Das Geschlecht der Dinge. Interdisziplinäre und epochenübergreifende Perspektiven auf Geschlecht, Lebensstil und den Symbolcharakter der Dinge

Das Geschlecht der Dinge. Interdisziplinäre und epochenübergreifende Perspektiven auf Geschlecht, Lebensstil und den Symbolcharakter der Dinge

Organisatoren
SFB 496 "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution", Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.06.2003 - 28.06.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Christiane Streubel, Westfälisches Institut für Regionalgeschichte, Münster

In neueren Studien der Sachkulturforschung wird dem "Ding an sich" meist eine Absage erteilt. Objekte werden nunmehr in ihrer komplexen Beziehung zum Menschen gesehen, umfangen von einem kulturellen Gewebe, das Aussagen darüber enthält, wie Gegenstände und Sachen vergangene und gegenwärtige Lebenswelten mit strukturieren und gestalten. Dinge sind somit Träger von Wertungen, Bedeutungen und Erinnerungen, zugleich Produkte und Bestandteile kultureller Praxen. In Objekte werden vor allem aber auch soziale Ordnungen eingeschrieben. Die Frage nach der Ordnung der Geschlechter, die sich in den Dingen zeigt, stand im Zentrum dieser interdisziplinären und epochenübergreifenden Tagung, die vom 26. bis zum 28. Juni 2003 an der Universität Münster stattfand. In den Beiträgen aus den Disziplinen Archäologie, Geschichtswissenschaft, Ethnologie, Volkskunde, Kunstgeschichte und Textilwissenschaft wurden verschiedene theoretische und methodische Zugriffsweisen auf diesen Komplex anschaulich gemacht. Zur Sprache kamen umkämpfte Besitzstrukturen, in die Dinge eingebunden sind, es wurden Verwendungspraktiken dokumentiert, denen ein Geschlecht der Dinge zu Grunde liegt, und nach der symbolischen Macht gefragt, die es im Sinne Pierre Bourdieus erlaubt, Dinge mit Worten zu schaffen.
Am Beginn stand die Begrüßung und inhaltliche Einführung, die Barbara Stollberg-Rilinger für den SFB 496, Martina Kessel, Wiebke Kolbe und Gabriela Signori für den Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung formulierten. Die Beiträge wurden in fünf Sektionen unterteilt: Dinge, die vererbt und geerbt werden (I), die man am Körper trägt (II), die als Kulturgut besonderen Stellenwert erhalten (III), die Bedeutung für die Trink- und Esskultur haben (IV) und die erinnert werden (V).

SEKTION I: ERBGÜTER
Annemarie Fiedermutz (Ethnologie/Münster) sprach über "Haus, Herd und Speicher - Symbole der Fruchtbarkeit bei den Kasena". Die Ethnologin belegte am Beispiel der westafrikanischen Ethnie der Kasener, wie sich geschlechtergetrennte Organisation und gesellschaftliche Hierarchien noch in den 1990er Jahren in der anthropomorphen Form des Bauens und der Einrichtung der Wohnräume ausdrücken konnten. Die dem Menschen nachgestaltete Formung von Haus, Herd und Speicher bei den Kasena ist eng mit der Ahnenverehrung verbunden und basiert auf dem Konzept der Fruchtbarkeit. Traditionell werden runde Wehrgehöfte aus Lehm gebaut. Die erste Frau des bäuerlichen Gehöfts, die in der polygynen Geschlechterordnung an der Spitze der sozialen Hierarchie der Frauen steht, bewohnt ein Haus in Form zweier ineinander geschobener Rundbauten, das einer gebärenden Frau nachempfunden ist. Der Stellenwert der Fruchtbarkeit zeigt sich in der gesamten Architektur und Inneneinrichtung. Der Schlaf/Wohnraum symbolisiert den Uterus der Frau. Auch der Herd ist menschenähnlich gestaltet; er bildet die Imitation einer sitzend gebärenden Frau. Die Art des Wohnens offenbart neben den Funktionen der Geschlechter auch die soziale Rangordnung von Frauen untereinander, die sich nach der gesellschaftlichen Position des Mannes, der zeitlichen Abfolge der Eheschließungen und der Anzahl der Kinder richtet. Eine kinderlose Witwe muss mit einer schlichten Wohnung vorlieb nehmen. Die Hinwendung zur Monogamie infolge neuer religiöser Einflüsse und die zunehmende Mobilität der jüngeren Männer führen zu einem Verfall der herkömmlichen Bauweisen. Annemarie Fiedermutz verwies in diesem Forschungszusammenhang auf das Symbolverständnis und die Ritualtheorien der britischen Sozialanthropologin Mary Douglas.

Die drei folgenden Beiträge konzentrierten sich auf Besitzstrukturen und Sachenrecht. Dabei wurde deutlich, dass das Umgehen mit Dingen Männer und Frauen als historische Akteure ausweist, die gegenüber den rechtlichen Normen Handlungsspielräume nutzen und eigene Strategien des Verhaltens entwickeln.
Eva-Maria Butz (Mediävistik/Dortmund) widmete sich in ihrem Vortrag mit "dem großen Ding Burg" dem Herrschaftssymbol des Adels schlechthin. Durch dieses Machtinstrument wurden die Rechtsansprüche gegenüber Land und Leuten markiert, weshalb man von einer regelrechten Burgenpolitik sprechen kann. Die Wittumsburg stellte hierbei einen Sonderfall dar. Sie diente der Versorgung der Ehefrau nach dem Tod des Mannes und hatte damit den Charakter einer Lebensversicherung. Zugleich sollte die Regelung sicherstellen, dass sich eine Frau nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr in die Geschäfte der Familie einmischte, sondern getrennt von dieser Sitz auf der Wittumsburg nahm. Eva-Maria Butz fragte, wie Frauen dieses Herrschaftspotential nutzten, und dokumentierte den Umgang mit dem Erbe anhand dreier Streitfälle aus dem 13. Jahrhundert. Elisabeth von Thüringen legte keinen Wert auf den ererbten Besitz, da sie ihre Lebensaufgabe darin sah, den Armen zu dienen. Ihr Verzicht führte zu heftigen Protesten der Verwandten, die befürchteten, das Anrecht auf die Burg ganz zu verlieren. Das Wittumsrecht der Clementia von Auxonne wurde von den Erben unmittelbar nach dem Tod des Gatten nicht anerkannt und die Witwe für lange Zeit gefangengesetzt. Diese rechtswidrige Praxis belegt die besonders hohe symbolische und strategische Bedeutung der Wittumsburg. Loretta von Salm-Sponheim wiederum versuchte nach dem Tod ihres Mannes, als Vormund für ihre minderjährigen Söhne die Regierungsgewalt selbst auszuüben, und setzte sogar eine Fehde in Gang. Ihr gelang es, eine "Wittumsherrschaft" zu errichten. Es zeigte sich anhand dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen, dass man den Witwen zwar das Nutzungsrecht auf das Wittum zuerkannte, nicht jedoch die freie Verfügung darüber. Da es sich um einen Machtfaktor handelte, war es erklärtes Ziel der Familien, über die Wittumsburgen die Kontrolle zu behalten. Auf die Nachfrage des Plenums, ob die Machtansprüche der Frauen Ausnahmen gewesen seien, führte Eva-Maria Butz aus, dass Ehefrauen tatsächlich relativ häufig versucht hätten, das beträchtliche Mitspracherecht, das sie zu Lebzeiten ihres Mannes genossen, auch über dessen Tod hinaus auszudehnen. Manche strebten danach, mit der Burg wie mit ihrem Eigengut zu verfahren. Die rechtliche Regelung der Wittumsburg als bloße Versorgungseinheit zu Lebzeiten wurden damit unterlaufen.

