Les entreprises françaises, l’Occupation et le second XXe siècle. Xe Colloque du groupement de recherche (GDR) 2539 du CNRS Les Entreprises françaises sous l’Occupation

Les entreprises françaises, l’Occupation et le second XXe siècle. Xe Colloque du groupement de recherche (GDR) 2539 du CNRS Les Entreprises françaises sous l’Occupation

Organisatoren
Groupement de recherche (GDR) 2539 du CNRS Les Entreprises françaises sous l’Occupation
Ort
Metz
Land
France
Vom - Bis
22.10.2009 - 23.10.2009
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Von
Marcel Boldorf, Lehrstuhl Vergleichende Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Die Tagung „Les entreprises françaises, l’Occupation et le second XXe siècle“ war das letzte von zehn Kolloquien, die der Groupement de Recherche (GDR) zur Geschichte der französischen Unternehmen in der Zeit der deutschen Besatzung organisierte. Daher endet dieser Bericht mit einem Fazit zur achtjährigen Existenz des GDR, das auch einige Perspektiven für die weitere Forschungsarbeit aufzeigt.

Die Metzer Tagung widmete sich den französischen Unternehmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und richtete somit den Blick auf die längerfristigen Folgen der Besatzung. Drei größere Fragekomplexe standen dabei im Mittelpunkt: (a) Auf welche Art veränderten Krieg und die Besatzung die nationalökonomische Landschaft in den Bereichen der Industrie und des Handels? (b) Wie konnten die Unternehmen angesichts der kriegsbedingten Engpässe ihre langfristigen Ziele verfolgen? (c) Nahmen die Unternehmer bei ihren strategischen Entscheidungen überhaupt eine längerfristige Perspektive ein?

Die Teilnehmer näherten sich dem skizzierten Themenfeld aus vielen Richtungen, so dass der Programmorganisation keine klare thematische Gliederung zugrunde lag. Die Referate werden hier in der Chronologie des Tagungsablaufes präsentiert. KENNETH J. MOURÉ (Alberta) bettete sein Referat zur Frage, wie man aus einer gelenkten Wirtschaft herauskomme, in einen synchronen Vergleich mit Großbritannien und den USA ein. Im Kontrast zu den anglo-amerikanischen Ländern reagierte im französischen Fall die ‚planification‘ auf die Investitionserfordernisse der Nachkriegszeit und knüpfte in gewisser Weise an die gelenkte Kriegswirtschaft an. JEAN-FRANÇOIS ECK (Lille III) widmete sich der Frage, ob das Prinzip der Kollegialität im französischen Betriebsrecht von der Besatzung beeinflusst wurde. Insgesamt kam er zu einem negativen Urteil, denn die Einführung des Führerprinzips in den französischen Unternehmen blieb in der Vichy-Ära mehr ein Wunschgedanke, als dass sie der Realität entsprach. Ebenfalls unternehmensinternen Abläufen widmete sich BÉATRICE TOUCHELAY (Paris XII) mit ihrem Referat zur betrieblichen Rechnungsprüfung. Hier zeigte sich, dass die deutsche Forderung nach betriebsinternen Statistiken die Blockaden zu durchbrechen verhalf, die die Unternehmer seit den 1920er-Jahren dem staatlichen Ansinnen auf Datenerhebung entgegenbrachten. Touchelays Erkenntnisse reihen sich bestätigend in entsprechende Studien von Adam Tooze zur Veränderung der französischen Statistik während der Besatzungszeit ein.

Es folgten Branchenuntersuchungen mit regionalem Zuschnitt. CLAUDE MALON (Paris IV) stellte heraus, dass der Nachkriegsniedergang der Textilindustrie in der Normandie weniger als Folge der Besatzungsherrschaft als vielmehr des Verlustes des privilegierten Absatzes in das Kolonialreich zu deuten sei. JEAN-MARIE KUPPEL (Mulhouse) stellte die Startschwierigkeiten der elsässischen Kaliwerke heraus, die im Krieg unter Sequester gestellt waren. OLIVIER KOURCHID (CHS Paris) ließ vergleichbare Betrachtungen zur Kohleindustrie in Nord-Pas-de-Calais folgen. JULIE-CAROLINE MATHIEU (Réunion) widmete sich der Unternehmensentwicklung einer Zuckerfabrik in dem überseeischen Department, wobei sie die politische Karriere des Firmeninhabers Isautier in den Vordergrund rückte.

