Migration und religiöse Identität. Mittelalterliche und zeitgenössische Perspektiven im Dialog

Migration und religiöse Identität. Mittelalterliche und zeitgenössische Perspektiven im Dialog

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut Paris (Daniel König)
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
05.03.2009 - 06.03.2009
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Von
Daniel König, Deutsches Historisches Institut Paris; Stephanie Fahsel, Universität Rostock; Elisabeth Richenhagen, Universität Bonn; Nora Wagner, Universität Heidelberg

Im weiteren Rahmen seiner Forschungsaktivitäten zu kulturellen Transferprozessen hat das Deutsche Historische Institut Paris eine Tagung ausgerichtet, deren Ziel es war, mittels der Gegenüberstellung von mediävistisch und zeitgeschichtlich arbeitenden Migrationsspezialisten zum einen die epochenübergreifenden Zusammenhänge zwischen Migrations- und religiösen Transformationsprozessen zu analysieren, zum anderen die Möglichkeiten und Grenzen eines Dialogs beider Forschungsgebiete auszuloten.

Im ersten Block wurden die germanischen Migrationsbewegungen des 4. bis 6. Jahrhunderts der Situation deutscher Migranten im Paris des 19. Jahrhunderts entgegengesetzt. BRUNO DUMÉZIL (Paris) widmete sich dem Einfluss der germanischen Migrationsbewegungen auf das wechselseitige Verhältnis religiöser, ethnischer und politischer Identitäten: Das religiöse Mosaik der Spätantike sei durch den Katholizismus verdrängt worden. Eine romanische Einheitskultur habe die ethnische Vielfalt zu großen Teilen überlagert. Letztlich habe sich die politische Anbindung an einen König als dominantes identitäres Abgrenzungsmerkmal durchgesetzt. MAGALI COUMERT (Brest) setzte sich mit den Herkunftserzählungen der Langobarden auseinander, die rückblickend den Migrations- und Christianisierungsprozess beschreiben. Sie zeigte auf, wie sich bestimmte Erzählmuster im Laufe der Zeit veränderten: Der ursprünglich in der heidnisch-göttlichen Sphäre angesiedelte Ursprung sei zunehmend vermenschlicht worden. Die Migration sei mit größer werdendem Abstand als spiritueller Weg zum Christentum gedeutet worden.

MAREIKE KÖNIG (Paris) stellte in ihrem Kommentar der Unterscheidung religiöser, politischer und ethnischer Identitäten den Begriff der „Intersektionalität“ gegenüber, der angesichts der vielfältigen Bestandteile individueller Identitäten (politisch, religiös, national, beruflich, sprachlich, administrativ, sexuell etc.) deren hybriden Charakter zu fassen suche. Sie hob hervor, dass heutige Migrationsprozesse nicht mehr von der Wanderschaft ganzer Völker geprägt und meist auf wirtschaftliche Faktoren und Krieg zurückzuführen seien. Eine Parallele sah sie in der Dominanz des Politischen über das Religiöse und verwies auf die überkonfessionell wirksame Bedeutung sprachlicher und nationaler Identität für Migranten im 19. Jahrhundert. In Reaktion darauf kamen Coumert und Dumézil auf Abhängigkeiten zwischen ethnischer, beruflicher und sozialer Identität sowie die Existenz transkultureller und transreligiöser Räume in Spätantike und Frühmittelalter zu sprechen. WALTER POHL (Wien) warf die Frage nach dem Integrationswillen migrierender Gruppen auf. BERNDT OSTENDORF (München) thematisierte das Gefälle zwischen strukturstarken und strukturschwachen Konstruktionen ethnischer und religiöser Identität, betonte die Bedeutung der Fähigkeit zur „boundary maintenance“ und verwies auf die Existenz von Synkretismen.