Karin Gottschalk (Frühneuzeitliche Geschichte/Kassel) stellte in ihrem Referat "Gebrauch und Legitimität der Geraden im 17. und 18. Jahrhundert" einen Ausschnitt aus ihrem Promotionsprojekt vor. Gottschalk hob hervor, dass das Sachenrecht im Mittelalter noch stark auf das Geschlecht bezogen gewesen sei. Erst im 18. Jahrhundert sei die explizite Geschlechtlichkeit der Dinge zunehmend verloren gegangen, so dass sich das heutige Sachenrecht abstrakt, anonym und geschlechtslos präsentiere. Im Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts wurden Gegenstände, die das Eigentum und Erbe von Frauen waren, als "Gerade" bezeichnet. Dazu zählten vor allem Hausrat, Wohntextilien und Arbeitsgeräte, nicht jedoch Geld und Immobilien. Die Geradestücke wurden in aller Regel durch die Hausmutter gebraucht, lagen in ihrer Verantwortung und waren dem Haushalten und Kindergebären zugeordnet. Der kompetente Umgang mit der Gerade galt als bedeutsam für die ökonomische Stabilität des Haushalts. Die geschlechtsbezogene Zuordnung von Dingen beruhte auf einer Ordnung der Ungleichheit, die "jedem das seine" als standesgemäß zuerkannte. Noch im 17. Jahrhundert wurde die Gerade als distributive Gerechtigkeit wahrgenommen. Im 18. Jahrhundert wandelte sich der Charakter des Rechts. Die Gerade erschien nun als Privileg und Sonderrecht der Hausmutter, das die erbenden Söhne benachteiligte und das Prinzip der Allgemeingültigkeit des Rechts unterlief. Nicht mehr die Kompetenz der Hausfrau war entscheidend, sondern der Erwerb der Gegenstände durch den Hausvater, dem damit auch der Besitz zustehen sollte. 1814 wurde das Geradenrecht schließlich abgeschafft. Das bürgerliche Recht delegitimierte somit ein zu dieser Zeit noch wichtiges Frauenprivileg. Für verheiratete Frauen bedeutete die Neuerung eine massive Verschlechterung ihrer materiellen Lage.

Volker Lünnemann (Neuere Geschichte/Münster) stützte sich in seinem Vortrag auf Ergebnisse aus einem mikro- und datenanalytischen Projekt über den Transfer von bäuerlichem Besitz am Beispiel dreier westfälischer Kirchspiele im 19. Jahrhundert. Lünnemann relativierte die Vorstellung von der automatischen Erbfolge in männlicher Linie bei der Übergabe eines Hofes. Zwar legte das Anerbenrecht für den Besitz eines Hofes die Patrilinearität fest. Beim Tod des Hofbesitzers sollte seine Witwe den Hof verlassen. Eine relationale Analyse der im Forschungsprojekt erhobenen Daten, durch die die Inhalte von Übergabeverträgen mit den Familienkonstellationen verknüpft wurden, ergab jedoch den Befund, dass die Handlungsspielräume der Frauen tatsächlich viel größer waren, als das geschriebene Recht es vermuten lässt. In drei ausgewählten westfälischen Gemeinden - Westfeld, Löhne und Borgeln - konnte sich die konkrete Situation ganz unterschiedlich verhalten. Töchter hatten gute Chancen, den Hof zu erben, wenn der Hofbesitzer ein älterer Witwer war, der Sohn sehr jung oder kränklich und eine ältere Tochter entweder schon verheiratet war oder zumindest ihren zukünftigen Mann bereits gefunden hatte. Ein älterer Witwer, der nicht noch einmal heiraten wollte, vererbte den Hof in der Regel bereits relativ früh, da allgemein erwartet wurde, dass die Positionen des Hausvaters und der Hausmutter beide besetzt sein sollten. In den ländlichen Gebieten beeinflussten dingliche Rechte die Lebenssituation entscheidend. Von Nachteil für Frauen war die Verabredung einer Gütertrennung, die den Zugriff auf den Hof meist versperrte und damit die Altersversorgung stark beschnitt. Lünnemann stellte fest, dass Frauen in der Regel gerne die Kontrolle über den Hof übernahmen, und er zeigte, dass die Familien je nach Lebenssituation von Traditionen des Besitztransfers strategisch abwichen.

