Assecuratio Pacis. Les conceptions françaises de la sûreté et de la garantie de la paix de 1648 à 1815 – Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie von 1648–1815

Assecuratio Pacis. Les conceptions françaises de la sûreté et de la garantie de la paix de 1648 à 1815 – Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie von 1648–1815

Organisatoren
Guido Braun, Universität Bonn; Stefanie Buchenau, Université de Paris VIII
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
16.05.2008 -
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Von
Svenja Banken, Aachen; David Friedrichsdorf, Heidelberg; Niels May, Paris

In der Frühen Neuzeit galt die Friedensstiftung als eine der wichtigsten Aufgaben der Fürsten und der Diplomatie. Dieser zeitgenössischen Bedeutung entspricht ihre Behandlung in der Geschichtsschreibung. Friedensschlüsse gehören traditionell zu den Hauptfeldern der geschichtswissenschaftlichen Beschäftigung mit Politik und Diplomatie. Sie wurde unter neuen methodischen Gesichtspunkten in jüngerer Zeit auch zum Gegenstand einer neuen Kulturgeschichte des Politischen. Dagegen wurde das Problem der Friedenssicherung in der Forschung bislang eher vernachlässigt. Im 17. Jahrhundert avancierte die Friedensgarantie im Kontext des habsburgisch-bourbonischen Antagonismus jedoch zu einem Hauptproblem der internationalen Beziehungen. Frankreich kam bei der Entwicklung von Konzepten und Mechanismen zur Friedenssicherung in dieser Zeit eine Führungsrolle zu. Nicht nur in der Diplomatie, sondern auch in der politischen Philosophie bildete dieses von den Zeitgenossen oftmals als „assecuratio pacis“ bezeichnete Problem einen konstitutiven Bestandteil der Friedensvorstellungen im 17. und 18. Jahrhundert. Diesem Forschungsdesiderat nahm sich am 16. Mai 2008 ein von Guido Braun (Universität Bonn) in Zusammenarbeit mit Stefanie Buchenau (Université de Paris VIII) organisierter interdisziplinärer Studientag an, der vom Deutschen Historischen Institut (DHI) Paris veranstaltet wurde. Das Atelier führte Historiker und Philosophen aus Frankreich und Deutschland zusammen, die über französische Konzepte von Friedenssicherung und Friedensgarantie in der Zeit vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Wiener Kongress 1815 diskutierten.

Einleitend skizzierte GUIDO BRAUN die Fragen und Probleme europäischer Friedensvorstellungen seit der Renaissance bis zum Wiener Kongress von 1814/15. Vornehmlich aus Sicht der französischen Diplomatie und Philosophie wurden grundlegende Konzepte der Friedenssicherung und -garantie erörtert. Braun stellte anhand politischer Leitbegriffe des Zeitalters (Universalmonarchie, Arbiter, Balance of Power, Konvenienz) Strategien zur Bewältigung dieser Problematik vor und ging dabei insbesondere auf Systeme kollektiver Sicherheit, Friedensutopien und Vorschläge zur institutionellen Neuordnung der internationalen Beziehungen sowie Empfehlungen für innerstaatliche Verfassungsreformen ein. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die in der zeitgenössischen Diplomatie (fort-)entwickelten völkerrechtlichen Mechanismen zur Herstellung und Wahrung des zwischenstaatlichen Friedens (Vertragsratifikation, internationale Vertragsgarantie etc.).