Im zweiten Block wurde die Besiedlung der Normandie im 9. bis 10. und die turkmenische Landnahme Anatoliens im 11. bis 15. Jahrhundert aus der Perspektive der US-amerikanischen Migrationsgeschichte kommentiert. ALHEYDIS PLASSMANN (Bonn) kam zu dem Ergebnis, dass der normannische Glaubenswechsel seitens der Franken eingefordert worden und damit Folge und nicht Bedingung der Migration gewesen sei. Die Bekehrung habe Herrschaftsstabilisierung und politische Integration zur Folge gehabt, letztere wiederum eine Verfestigung des christlichen Glaubens. Trotz religiöser und sprachlicher Anpassung habe sich eine gentile Identität bei den Normannen lange gehalten und etwa Ausdruck in einer heilsgeschichtlichen und damit positiven Deutung des Siedlungsprozesses in der Normandie gefunden. SEVKET KÜCÜKHÜSEYIN (Bamberg) beschrieb, wie im Anatolien des 11. bis 15. Jahrhunderts eine zahlenmäßige Minderheit islamisierter turkmenischer Gruppen eine Mehrheit von Angehörigen städtischer Hochkultur christlicher Prägung überlagerte. Dass die Nomaden nicht in der vorgefundenen Mehrheitsgesellschaft aufgegangen seien, sei einerseits auf den Einfluss mystischer islamischer Orden und ihre Propagierung eines synkretistischen Islam zurückzuführen, andererseits auf die ethnische und religiöse Zersplitterung Kleinasiens.

In seinem Kommentar zum Normannenvortrag stellte BERNDT OSTENDORF (München) den Begriff der Push-and-Pull-Faktoren zur Verfügung und nannte chain migration und Zirkularmigration als relevante Migrationstypen. Anwendbar erschien ihm auch das in der Soziologie bekannte Phänomen der strukturellen Amnesie und der „invented traditions“ (Hobsbawm): Im Zuge eines Integrationsprozesses würden störende Elemente fallengelassen, in der Überzeugung, Altes unverändert beizubehalten. Endprodukt der Migration sei eben keine ausgelagerte Nation: Nicht die Völker gingen auf Wanderschaft, sondern die Wanderung schaffe neue Identitäten. Sprache und kulturelles Kapital nannte er als relevante Analysekategorien. Plassmann zufolge lassen sich demographische Faktoren als Auslöser der normannischen Migration archäologisch nicht bestätigen. Eher habe der bei Plünderungszügen erworbene Reichtum zur Prestigesteigerung in der Heimat gedient und damit immer wieder in die Ferne gezogen. Einige Gruppen seien durch das jahrelange Herumziehen so entwurzelt gewesen, dass die Ansiedlung zunehmend attraktiv geworden sei und andere Gruppen nach sich gezogen habe. Aussagen über die Sprache ließen sich nur schwer treffen. Zum kulturellen Kapital der Normannen sei ihre vielgerühmte Tapferkeit zu rechnen, ebenso ihre in Lehnwörtern nachzuweisenden nautischen Kenntnisse. Bezugnehmend auf den anatolischen Kontext hob Ostendorf hervor, dass in einem allmählichen Integrationsprozess ein synkretistischer und flexibler Islam als integratives Element gedient habe. Auf seine Frage nach Spannungen, Konflikten, Gruppen des Widerstands und „Oasen der Beharrung“ wies Kücükhüseyin darauf hin, dass bis ins 13. Jahrhundert keine flächendeckende Turkisierung stattgefunden habe. In den Städten sei die Sprache der Hochkultur Persisch gewesen. Griechisch und Armenisch hätten sich in Enklaven gehalten.

Der Dokumentarfilm von DANIELA SWAROWSKY (Rotterdam) und SAMULI SCHIELKE (Berlin) stellte im dritten Block die von jungen Menschen in Ägypten formulierten Migrationswünsche und -vorstellungen den Erfahrungen ausgewanderter Ägypter in Wien gegenüber. Er thematisierte die Frustrationen junger Ägypter, die ihr Land nicht verlassen können und trotz durchaus realistischer Einschätzungen Europas und Zugriff zu modernen Kommunikationstechnologien das Bild eines westlichen Paradieses hegen. Er gab Einblick in die Probleme von Migranten, die sich plötzlich ohne Geld in untergeordneten sozialen Positionen mit geringen Aufstiegschancen im europäischen Ausland befinden. Als zusätzliche Schwierigkeit erleben sie dabei ihre neue soziale Stellung als Besucher in der Heimat, die von verzerrten Vorstellungen und der Erwartungshaltung der Daheimgebliebenen bestimmt ist.