Nach dem Ende der ersten Sektion sprach Karin Hausen (Neueste Geschichte/Berlin) in einem öffentlichen Vortrag über "Das Geschlecht der Dinge im Zeitalter des Massenkonsums". Ein Ausspruch von Andy Warhol "Ich wünschte, ich könnte so etwas wie Bluejeans erfinden. Einen Massenartikel." ist geeignet, die gewandelte Auffassung von Dingen in der Postmoderne zu belegen. Karin Hausen bot zunächst einen allgemeinen Überblick über den Wandel in der Konsumgesellschaft, in der es nicht mehr um Sparsamkeit, Haltbarkeit und pfleglichen Umgang, sondern um die gekonnte Handhabung des Überflusses geht. In der Konfrontation mit einer immer breiteren Palette von Waren im schnellen Wechsel dürfe man nicht zurückbleiben. Massenkonsum bedeutet die Ausstattung der eigenen Individualität mit Dingen. Hausen stellte die These auf, dass im Zeitalter des Massenkonsums vornehmlich die Werbung die Vergeschlechtlichung der Dinge transportiert habe. Seit den Anfängen der Reklame werden den beworbenen Produkten Bilder von Männern und Frauen zugeordnet und in "szenischen Interpretationen der zeitgenössische Common Sense" nachgestellt. Hausen bot dem Plenum zur Veranschaulichung ausgewählte Beispiele aus "den Niederungen kommerzialisierten Kulturschaffens der deutschen Werbelandschaft" und spannte den Bogen von der weißen Persil-Frau der zwanziger bis zum Cool-Water-Mann der neunziger Jahre. Am Beginn des 20. Jahrhunderts bekräftigte die Werbung zunächst die stabile Grundordnung der Geschlechter. Der Ernährer und die Hausfrau bildeten akzeptierte Leitbilder. Zugleich ging die Werbebranche von der gesicherten Wirkung ihrer Botschaften aus. Das Publikum erschien als verführbar, hilflos, der Werbung ausgeliefert. Eine Zäsur für die Theorie und Praxis der Werbung und ihrer Verknüpfung mit Gender-Zuschreibungen sah Hausen in der 1980er Jahren. Es setzte sich eine skeptische Sichtweise durch. Werbung wurde lediglich noch als "versuchte Meinungsbeeinflussung" definiert, über deren Erfolgsaussichten Unklarheit herrschte. In den achtziger Jahren zog sich das beworbene Produkt beschämt zurück, eingerahmt durch Erlebniswelten und Lifestyle-Arenen. An die Stelle der Szenarien des Ehe- und Familienlebens traten sozial distinkte Gruppen und Individuen. Da die Dinge zunehmend ihre stabile Aussagekraft einbüßten, waren und sind sie nur noch kurzfristig mit dem Geschlecht verknüpfbar. Die Welt der Dinge wird vieldeutig, unübersichtlich und spielt mit eingefahrenen Sehgewohnheiten. Neue Männerbilder treten hinzu, in denen die Werbeästhetik des nackten Männerkörpers entdeckt wird. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts liegen Männer im Trend, die heterosexuell sind und dennoch ihre feminine Seite leben - der sogenannte Metrosexuelle, der viel Geld in kosmetische Pflege und modische Kleidung investiert, ohne deshalb mit dem Etikett "unmännlich" versehen zu werden. Vertretern dieses Typs wie David Beckham oder George Clooney misst man die Rolle des Trendsetters zu, der bestimmt, was die Masse morgen kaufen wird.

SEKTION II: AM KÖRPER
Elke Hartmann (Alte Geschichte/Berlin) referierte über "Die Symbolik der Kleidung im Athen des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr.". Ausgehend von der Beobachtung, dass der Athener Bürger sowohl auf Grabreliefs als auch auf Vasen im "schlichten Einheitsdress" abgebildet ist, entfaltete Hartmann die symbolische Bedeutung des Mantels für den Status des Trägers. Obwohl die Kleidung der Griechen getreu der demokratischen Ideale schlicht und uniform wirkte, war sie dennoch ein Mittel sozialer Distinktion, die man über den Habitus des Manteltragens ausdrückte. Mäntel machen Bürger - das war die zentrale ikonographische Botschaft. Bei rednerischen Auftritten vor der Öffentlichkeit musste die Toga auf bestimmte Art und Weise getragen werden. Der freie Mann inszenierte sich durch die gekonnte Bändigung des Stoffes - der Mantel sollte ohne Hilfsmittel wie Klammern oder Broschen kunstvoll unter der rechten Achsel getragen werden - und das Verhalten beim Togatragen. Zum normierten Habitus des Bürgers im Mantel gehörten Besonnenheit und eine zurückhaltende Gestik bei der Rede, wodurch die Affektkontrolle versinnbildlicht wurde. Ein geordneter und gepflegter Mantel verwies auf integre Verhältnisse im Haushalt des Bürgers. Ein wichtiges Attribut der "Mantelmänner" war darüber hinaus der Stock, auf den sich der Bürger stützte. Diese klassische Pose sollte den Müßiggang symbolisieren, der als Voraussetzung für eine Beteiligung in der Volksversammlung galt. In Aristophanes Komödie über einen Frauenaufstand eigneten sich die Frauen daher zuerst die Machtsymbole der Männer an - ihre Mäntel und Stöcke. Für Knaben und Hetären war eine andere Form des Manteltragens gängige Symbolik, wodurch der Signalcharakter der Kleidung auch für erotische Beziehungen dokumentiert wird. Abbildungen von dem Werberitual eines Bürgers zeigen diesen mit einem Geschenk in der Hand. Das beworbene Objekt ihm gegenüber ist derart eng in einen Mantel gehüllt, dass es ihm gar nicht möglich ist, die Liebesgabe anzunehmen. Damit erweist sich dieser als der Werbung würdig. In solchen Bildnissen werden nicht Geschlecht oder Status, sondern die sittliche Dignitität des Togaträgers hervorgehoben.

Christine Kunst (Alte Geschichte/Potsdam) führte das Plenum in das antike Rom und sprach über "Ornamenta uxoria. Rangabzeichen oder Schmuck der römischen Ehefrau". Die Althistorikerin bot zunächst einen begriffsgeschichtlichen Abriss über die geschlechtsspezifische Bedeutung der Ornamenta. Bei Männern war es der Oberbegriff für Rangabzeichen, zu denen nicht nur Schmuck wie Amulette, Ringe, Armbänder und Panzerschmuck, sondern auch Kleidung und Sitzplätze zählten. Bei der ehrbaren Ehefrau rechnete man hierzu die weißen Wollbänder, die in die kegelförmige Frisur der Matrone gewunden wurden, die wollene rote Stola, die sie über der Tunika trug, und ihren Schmuck. Eine Dienerin war eigens als Schmückerin für diese Rangzeichen der Matrone zuständig. Die Ehefrau konnte eine Ausstattung mit Ornamenta durch ihren Ehemann erwarten. Manche brachten den Schmuck auch mit in die Ehe und visualisierten auf diese Weise den Status des Vaters. Bestimmte Schmuckstücke wie Perlen waren den Frauen der Oberschicht vorbehalten, Freigelassenen wurde das Tragen ausdrücklich verboten. Auch die Pflicht von Frauen zur Mutterschaft konnte durch Schmuckstücke ausgedrückt werden. Kinderreichtum wurde mit Perlen belohnt. Der Ehefrau Caligulas stand als Kaiserin das "Recht der drei Kinder" zu, das sie - obwohl tatsächlich kinderlos - durch das Tragen vieler Perlen bekundete. Ornamenta waren aufgrund ihrer variantenreichen Funktionalität einer starken Standardisierung unterworfen. Sie dokumentierten Statusunterschiede, legten die Frauen auf die körperliche Sphäre fest und erinnerten Matronen der Oberschicht an die Pflicht der Geburt.

