850 Jahre Zisterzienserkloster Tennenbach. Aspekte seiner Geschichte von der Gründung (1161) bis zur Säkularisation (1806)

850 Jahre Zisterzienserkloster Tennenbach. Aspekte seiner Geschichte von der Gründung (1161) bis zur Säkularisation (1806)

Organisatoren
Werner Rösener, Universität Gießen; Heinz Krieg, Universität Freiburg; Hans-Jürgen Günther, Stadt Emmendingen
Ort
Emmendingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.05.2011 - 21.05.2011
Url der Konferenzwebsite
Von
Carola Fey, Historisches Institut, Universität Gießen

Vom 20. bis 21. Mai 2011 fand im Rathaus der Stadt Emmendingen ein interdisziplinäres Colloquium zum Gedenken an die vor 850 Jahren erfolgte Gründung des Zisterzienserklosters Tennenbach statt. Die Tagung wurde gemeinsam veranstaltet von Werner Rösener, Universität Gießen, Heinz Krieg, Universität Freiburg und der Stadt Emmendingen. In dreizehn Vorträgen wurden mit unterschiedlicher Akzentsetzung die vielfältigen Aspekte der Geschichte des Klosters Tennenbach von der Gründung bis zur Aufhebung im Zeitalter der Säkularisation beleuchtet und zur Diskussion gestellt. Mit dem Colloquium war eine Ausstellung zur Geschichte Tennenbachs verbunden.

Nach einem Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Emmendingen führte WERNER RÖSENER (Gießen) in einige Hauptprobleme der Geschichte des Klosters Tennenbach im Kontext der neueren Zisterzienserforschung und der südwestdeutschen Landesgeschichte ein. Das bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1806 bedeutende Kloster habe im 19. Jahrhundert ein schreckliches Schicksal erlebt, so dass von den früher imposanten Klostergebäuden nur noch klägliche Überreste vorhanden seien. Die romanische Klosterkirche wurde nach ihrer partiellen Transferierung nach Freiburg 1944 durch Bomben vollständig zerstört. Bei der Erforschung der Klostergeschichte beobachte man eine erstaunliche Diskrepanz zwischen der früheren Geltung der Abtei Tennenbach und ihrer geringen Behandlung in der Geschichtswissenschaft. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich Tennenbach dank der Tatkraft seiner Äbte und Mönche im Mittelalter zum reichsten Kloster des Breisgaus und zählte auch im Kreis der südwestdeutschen Klöster zu den prominentesten monastischen Institutionen.

Mit den Ausgangsbedingungen und den Anfängen des zwischen 1158 und 1161 gegründeten Klosters Tennenbach befasste sich unter neueren Fragestellungen der Vortrag von HEINZ KRIEG (Freiburg). Nach älterer Auffassung trat vor allem Herzog Berthold IV. von Zähringen als Hauptinitiator der Gründung hervor, doch muss dies angezweifelt werden, da auch andere Adelsfamilien an der Gründung mitwirkten. Mit Unterstützung des breisgauischen Adels kauften die Mönche das Klostergelände von Kuno von Horben, so dass im strikten Sinn kein eigentlicher Klosterstifter hervortrat. Die feierliche Übergabe des Fundationsgutes erfolgte im Beisein prominenter Vertreter der Adelsgeschlechter auf der benachbarten Burg Hachberg. Den neuen Namen Himmelspforte (Porta Coeli) ersetzte das Volk bald wieder durch den älteren Namen Tennenbach. Der Abt von Lützel stellte den Konvent, der ursprünglich aus dem burgundischen Frienisberg kam, um 1180 unter die Paternität von Salem.

Grundzüge der ökonomischen, spirituellen und politischen Entwicklung des Klosters Tennenbach während des Mittelalters im Lichte der neueren Forschungsergebnisse skizzierte WERNER RÖSENER (Gießen) in seinem Vortrag. Der Aufstieg Tennenbachs zu einer monastischen Institution mit außerordentlicher Wirtschaftskraft wurde im wesentlichen nicht durch großzügige Schenkungen wichtiger Adelsgeschlechter gewährleistet, sondern in erster Linie durch die aktive Besitz- und Wirtschaftspolitik der Tennenbacher Mönche und Konversen. Eine Gesamtübersicht des Besitzstandes gibt das Tennenbacher Güterbuch, das in der Mitte des 14. Jahrhunderts entstand. Im Laufe der Zeit richteten die Tennenbacher Mönche ihr Hauptaugenmerk auf die Installierung von Stadthöfen in den aufblühenden Städten des Breisgaus, um sich lukrative Absatzmärkte für die Klosterprodukte zu verschaffen. Seit der Zeit um 1180 stand Tennenbach offenbar unter dem Schirm (defensio) der Stauferkönige, die bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Einflüsse der Herzöge von Zähringen und der Markgrafen von Baden zurückdrängten. Nach dem Untergang der Staufer hatten die Markgrafen von Hachberg nachweislich die Vogtei über Tennenbach inne, bis schließlich die Habsburger im Zuge ihres Vordringens in den Breisgau diese Funktion übernahmen. Das Kloster Tennenbach stand aufgrund seiner auch im Gesamtorden anerkannten Disziplin und spirituellen Ausstrahlung während des Mittelalters in einem hohen Ansehen.