In seinem Kommentar thematisierte Schielke das im Film weitestgehend ausgeklammerte Thema der Religion. Die Frage nach der religiösen Identität habe nicht im Vordergrund gestanden und weder bei Kopten noch Muslimen notwendigerweise eine Rolle gespielt, auch wenn manche den durch die Auswanderung bedingten Verlust religiösen Gemeinschaftsgefühls beklagten. Nicht zu unterschätzen sei außerdem das ägyptische Nationalgefühl. Das Ziel der meisten Auswanderer sei es gewesen, sich mit den im Ausland erarbeiteten Mitteln ein besseres Leben in der Heimat zu ermöglichen. Die Rückkehr gelinge aber oft nicht und der erwartete Reichtum bleibe aus. In Reaktion auf den Film wurde die Rolle der Kommunikationsmedien hervorgehoben. Der Gebrauch dieser Medien sei wie der Heimaturlaub ein Luxus, den sich ein Migrant je nach Möglichkeiten leiste. Von DANIEL KÖNIG (Paris) wurde dabei allerdings betont, dass die Ferne auch heute immer noch als Projektionsfläche für Träume und Wünsche diene und entsprechende Erwartungshaltungen hervorrufe. Auch in mittelalterlichen Quellen lasse sich die Verklärung ferner Orte, etwa der Städte Konstantinopel, Rom und Jerusalem, nachweisen.

Im vierten Block wurden spätantik-frühmittelalterliche Migrationskontexte und die Situation im hochmittelalterlichen Ungarn mit nationalen Migrationskontexten in Europa kontrastiert. Aufbauend auf dem Fallbeispiel eines zum radikalen Islam bekehrten jungen Mannes türkischer Herkunft namens Seyfullah thematisierte DANIEL KÖNIG (Paris) die Situation der zweiten Migrationsgeneration in Europa. Deren Position könne sowohl herausragende bikulturelle Kompetenzen mit sich bringen, aber auch zu innerer Zerissenheit angesichts der Erwartungen seitens erster Generation, Ursprungs- und Aufnahmegesellschaft führen. Auf der Suche nach der „zweiten Generation“ im spätantik-mittelalterlichen Kontext bemerkte König, dass mittelalterliche Migrationskontexte oftmals nicht die anfangs beschriebene Konstellation produzierten, zeigte aber auf, dass sich immer wieder Menschen nachweisen ließen, die in kulturellen Übergangszonen beheimatet gewesen seien und dabei religiöse Transformationsprozesse durchlebt hätten. Ausführlicher widmete er sich dabei der Biographie des Gotenbischofs Ulfilas, die er mit dem zeitgenössischen Fallbeispiel Seyfullah in Beziehung setzte. In ihrem Vortrag vermittelte NORA BEREND (Cambridge) einen Eindruck von der durch verschiedene Migrationsprozesse hervorgerufenen multiethnischen und -religiösen Situation im hochmittelalterlichen Ungarn. Trotz Anbindung an den lateinischen Westen sei Ungarn immer offen gegenüber byzantinischen Einflüssen gewesen. Juden hätten unter Beibehaltung ihrer religiösen Kultur bestimmte Elemente ihres Umfeldes assimiliert. Muslime hätten sich nach einer Phase, in der sie unter Beibehaltung ihrer Religion eine spezifisch ungarische Identität entwickelt hätten, langfristig religiös angepasst. Die heidnischen Kumanen hätten sich im Laufe von etwa 150 Jahren dem christlichen Anpassungsdruck gebeugt. Berend hob hervor, dass ein religiöser Einfluss von nichtchristlicher Immigrantengruppen von den Eliten gefürchtet worden sei, man aber einen solchen auf der Basis der vorhandenen Quellen nicht nachweisen könne.

In ihrem Kommentar zum Vortrag Königs definierte die Soziologin CATHERINE DE WENDEN (Paris) die Person Ulfilas als Vertreter einer „religion conquérante“. Im Mittelalter schienen häufig Eliten einzuwandern, die ihre Ordnungsmodelle aufzwängen. Dagegen hob sie die Situation heutiger Einwanderer aus bescheidenen Verhältnissen hervor, die sich aufgrund ihres geringen sozialen Status nur schwer integrierten. In ihrem Kommentar zum Vortrag Berends kommentierte sie den mosaikartigen Charakter Ungarns und die fließenden Übergänge zwischen Kulturen und Religionsgruppen. Eine solche Flexibilität kultureller und religiöser Grenzen sei heute nicht gegeben, sei ja in Europa eine unwiderrufliche Entscheidung zugunsten des Säkularismus gefallen. Angesichts dessen erfolge bei Einwanderern häufig ein Rückzug in eine religiös begründete Identität. In ihrer Antwort präzisierte Berend, dass die Muslime in Ungarn keine Eroberer gewesen seien. Die von de Wenden hervorgehobene Flexibilität sozialer Grenzen im Mittelalter sei nicht mit einem mangelnden Ordnungswillen mittelalterlicher politischer Systeme gleichzusetzen, die sehr wohl religiöse und politische Konformität eingefordert hätten. Trotz Säkularismus forderten europäische Gesellschaften im Mittelalter wie heute Anpassung. Diesen Punkt betonte später auch Pohl. In Bezug auf Ulfilas konstatierte D. König, dass Ulfilas Nachfahre von Kriegsgefangenen sei und nur deshalb eine Elite repräsentiere, weil er über besondere interkulturelle Kompetenzen verfügt habe und als Gotenmissionar ins kirchliche Gedächtnis eingegangen sei. Eine Erstarrung sozialer, ethnischer und religiöser Grenzen erkenne er in der heutigen Gesellschaft nicht. Eine Veränderung des derzeitigen religiösen Gefüges sei durchaus denkbar. In der Diskussion wurde mehrfach die Frage der Vergleichbarkeit von Ulfilas und Seyfullah angesprochen. KÜCÜKHÜSEYIN betonte, dass sich hinter den von D. König als selbstverständlich angenommenen bilingualen Kompetenzen auch eine zweifache Sprachlosigkeit verbergen könne. Aus Sicht vieler in der Türkei Gebliebenen sei die zweite türkische Generation in Deutschland nicht nur in sprachlicher Hinsicht eine „verlorene Generation“. Ostendorf lieferte mit Hinweis auf die USA dagegen ein positives Beispiel, in der die zweite Generation die Krise identitärer Bipolarität positiv gemeistert und damit maßgeblich zur Ausbildung amerikanischer Kultur und Identität beigetragen habe. Entscheidend sei nicht die Existenz solcher Krisen, sondern die Art und Weise ihrer Bewältigung. Pohl hielt das Konzept der zweiten Generation im mittelalterlichen Kontext für nutzbar. Schielke wiederum bezeichnete das Konzept als politisch und emotional vorbelastet. Auch weil völlig unterschiedliche soziale Gruppen miteinander verglichen würden, sei es so nicht auf das Mittelalter übertragbar.

In der Podiumsdiskussion konstatierte Pohl, dass Erkenntnisgewinn mit Hilfe des interdisziplinären Dialogs weniger durch die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner als vielmehr durch den dabei entstehenden Verfremdungseffekt zu erzielen sei. Den Begriff der Identität bezeichnete er als „faux ami“, der nicht Grundlage sondern Effekt historischer Prozesse sei und deswegen historisiert werden müsse. Unter Bezug auf den fränkischen Königstitel „gratia Dei rex Francorum“ hielt er fest, dass sich ethnische, politische und religiöse Identität nur schwerlich trennen ließen, allerdings nicht nur im Mittelalter: Das Alte Testament und der Nationalismus des 20. Jahrhunderts böten Beispiele für die religiöse Aufladung ethnisch definierter Gruppen. Pohl betonte die Bedeutung der im 19. Jahrhundert geprägten Völkerwanderungsbilder, deren Angstvorstellungen sich bis heute erhalten hätten. Die Tagung habe dagegen die verschiedensten Facetten von Migrationsströmen aufgezeigt, in denen Menschen, Ideen und Kulturgüter in Bewegung gerieten. Fraglich sei, ob „Migration“ dieses Phänomen überhaupt angemessen beschreibe und nicht Begriffe wie „Transnationalismus“ damals wie heute existierende Kommunikationsnetzwerke besser beschrieben. Migration als auch Konversion seien sowohl im Mittelalter als auch heute häufig Resultat von Zwangssituationen. Angesichts des heutigen Anpassungsdruckes könne man auch hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten kaum von einer Verbesserung sprechen: Politisch werde verlangt, was sozial nicht möglich sei. Migrantenstereotypen existierten damals wie heute und seien nicht nur in den Bereich des Abstrakten zu verweisen, da sie zu handlungsbestimmenden Vorstellungen werden könnten. Ostendorf wies darauf hin, dass die Begriffe „Identität“ und „Multikulturalismus“ Schöpfungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seien. Schielke hob die Bedeutung der in Migrationskontexten entstehenden Machtgefälle und sozialen Ungleichheiten hervor. Angesichts vieler politisch vorgeprägter Begriffe sei bei der Wahl der Terminologie mit Vorsicht zu verfahren. Der Ausdruck „Transnationalismus“ sei mangels der Existenz von Nationen auf das Mittelalter nicht übertragbar, der „Kosmopolitismus“ sei hingegen ein auf das Mittelalter sehr wohl anwendbares Konzept. Schwierigkeiten ergäben sich auch bei der Verwendung der Begriffe „Aufnahme- und Herkunftsgesellschaft“, wenn sich im Rahmen mittelalterlicher Migrationen ganze Gesellschaften bewegten. Im Vergleich mittelalterlicher und zeitgenössischer Migrationsbewegungen sei eine Übertragung von Strukturen schwierig. Vergleichbar seien dagegen die jeweiligen Auslöser und Reaktionen auf Migrationsprozesse. De Wenden betonte nochmals die Unterschiede zwischen heutigen und mittelalterlichen Migrationsbewegungen. In Reaktion auf Pohls Aussagen zu heutigem Integrationsdruck hob sie hervor, dass die Politik der Homogenisierung in Frankreich etwa sehr positiv eingeschätzt werde. D. König sprach an, dass heutige Integrationskonzepte sehr stark durch die Vorstellung von der Notwendigkeit nationalstaatlicher Einheit im Bereich der Sprache, des Rechts etc. geprägt und zeitgenössisch arbeitende Wissenschaftler im Gegensatz zu Mediävisten stärker emotional und politisch involviert seien. Pohl warnte in diesem Kontext davor, als Historiker den Anspruch zu erheben, politische Lösungen liefern zu können, sei es doch die Aufgabe des Historikers zu problematisieren.