Gabriela Signori (Mediävistik/Münster) widmete sich dem geschlechtsspezifischen Umgang mit "Schleier, Hut oder Haaren" anhand der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte eines Ausschnitts aus dem Korintherbrief des Paulus (1 Kor 11, 3-16). Der Korintherbrief beeinflusste die mittelalterliche Vorstellung, wie die irdische Ordnung der Geschlechter gestaltet sein sollte, nachhaltiger als manch andere Bibelstelle. Die Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Geschlecht bestimmte auch die Form des Gespräches mit Gott, die Frage, wie und wann man das Haupt bedecken musste. Gabriela Signori dokumentierte den Wandel der Normen für Geistliche und Laien vom 5. bis zum 14. Jahrhundert. Erkennbar wurde, dass die Bestimmungen über die drei Dinge Schleier, Hut und Haare dazu dienten, Grenzen zu markieren: religiöse - zwischen Priestern und Laien, räumliche - die korrekte Kopfbedeckung während des Gottesdienstes und außerhalb der Kirche, geschlechtliche - zwischen Männern und Frauen. Seit dem 5. Jahrhundert versinnbildlichte die Tonsur, die der Dornkorne Christi ähneln sollte, im Verein mit der Pflicht zur Barhäuptigkeit den geistlichen Stand. Der Schleier wurde früh zum Standesmerkmal der Gott geweihten Jungfrauen. Schon im ausgehenden 4. Jahrhundert leitete man die Pflicht der Frauen, das Haupt zu bedecken, unabhängig von Stand und Ort vom Sündenfall ab. Die Männlichkeit des Laien wurzelte demgegenüber im Bart und Haupthaar, nicht in der Kopfbedeckung. Zu einer "Hutrevolution" kam es im 14. Jahrhundert. Nun sollten auch die Geistlichen in der Kirche während des Gottesdienstes eine liturgische Kopfbedeckung tragen. Das ideologische Gefüge, das seit Jahrhunderten den Laien in der Frage der Kopfbedeckung streng vom Geistlichen abhob, löste sich im Spätmittelalter auf. Fortan waren alle Häupter bedeckt. Nicht viel später setzte sich auch bei den Frauen der Oberschicht das Huttragen durch, während Schleier und Tücher rangniederen Frauen vorbehalten blieben. Gabriela Signori hob neben der Beschreibung des Wandels vor allem auch die auffallend langen Kontinuitäten in diesen Fragen hervor. Vielerorts gilt der Korintherbrief für Frauen noch heute, wenn ein Absetzen des Hutes während des Gottesdienstes untersagt wird. Die Topi "Schleier, Hut oder Haare" blieben eng mit der Wahrnehmung von Frauen als Angehörige eines Geschlechts verbunden. Bei den Männern war die Geschlechtszugehörigkeit hingegen auf der Ebene der Diskurse sekundär. Einsatz und Gestalt des Hutes waren in erster Linie symbolische Zeichen für den Rang und konnten bis weit in die Neuzeit hinein Ehre oder Subordination anzeigen.

Simona Slanicka (Mediävistik/Bielefeld) kennzeichnete "Haare" als einen Grenzgänger unter den Dingen. Es sei ein Objekt am Körper, das auf Repräsentationen des Körpers verweise. Symbolische Handlungen an und mit Haaren hätten je nach Geschlecht eine unterschiedliche Bedeutung. Bislang seien Haare in der Forschung meist als Teil der Mode behandelt worden, nicht jedoch als allgemein gültiges sekundäres Geschlechtsmerkmal. Erst die Historische Anthropologie habe ihren eigenen Status und die politische Bedeutung hervorgehoben. "Kopf- und Körperhaare bildeten in allen Epochen ein zentrales Merkmal, an dem Geschlecht und Status einer Person erkannt, dargestellt und verändert werden können", so das Urteil Slanickas. In ihrem Referat stand die kulturelle Bedeutung von Haaren in biblischen Passagen und Heiligenviten im Vordergrund. Sichtbares weibliches Haar erschien oft als Bedrohung. Lang und offen getragen, konnte es Nacktheit, aber auch Jungfräulichkeit symbolisieren. Das Scheren weiblichen Haares interpretierte die Referentin als Ordnungs- und Bändigungsfunktion, als eine zeichenhafte Kastration der weiblichen Sexualität. Es bildete für Frauen die schlimmstmögliche Form der Entehrung. Haare erweisen sich als hybrid und ambivalent - ihre Zurschaustellung kann entblößend sein. Männliches Haar stand demgegenüber meist für distinktive Aspekte von Männlichkeit: Kraushaar deutete auf Kühnheit hin, Körperbehaarung wurde mit Weisheit in Verbindung gebracht. Die Verknüpfung mit der Sexualität des Mannes war jedoch in der Regel weniger eng. Die Zeichenfunktion des Haupthaares bei Männern ist grundsätzlich bedeutsamer als der Bartwuchs. Ein Glatzkopf wurde als Makel, das Ausfallen der Haare als Tugendlosigkeit gedeutet. Simona Slanicka kennzeichnete abschließend die Kulturgeschichte der Haare als lohnendes Forschungsfeld, da manche Erscheinungsformen über sehr große Zeiträume hinweg Kontinuität zeigen würden. Slanicka demonstrierte dies mit dem Verweis auf die Praxis, im Zweiten Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit Frauen zu scheren, die man der Kollaboration verdächtigte, und sie damit symbolisch aus der Gemeinschaft auszustoßen.

Barbara Krug-Richter (Volkskunde/Münster) betrachtete die studentische Konfliktkultur im 16. und frühen 17. Jahrhundert am Beispiel der Stadt Freiburg. Ihr Vortrag "Von Messern und Männlichkeit" handelte von den Waffen der Studenten, die diese als Zeichen ihrer Männlichkeit in der Öffentlichkeit mit sich trugen. Rapiere, Degen und Dolche gehörten zu der Standardausstattung der Studenten in ihrem Streit mit den Bürgern und Handwerksgesellen der Stadt. Standesbewusst, hochmütig und provokant zogen die Studenten durch die Straßen und stellten in aggressiver Drohgebärde ihre Waffen zur Schau. Diese symbolische Praxis hatte in der militärischen Formierung Ähnlichkeit mit kriegerischen Auseinandersetzungen. Dabei handelte es sich in der Regel keineswegs um spontane jugendliche Provokationen. Ein konkreter Konflikt war nicht nötig, da eine allgemeine konfliktreiche Konstellation ständig präsent war. Die physische Gewalt zwischen jungen Männern war alltäglich. 1520 verbot das Stadtrecht in Freiburg das Zücken der Wehr, die Statuten der Universität untersagten sogar das Tragen der Waffen. Die Obrigkeit konnte sich mit dieser rechtlichen Normsetzung jedoch nicht durchsetzen. Die Beziehung zur eigenen Waffe war regelrecht intim, hob Krug-Richter hervor, Koseworte wie "Brüderchen" nicht unüblich. Im Hintergrund des Konfliktverhaltens der lokal nicht zugehörigen Studenten stand die Herausforderung der Stadthierarchie, der Bürger und Handwerker. Durch strenge Duellregeln wurde das Konfliktschaffen oder -lösen formalisiert. Der Gebrauch der Waffen diente der Abgrenzung männlicher Gruppen untereinander - zwischen verschiedenen Berufsgruppen und gegenüber dem Klerus, der keine Waffen tragen durfte.

Stefan Haas (Neuere Geschichte/Münster) nutzte das Fragen nach dem Geschlecht des Rauches zu einem grundlegenden Nachdenken über die Diskurstheorie. Gibt es ein Jenseits des Diskurses, etwas, was seinerseits den Diskurs konstituiert? Und was bedeutet Materialität, wenn man nicht zur klassischen Dinglichkeit, zur Sachkulturforschung, zurück wolle? Der Rauch erschien Haas als die geeignete Chiffre zur Beantwortung dieser Fragen. Rauch hat vordergründig kein Geschlecht, sondern taugt als "Folie, die sein kann, was immer der Diskurs aus ihm macht". Haas schilderte zunächst anhand der Geschichte des Zigaretten- und Zigarren-Rauchens den geschlechtlichen Gebrauch des Rauchs, die Symbolhaftigkeit des Rauchens als Widerständigkeit bei den Männern und den Ausschluss der Frauen von dieser Praxis im 19. Jahrhundert. Rauchende Frauen erfuhren im darauffolgenden Jahrhundert eine Sexualisierung und Fetischisierung. Sie galten als reizvoll, verführerisch, verrucht. Der Rauch der Zigarette konnte zur Geheimnissteigerung den Körper verschleiern und zugleich die sexualisierte Erweiterung des Körpers bewirken. Welchen Sinn macht darüber hinaus aber der Rauch, der den Körper verlässt? Einen Hinweis auf eine Antwort fand Stefan Haas bei Jean-Paul Sartre, einem begeisterten Raucher. Der französische Philosoph sah den Sinn des Rauchens in einer veränderten Wahrnehmung seiner Umwelt. Sartre hatte den Eindruck, sich während des Rauchens die umgebende Welt - ein Theaterstück, das Abendessen, die Vormittagsarbeit - anzueignen und zu transformieren. Der Rauch erweist sich nach Stefan Haas somit als Lehrstück für die Funktionsweise des Konstruktionsprozesses im Diskurs. Die Einverleibung und Neugeburt der Welt könne wie der Rauch, der den Mund verlässt, nicht in ihrem Weg gelenkt werden. "Im Changieren zwischen flüchtiger Materialität und Diskurs entsteht eine virtuelle Welt, in der sich Bedeutung ständig umschreibt, die verschwindet wie der Zigarettenrauch im Wind". Damit werde auch die These fragwürdig, dass sich Diskurse über Dinge einschreiben und wieder verändern könnten, gerade weil diese Dinge stabil seien. Rauch sei ein Paradigma für das Denken in der Materialität und verweise auf deren beständige Unerreichbarkeit.

SEKTION III: KULTURGÜTER
Antje Flüchter-Sheryari (Frühneuzeitliche Geschichte/Münster) fragte in ihrem Referat nach den Bedeutungsmustern des Begriffspaares "Frauen und Buch" im 18. Jahrhundert. Bei der Betrachtung der normativen Regelung des Zugangs von Frauen zum Buch stellte die Historikerin eine Entwicklung von der Gelehrsamkeit zur Empfindsamkeit fest. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnte die gebildete, lesende Frau noch positiv konnotiert sein, am Ende des Jahrhunderts war das gelehrte Frauenzimmer zum Schimpfwort geworden. Ein Buch zerstöre die Emotionalität der Frauen und halte sie von den Haushaltspflichten ab, hieß es bei den bürgerlichen Meisterdenkern. Die Referentin blieb jedoch nicht auf der Ebene der dominanten Normsetzung stehen, sondern fragte am Beispiel von Sophie La Roche, wie Frauen ihr Verhältnis zu Büchern selbst darstellten. In der Zeitschrift "Pomona", die La Roche in erzieherischer Absicht für Mädchen und junge Frauen herausgab, wurde die Forderung nach einer gewissen, eng begrenzten Bildung der Frauen auf den Mann zugerichtet. Frauen sollten fähig sein, den Wert der Arbeit ihrer Männer zu erkennen, um sie wahrhaft verehren und ihnen eine gute Gefährtin sein zu können. Auch La Roche sah es als eine Gefahr für Frauen an, dass zu viel Bildung und ein Übermaß an Geist ihre Verbindung zum Herzen unterbrechen könne. Bei der französischen Schriftstellerin musste ein Buch erst seine Bedeutung für die Haushaltsarbeit beweisen, um für Frauen lesbar zu sein. Buchempfehlungen in der "Pomona" wurden daher fast zwingend auf den Haushalt bezogen. So erschienen Newtons Werke für Frauen als geeignet, da sie angeblich praktische Hinweise für das Sticken enthielten. Antje Flüchter-Sheryari wies darauf hin, dass Sophie La Roche in ihrem Urteil über das Verhältnis von Frauen zu Büchern gängige Deutungsmuster übernahm, dennoch aber auch Modifikationen einfügte und sich somit als Akteurin im Diskurs zeigt. Bei der Schriftstellerin ergänzten sich Empfindsamkeit und begrenzte Gelehrsamkeit positiv. Natur und Geist erschienen nicht als Gegensätze, sondern als komplementär. Zudem beobachtet Flüchter-Sheryari bei La Roche eine Verschränkung von ständischen und geschlechtlichen Bedeutungsfeldern. Für die Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts war eine ständische Grenzüberschreitung problematischer als eine geschlechtliche. Auserlesene Frauen durften alles lesen, während den Frauen des Dritten Standes Kurzabhandlungen wie für Kinder zugewiesen wurden.

Elke Gaugele (Textilwissenschaft/Köln) behandelte in ihrem Vortrag den Prozess der symbolischen und performativen Verknüpfung von "Frau", "Schürze" und "Fetisch" seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Damals hätte die Genderisierung von Dingen ihren Höhepunkt erreicht. Von einem Symbol der Häuslichkeit entwickelte sich die Schürze zu einem sexualisierten Zeichen. Die Frau wurde sprachlich als Schürze repräsentiert - "jeder Schürze nachjagen", hieß es bei den Zeitgenossen mit Blick auf promiskuitive Männer. Gaugele interpretierte Fetischismus im Sinne Michel Foucaults als eine Mensch-Ding-Beziehung, die als Modellperversion zum Leitfaden der Deutung aller Abweichungen wurde. Die Diagnose "pathologischer Fetischismus" als Beschreibung einer krankhaften Fixierung auf Dinge avancierte zum Schlüsselinstrument der Psychoanalyse und markierte einen perversen und irrationalen Umgang mit dem Körper und der Kleidung. Der Fetischismus erschien den Psychologen der Jahrhundertwende als einziger Trieb, der häufiger bei Männer als bei Frauen anzutreffen sei. Begründet wurde dies damit, dass diese Zwangshandlung Abstraktion, Phantasie und dichterische Gestaltung verlange. Elke Gaugele beschrieb in ihrem Referat den lustvollen Blick von Männern auf Dinge als eine Einverleibungsstrategie. Mit Bruno Latour müsse man den Fetisch als ein "Faktisch" begreifen (Fetisch plus Faktum), als hybrides Mischwesen, das auf der Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion, Tatsache und Glaube schwanke.

SEKTION IV: ZU TISCH
Jan Rüdiger (Mediävistik/Berlin) plädierte in seinem Referat "Die Hebe und die Häuptlingstochter. Der Umgang mit dem Trinkbecher als Verhandlungsführung im europäischen Mittelalter" für ein methodologisches Zusammengehen von Geschichtswissenschaft und Philologie. Dies erweise sich als besonders sinnvoll, sobald für die Analyse praktischen Verhaltens außerliterarische Quellen nicht vorhanden seien. Rüdiger nahm Erzählungen aus dem hochmittelalterlichen Skandinavien zur Grundlage, um als ein kollektives Motiv der Narration das Verhältnis von Frauen zu Trinkbechern zu analysieren. Bei dem gängigen Erzählmotiv handelt es sich um eine Eröffnungssituation. Dem reisenden Helden wurde sein Recht auf Gasttum durch ein Mädchen des Hauses aufgezeigt, das ihm den Becher reichte. Zugleich schafft die Geschichte eine Situation der Prekarität, da das Ankommen eines fremden Kämpfers als eine potentiell gefahrvolle Situation betrachtet wurde. Indem das Mädchen gewissermaßen die Verhandlungen übernahm, wurde das Aufeinandertreffen der Männer zunächst vermieden. Der Verbindung "Trinkgefäß und Frau" kommt in diesen Erzählungen zentrale Bedeutung zu. Die Protagonistin der Geschichte wurde geradezu durch die Darreichung von Bier definiert. Hintergründig verschmolzen in den Bräuchen des Gabentausches Personen und Sachen miteinander. Mit dem Trinkbecher bot sich die Frau gleichsam selbst dar. Jan Rüdiger ging es in seinem Vortrag nicht darum, die gefundenen Erzählmotive zu inventarisieren, sondern um das Aufzeigen der narrativen Verwendungsweise. Auf diese Weise könne ermittelt werden, welche Praktiken als praktikabel angesehen wurden.

Sabine von Heusinger (Mediävistik/Mannheim) untersuchte die Gesellenkultur in den Zunftstuben des 14. Jahrhunderts im Südwesten des Reiches anhand der männlichen Gebrauchsweise von Trinkbechern. Der Trinkkrug sei dabei zugleich ein Zeichen für Gemeinsamkeit als auch ein Symbol für Veränderungen in einer sozialen Gruppe. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts entstand eine spezifische Gesellenkultur mit eigenen Versammlungsorten. Das gemeinsame Trinken versinnbildlichte die Aufnahme in einen Gesellenverein. Die neue Gemeinschaft in den Gesellentrinkstuben bewirkte einen Kontrollverlust der Meister. Die jungen Männer blieben dem Arbeitsplatz fern, wenn ein neuer Geselle ankam, um diesen zu begrüßen, und nahmen die Arbeitsvermittlung hinter dem Rücken ihrer Meister selbst in die Hand. Das neue Selbstverständnis der Gesellen zeigte sich in eigener Kleidung und eigenen Zeichen. Der Trinkkrug war das Symbol für den Zusammenhalt dieser sozialen Gruppe. Gesellenherbergen trugen häufig den "Krug" im Namen. Diese männerbündischen Trinkstuben symbolisierten somit eine neue soziale Ordnung seit dem späten 14. Jahrhundert. Der Kelch an sich spielte in diesen Kontexten keine Rolle. Unabdingbar für seine Bedeutung waren der Gebrauch und das gemeinsame Trinken. Die materielle Beschaffenheit und der Inhalt des Gefäßes blieb zweitrangig und hatte wenig Einfluss auf seinen symbolischen Wert.

Bettina Mann (Ethnologie/Halle) führte in ihrem Vortrag "Lang gekocht und schnell gegessen" die Unterscheidung zwischen Stabilität und Vergänglichkeit der Dinge als Kategorie der Analyse ein. Der Transformationsprozess der Nahrungsmittel - von roh über gekocht bis zu verdaut - sei als ein Aspekt des Essens bislang noch wenig beachtet worden. Sichtbar wird auf diese Weise, dass Dinge über Biografien verfügen, die auf Veränderbarkeit und Mobilität der Materialität verweisen. Nach diesen Vorüberlegungen wies Bettina Mann darauf hin, dass der Komplex des Essens sich erst in den letzten Jahren von einem Thema der Ernährungswissenschaften zu einem Kulturthema entwickelt habe. Im Sinne des Münsteraner Historikers Hans-Jürgen Teuteberg fragt man nun nach der kulturellen und soziokommunikativen Bedeutung des Essens und nach der normativen Bewertung von Nahrungsmitteln. Bei der Ausformung kulinarischer Systeme werden Grenzen markiert, Inklusion und Exklusion entlang der Kategorien Religion, Ethnizität und Geschlecht betrieben. Neuere Untersuchungen zeigen, dass der Zugang zur Nahrung sowie ihre Quantität und Qualität in Abhängigkeit von geschlechtlichen Zuschreibungen variieren. Anhand ihres empirischen Datenmaterials, das Bettina Mann im Rahmen einer Feldforschung in der Metropole Kairo in den 1990er Jahre erhoben hatte, stellte sie die zentrale Funktion der Versorgung und der Speisenauswahl für die häusliche Arbeitsteilung dar. Kulinarische Ordnungen erweisen sich hierbei als Bestandteil des kulturellen Alphabets.

Ulrike Lindner (Neuere Geschichte/München) wandte sich in ihrem Vortrag wiederum scheinbar stabilen Dingen zu: den elektrifizierten Küchengeräten, die seit den 1950er Jahren Einzug in die bundesdeutschen Haushalte hielten. Lindner verwies auf die Geschlechtsspezifik der Herstellung, des Bewerbens, des Konsums und des Gebrauchs dieser Produkte. Die neuen Geräte trugen dazu bei, dass die Hausarbeit noch eindeutiger den Frauen allein zugewiesen wurden, da es nun möglich erschien, die ganze Arbeit von einer Person erledigen zu lassen. An die Stelle der Wohnküche trat die kleine Arbeitsküche, in die die Hausfrau alleine hineinging, um dort professionell-technisiert zu wirtschaften. Den Männern blieb meist nur noch die Reparatur der Geräte vorbehalten. Arbeitszeitstudien belegen, dass die Produkte in der Regel, mit Ausnahme der Waschmaschine, kaum dazu dienten, Zeit zu sparen. Die umständlichen Reinigungsprozeduren der Küchengeräte erforderten Zeit, zudem stiegen die Ansprüche an die "Reinheit" der Wäsche und die Hygiene in der Wohnung enorm. In pointierter Zuspitzung erklärte Lindner, dass die Bedeutung der Geräte für den Geschenkartikelmarkt höher gewesen sei als für die Arbeit in der Küche. Die teuren Produkte waren in erster Linie ein Statussymbol, das von Männern angeschafft, aber auch von vielen Frauen als solches begriffen wurde, wie Claudia Lenz mit Verweis auf Lebensbiografiestudien anmerkte. Die Anschaffung in der Nachkriegszeit symbolisierte für viele Frauen den wirtschaftlichen Aufstieg. In der Diskussion wurde die Bedeutung der Selbstpräsentation der organisierten Hausfrauen für diese Fragen besonders hervorgehoben. Da sie die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit als Beruf durchsetzen wollten, erschien die Technisierung des Haushalts als Aufwertung ihrer Tätigkeit. Ulrike Lindner konnte zeigen, dass die für den Haushalt aufgewandte Arbeitszeit in den siebziger und achtziger Jahren zurück ging, allerdings nicht infolge der Technisierung, sondern aufgrund verminderter Standards. Erst Ende der siebziger Jahre, als die Reputation der "guten Hausfrau" sank, wurde das Schenken eines Haushaltsgerätes zum Faux Pas.

SEKTION V: ERINNERUNGSOBJEKTE
Natascha Sojc (Klassische Archäologie/München) analysierte am Beispiel der Bild gewordenen Trauer um Verstorbene die Vergegenständlichung eines Gefühls. Das Umgehen mit dem Tod im demokratischen Attika des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. suchte die Ärchäologin aus der Perspektive einer psychoanalytisch orientierten Genderforschung mittels eines interkulturellen Vergleichs zu rekonstruieren. Sojcs Verfahren zielte darauf, differenzierte Hinweise auf das antike Trauerverhalten zu erhalten und die Wirkungsweise der Bilder am privaten Grab zu ermitteln. Die Referentin stellte antike Bildkompositionen von Grabreliefs der attischen Demokratie einer Reihe von Fotografien aus dem Jahr 1999 gegenüber, mit denen dem Tod der Chefredakteurin von Harper's Bazaar gedacht wurde. In beiden Kulturen erscheint die Trauer segrediert nach dem Geschlecht der Verstorbenen. Auf den Grabreliefs wurden idealisierte Weiblichkeitsbilder gezeigt und auch die Fotografien von 1999 dokumentieren im zeitgeschichtlichen Kontext starke Stilisierungstendenzen. Die Erinnerung an die Tote erfährt eine nachdrückliche Ästhetisierung, in der attischen Zeit als idealisierter Körper, der ruhig ins Jenseits sieht, auf den Fotografien in Form einer weißen Rose oder als zurückgelassener strahlend weißer Koffer in einer schmutziggrauen Straßenunterführung. Natascha Sojc deutete die Bildersprache in beiden Kulturen als Bestandteil des Trauerprozesses. Ziehe man Schriftquellen über Todesfälle hinzu, so zeigen sich verschiedene Phasen der Trauer der Zurückgebliebenen, die von Exzessivität über Apathie bis zur bildhaften Idealisierung als tröstlicher Rückbezug für die Überlebenden reicht.

Marita Bombek (Textilwissenschaft/Köln) verwies in ihrem Referat auf den Quellenwert mittelalterlicher Bildteppiche aus Frauenklöstern als Medien der Erzählung, der Erinnerung und der Repräsentation. Bombek deutete diese von adeligen Frauen selbst hergestellten Textilien als weibliche Sprachform und als ein Zeugnis kultureller Ausdrucksweisen von Frauen. Hinterlassen wurden die Bildteppiche mit ihren biblischen und literarischen Motiven oft in den Aussteuertruhen von Frauenklöstern, ein Zeichen dafür, dass die Nonnen ihre Herkunft aus dem Adel zwar ins Kloster mitnehmen, dort aber nicht gebrauchen und zeigen durften. Der Besitz wurde der christlichen Bestimmung untergeordnet. Als Sprache der Kunst dienten nicht Farbe oder Text sondern Nadel und Faden. In einem Forschungsprojekt soll diese Bildsprache von Frauen, die Kunst mit der Nadel, näher untersucht werden. Gefragt werden kann, wie Narrationen unter den besonderen Bedingungen des Mediums von weiblichen Akteurinnen gestaltet werden. Bombek hob für diesen Komplex die Zugriffsweise einer kulturwissenschaftlich orientierten Textilwissenschaft hervor, die grundsätzlich interdisziplinär vorgeht, um sich einem Gegenstand zu nähern.

Claudia Lenz (Neuere Geschichte/Hamburg) fragte nach Erinnerungsdingen aus der Zeit der deutschen Besatzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg und stellte mit Michel Foucault fest, dass auch die Repräsentationen der Vergangenheit durch Dominanzverhältnisse strukturiert werden. Die Spur der Dinge führt somit zur Ordnung der Geschlechter. Unter Verweis auf die Studien von Aleida Assmann über das kommunikative und kulturelle Gedächtnis sprach die Referentin von der Faszination, die Gegenstände als überdauernde, stumme Zeitzeugen auf die Nachlebenden ausüben. Als Lenz' Hauptquelle fungierten Fotografien, die in der nationalen Erinnerungskultur dazu dienten, die Zeit des norwegischen Widerstandes zu dokumentieren. Die Erinnerungsgemeinschaft versichert sich auf diese Weise, dass sie zu einer Wertegemeinschaft gehört. Die Struktur der Erinnerung wird im Blick zurück vergeschlechtlicht. Erinnerungsbilder, die in den neunziger Jahren veröffentlicht wurden, zeigen Männer im aktiven Widerstand, Frauen hingegen als diejenigen, die das Bestehen des norwegischen Haushalts aufrecht erhalten. Sie sorgen für die Ernährung unter den Bedingungen der Lebensmittelrationierung, improvisieren, um den Anschein gepflegter Kleidung zu erwecken, und sticken die norwegische Flagge auf die Armbinden ihrer Männer. Die Erinnerung an die Tatsache, dass auch Frauen am bewaffneten Widerstand beteiligt waren, ging über diese Zurichtung der Vergangenheit fast vollständig verloren. Das Bemühen mancher feministischer Forscherinnen, den "Küchenkrieg" als Teil des Widerstandes zu identifizieren, müsse jedoch kritisch betrachtet werden. Claudia Lenz warnte hier vor einem inflationären Gebrauch des Widerstands-Begriffs. Aus der Perspektive der Forschung sei es für die Analyse der Erinnerungskultur weniger wichtig, die ehemaligen Heldinnen der Vergangenheit zu entreißen, als den Prozessen nachzuspüren, die zu geschlechtlichen Ausschlüssen und Zurichtungen führen.