Mit der Grundbesitzorganisation und der Grangienwirtschaft in der Tennenbacher Grundherrschaft beschäftigte sich der Beitrag von CHRISTIAN STADELMAIER (Gießen). Vorrangig durch Güterkäufe und nicht durch Schenkungen erwarb Tennenbach einen ausgedehnten Grundbesitz, der sich über mehr als 200 Orte im Breisgau, in der südlichen Ortenau und hinauf in den Schwarzwald bis nach Villingen erstreckte. Durch eine effiziente Grangienwirtschaft und erfolgreiche Grundbesitzorganisation wurde die materielle Basis für den anwachsenden Konvent gelegt. Durch seine fortschrittliche Grangienwirtschaft erzielte das Kloster beachtliche innovative Leistungen in der Agrarökonomie. Der Umfang der Hofflächen der Grangien und deren große Viehbestände waren beachtenswerte Neuerungen im klösterlichen Wirkungsraum. Die besondere Stellung des Tennenbacher Güterbuches im Kontext der Tennenbacher Handschriften und allgemein der Zisterzienserurbare beleuchtete der Vortrag von HOLGER STURM (Gießen). Unter den zahlreichen Klosterurbaren des südwestdeutschen Raumes nimmt das Tennenbacher Güterbuch, das zwischen 1317 und 1341 hauptsächlich unter Abt Johann Zenlin entstanden ist, nach Form und Inhalt den ersten Rang ein. Neben den Textabschnitten sind die Miniaturen und Initialen des Güterbuches besonders aussagekräftig, wie z.B. das bekannte Eingangsbild, das detailliert erläutert wurde.

Der Abendvortrag von THOMAS ZOTZ (Freiburg) analysierte die engen Beziehungen des Klosters Tennenbach zu den Städten des Oberrheingebiets, wobei das Verhältnis Tennenbachs zur Breisgaumetropole Freiburg im Mittelpunkt stand. Im Laufe des 13. Jahrhunderts bemühte sich Tennenbach intensiv um den Zugang zu Städten der näheren und weiteren Umgebung. In Freiburg besaßen die Tennenbacher Mönche schon früh eine Grangie, Mühlen und Häuserzinse; ferner erwarben sie hier 1291 das Bürgerrecht. Johann Zenlin, der berühmteste Tennenbacher Abt des 14. Jahrhunderts, entstammte einer Freiburger Bürgerfamilie und ließ in dem von ihm betreuten Tennenbacher Güterbuch das Freiburger Stadtrecht verzeichnen.

Mit der Spiritualität und dem Konventsleben der Abtei Tennenbach befassten sich die Vorträge von PHILIPP RUPF (Freiburg) und CHRISTIAN STAHMANN (Emmendingen). Rupf untersuchte die Entwicklung des Tennenbacher Konvents und die Reihe der Äbte des Klosters während des Mittelalters, wobei er die Herkunft einzelner Äbte analysierte und deren soziale Umwelt beleuchtete. Stahmann beschäftigte sich speziell mit der Gestalt des Tennenbacher Mönchs Hugo, dessen heiligmäßiges Leben eine nach seinem Tode verfasste Vita beschreibt. Hugo war Spross einer adeligen Familie, lebte längere Zeit am Hof Herzog Bertolds V. von Zähringen, trat 1215 in das Kloster ein und starb hier nach einem vorbildlichen Mönchsleben im Jahre 1270. Zusammen mit der Inklusin Adelheid von Teningen, die nahe beim Kloster in Aspen lebte, hat Hugo offensichtlich wesentlich zum spirituell-religiösen Ansehen der Tennenbacher Zisterze beigetragen.

Gestalt und Entwicklung der Tennenbacher Klosterkirche, die 1829 partiell nach Freiburg transferiert wurde, erläuterte ULRIKE KALBAUM (Freiburg). Die Tennenbacher Kirche, die unter Abt Bertold von Urach (1210 – 1226) im romanischen Baustil vollendet wurde, hatte ihre Vorbilder in den zeitgenössischen Zisterzienserkirchen Burgunds und Südwestdeutschlands. Mit den sakralen Schätzen des Klosters Tennenbach im Kontext der Sakralkultur der Zisterzienserklöster des Hoch- und Spätmittelalters befasste sich der Vortrag von CAROLA FEY (Gießen). Sie fragte nach den Möglichkeiten der Erfassung der heute verlorenen Schätze auf der Grundlage der Inventare und fokussierte ihre Untersuchungen auf zwei erhaltene liturgische Geräte des Klosters Tennenbach: erstens auf das Tennenbacher Prachtkreuz aus dem 13. Jahrhundert, welches sich heute im Zisterzienserkloster Mehrerau befindet, und zweitens auf das wertvolle Ziborium, das heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt wird. Beide Gegenstände zeugen von der anspruchsvollen Schatzkunst der Abtei Tennenbach im Kontext der Sakralkultur der süddeutschen Zisterzienserklöster.