Zusammenfassend erlaubte es die Tagung, durch die Gegenüberstellung von ferner und näherer Vergangenheit Unterschiede und Parallelen hervorzuheben, bestimmte soziale Mechanismen ausfindig zu machen und Forschungsbegrifflichkeiten in unterschiedlichen Kontexten zu überprüfen. Dies gelang zum einen dank der Tatsache, dass die Mediävisten in ihren Darstellungen klare Linien aufzeigten und die Fähigkeit bewiesen, mittelalterliche und zeitgeschichtliche Kontexte in Beziehung zu setzen. In hohem Maße ist das Gelingen dieses Workshops auf das Engagement der zeitgeschichtlich arbeitenden MigrationsspezialistInnen zurückzuführen, die sich im Rahmen anregender Kommentare, Vergleiche und Analysen auf ein fremdes Themengebiet einließen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte auch der hervorragende Film, der auf originelle und bewegende Weise die Rolle persönlicher Schicksale in größeren migratorischen Kontexten beleuchtete. Die Diskutanten zeigten schließlich die Bereitschaft, wissenschaftliches und persönliches Verstehen und Erleben in die Analyse migratorischer Phänomene einfließen zu lassen.

Konferenzübersicht:

Bruno Dumézil (Paris): Migration et conversion dans les royaumes barbares

Magali Coumert (Brest): Migration et identité religieuse suivant les récits d’origine du haut Moyen Age

Mareike König (Paris): Kommentar

Alheydis Plassmann (Bonn): Der Anpassungsprozess der Normannen an die Christianitas

Sevket Kücükhüseyin (Bonn/Bamberg): "Türk iti şehre gelicek farsice ürer" – "Kommt der türkische Hund in die Stadt, bellt er auf Persisch". Überlegungen zur Islamisierung und Turkisierung Anatoliens im Kontext von religiöser Identität und Migration

Berndt Ostendorf (München): Kommentar

Daniela Swarowsky & Samuli Schielke: Messages from Paradise (Dokumentarfilm)

Samuli Schielke (Berlin) & Daniela Swarowsky (Rotterdam): Kommentar

Daniel König (Paris): The “Second Generation”. Religious Identity and the Effects of Migration in Late Antiquity and the Early Middle Ages

Nora Berend (Cambridge): Migration’s Role in Shaping Religious Identity in Medieval Hungary

Catherine de Wenden (Paris): Kommentar

Podiumsdiskussion unter Leitung von Walter Pohl (Wien) mit Berndt Ostendorf (München), Samuli Schielke (Berlin), Catherine de Wenden (Paris)