Die Fallbeispiele fortsetzend, betonte JESSICA DOS SANTOS (Lille III), dass das Familienunternehmen Godin korporatistische Traditionen entwickelte, die es in der Nachkriegszeit konservierte. SYLVAIN CHAMPONNOIS (Paris IV) zeigte in der französischen Luftfahrtindustrie, dass ein deutsch-französisches Luftfahrtprogramm während der Besatzung für eine intensive technische Zusammenarbeit beider Länder sorgte. Bis in die 1950er-Jahre blieben deutsche Ingenieure häufig in den Flugzeugunternehmen beschäftigt. JEAN-LOUIS LOUBET (Evry Val d’Essonne) betrachtete die Strategien der französischen Autobauer Renault, Citroën und Peugeot im Hinblick auf die Friedenszeit. Die Unternehmen entwickelten Kleinwagen, die unter Kriegsbedingungen nicht in Serienproduktion gehen konnten. Erst nach Kriegsende kamen der R 4 (1946) und der 2 CV (1948) als Neuheiten auf den Markt und prägten die Performance der Unternehmen nachhaltig. JEAN-FRANÇOIS GREVET (Artois) führte ergänzend fort, dass die Nachkriegszeit schon seit 1939/40 ins Kalkül der Autoindustrie rückte. Seine Ausführungen zur LKW-Industrie kamen zu ähnlichen Schlüssen wie Loubet, wobei er besonders auf das technologische Entwicklungspotenzial, das für zivile Zwecke zurückgehalten wurde, hinwies.

VINCENT DRAY (Paris XII) betrachtete den Technologietransfer im fraglichen Zeitraum zwischen Deutschland, Frankreich und den USA. Wie andere Beiträger vor ihm, hob er den Austausch von Patenten in der Besatzungssituation hervor. Das Aufholen zum technologischen Niveau der USA lässt sich nach dem Krieg als ein gemeinsamer deutsch-französischer Prozess begreifen. THOMAS ZANETTI (Vaulx-en-Velin) wandte sich der Rolle der Familie Michelin im Krieg und in der Nachkriegszeit zu. Der Unternehmer aus Clermont-Ferrand gilt als eines der wenigen Beispiele für unternehmerischen Widerstand. Ein Familienmitglied trat sogar der Résistance bei.

LAURE QUENNOUËLLE-CORRE (Paris) wies auf die Verstärkung der Börsenaufsicht unter der deutschen Besatzung hin. DAVID LE BRIS (Paris IV) setzte dieses Thema mit einer quantitativen Ausrichtung fort. Er erweiterte die Kenntnisse über die Marginalisierung der französischen Börse als Effekt des Zweiten Weltkrieges. MICHEL MARGAIRAZ (Paris I) fasste hierzu ergänzend den Finanzsektor ins Auge. Die unter Vichy beginnende Regulierung des Finanzmarktes beschleunigte dessen Transformation, die nach dem Krieg in die Verstaatlichung der Banken mündete. Erst Giscard d’Estaing beendete die staatliche Dominanz durch Liberalisierung des Finanzsektors.

DANIEL LEFEUVRE (Paris VIII) stellte den Zweiten Weltkrieg als entscheidende Wende hinsichtlich der Industrialisierungspläne für Algerien dar. Seine Betrachtungen thematisierten vor allem die politischen Implikationen und strategischen Überlegungen. Indes waren nur wenige Resultate festzuhalten, die sich nur auf den infrastrukturellen Ausbau und die Elektrifizierung des nordafrikanischen Landes bezogen. MARIE-CHRISTINE TOUCHELAY (Guadeloupe) untersuchte, wie die Nachkriegsentscheidung, Guadeloupe zu einem Department zu erklären, zu einer Subventionspolitik für Zuckerrohrfabriken führte. MARC PERRENOUD (Bern) analysierte verschiedene Aspekte der französisch-schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen in der Nachkriegszeit. Er legte den Akzent auf den Wirkungsbereich der Schweizer Banken, die international vor allem als Kapitalgeber auftraten.

