Moines et démons. Autobiographie et individualité au Moyen Âge central

Moines et démons. Autobiographie et individualité au Moyen Âge central

Organisatoren
Dominique Barthélemy, Université de Paris IV-Sorbonne / École pratique des hautes études; Rolf Große, Deutsches Historisches Institut Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
28.05.2010 -
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Von
Solen Menguy, Paris

Im 10. Jahrhundert beginnt in Mittel- und Westeuropa eine Epoche der Geschichtsschreibung und Hagiographie, die oftmals autobiographische Züge aufweist. Das bekannteste Beispiel ist Othloh von Sankt Emmeram, dessen Werk man auch auf eine Stufe mit dem Wiberts von Nogent stellt. Die Table ronde befasste sich mit diesen Autoren und darüber hinaus mit den Mönchen und Klerikern des hohen Mittelalters (10.–13. Jahrhundert), die ihre eigene Person erforschen und von Dämonen berichten, die ihnen dabei begegnen – sei es in einer autobiographischen Studie in der Nachfolge Augustins, sei es in einer Chronik oder einem hagiographischen Werk.

In seinem einführenden Beitrag stellte WALTER BERSCHIN (Heidelberg) die charakteristischen Merkmale von Biographie und Autobiographie im Mittelalter vor und betonte, dass sie oft nur schwer voneinander abzugrenzen sind. Die „autobiographische Flut“ der Jahre 1115 bis 1144 besitzt ihren Schwerpunkt erstaunlicherweise im Norden Frankreichs.

Die verbreitete Vorstellung, der mittelalterliche Mensch habe sich nur über seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert, wies ROLF GROSSE (Paris) zurück. Er habe sich durchaus als Individuum verstanden, wenngleich man sich hüten solle, den modernen Begriff der Individualität bereits auf das Mittelalter anzuwenden. Er machte dies am Beispiel Rathers von Verona deutlich, dessen Sündenbekenntnis zum Eingeständnis einer christlichen Existenz in Furcht wird. Rather ist sein eigener Dämon; persönliche Konflikte treiben ihn zum Nachdenken über das eigene Ich. Der christliche Glaube macht den einzelnen Menschen vor Gott verantwortlich. Er ermutigt ihn, sich selbst zu hinterfragen, und bestimmt zugleich den Rahmen der Reflexion.

JACQUES DALARUN (Paris) stellte Rudolfus Glaber als einen leichtgläubigen Mönch vor, der angeblich vom Satan besessen war. Eine genaue Analyse des Textes lässt diese Vorstellung jedoch fraglich erscheinen, denn allzu häufig taucht der Teufel in seinen Werken nicht auf. Seine Macht ist begrenzt, sogar im alltäglichen Klosterleben, dessen Schilderung autobiographisch gefärbt ist. Diabolischer Einfluss macht sich dann bemerkbar, wenn der Mensch sich aus freiem Willen der Liebe Gottes verschließt.

Mit Andreas von Fleury stand ein Zeitgenosse des Rudolfus Glaber im Mittelpunkt des Vortrags von DOMINIQUE BARTHÉLEMY (Paris). Er gehört zu den wenigen Autoren der Miracula sancti Benedicti, der von dämonischen Überfällen auf Mönche berichtet, die dem Orden des heiligen Benedikt, der dafür bekannt ist, bösartige Geister niedergeschmettert zu haben, angehören. Der Teufel greift in den Mirakeln vor allem mit physischer Gewalt an, doch bietet das Mönchsgewand sicheren Schutz.

Den Fall eines Pilgers, der als „zeitweiliger Mönch“ galt, unterzog KLAUS HERBERS (Erlangen) einer Analyse: Im Liber sancti Jacobi wird geschildert, wie er auf dem Weg nach Santiago von einem Dämon überfallen wird. Die weite Verbreitung dieser Mirakelgeschichte belegt die Bedeutung der mündlichen Überlieferung. Man sollte deshalb eher von einer europäischen als von einer iberischen Hagiographie sprechen. Das Mirakel zeigt, wie die Pilger die Welt der Dämonen begriffen, eine Welt, die sich nicht ohne die der Heiligen verstehen ließ, und wirft zugleich die Frage nach dem Verhältnis zwischen mündlicher und schriftlicher Tradition auf.

THIERRY LESIEUR (Chantecorps) lenkte den Blick auf den autobiographischen Teil des Werkes Othlohs von Sankt Emmeram, dem die Begegnung mit Dämonen zugrunde liegt. Ausgehend von dem Postulat, dass alles nur durch seinen Gegensatz zu erkennen ist, versteht er die Existenz Gottes dank seiner Negation: den Teufel. Er befällt den Menschen im Schlaf. Othloh ist keineswegs neurotisch veranlagt, aber er irrt durch die Mäander seiner gespaltenen Persönlichkeit und gelangt durch die Begegnung mit dem Bösen in seinen Träumen zur Erkenntnis der eigenen Persönlichkeit: So wird der Teufel für ihn zum Vorwand und zur Gelegenheit, den Blick ins Innere zu wenden.