Ausgehend von einer Charakterisierung der französischen Außenpolitik vor 1648, die nach Fritz Dickmann auf eine stabile europäische Friedensordnung hingezielt habe, betonte RAINER BABEL (DHI Paris) zu Beginn der ersten Sektion „La naissance et l’essor du concept de l’Assecuratio Pacis“ in seinem Beitrag „Le problème de l’Assecuratio Pacis dans la diplomatie française avant 1648“, dass Richelieu über die 1648 verwirklichte Friedensgarantie hinaus die Absicht verfolgt habe, durch eine „architecture multilatérale“ ein kollektives Sicherheitssystem zur Friedenssicherung in Europa zu etablieren. Entgegen der Annahme Dickmanns unterstrich Babel, dass es bereits vor Richelieu entsprechende universelle Friedenssicherungsvorstellungen gegeben habe. Zur Stützung dieser These stellte er Theoretiker vor, die sich bereits früher mit einem europäischen Friedensmodell beschäftigt hatten: Pierre Dubois zur Zeit Philipps des Schönen mit seinem Werk „De recuperatione terrae sanctae“, das auch schon Dickmann bekannt war, Emeric Crucé in seinem „Nouveau Cynée“ unter Heinrich IV. sowie sein Zeitgenosse der Herzog von Sully in dessen „Grand Dessein“. Babel skizzierte die Streitschlichtungsmechanismen und -institutionen, die in diesen europäischen Friedensplänen vorgesehen worden waren. Daneben stellte Babel zwei politische Vorläufer von Richelieus Ligaplänen vor: der 1464 gescheiterte Plan von Georg Podiebrad, der im Kontext der Konflikte zwischen dem böhmischen König und dem Heiligen Stuhl stand und der unter Heinrich VIII. von England von Kardinal Wolsey entworfene Ligaplan. Während Podiebrads Plan einen ständigen Rat der Mitglieder vorsah, habe die von Wolsey entworfene Liga keine spezifischen Institutionen kreieren wollen, sondern auf den konventionellen Strukturen diplomatischer Konsultation beruht.

In seinem Vortrag „La délégation française à Münster et le problème de la sûréte et de la garantie des traités de Westphalie“ stellte GUIDO BRAUN die Frage, inwieweit die französische Diplomatie während der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden das von Richelieu entwickelte Modell der Friedenssicherung aufgriff und modifizierte. Braun skizzierte zunächst anhand der französischen Hauptinstruktion für die Friedensunterhändler von 1643, wie das politische Vermächtnis Richelieus durch die sukzessive Abkehr von seinen Ligaplänen zugunsten des geostrategischen Konzepts der französischen Territorialexpansion unter der Federführung Mazarins in den Hintergrund trat. Dennoch sei von Mazarin ebenso wie von Richelieu die Friedenssicherung und -garantie als eines der Hauptprobleme der Verhandlungen angesehen worden, besonders hinsichtlich des von vornherein als brüchig betrachteten Friedens mit Spanien. Braun betonte im Hinblick auf die Assekurations- und Garantieverhandlungen zwischen dem Kaiser, Schweden und Frankreich unter Beteiligung der Reichsstände, dass Frankreich mit seinem innovatorischen Konzept einer allgemeinen und parteiübergreifenden Vertragsgarantie zwar wichtige Impulse gegeben habe, aber substantielle Beiträge zu den Regelungen von 1648 auch von den übrigen Verhandlungsparteien, besonders von den Kaiserlichen, beigesteuert worden seien. Die Verhandlungen mit Spanien seien aus historischen und rechtlichen Gründen besonders schwierig gewesen. Braun formulierte die These, dass überzogene Forderungen bezüglich der Friedenssicherung durchaus dazu beitragen konnten, dass schon die Friedensstiftung misslang. Im Gegensatz zu den 1648 gescheiterten französisch-spanischen Verhandlungen sei beim spanisch-niederländischen Frieden vom 30. Januar 1648 die Friedensassekuration kein zentrales Problem gewesen und dieser eine dauerhafte Befriedung bewirkende Vertrag sei bei den Assekurationsinstrumenten nicht über das übliche Maß hinausgegangen. Zudem untersuchte Braun die bislang in der Literatur kaum behandelten, für die französische Friedenssicherungs-Konzeption aber aufschlussreichen französisch-niederländischen Verhandlungen zum Garantievertrag von Den Haag vom 29. Juli 1647. Abschließend betonte er die Sonderstellung des Westfälischen Friedens bei der Vertragsgarantie bis 1815 und wies auf das Forschungsdesiderat einer Untersuchung des eventuellen Modellcharakters seiner Friedenssicherungs-Bestimmungen für spätere Friedensschlüsse hin.

In seinem Referat „Les conceptions de la sûreté de la paix au temps des guerres entre Louis XIV et Léopold Ier“ hob JEAN BÉRENGER (Paris IV – Sorbonne) hervor, dass die in Westfalen entwickelten Instrumente der Friedenssicherung für die von ihm untersuchte Epoche weitestgehend wirkungslos geblieben seien, so dass man pointiert formulieren könne, es habe eigentlich gar keine Friedensgarantie existiert. Bérenger griff damit eine von Guido Braun in der Einführung gestellte Leitfrage auf, dass zu untersuchen sei, in welchen Zeitabschnitten Frankreichs Politik überhaupt vom Leitmotiv der „assecuratio pacis“ geprägt worden sei. Anhand der zentralen politischen Ereignisse im deutsch-französischen Verhältnis vom ersten Rheinbund (1658) bis zum Frieden von Riijswijk (1697) legte Bérenger detailliert dar, dass die durchaus existenten Aussöhnungsbemühungen (zum Beispiel beim kaiserlich-französischen Geheimvertrag von 1668) von den Expansionskriegen Ludwigs XIV. überlagert worden seien. Erst mit dem Tode des Kriegsministers Louvois sei es zu einer kompromissorientierten Neuausrichtung der französischen Deutschlandpolitik gekommen, die sich im Friedensvertrag von Riijswijk niedergeschlagen habe. 1697 habe Frankreich trotz des Verzichts auf die rechtsrheinischen Reunionen einen Grenzverlauf erreicht, der den sicherheitspolitischen Erwägungen zur Konstituierung eines pré carré in Nordostfrankreich soweit möglich Rechnung getragen und das Königreich vor einer feindlichen Invasion weitgehend geschützt habe.

LUCIEN BÉLY (Paris IV – Sorbonne) ging zu Beginn der zweiten Sektion „L’évolution des conceptions françaises de la sûreté de la paix dans la première moitié du XVIIIe siècle“ in seinem Vortrag „La constitution et la sûreté de la paix à Utrecht“ von der These aus, dass der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) nicht als Gegensatz zum Friedenszustand, sondern als dessen Vorbereitung zum Friedenswerk von Utrecht, Rastatt und Baden zu sehen sei. Der Krieg habe Teilen Europas eine von den Friedensverträgen sanktionierte neue Landkarte mit neuen Grenzverläufen auferlegt, deren kartographische Erfassung deutliche Fortschritte gegenüber früheren Grenzziehungen in Bezug auf ihre Genauigkeit aufweise. Die konkreten Friedensbestimmungen seien weniger das Ergebnis einer philosophischen oder juristischen Vision, sondern vielmehr das Resultat der Verhandlungen von Unterhändlern. Die Gleichgewichtskonzeption des Utrechter Friedens sei durchaus nicht frei von Widersprüchen, insofern Großbritannien damit die Rolle des europäischen Arbiters zugefallen sei. Der Friede von Utrecht habe in Europa dennoch einen soliden Friedenszustand hergestellt. Die Friedensgarantie beruhe zwar hauptsächlich auf unspezifischen Regelungen, habe aber hinsichtlich der „Barrierepolitik“ durchaus auch „reelle Sicherheiten“ (sûretés réelles) angestrebt. Bély wies darauf hin, dass im Zusammenhang mit der ursprünglich von Ludwig XIV. entwickelten Barriere-Konzeption und dem friedenssichernden Gleichgewicht ein Modell angestrebt worden sei, das durchaus Züge eines kollektiven Sicherheitssystems trage.