JEAN LALOUM (Paris) wandte sich der Mikrohistorie der Pariser rue des Rosiers zu, die als Zentrum jüdischen Gewerbes gelten konnte. Nach der Deportation vieler Einwohner entstand ein Teil der Geschäfte nach Ende der Besatzungszeit wieder. CÉDRIC PERRIN (Tours) hob die besondere Förderung des Handwerks durch das Vichy-Regime hervor. Der Niedergang nach dem Krieg kann zum Teil als Ergebnis des Wegfalls dieser Protektion gedeutet werden. Als letzter Referent ging FABRICE GRENARD (Paris) auf die Schrittmacherfunktion der Besatzungszeit im Hinblick auf die Modernisierung von Geschäftspraktiken ein.

Die Tagung schloss mit einer Zusammenschau auf die achtjährige Arbeit des GDR: PATRICK FRIDENSON (EHESS Paris) betonte, dass sein akademischer Lehrer Maurice Lévy-Leboyer noch reklamiert hatte, dass man über die „période honteuse“ den Mantel des Schweigens legen solle. Dies änderte sich erst Anfang der 1970er-Jahre, als der Amerikaner Robert Paxton sein Werk zur Vichy-Epoche vorlegte und damit der französischen Forschung den entscheidenden Anstoß gab. Inzwischen sind viele Studien zur Besatzungszeit entstanden, die insbesondere die Rolle des Vichy-Regimes kritisch hinterfragten. Hierzu zählt auch die Mehrzahl der Einzelstudien, die im Rahmen des GDR entstanden. Manche Entwicklungszusammenhänge blieben allerdings im Dunkeln, weil die Forscher und Forscherinnen sich allzu oft auf das Studium der französischsprachigen Quellen beschränkten. Dies fiel bei unternehmensspezifischen Untersuchungen nicht immer stark ins Gewicht, führte aber zu Defiziten, wenn es um die Einordnung in übergeordnete Fragestellungen ging. Auf diesem Terrain ist die Forschung noch gefordert, insbesondere was die Einbeziehung der deutschsprachigen Aktenbestände betrifft.

Gleichwohl kann der GDR auf eine international ausgerichtete Arbeit verweisen. Die Forschergruppe leistete in Hinblick auf die Welt der Unternehmen eine wichtige historische Arbeit, die ihr Leiter HERVÉ JOLY (Lyon) zu einer eindrucksvollen Bilanz zusammenfasste: Fast 200 aktive Beiträger zu den zehn Tagungen legten rund 300 Texte vor, die jeweils in Sammelbänden publiziert wurden bzw. in Kürze veröffentlicht werden. Darunter sind die Arbeiten von 38 nicht-französischen Forschern ebenso zu erwähnen wie zwei deutsch-französische Gemeinschaftsproduktionen, die einer Tagung am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main entsprangen.1 Zum Abschluss des Großprojektes soll eine Monographie folgen, die eine Zusammenfassung der eindrucksvollen Gesamtergebnisse der jahrelangen Arbeiten leisten wird.

Konferenzübersicht :

Séance 1
Présidence Olivier Dard (université Paul Verlaine, Metz)

Hervé Joly (CNRS-LARHRA)
Présentation du GDR

Philippe Verheyde (université Paris 8 – IDHE)
Introduction scientifique

Kenneth J. Mouré (université d’Alberta, Canada)
L’économie en transition : comment sortir d’une économie contrôlée ?

Jean-François Eck (université Charles de Gaulle Lille III – Institut de recherches historiques du Septentrion)
L’introduction de la collégialité dans le droit français des sociétés, un héritage des années d’Occupation ?

Béatrice Touchelay (université Paris XII – Institut Jean-Baptiste Say)
L’Occupation, frein ou moteur de l’harmonisation des pratiques comptables françaises au XXe siècle ?

Séance II
Présidence Danièle Fraboulet (université Paris XIII – IDHE)

Claude Malon (université Paris-Sorbonne Paris IV)
La sortie de guerre du textile normand (1944-1957).

Jean-Marie Kuppel (université de Haute-Alsace Mulhouse–CRESAT)
Les mines de potasse d’Alsace : de l’Elsässische Kaliwerke à l’Entreprise minière chimique.

Olivier Kourchid (CNRS – CHS)
De l’Occupation à la Libération et aux nationalisations : anticipations du second XXe siècle par les Charbonnages de France et le bassin du Nord-Pas-de-Calais.

Julie-Caroline Mathieu (université de la Réunion – CRESOI)
Les Ets Alfred Isautier et la Seconde Guerre mondiale : réactivité et anticipation d’une entreprise sucrière familiale.

Jean-Louis Loubet (université d’Evry Val d’Essonne - IDHE)
L’automobile de l’après-guerre

Jean-François Grevet (université d'Artois-IUFM Nord Pas-de-Calais, Centre de recherches et d’études d’histoire des sociétés–CREHS, Arras)
L’industrie du poids lourd, l’Occupation et le second XXe siècle.

Sylvain Champonnois (université Paris-Sorbonne Paris IV – Centre Roland Mousnier / Centre de recherche de l'armée de l'air)
L’industrie aéronautique française de l’Occupation aux années 1960.

Jessica Dos Santos (université Charles de Gaulle Lille III – Institut de recherches historiques du Septentrion)
De l’utopie coopérative au cartel : le familistère Godin (années 1930-années 1950).

Séance III
Présidence Dominique Barjot (université Paris Sorbonne - Paris IV–Centre Roland Mousnier)

Vincent Dray (université Paris XII)
Au cœur de la triangulaire États-Unis/France / Allemagne. L’affrontement, l’influence et la convergence technologique 1940-1960.

Thomas Zanetti (École nationale des travaux publics de l’État, Vaulx-en-Velin – Environnement, ville, société)
Michelin dans la guerre : brevet d’entreprise résistante et innovation technologique majeure.

Laure Quennouëlle-Corre (CNRS – IDHE)
Les institutions boursières, l’Occupation et le second XXe siècle.

David Le Bris (université Paris-Sorbonne Paris IV – Centre Roland Mousnier)
Les conséquences de la Seconde Guerre mondiale sur la bourse en France.

Michel Margairaz (université Paris I Panthéon-Sorbonne – IDHE)
La place de l’Occupation dans les mutations, à court et plus long terme, du secteur financier public et privé.

Séance IV
Présidence Patrick Fridenson (EHESS – CRH)

Daniel Lefeuvre (université Paris VIII – IDHE)
La Seconde Guerre mondiale et l’industrialisation de l’Algérie.

Marc Perrenoud (Académie suisse des sciences humaines / Documents diplomatiques suisses)
Les effets et les conséquences de la Seconde Guerre mondiale sur les relations économiques franco-suisses (1940-1965).

Marie-Christine Touchelay (lycée Ducharmoy – Guadeloupe)
De la départementalisation aux fermetures d’usines : le lent effacement des traces de la guerre en Guadeloupe.

Jean Laloum (CNRS – Groupe Sociétés, Religions, Laïcités)
Lieu emblématique de l’immigration juive à Paris, au cœur du Pletzl, la rue des Rosiers des années 1920 aux années 1950.

Cédric Perrin (université de Tours – IDHE)
La Seconde Guerre mondiale et la crise de l’artisanat des années 1950 – 1960.

Fabrice Grenard (IEP Paris)
L’Occupation, accélérateur de la modernisation des pratiques commerciales en France (1930-1960).

Anmerkung:
1 Veröffentlicht u.a. als Band 2/2005 der Zeitschrift für Unternehmensgeschichte.


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