Eine Welt voll lärmender Dämonen stellte JAY RUBENSTEIN (Nashville/Tennessee) vor: die Welt der Autobiographie Wiberts von Nogent, die Monodien. Dieser Benediktinermönch, der als Abt scheiterte, versuchte sein eigenes System einer Moraltheologie zu formulieren. Die Vernunft nimmt in ihm den vorderen Platz ein, denn sie gestattet es, eine Harmonie der Geistesverfassung herzustellen, die vor der Sünde bewahrt. Die Dämonen befallen das menschliche Denken durch die Abgründe der Sinne. Sie können das menschliche Leben nur in dem Maße beeinflussen, wie der Geist es ihnen gestattet. Deshalb unterzog sich Wibert zahlreichen Übungen der Selbsterkenntnis, in einem fast ununterbrochenen spirituellen Kampf, mehr mit sich selbst als mit den Dämonen. Die Monodien können durchaus als ein Versuch verstanden werden, die Dämonen auszutreiben; im Grunde zeichnen sie ein tragisches Leben nach, das in den Augen des Autors geprägt ist durch zahlreiche Niederlagen.

Im Vergleich dazu muss auffallen, wie selten der Teufel in der Korrespondenz Abälards auftaucht. Ihm widmete sich JACQUES VERGER (Paris). Der große Philosoph leugnete zwar nicht die Existenz des Teufels, aber hinter dem Unglück, das widerfahren konnte, sah er die göttliche Vorsehung und bekannte sich zu dem delphischen Spruch: „Erkenne dich selbst.“ Wenn Dämonen zur Sünde verleiten, dann in demselben Maße wie auch die Menschen und stets nach dem Willen Gottes. Deshalb kann ein Mensch, der sich selbst erkennt, ein weiser Philosoph, ihren Versuchungen widerstehen.

PAUL GERHARD SCHMIDT (Freiburg im Breisgau) rief in Erinnerung, dass das Klosterleben nicht immer von brüderlicher Eintracht gekennzeichnet ist, sondern häufig auch von Spannungen, Konflikten und Revolten, zudem von moralischem Verfall, für den Richalm von Schöntal die Dämonen verantwortlich macht. Dieser Abt hörte ohne Unterlass ihre Stimmen und sah sie. Seinen Nächsten berichtete er jedoch nicht davon, denn er hatte Angst, dass man ihn für einen Besessenen hielt. Isoliert und in der Gewissheit, unverstanden zu sein, gewährt er einen ausgesprochen kritischen Blick auf das Klosterleben. Dies verleiht seinem Text eine große Originalität.

In seiner Zusammenfassung erinnerte JEAN-CLAUDE SCHMITT (Paris) daran, dass im hohen Mittelalter die Person des Teufels mit den Dämonen austauschbar ist. Erst seit dem späten Mittelalter und vor allem im 16. und 17. Jahrhundert verlieren die Dämonen ihre Selbstständigkeit und müssen sich ihrem Fürsten, dem Teufel, unterordnen. Wenngleich die auf der Table ronde behandelten Autoren unterschiedlichen sozialen und intellektuellen Milieus entstammten, zeichnete sie eine ausgesprochene Fähigkeit zum Nachdenken über das eigene Ich, ihre Ängste, Träume und Visionen aus. Sie verstanden sich zwar als Ego, aber nicht als autonomes Individuum, sondern als Gott unterworfenes Subjekt. Die Realität der Dämonen, denen man begegnete, stellten sie nicht infrage. Und dieser Überzeugung sind bedeutende Werke der Literatur wie auch der romanischen Plastik zu verdanken.

Konferenzübersicht:

Gudrun Gersmann; André Vauchez (beide Paris): Ouverture

Walter Berschin (Heidelberg): Biographie et autobiographie au Moyen Âge

Rolf Große (Paris): Rathier de Vérone et le démon de soi

Jacques Dalarun (Paris): Relire Raoul Glaber

Dominique Barthélemy (Paris): André de Fleury et les démons

Klaus Herbers (Erlangen): La peur du pèlerin dans l’au-delà. Un regard sur l’hagiographie ibérique

Thierry Lesieur (Chantecorps): Othlon de Saint-Emmeran: la vie comme épreuve de la négativité

Jay Rubenstein (Tennessee, Nashville): Les démons de Guibert, entre la psychologie et la sorcellerie

Jacques Verger (Paris): Abélard, un moine sans démons?

Paul Gerhard Schmidt (Freiburg im Breisgau): L’abbé Richalm de Schöntal placé sous la haute surveillance des démons

Jean-Claude Schmitt (Paris): Conclusion


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