Katharina Simon-Muscheid (Mediävistik/Bern) fasste schließlich in einem prägnanten Statement die thematischen Leitlinien der Tagung zusammen und bot somit eine Orientierung für die von ihr moderierte Abschlussdiskussion. Die Beiträge aus verschiedenen Disziplinen und Epochen hätten nachdrücklich deutlich gemacht, dass Dinge Ordnung strukturieren, seien es Besitz, Handlungen oder Bedeutungen. Als zentrale Diskussionsfelder des "Geschlechts der Dinge" benannte Simon-Muscheid: 1. den Komplex der Bedeutungsebenen von Dingen, 2. das Problem der Verfügung über Dinge von der Nutznießung bis zum Besitz, 3. die Sexualisierung von Dingen und 4. die Biografie der Dinge, die Wandel und Kontinuität von Bedeutungen dokumentiert und Periodisierungen vornimmt.
1. Objekte wurden in den Beiträgen als mehrdimensionale Bedeutungsträger sichtbar - materiell, symbolisch und alltäglich. Stefan Haas regte an, die Unterscheidung zwischen der Materialität des Objektes und seinem Inhalt schärfer zu ziehen, beispielsweise wenn man über Objekte wie Trinkbecher oder Bücher sprechen würde. Katharina Simon-Muscheid erinnerte daran, dass das Material, aus dem ein Ding besteht, sich durchaus verändern kann - ein irdener oder silberner Krug -, ohne dass der symbolische Wert sich deshalb mit verändern muss. In ihrer zeichenhaften Bedeutung trennen Dinge im sozialen Konflikt Gruppen voneinander, sie stiften Identität, repräsentieren Status und Würde und schreiben Ordnungen immer wieder neu fest. Manche Objekte des Alltags sind zu bestimmten Zeiten besonders stark mit einem Geschlecht konnotiert und können schlichtweg zu Stellvertretern werden, so das Spinnrad für die Frau, die Hose für den Mann. Mit derart definierten Männer- oder Frauendingen können Handlungsmuster eng verknüpft sein, wie der provokante Umgang mit der Waffe oder das Darreichen von Getränken. Auch mit einem geschenkten Objekt verbinden sich soziale Aktionen: Anerkennung wird ausgedrückt, Verpflichtung geschaffen, Versöhnung zelebriet oder Status verliehen.
2. Über viele Epochen hinweg sind Dinge beiden Geschlechtern nicht gleich zugänglich. Gesellschaftliche und rechtliche Normen regeln, wer was besitzen, nutzen oder tragen darf, fasste Simon-Muscheid zusammen. Auf der Tagung wurde vielfach die Frage nach der Verfügbarkeit von Dingen gestellt und Regeln des Erbrechts und Gewohnheitsrechts diskutiert, aber auch Handlungsspielräume aufgezeigt, die Eindeutigkeiten unterlaufen. Karin Gottschalk verwies auf die Bedeutsamkeit der Frage, wie die Juristendefinition ein Ding zur Sache im rechtlichen Sinn und damit zum Rechtsobjekt macht.
3. Gabriela Signori hob die Sexualisierung von Objekten als zentrales Thema hervor. Man müsse versuchen, hier eine Periodisierung vorzunehmen und zu ermitteln, wann welche Dinge anfingen, diese Funktion zu besetzen. Kann die Sexualisierung von Dingen tatsächlich als ein Phänomen der Neuzeit beschrieben werden? Signori und Ruth-Elisabeth Mohrmann diskutierten, inwieweit der Fetisch eine Erscheinung der Moderne ist und fragten, ob sexualisierte Objekte in den Minnegesängen des Mittelalters eine Entsprechung darstellen würden oder aber von dem Begriff "Fetisch" abgegrenzt werden müssten. Eva-Maria Butz verwies auf den Unterschied zwischen mittelalterlichen Berührungsreliquien wie dem Handschuh, der im Gegensatz zum Fetisch mit einer bestimmten Person verbunden war. Karin Hausen plädierte dafür, die Fixierung auf den Fetisch "Schürze" auch als hochspezifische soziale Situation zu beschreiben. In bürgerlichen Familien trafen die Söhne des Hausherrn in der Intimität des Haushalts auf die durch eine Schürze kenntlich gemachten Kinder- und Dienstmädchen. Diese verkörperten aufgrund ihres Standes keine Moralität und konnten daher zur sexualisierten Projektionsfläche werden.
4. Die Wandelbarkeit in der Bedeutung der Dinge wurde in zahlreichen Beiträgen anschaulich. Simon-Muscheid hob beispielhaft hervor, dass der Hut in unserer Gegenwart ein Modeattribut ist, im Mittelalter jedoch konstitutiv für die Ordnung des religiösen Lebens war. Gabriela Signori forderte dazu auf, die Frage nach der Kontinuität von Ding-Bedeutungen stärker zu beachten, da diese für bestimmte Sinnzusammenhänge über mehrere Jahrhunderte hinweg Bestand haben kann.

Die Tagung über das "Geschlecht der Dinge" bot den Teilnehmenden die Gelegenheit, sich in der Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsprojekten über unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge auszutauschen. Im jeweiligen Umgang mit den konkreten Themen wurde die gegenwärtige Variationsbreite von Begriffsdefinitionen, methodischen Zugriffsweisen und theoretischen Vorannahmen dokumentiert. Eine Grundlagendiskussion wurde in diesem Zusammenhang bewusst noch nicht forciert. Auffallend war jedoch, dass über viele Disziplinen hinweg die gleichen theoretischen Überlegungen als sinnvoll erachtet wurden. Dazu zählen die Theorie der symbolischen Gewalt Pierre Bourdieus, die "Ordnung der Dinge" im Sinne Michel Foucaults und nicht zuletzt die Anregungen bei Bruno Latour, die Logik der Beziehungen zwischen Menschen und Dingen neu zu denken und den "nichtmenschlichen Wesen" ihre eigene Geschichte zuzuerkennen.