher Informationen ermöglichen, bis hin zu konkreten Projekten, in denen die modernen Möglichkeiten von Computerkartographie und Geoinformationssystemen als methodisches Instrumentarium der Forschung eingesetzt werden.

Darüber hinaus bot die Veranstaltung den Teilnehmern die Möglichkeit, sich an entsprechenden Informationsständen über die neuesten Angebote auf dem Softwaremarkt zu informieren und konkrete Anwenderprobleme in abendlichen Workshops zu lösen - zwei Möglichkeiten, die rege genutzt wurden.

Abgerundet wurde die Tagung von zwei Veranstaltungen, die sich ganz den historischen Altkarten widmeten. Am Eröffnungsabenden hielt Professor Dr. Walter Sperling (Fachbereich VI, Geographie) in dem trotz Karneval völlig überfüllten Vortragssaal der Stadtbibliothek einen beeindruckenden Lichtbildvortrag zum Thema 'Trier und Rheinland-Pfalz im Bild alter Karten'. Zum Abschluß der Tagung schließlich folgte ein Teil der Teilnehmer der freundlichen Einladung von Dr. Thomas Niewodniczanski, dem Geschäftsführer der Bitburger Brauerei, seine Sammlung alter Karten, die größte Privatsammlungen ihrer Art in Europa überhaupt, zu besichtigen.

Sowohl in atmosphärischer wie in inhaltlicher und wissenschaftlicher Hinsicht stieß die Veranstaltung bei ihren Gästen auf ein positives Echo. Entsprechend zufrieden waren die Veranstalter nach einer arbeitsreichen, aber sehr interessanten und auch für die Trierer Forschung fruchtbaren Woche. Die Trierer Geschichtswissenschaft kann damit auf ein weiteres erfolgreiches Großereignis zurückblicken.

Inzwischen ist der Tagungsband 'Historisch-thematische Kartographie. Konzepte, Methoden, Anwendungen', hrsg. von Prof. Ebeling, erschienen.

Konferenzübersicht:

Historisch-thematische Kartographie. Konzepte, Methoden, Anwendungen

Sektion I: Theorie und Methodik
Rolf Plöger (Bonn): Anwendung Geographischer Informationssysteme (GIS) für historisch-geographische Aufgabenstellungen
Dieter Schott (Darmstadt): Entwicklung eines historischen Geoinformationssystems
Michael Goerke (Florenz): Historisch-thematische Kartographie in Europa - ein Überblick

Sektion IIa: GIS-Anwendungen in der Geschichtswissenschaft
Norbert Winnige (Göttingen): Alphabetisierung in der Frühen Neuzeit oder: wie visualisiere ich raumbezogene historische Daten
Peter Helmberger (Berlin): Die raeumliche Darstellung sozialer und oekonomischer Wandlungsprozesse. Werkstattbericht zu einem historischen GIS-Projekt

Sektion IIb: GIS-Anwendungen in der Geschichtswissenschaft
Gyula Papay (Rostock): Anwendung der GIS-Techniken auf Mecklenburg-Vorpommern
Ralf Groß (Greifswald): Ein Historisch-Geographisches Informationssystem als Instrument der pommerschen Landesgeschichte - eine alte Kulturlandschaft
Ralf Bill: Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Geoinformationssysteme

Sektion III: Historische Atlanten
Wilfried Ehbrecht (Münster): Deutscher und Westfälischer Städteatlas
Rudolf Strasser (Trier): Geschichtlicher Atlas der Rheinlande
Gyula Papay (Rostock): Historischer Atlas für Mecklenburg-Vorpommern

Sektion IVa: Historische-thematische Kartographie
Markus A. Denzel (Göttingen): Die Vernetzung von Märkten und Gewerbestandorten nach der Theorie der zentralen Orte (vorindustrielle Zeit)
Jürgen G. Nagel /Martin Schmidt (Trier): Neue Methoden zur Erschließung der rheinischen Frühindustrialisierung – zur Verknüpfung französischer Statistik mit der Tranchot'schen Landesaufnahme

Sektion IVb: Historische-thematische Kartographie
Jörg Baten (München): Computerkartographie und multiple Regressionsanalyse von regionalen Lebensstandards – Beispiele aus Baden, Württemberg und Frankreich
Andreas Kunz (Mainz): Verkehrsgeschichte und Kartographie
Martina Müller/Uwe U. Jäschke (Dresden): Zur Problematik der Anpassung von historischen Karten an moderne Koordinatensysteme

Sektion V: Grundlagen computergestützter historischer Kartographie
Vittorio M. Lampugnani/Margareta Peters (Zürich): Möglichkeiten von 'metricCAD' in der historischen Forschung
Bernhard Holfter (Leipzig): Digitale Grundkarte für Deutschland
Thomas Litschko (Greifswald): Raumzeitliche Datenbanken als Basis für GIS-Anwendungen in der Geschichtswissenschaft


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