Die praktische Umsetzung der Utrechter Friedensordnung und der französischen Strategien zur Friedenssicherung und -garantie unter der Regentschaftsregierung Philipps von Orléans wurden von ÉRIC SCHNAKENBOURG (Université de Nantes) in seinem Vortrag zum Thema „Pérenniser la paix après Utrecht: équilibre et sécurité collective dans la stragétie diplomatique de la Régence“ untersucht. Auch in dieser von der Geschichtswissenschaft bislang weitgehend vernachlässigten Periode französischer Außenpolitik, beobachtete Schnakenbourg Ansätze zu einem kollektiven Sicherheitssystem. Dabei betonte Schnakenbourg, dass nach dem Friedensschluss von Utrecht viele Konfliktlinien in der Diplomatie weiterhin virulent blieben. Trotz einer sich herausbildenden „Internationalen der Unzufriedenen“ (internationale des malcontents) habe der Utrechter Frieden für Frankreich, von kleinen Ausnahmen abgesehen, jedoch eine Friedensepoche eingeläutet. Schnakenbourg stellt heraus, dass in Frankreich die Kriege Ludwigs XIV. schon seit den 1690er Jahren zu einer Diskreditierung des Krieges an sich führten. Ferner unterschied er im Zusammenhang mit der Bewertung des Utrechter Friedenssystems zwischen einer multidimensionalen Gleichgewichtskonzeption im 18. Jahrhundert und einer hauptsächlich auf Gewicht–Gegengewicht beruhenden Dichotomie im 17. Jahrhundert. Dieser Aspekt wurde anschließend kontrovers diskutiert. Insgesamt habe, so Schnakenbourg, in den Folgejahren des Friedensschlusses auf dem europäischen Kontinent, nicht zuletzt mithilfe der Tripelallianz als Garantiesystem des Utrechter Friedens, eine kollektive Vertragsgarantie und Friedenssicherung durch ein Mächtegleichgewicht etabliert werden können. Bei der Bewertung der Politik Kardinal Dubois’ und des Regenten sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Regentschaftsregierung gehandelt habe, die nicht dem königlichen Herrschaftsmotiv des Strebens nach Kriegsruhm (quête de la gloire) verpflichtet gewesen sei.

SVEN EXTERNBRINK (Universität Marburg) eröffnete mit seinem Vortrag „La 'Révolution diplomatique' et la pacification de l’Europe de 1756/63 à 1789/92“ die dritte Sektion „Renversement des alliances, Révolution et Empire“. Nach Externbrink trug der außenpolitische Niedergang Frankreichs seit 1763 zu einer wachsenden Instabilität des internationalen Systems bei. Seit 1748 habe England anstelle Österreichs den Platz als „natürlicher Feind“ Frankreichs eingenommen. Vor diesem Hintergrund sei das Renversement des alliances zu bewerten. In Bezug auf Kontinentaleuropa charakterisierte er die Situation Englands nach dem Siebenjährigen Krieg als splendid isolation, ein der späteren britischen Geschichte entlehnter Begriff. Für das Ancien Régime habe der Siebenjährige Krieg eine Zäsur in den internationalen Beziehungen dargestellt. Dieser Krieg sei namentlich aus der Konkurrenz zwischen Frankreich und Großbritannien erwachsen, deren Konflikt weder dynastisch noch konfessionell legitimiert gewesen sei, sondern die Kolonien in den Mittelpunkt gestellt habe. Obwohl in der französischen Öffentlichkeit nach 1756/63 eine Kampagne gegen die Allianz mit Österreich geführt worden sei und diese europäische Staatenordnung nicht auf Prinzipien basiert habe, die mit den traditionellen Vorstellungen der „assecuratio pacis“ gleichgesetzt werden könnten, sei es doch auf ihrer Grundlage gelungen, in den folgenden Jahrzehnten mehrere internationale Konflikte zu entschärfen, bevor es zum Ausbruch eines „heißen“ Krieges gekommen sei. Insofern betonte Externbrink die pazifikatorische Funktion des österreich-französischen Bündnisses. In seinem Kommentar betonte THIERRY LENTZ (Directeur de la Fondation Napoléon, Paris) die ungeachtet der Zäsuren von Französischer Revolution und napoleonischem Empire fortbestehenden Konstanten bei den Rahmenbedingungen der europäischen Politik, beispielsweise in geostrategischer Hinsicht.

In seinem Vortrag zu „Talleyrand et la paix en 1814/1815“ setzte EMMANUEL DE WARESQUIEL (École pratiques des Hautes Études, Paris) das Thema des Ateliers in Bezug zu Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754–1838). Demnach ist Talleyrand als Außenpolitiker wie auch hinsichtlich seiner Friedenskonzeptionen der Frühen Neuzeit (époque moderne) und der Neuesten Geschichte (époque contemporaine) zuzuordnen. Der Talleyrand-Biograph Waresquiel beleuchtete zunächst die außenpolitischen Konzeptionen seines Protagonisten im Umkreis des ersten Pariser Friedens von 1814. Talleyrand habe 1814/15 eine Annäherung Frankreichs an England favorisiert. Sein Hauptziel habe jedoch nach der napoleonischen Niederlage in der Reintegration Frankreichs in das europäische Staatensystem bestanden. Vor allem in seinen Instruktionen für den Wiener Kongress habe er dem Völkerrecht eine herausragende Rolle bei der Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen beigemessen, wenngleich gegen dieses Völkerrecht schon im 18. Jahrhundert oftmals verstoßen worden sei. Waresquiel führt aus, dass Talleyrand dem Prinzip der „Konvenienz“ (convenance) die Grundsätze des Rechts und der Legitimität entgegengestellt worden seien. Trotz dieser theoretischen Fundierung sei er als außenpolitischer Pragmatiker und „théoricien a posteriori“ zu beurteilen. Innenpolitisch seien von ihm sowohl die dynastische Legitimität (droit dynastique) des Bourbonen-Königs als auch die Rechte der Nation geachtet und damit politisch das Ziel verfolgt worden, die Monarchie der Bourbonen mit dem Frankreich der Revolution zu versöhnen. Auch auf dem Wiener Kongress habe er im Oktober 1815 engagiert die Rückkehr der Bourbonen vertreten. Durch seine Politik habe Talleyrand 1814/15 durchaus zu einer relativ stabilen Friedensordnung beigetragen.

In der vierten Sektion „La théorie de la sûreté de la paix: les philosophes allemands et les conceptions françaises de l’Assecuratio Pacis“ wurden philosophische Projekte zur Friedenssicherung erörtert, wobei gleichermaßen französische wie auch deutsche zeitgenössische Konzeptionen Berücksichtigung fanden. STEFANIE BUCHENAU eröffnete diesen Teil der Tagung mit ihrem Beitrag „Leibniz, philosophe diplomate“ und behandelte darin, nach einem Überblick über seine diplomatischen Stationen, insbesondere sein Sekuritätsgutachten von 1670. Es handelt sich hierbei um eine vor dem Hintergrund der expansionistischen Kriegspolitik Ludwigs XIV. seit dem Devolutionskrieg im Umkreis der kurmainzischen Politik entstandene Jugendschrift Leibniz’, die er mit 24 Jahren verfasste. Buchenau konnte in ihrem Referat nachweisen, dass Leibniz in dieser Schrift, eine sehr konkrete defensive Strategie zur Friedenssicherung gegenüber der ludovizianischen „Bellicosität“ vorschlug. Diplomatie wurde dabei von Leibniz als Wissenschaft verstanden, die nach logischen und mathematischen Regeln aufzufassen sei; er konnte somit ein „modèle physico-diplomatique“ entwickeln. Darüber hinaus geht er in seiner Schrift davon aus, dass auf der Grundlage des Egoismus durchaus ein Gleichgewicht denkbar sei, wenn es sich eben um gleichstarke Egoismen handle. Der Frieden wurde dabei dem Ruhepunkt (repos) in der Physik verglichen. Der Friedenszustand konnte aufgrund dieser mechanistischen Auffassung als ein Aufeinandertreffen zweier sich gegenseitig neutralisierender antagonistischer Kräfte verstanden werden. Aus physischen Gesichtspunkten habe Leibniz die im Devolutionskrieg entstandene Tripelallianz als Störung des Gleichgewichts verworfen, während der von ihm projektierte „Reichsbund“ seinen mechanistischen Gleichgewichtsvorstellungen entsprach.

Im zweiten Vortrag „Rousseau, Saint-Pierre et l’équilibre européen“ stellte BRUNO BERNARDI (Marseille und Collège International de Philosophie, Paris) die Kritik der beiden von ihm behandelten Denker am europäischen Gleichgewichtssystem heraus. Während von Saint-Pierre sowohl die deskriptive als auch die normative Verwendung des Konzepts „Gleichgewicht“ infrage gestellt worden sei, war dieses für Rousseau zwar durchaus als analytische Kategorie verwendbar, real aber habe ein System des Gleichgewichts seines Erachtens kein friedliches, sondern ein konfliktträchtiges System dargestellt. Damit sei es der „assecuratio pacis“ nicht dienlich.

Im letzten Vortrag der Sektion sprach GÉRARD LAUDIN (Paris IV–Sorbonne) über „Le droit des gens et la paix dans les années 1790“. Er erörterte insbesondere Carl Gottlieb Svarez’ Kronprinzenvortrag mit dem Titel „Über das Recht des Krieges, des Friedens und der Bündnisse“, der erst posthum 1960 erschien. Dieser Text stammt aus seiner Zeit als Präzeptor des preußischen Kronprinzen (1791–1792). Nach Laudin erweise sich Svarez darin gleichzeitig als Natur- und Vertragsrechtler: In seinen Ausführungen wendete sich Svarez gegen die Universalmonarchie, die im politischen Denken des 18. Jahrhunderts, wie schon die vorausgegangenen Vorträge zeigten, immer noch präsent war. Als philosophischen Einwand gegen die Universalmonarchie formulierte Svarez, dass diese gegen den Selbstbestimmungsgrundsatz des Naturrechts verstoße und schon deshalb abgelehnt werden müsse. Laudin kontrastierte den Text Svarez’ auch mit den Positionen Gundlings, Justis und Kants und ging dabei namentlich auf die jeweilige Gleichgewichts-Konzeption bzw. ihre Kritik am Gleichgewichtsdenken ein.

Insbesondere die Beiträge der letzten Sektion zeigten, dass der Einfluss der politischen Philosophie auf die diplomatische Praxis trotz vielversprechender jüngerer Forschungsansätze bisher noch nicht hinreichend gewürdigt worden ist und besonders Leibniz und Kant eine herausragende Bedeutung für den philosophischen Friedensdiskurs in Frankreich zukam. Einen zentralen Gegenstand der Schlussdiskussion bildete neben der Relevanz der politischen Philosophie für die Entwicklung der praxisorientierten diplomatischen Friedenssicherungs-Konzepte das Problem des Gleichgewichts der Kräfte. Als besonders fruchtbar erwies sich die Kombination historischer und philosophischer Zugänge zur Friedenssicherungs-Problematik in der Frühen Neuzeit. Deutlich wurde jedoch auch, dass die Bedeutung der Friedenssicherung in der Forschung bisher mehr Aufmerksamkeit fand, als die Friedensstiftung. Die Publikation der Tagungsbeiträge wird von den Organisatoren angestrebt.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Rainer Babel
Einführung: Guido Braun
Première table ronde: La pratique de la diplomatie et ses fondements juridiques

Section I. La naissance et l’essor du concept de l’Assecuratio Pacis (section présidée par Bernd Klesmann, DHI Paris)
Le problème de l’Assecuratio Pacis dans la diplomatie française avant 1648 (Rainer Babel)
La délégation française à Münster et le problème de la sûreté et de la garantie des traités de Westphalie (Guido Braun)
Les conceptions de la sûreté de la paix au temps des guerres entre Louis XIV et Léopold Ier (Jean Bérenger)

Section II. L’évolution des conceptions françaises de la sûreté de la paix dans la première moitié du XVIIIe siècle (section présidée par Olivier Chaline, Paris IV – Sorbonne)
La constitution et la sûreté de la paix à Utrecht (Lucien Bély)
Pérenniser la paix après Utrecht: équilibre et sécurité collective dans la stratégie diplomatique de la Régence (Éric Schnakenbourg)

Section III. Renversement des alliances, Révolution et Empire (section présidée par Thierry Lentz)
La « Révolution diplomatique » et la pacification de l’Europe de 1756/63 à 1789/92 (Sven Externbrink)
Talleyrand et la paix en 1814/1815 (Emmanuel de Waresquiel)
Deuxième table ronde: La théorie de la sûreté de la paix: les philosophes allemands et les conceptions françaises de l’Assecuratio Pacis (section présidée par Olaf Asbach, Universität Hamburg)
Leibniz, philosophe diplomate (Stefanie Buchenau)
Rousseau, Saint-Pierre et l’équilibre européen (Bruno Bernardi)
Le droit des gens et la paix dans les années 1790 (Gérard Laudin)
Discussion générale, présidée par Lucien Bély


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