Die neuzeitliche Phase des Klosters Tennenbach wurde mit einem Vortrag von CASIMIR BUMILLER (Freiburg) eröffnet, der die katastrophalen Auswirkungen des Bauernkriegs auf Tennenbach schilderte. Die Klostergebäude wurden von den aufständischen Bauern rücksichtslos geplündert und bis auf die Klosterkirche in Schutt und Asche gelegt. Erst nach dreißig Jahren konnten die nach Freiburg und in die Schweiz geflüchteten Mönche wieder in ihr Kloster zurückkehren. Wie DIETER SPECK (Freiburg) in seinem Beitrag ausführte, war das Schicksal des landsässigen vorderösterreichischen Klosters im 16. und 17. Jahrhundert harten Prüfungen ausgesetzt, bis es als katholisches Kloster bestehen bleiben konnte. Auch während des Dreißigjährigen Krieges musste der Konvent für längere Zeit Tennenbach verlassen, bis schließlich der Wiederaufbau gelang und Tennenbach als Barockkloster eine neue Blütezeit erlebte. HANS-JÜRGEN GÜNTHER (Emmendingen) schilderte in seinem Vortrag die pastoralen Aktivitäten der Abtei Tennenbach bei der Betreuung der kleinen katholischen Gemeinde, die am Klosterort inmitten einer evangelisch gewordenen Markgrafschaft Hachberg verblieben war. Schwierigkeiten gab es besonders bei konfessionellen Mischehen und bei der pastoralen Betreuung der Klosteruntertanen in den Breisgaudörfern. Die noch heute auf dem ehemaligen Klostergelände erhaltene Kapelle diente nach der Reformation der katholischen Bevölkerung als Pfarrkirche. Die Geschehnisse der Säkularisation und die Aufhebung des Klosterlebens in Tennenbach analysierte VOLKER RÖDEL (Karlsruhe). Nachdem Tennenbach im Zuge der Säkularisation und der Reichsreform 1806 an das Großherzogtum Baden gefallen war, wurde das Kloster schonungslos aufgehoben. Tennenbach war für Baden eine lukrative Erwerbung, da das Kloster ein Gesamtvermögen von geschätzten 550.000 Gulden darstellte. In den leeren Gebäuden des Klosters ließen sich zunächst die Familien der Dienstleute und fremdes Volk nieder. Die Klostergebäude wurden schließlich auf Abbruch versteigert, so dass die Anlage allmählich zerfiel.

Die Vorträge des Colloquiums gaben insgesamt einen umfassenden Einblick in die thematische Vielfalt und Komplexität der historischen Entwicklung des Klosters Tennenbach während des Mittelalters und der Neuzeit. In den Diskussionen zu den einzelnen Vorträgen wurden Fragen und Probleme erörtert, die der Forschung zur Geschichte des Klosters Tennenbach neue Anstöße gaben und zu weiteren Studien im Kontext der neueren Kulturgeschichte anregten.

Konferenzübersicht:

Werner Rösener (Gießen): Einführung

Heinz Krieg (Freiburg): Zur Gründungsgeschichte des Klosters Tennenbach

Werner Rösener (Gießen): Grundzüge der Geschichte Tennenbachs im Mittelalter

Christian Stadelmaier (Gießen): Grangienwirtschaft und Agrarinnovationen in der Tennenbacher Grundherrschaft

Holger Sturm (Gießen): Das Tennenbacher Güterbuch im Kontext der Tennenbacher Handschriften

Christian Stahmann (Emmendingen): Hugo von Tennenbach – ein Tennenbacher Mönch des 13. Jahrhunderts

Philipp Rupf (Freiburg): Der Tennenbacher Konvent und seine Äbte im Mittelalter

Ulrike Kalbaum (Freiburg): Kirche und Baudenkmäler in Tennenbach

Carola Fey (Gießen): Sakrale Schätze des Klosters Tennenbach

Thomas Zotz (Freiburg): Das Kloster Tennenbach und seine Beziehungen zu den Städten des Oberrheingebiets

Casimir Bumiller (Freiburg): Das Kloster Tennenbach im Bauernkrieg

Hans-Jürgen Günther (Emmendingen): Pastorale Aktivitäten des Klosters Tennenbach

Dieter Speck (Freiburg): Tennenbach als landsässiges Kloster zwischen Krisen und Konfession (1368 – 1632)

Volker Rödel (Karlsruhe): Die Säkularisation des Klosters Tennenbach (1806)


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts