bewegen - verbinden - gestalten. Unternehmer im "langen" 19. Jahrhundert

bewegen - verbinden - gestalten. Unternehmer im "langen" 19. Jahrhundert

Organisatoren
Ulrich S. Sönius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln; Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.09.2000 - 13.09.2000
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Von
Christian Hillen, Köln

Das Symposium, veranstaltet zu Ehren von Frau Klara van Eyll, die Ende 1999 als Direktorin des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Ruhestand ging, wurde eröffnet vom Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Köln, Herbert Ferger. Er begrüßte die rund 100 Gäste und verwies auf die besonderen Verdienste von Klara van Eyll um die Unternehmens- und besonders die Unternehmergeschichte in den ca. dreieinhalb Jahrzehnten ihres wissenschaftlichen Schaffens. Eine ausführliche Würdigung ihres Werkes folgte auf einem Empfang im Anschluss an das Symposium durch den Präsidenten der IHK zu Köln, Alfred Freiherr von Oppenheim.

Die Tagung unter Leitung von Ulrich S. Soenius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln, war thematisch in zwei Abschnitte gegliedert. Der Vormittag war reserviert für systematisch-übergreifende Vorträge zu allgemeinen Fragen der Unternehmer-Forschung. Am Nachmittag widmeten sich die Referenten dann Biographien einzelner Unternehmer. Chronologisch wurde dabei das gesamte 19. Jahrhundert abgedeckt. Auch inhaltlich reichte das Spektrum vom klassischen Inhaber-Unternehmer zum Manager, wobei jeweils verschiedene Aspekte ihrer Unternehmerpersönlichkeit im Vordergrund standen.

Den einleitenden Vortrag hielt Toni Pierenkemper (Universität zu Köln). Nach einigen kurzen Überlegungen zur Stellung der Unternehmergeschichte in der Wissenschaft, die nach seiner Ansicht sowohl in der allgemeinen Geschichtswissenschaft als auch in der Wirtschaftsgeschichte eher eine Randexistenz führt, beschäftigte sich Pierenkemper mit der Genese der deutschen Unternehmens- und Unternehmergeschichte. Er stellte fest, dass sich die Unternehmergeschichte, die Unternehmerbiographie also, von der Unternehmensgeschichte abgespalten habe. Anders als beispielsweise in den USA stünden bei der Betrachtung des Unternehmers allerdings nicht immer dessen unternehmerische Entscheidungen und vor allem sein Geschäftserfolg im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Dies sei ein Defizit der deutschen Unternehmergeschichtsforschung. Pierenkemper mahnte daher an, mehr Forschungseifer zum einen auf die Frage nach den Personen, die unternehmerische Entscheidungen treffen, und zum anderen auf die Frage nach der Bewertung des geschäftlichen Erfolges dieser Personen zu verwenden. Dies sei nicht zuletzt für Unternehmer der heutigen Zeit von Interesse, die aus den historischen Ereignissen ihre Lehren ziehen könnten.

Dieser Beitrag erfuhr sogleich den engagierten Widerspruch von Gisela Mettele (TU Chemnitz). Aus der Sicht der Bürgertumsforschung, als deren Vertreterin sich Mettele präsentierte, sei eine solche, auf einen Aspekt der Unternehmerpersönlichkeit beschränkte Sichtweise nicht fruchtbar. Neben dem Individuum des Unternehmers seien auch Familie und Netzwerke persönlicher Beziehungen für den Geschäftserfolg entscheidend. "Unternehmerische Leistung ist immer auch Familienleistung". Somit plädierte Mettele nachdrücklich für die Betrachtung von Unternehmern in ihrem sozialen Kontext. Sie führte zahlreiche Beispiele von Vereinen geselliger, politischer oder künstlerischer Natur an, in denen sich die Bürger und insbesondere die Unternehmer der Stadt Köln zusammengefunden hätten. Das Vereinsleben sei aber durchaus nicht instrumental zur gleichsam informellen Verbesserung der Geschäftsbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen zu verstehen. Es sei vielmehr genuiner Ausdruck eines bürgerlichen Selbstverständnisses, dass auf Selbstorganisation nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im kulturellen und politischen Bereich großen Wert legte. Gleichzeitig hätte man damit auch seinen Anspruch auf die Führungsrolle in diesen Bereichen demonstrieren wollen. Natürlich hätten die Unternehmer ihren wirtschaftlichen Vorteil dabei nie vergessen.

Es entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der Pierenkemper klarstellte, dass er die von Mettele favorisierten Fragestellungen für legitim und interessant halte, er jedoch nach wie vor der Meinung sei, es herrsche ein Forschungsdefizit, was den Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit angehe. Die Frage nämlich, wie - genauer mit welchen unternehmerischen Entscheidungen - der Unternehmer an sein Geld komme, sei immer noch nicht zufriedenstellend beantwortet.

Der Beitrag von Karl-Peter Ellerbrock (Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv) beschäftigte sich mit frühindustriellen Unternehmern im Dortmunder Raum, die sich zwischen "Markt" und "alter Ordnung" in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erst noch zu Recht finden mussten, und führte die Veranstaltung damit wieder in die etwas ruhigeren Fahrwasser der eigentlichen Unternehmergeschichte. Ellerbrock konnte dabei schon bald demonstrieren, dass man bei einer ganzen Reihe von Unternehmern zu dieser Zeit noch überhaupt nicht von den angeblich klassischen unternehmerischen Tugenden wie Innovationsgeist und Flexibilität sprechen kann. Sie seien auch weiterhin "abwägend, hausväterlich, sparsam, patriarchalisch" und "beharrend" gewesen. Anhand der Dortmunder Brauindustrie konnte Ellerbrock sodann zeigen, wie sehr der neue dynamische Unternehmertyp die traditionelle Wirtschaftsstruktur veränderte, ja geradezu durcheinander wirbelte.

Der zweite Teil der Tagung, der nach einer Mittagspause begann, stand ganz im Zeichen einzelner Unternehmer-Biographien.

Paul Thomes (RWTH Aachen) knüpfte an die Diskussion des Vormittags an, indem er einleitend feststellte, dass es den Unternehmer nicht gab, - wie übrigens der weitere Verlauf des Symposiums nur allzu deutlich machen sollte -, dass sie aber alle eine gemeinsame Eigenschaft haben: Sie wollten Geld verdienen. So auch David Hansemann, bei dem zum Eigeninteresse aber auch eine von ihm empfundene gesellschaftliche Verpflichtung hinzukam, die seine unternehmerische Tätigkeit entscheidend prägte.

Viktor Wendelstadt, mit dem sich der Vortrag von Gregor Berghausen (IHK zu Köln) befasste, repräsentierte den besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Typus des Manager-Unternehmers. Berghausen konnte stellvertretend für andere Manager aufzeigen, dass sich deren Integration in die feine Kölner Gesellschaft bisweilen schwierig gestaltete. Auch Ende des 19. Jahrhunderts sei man noch nicht in der Lage gewesen, Managern Denkmäler zu setzen.

Mit der eigentlichen wirtschaftlichen und unternehmerischen Tätigkeit ganz im Sinne Pierenkempers beschäftigte sich das Referat von Ralf Banken (Universität zu Köln) über den Industriellen Carl-Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg. Banken ging der Frage nach dem Erfolg Stumm-Halbergs nach und kam zu dem Schluss, dass er sowohl aus der Distanz als auch an seinen eigenen Maßstäben und Zielen gemessen als erfolgreicher Unternehmer betrachtet werden kann. Dem tue auch die Tatsache keinen Abbruch, dass sein wirtschaftlicher Erfolg mit einer anderen Geschäftspolitik noch größer hätte sein können.

Ulrich S. Sönius (Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln) rundete den Überblick über verschiedene Unternehmertypen und deren Aktivitäten ab mit einer Untersuchung über den Textilfabrikanten Julius Scheidt, dessen politische Aktivitäten er in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte. Dabei wurde deutlich, dass Unternehmer, die in wirtschaftlichen und technologischen Dingen fortschrittlich eingestellt waren, in gesellschaftlicher Hinsicht durchaus einer konservativen Überzeugung anhängen konnten. Sehr überzeugend demonstrierte Sönius damit zum Abschluss der Tagung noch einmal, dass Unternehmer unter mehr als nur dem wirtschaftlichen Aspekt zu betrachten sowie zu untersuchen sind, und dass man die einzelnen Facetten eines Unternehmers zwar getrennt behandeln kann, sie aber untrennbar miteinander verbunden sind, wenn es um die Gesamtbeurteilung der Unternehmerpersönlichkeit geht.


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